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Begabung

By: RihaijdeRih
folder German › Originals
Rating: Adult +
Chapters: 11
Views: 4,622
Reviews: 24
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Disclaimer: This is a work of fiction. Any resemblance of characters to actual persons, living or dead, is purely coincidental. The Author holds exclusive rights to this work. Unauthorized duplication or commercial use is prohibited
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Der Besuch des reisenden Händlers

Es war der erste Frühling, den Arlyn nun auf Germons Hof erlebte. Der Winter war noch recht hart gewesen mit viel Schnee und nur wenigen Wochen ohne strengem Frost. Bis in den März hatte er sich hineingezogen, das Land fest im Griff gehabt. Aber er war nun endlich vorbei. Erleichtert genoss Arlyn das Gefühl der warmen Sonne auf der Haut, als er morgens die Hühner fütterte.
In den kalten Temperaturen des Winters war ihm die ganze Arbeit besonders schwer gefallen. Nun, wo die Temperaturen beständig stiegen, die Sonne länger schien, war alles leichter geworden. Zwar war er gegen Ende des Winters schon deutlich härter im Nehmen geworden, dennoch begann nun die Zeit des Jahres, die er besonders liebte. Rings um ihn sangen Vögel und die ersten Schmetterlinge flatterten hinter dem Gartenzaun auf und ab. Es war noch früh am Morgen und der Hof begann sich nur langsam mit Leben zu füllen.
Das Gefühl beobachtet zu werden war schon lange nicht mehr aufgetreten und Arlyn fühlte sich seither selber viel sicherer. Noch immer konnte er sich an nichts vor seiner Zeit hier erinnern, aber die Albträume an deren Inhalt er sich nach dem Aufwachen ebenso wenig erinnern konnte, waren auch weniger geworden.
Er würde wohl damit leben müssen, dass seine Vergangenheit verloren war, aber er fühlte sich in seinem jetzigen Leben durchaus auch wohl genug, um darauf verzichten zu können.

Piju trat aus dem Haus, reckte sich und winkte lächelnd zu ihm herüber. Er verschwand im Pferdestall, wo er wohl mit der Heufütterung beginnen würde.
Arlyn hatte ihn etwas genauer beobachtet, seit jenem Tag, als Jiksan behauptet hatte, er würde ihn auf eine besondere Art ansehen, aber seither hatte Piju sich ihm nie wieder so genähert. Er suchte seine Nähe, ja, sie verbrachten oft mehrere Stunden zusammen und immer wieder berührte ihn der junge Mann, legte mal seinen Arm um ihn oder drückte seine Hand, aber nie mehr hatte er ihn so in den Arm genommen und an sich gedrückt.

Arlyn war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Er hatte es genossen aber irgendwie hatte es ihm auch unerklärlicherweise Angst gemacht. Vielleicht hatte Piju es gespürt und es daher nicht wiederholt. Aber seine kleinen Geschenke, wie das seidige Fuchsfell, einen ledernen Beutel und ein paar warme Fellhandschuhe für seine stets blaugefrorenen Finger, hatte Arlyn immer sorgfältig verwahrt. Sie waren ihm überaus kostbar.

Dieses Jahr würde Piju im Mai seine Mannweihe feiern, war dann ein volles Mitglied des Männerrates und durfte sich seine Frau suchen. Ob er dann wohl noch so viel Zeit mit ihm verbringen würde?
Bislang hatte er sich noch für keins der Mädchen interessiert. Wie sich auch keine für den großen, schweigsamen Jungen interessierte. Frenja tat es immer damit ab, dass er ihnen etwas unheimlich sei, weil er immer so brummig wirkte und langsamer im Denken war. Schließlich war er groß, kräftig und von gutem Wuchs, es würde auf jeden Fall eine Frau geben, die ihn attraktiv finden würde, meinte sie zuversichtlich.

