A Past and Future Secrets
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Disclaimer:
I do not own the Forgotten Realms books. I do not make any money from the writing of this story.
Die Entscheidung
2. Kapitel
Die Entscheidung
Die Sonne ging gerade