Manchmal verließen die Jungmänner auch den Hof auf der Suche nach ihrer Lebensgefährtin, etwas, vor dem sich Arlyn fürchtete. Piju war für ihn etwas wie ein Beschützer. Wenn er gehen würde, dann war er ganz alleine hier. Gut, Jiksan war da und körperlich konnte der es bald schon mit seinen anderen Brüdern aufnehmen, aber er war eben wirklich noch ein Kind.
Neben ihm wirkte Arlyn noch immer viel jünger. Auch wenn er nicht wusste, wie alt er wirklich war, nahm Frenja einfach an, er wäre in Klyndas Alter. Merkwürdig an ihm war nur, dass er keinen Ansatz zum Bartwuchs zeigt und auch seine Brust blank und haarlos war. Manchmal wünschte er sich, er wäre mehr wie die Anderen, weniger auffällig, weniger anders. So groß, so kräftig wie sie. Einfach wirklich einer von ihnen.
Wann immer er etwas damit haderte, hatte ihn Frenja zur Seite genommen, ihm bewundernd durch sein helles Haar gestrichen und ihm gesagt, dass er vielleicht kein Sohn der Götter sei, aber immerhin doch ein Geschenk der Götter für sie alle sei und er diese Gabe, die ihm die Götter gegeben hätten, seine Schönheit, doch einfach akzeptieren sollte.

Bald schon war er mit seinen Arbeiten fertig und ging in den Pferdestall um Piju mit dem Heu zu helfen bevor sie zum Frühstück ins Haus gingen. Am Frühstückstisch wurden dann die Aufgaben des heutigen Tages besprochen.
Germon schickte Jiksan und Arlyn hinunter zum Bach, Schilf holen, welches sie als Einstreu für die Tiere nutzten. Bald schon würden die Tiere den Stall ganz verlassen und im dichten Gras auf ihren Weiden stehen, aber noch wuchs das Gras nur spärlich. Die Strohvorräte waren fast aufgebraucht und so mussten sie sich mit dem trockenen Schilf begnügen, welches den Bach säumte.
So standen die beiden bald schon im Ufergürtel des Baches, schnitten das lange Schilfgras und türmten es zu Haufen auf, die Piju mit dem Pferdewagen dann abholte. Es war keine allzu schwere Arbeit und sie genossen die warme Luft an diesem Frühlingstag.
Gegen Mittag brachte ihnen Piju ihr Essen mit und sie setzten sich in die Sonne und verspeisten mit Appetit die schrumpeligen Winteräpfel, das getrocknete Fleisch und frisches Brot. Wässriges Bier zum Hinunterspülen, hatte Piju ebenfalls mitgebracht.

„Hast du dir eigentlich schon eine Frau ausgesucht?“, fragte Jiksan seinen ältesten Bruder nach einer Weile plötzlich unvermittelt. „Immerhin hast du in einem Monat deine Weihe und wirst ein echter Mann.“
Piju sah ihn beinahe böse an, sein Blick huschte kurz zu Arlyn.
Er brummte nur verneinend.
„Was ist denn mit der Hysla?“, fragte Jiksan neugierig. „Ihr Vater hat de Lehmgrube oben im Wald und ihre Mutter ist wie sie eine gute Töpferin.“
„Mag ich nicht“, sagte Piju einfach, stocherte mit einem Stöckchen in der Erde herum.
„Wenn denn sonst? Die Slonda ist immer so albern und Findja ist ganz schön dick.“
„Keine davon“, brummte Piju. „Sind alle nicht so schön.“
„Na, hör mal“, protestierte Jiksan. „Slonda ist doch hübsch. Sie hat eine gute Figur, ganz ordentlich Busen und lange, schwarze Haare. Klynda läuft ihr auch schon hinterher, aber der ist ihr noch zu jung.“
„Nicht so schön“, sagte Piju entschlossen, stieß seinen Stock heftig in die Erde.
Jiksan lachte.
„Na, so wirst du wohl keine finden, Piju. Am Ende musst du noch sehen, wer übrig bleibt. Oder du nimmst die Elgra, die wartet schon seit ihrer Weihe sehnsüchtig auf den Richtigen.“

Arlyn grinste, denn Elgra war in etwa doppelt so alt wie Piju und würde wohl eher als alte Jungfer enden, denn neben einem unansehnlichen Äußeren, hatte sie auch noch eine überaus scharfe Zunge und es war allgemein bekannt, dass sich Piju regelrecht vor ihr fürchtete.
„Nein“, sagte er denn auch sofort erschrocken, hieb nach seinem Bruder, der lachend aufsprang und im Schilf verschwand.
Arlyn wollte auch aufstehen und ihre Arbeit fortsetzen, als er Pijus Hand an seinem Arm fühlte, der ihn festhielt.
Fragend sah er sich nach ihm um.
Piju sah ihn an, schien mit sich zu ringen, schluckte mehrfach heftig dann öffnete er langsam den Mund, leckte sich nervös über die Lippen.
„Du bist viel schöner, Arlyn“, nuschelte er hastig leise, sah ihn noch einen Moment an, sprang dann beinahe erschrocken auf und ging eiligen Schrittes zum Pferdewagen zurück.

Verblüfft blieb Arlyn zurück, sah ihm hinterher. Was hatte das nun zu bedeuten gehabt? Wollte ihm Piju sagen, dass er schöner war, als die Frauen, die er wählen konnte? Aber das konnte er doch nicht ernst meinen. Immerhin war er ein Mann. Er wurde aus ihm nicht ganz schlau.
Er sah ihm hinterher, als er hastig zurück zum Hof fuhr, zuckte dann mit den Schultern und kehrte an seine Arbeit zurück.

Am Nachmittag breitete sich Unruhe auf dem Hof aus, als einer der Müllersöhne zu Germon kam und freudig erzählte, dass sie den fahrenden Händler oben von der Mühle aus gesehen hatten und er bald schon hier eintreffen müsste.
Freudige Erregung erfasste die Hofbewohner. Der Hof lag sehr abgeschieden und bot den Menschen, die auf ihm lebten, im Prinzip fast alles, was sie benötigten. Aber ein- oder zweimal im Jahr kam ein Händler mit seinem Wagen vorbei und es war immer ein besondere Tag, weil er spezielle Waren hatte, die man so nicht herstellen konnte.
Die nächste Ortschaft war über zwei Tagesreisen entfernt und Germon suchte sie daher nur überaus selten auf. Umso willkommener waren die Besuche des Händlers. Sofort wurden alle Vorbereitungen getroffen, um den Gast willkommen zu heißen.

Als der Händler auf den Hof gerollt kam, versammelte sich eine große Schar Kinder um ihn und auch die anwesenden Erwachsenen begrüßten ihn sofort erfreut.
Nach der lange Reise wurde er erst einmal ins Haus geladen, um am Abendbrot der Familie teilzunehmen. Während seines Aufenthaltes war er völlig selbstverständlich Gast in Germons Haus. Sein Besuch war auch willkommen, um neues aus der Welt außerhalb des Hofes zu erfahren.

Frenja tischte ordentlich zum Abendbrot auf und schickte Klynda hinaus, um auch Arlyn und Jiksan, die noch nicht wieder da waren, sich, wie öfters, verspäteten, endlich herein zu holen.
Er fand beide schon auf dem Rückweg vom Bach und rief ihnen zu, sich zu beeilen, weil ihre Mutter sonst ihr Essen den Schweinen geben würde und dass wäre schade, denn es gäbe heute einen Braten., weil der Händler da sei. Die zwei Jungen beschleunigten sofort ihre Schritte und folgten dem älteren Jungen in die große Wohnküche.

Der Händler saß bereits am Tisch und sprach bereits mit Germon dem Wein zu, den dieser anbot.
Er war ein dicker, behäbiger Mann mit einem dichten, schwarzen Bart und verfilzten, schwarzen Haaren. Den Winter hatte er in einer der größeren Ansiedlungen weiter südlich verbracht, bis er wieder zu seiner Reise aufgebrochen war. Während er seine Reise von Hof zu Hof durch die nördlichen Länder machte, waren die Abende und Nächte auf den Höfen zweifellos überaus angenehm. Sonst schlief und lebte er in seinem Pferdewagen und so genoss er die Annehmlichkeiten der Gastfreundschaft in vollen Zügen, ein Dach über dem Kopf und ein weiches Bett. Ab und an fand er sogar ein wenig Gesellschaft darin, er war da nicht sehr wählerisch. Zufrieden prostete er Germon zu. Dieser Hof lag so weit abgeschieden, das er meistens nur einmal her kam, aber Germon war immer überaus großzügig, zahlte ihm jeden Preis ohne zu feilschen und seine Frau Frenja kochte wirklich gutes Essen.

Lächelnd goss Germon auch seinen zwei ältesten Söhnen Wein ein und verdünnte den Wein mit Wasser für die übrigen, was Jiksan mit seinem üblichen Gequengele quittierte, kaum hatte er sich gesetzt. Der Händler war mitten in einer Geschichte über die Gerüchte von Krieg in den nördlichsten Ländern, als sein Blick auf den schmalen blonden Jungen fiel, der hinter dem anderen den Raum betrat.

Offenen Mundes starrte er den Jungen an, brach mitten im Satz ab.
Germon folgte seinem Blick und lächelte Arlyn zu, der bei dem überraschten Blick des Händlers stehen geblieben war und sich unwohl umsah.
„Bei den Göttern“, stieß der Händler hervor und Germon lachte ob seines verblüfften Gesichts. Es war ja selten, dass sie Fremde auf dem Hof hatten, aber er wusste mittlerweile, welche Wirkung der fremde Junge auf die Menschen hatte, die ihn nie zuvor gesehen hatten. Er war einfach nur schön und mit seiner exotischen Erscheinung stach er unter allen Anderen hervor.

Der Händler starrte den Jungen weiterhin unverwandt an. Arlyn wand sich sichtbar unter dem Blick, senkte den Kopf und nahm seinen Platz am Tisch neben Jiksan ein.
Die Augen des Händlers folgten ihm und Germon beobachtet amüsiert, wie er die anscheinend die Gestalt des Jungen bewunderte. Er grinste und erlöste Arlyn von der Musterung, indem er sich räusperte, dem Händler, den Jungen vorstellte.

„Das ist Arlyn, Master Wingur. Wir fanden ihn verletzt im Wald und nun ist er einer meiner Söhne geworden“, lenkte er die Aufmerksamkeit des Händlers wieder auf sich.
Der wandte kurz den Kopf, konnte aber sichtlich den Blick nicht ganz von dem Jungen abwenden.
Amüsiert bemerkte Germon, wie Piju dem Händler nun finstere Blicke zuwarf, weil der noch immer Arlyn anstarrte und dieser immer unruhiger auf seinem Stuhl hin und her rutschte.

Sichtlich riss sich Master Wingur von seinem Anblick los und versuchte seine Aufmerksamkeit wieder Germon zu widmen, aber während des gesamten Abends, wanderten seine Blicke immer wieder zu dem rotblonden Jungen.
Arlyn fühlte sich immer unwohler. In der Gemeinschaft des Hofes hatten sich alle an seinen Anblick gewöhnt und er hatte bislang auch nur selten Fremde getroffen. Meistens waren es welche von den Nachbarhöfen. Umso unangenehmer war ihm diese offensichtliche Musterung durch Master Wingur.

Arlyn und Jiksan gingen früh hinauf. Arlyn um dem unangenehmen Blicken des Mannes zu entkommen und Jiksan, der nun mit Arlyn das Zimmer teilte, folgte ihm ohnehin fast immer und überall hin.
Als sie in ihren Betten lagen drehte sich Jiksan zu seinem Freund herum, betrachtete ihn.
„Master Wingur starrt dich so an, wie Klynda die Rindja, die Tochter vom Schweinehirten. Immer wenn er glaubt, sie sieht es nicht, schaut er sie so an. Vor allem, wenn wir unten am Fluss baden“, stellte er fest.
Arlyn sah ihn überrascht an. Er war den Blicken ja vor allem ausgewichen.

„Nun, Klynda mag Rindja wohl. Sie sieht doch auch wirklich gut aus“, erklärte er.
Jiksan gab ein abfälliges Schnauben von sich.
„Klynda starrt fast jedem Mädchen so hinterher. Aber Master Wingur darf dich doch nicht auch so anschauen. Er ist ein Mann und du doch auch.“

Arlyn schwieg zunächst, erklärte dann aber: „Er hat mich nur noch nie gesehen. Ich sehe eben anders aus, als die meisten hier.“
Jiksan brummte vor sich hin.
„So schaut er aber nicht“, beharrte er störrisch. „Piju sieht dich auch oft an, aber der mag dich auch. Aber der sieht dich trotzdem nicht so an“, sagte er noch und drehte sich dann wieder herum.
Nachdenklich rollte sich Arlyn in seine Decke.
Er grübelte noch über Pijus Worte heute nach, spürte wieder seinen Griff an seinem Arm. Warum hatte er ihm nur so etwas gesagt?
Seufzend drehte er sich herum, hörte Jiksan ruhige Atemzüge, aber Arlyn folgte Master Wingur durchdringender Blick noch in seine Träume hinein. Wieder fühlte er sich beobachtet, als ob direkt hinter der Schwärze seiner Erinnerungen etwas lauern würde, bereit, sich auf ihn zu stürzen, wenn er einen falschen Schritt machte, sich eine Lücke in dieser Schwärze auftat.


Am folgenden Tag, baute der Händler seine Waren auf Tischen im Innenhof auf und die ganze Hofgemeinschaft wühlte sich begeistert durch Stoffe, Haushaltsgeräte, Waffen, Spielzeuge und Spezialitäten, die aus der fernen Welt jenseits ihres Hofes gekommen waren.
Auch Germons Jungen waren natürlich darunter.

Piju war bald schon versunken in den Anblick eines eleganten Messers mit verziertem Knauf, welches er fast liebevoll in seinen Händen hin und her drehte und begeistert Arlyn zeigte.
Der bewunderte den feinen Griff, der mit einem so blankpolierten Griff versehen war, dass man sich drin spiegeln konnte.
„Eine Arbeit aus dem Süden“, sagte Master Wingur, der Pijus Interesse natürlich sofort richtig einschätzte. „So etwas bekommt man hier im Norden nur selten. Solche Messer werden aus einem ganz besonderen Holz von der südlichen Küste gefertigt und in unglaublich langer Schleifarbeit so poliert.
„Wunderschön“, sagte Piju ehrfürchtig, bewegte es im Sonnenlicht hin und her, bis sein Vater ihn anlächelte und ihm zunickte.
„Das ist genau etwas für dich Piju. Ich denke, du hast es dir verdient.“

Die Augen des jungen Mannes wurden groß und er freute sich beinahe kindlich über das Geschenk. Wieder und wieder zeigte er es allen, war ganz versunken in den Anblick.
Während die anderen Jungen begeistert weiter in Master Wingurs Waren stöberten, stand Arlyn etwas abseits, berührte zögernd die fremden Waren und Stoffe.
Master Wingur beobachtete ihn eine Weile lang, wie er hier und da etwas hoch hob und es betrachtete.

„Kannst du mir kurz helfen, Junge?“, sprach er ihn dann direkt an. Arlyn blickte auf und drängte sein unangenehmes Gefühl beiseite, als ihn wieder der Blick des Mannes traf. Er nickte zögernd und trat zu Master Wingur. Der winkte ihm, ihm zu folgen. „Da sind noch zwei Kisten, die ich vom Wagen holen möchte. Du kannst mir tragen helfen. Da sind noch andere fantastische Sachen bei, die dir bestimmt auch gefallen werden.“

Arlyn folgte ihm zu den Stallungen, wo der große Wagen des Mannes stand und sein schwarzes Pferd untergebracht waren. Sie traten hinter den Wagen und Master Wingur stieg hinein um die Kisten zu holen. Er reichte ihm eine herab, aber als sich Arlyn umwandte, um die Kiste zum Hof zu tragen, hielt ihn der Händler kurz am Arm zurück.
Arlyn zuckte sofort zusammen, wollte sofort zurückweichen, beherrschte sich jedoch, als der Händler sagte: „Warte, hier ist noch etwas, was ich dir gerne zeigen möchte. Stell die Kiste ruhig ab und komm mal hoch.“

Er sah den zögernden Jungen auffordernd an.
Arlyn fühlte sich unwohl. Die Situation machte ihm Angst, ohne dass er sagen konnte warum. Der Mann hatte ihm schließlich nichts getan. Er bat ihn lediglich um etwas Hilfe, was war daran schon bedrohlich? Trotzdem wollte er nur ungern zu ihm in den Wagen steigen. Aber er bat ihn schließlich um Hilfe, er konnte kaum so unhöflich sein und es ablehnen.
Also stellte er die Kiste ab und folgte Master Wingur auf den Wagen.
„Komm hierher“, hörte er die Stimme des Mannes im Wageninnere und noch bevor sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, fühlte er, wie ihm der Mann eine Hand auf den Mund presste, ihn hart zu Boden stieß.
Arlyn war wie gelähmt vor Schreck, vermochte sich nicht zu rühren, als Master Wingur sich über ihn kniete und ihn weiter zu Boden drückte.
„Bleib einfach still liegen, dann werde ich dir nicht wehtun. Wenn du tust, was ich dir sage, wird dir nichts passieren“, zischte er mit dunkler, hektischer Stimme.
Arlyn blieb stocksteif liegen, vermochte nicht sich zu rühren und konnte kaum klar denken. Sein Verstand schrie ihm zu sich, zu wehren, aber etwas Anderes in ihm brachte ihn dazu, still liegen zu bleiben, sich nicht zu rühren, es einfach zu ertragen.
Als der Händler mit seiner freien Hand über sein Gesicht fuhr, verkrampfte er sich immer mehr und seine Angst sprengte ihm fast die Brust. Er wollte schreien, aber die Hand auf seinem Mund hielt ihn auch fest zu Boden gepresst. Als die Hand des Händler tiefer glitt und sich an seiner Hose zu schaffen machte, bäumte sich Arlyn heftig auf und sein Verstand siegte über sein Starre.
Er wand sich heftig und versuchte der Berührung zu entfliehen. Seine Hände zerrten krampfhaft an den Armen des Mannes, er versuchte mit seinem Körper den Mann von sich zu drücken, der ihm heftig und erregt atmend zu zischte: „Halt still mein Schöner. So ein Juwel.Ich werde dir nicht weh tun. Halt still und lass mich gewähren. Du wirst es genießen.“

Aber Arlyn dachte gar nicht daran, er kämpfte um seine Freiheit. Seine Füße traten gegen die Wände des Wagens und er hörte wie etwas scheppernd zu Boden fiel.
Master Wingurs Hand tastete sich weiter, zerrte an seinem Hemd, glitt darunter. Erneut bäumte sich Arlyn heftig auf und es gelang ihm, einen erstickten Schrei unter der Hand auszustoßen.

Plötzlich verschwand die tastende Hand unter seinem Hemd und von seinem Mund. Der Körper des Mannes über ihm wurde ruckartig von ihm weggerissen.
Arlyn hörte wie Master Wingur einen erschrockenen, schmerzhaften Laut von sich gab, als er von groben Händen gepackt wurde und vom Wagen zu Boden gestoßen wurde. Arlyn sprang rasch auf und sah wie Piju vom Wagen sprang und sich breitbeinig über dem erschrockenen Händler aufbaute und ihn böse anfunkelte.

„Es war doch nur ein Spaß. Ich wollte nichts von dem Jungen. Nur ein Spaß“, versuchte sich der dicke Händler zu retten. Piju stand starr und hielt sein neues Messer stoßbereit in der Hand, blickte kurz zu Arlyn herüber der zitternd vom Wagen kletterte.
„Alles okay?“, stieß er hervor und Arlyn nickte nur, fassungslos, was gerade geschehen war. „Hat er dir weh getan?“, fragte Piju nach, aber er schüttelte nur den Kopf.
Piju sah, wie er sich die Hose zurecht zog und sein Hemd rasch wieder hineinsteckte. Kalte Wut überkam den jungen Mann, der ahnte, was der Händler da gerade mit dem schönen Jungen vorgehabt hatte.

„Verfluchter Mistkerl. Er ist mein Bruder und wenn du noch einmal wagst ihn anzurühren, werde ich mehr als dies hier mit dir tun!“, stieß Piju zornig hervor und stieß sein neues Messer dem dicken Mann in die Hand. Der schrie auf vor Schmerz und Überraschung , wich entsetzt vor ihm zurück.
Piju wischte sich das Messer am Bein ab, beachtete ihn nicht weiter. Er trat zu Arlyn, der ihn nur erschrocken ansah, nicht fassen konnte, was Piju da gerade getan hatte.

Der musterte ihn kurz, zog ihn dann einfach am Arm mit sich. Der Händler hinter ihnen fluchte und jammerte, aber sie beachteten ihn nicht weiter. Piju zog Arlyn mit sich bis sie in der Stallgasse waren. Dort wandte er sich zu ihm um, ergriff seine Schultern und drückte ihn gegen die Wand. Sorge war in seinem Blick und mehr, als Arlyn sagen konnte. Ängstlich sah er den großen Mann an. Durcheinander, was da gerade alles geschehen war.

„Niemand darf dich anfassen, Arlyn“, flüsterte er ihm ins Gesicht. „Niemand dir wehtun. Dafür sorge ich. Niemand.“
Er wollte wohl noch mehr sagen, Arlyn merkte, wie er zögerte und sich dann rasch abwandte. Arlyn wusste nicht, was er sagen sollte, wie er Piju danken konnte. Er war noch immer wie gelähmt von dem Erlebten. In ihm wütete etwas, als ob es hinaus gelangen wollte, etwas was heiß unter der Oberfläche seiner Haut brodelte, kaum zu kontrollieren. Er fürchtete sich davor, fürchtete was in ihm war.

Da drehte sich Piju plötzlich wieder zu ihm um und meinte: „Erzähl nichts davon. Muss keiner wissen!“ Arlyn nickte stumm, ließ es zu, das Piju ihn an der Hand nahm, mit sich hinaus auf den Hof zog. Ihre Hände lösten sich erst, als sie zu den Anderen traten. Piju trat vor an den Tisch des Händlers, warf sein Messer darauf zurück.
Sein Vater sah ihn erstaunt und fragend an, aber er brummte nur: „Will es nicht.“
Er fügte an Arlyn gewandt zu: „Komm mit, nach den Schafen schauen.“
Er zog ihn einfach mit sich und Arlyn folgte ihm willig, noch immer verwirrt von dem Erlebnis, vor allem aber von den merkwürdigen Gefühlen die in seinem Inneren zu toben schienen und sich nur langsam wieder beruhigten. Für einen kurzen Moment hatte er das Gefühl von unglaublicher Macht verspürt, aber dann war da wieder nur die dicke Mauer, an die er immer stieß, wenn er in sich nach seiner Vergangenheit suchte.

Germon sah ihnen überrascht nach, wunderte sich umso mehr, als etwas später Master Wingur erschien, seine Hand einbandagiert und erklärte, er habe sich leider dumm geschnitten, als er Waren aus dem Wagen holen wollte.
Er lehnte auch dankend ab, als ihn Germon einlud noch einen Tag zu bleiben, er erklärte, er müsse dringend weiter, seine Geschäfte würden keinen Aufschub dulden.
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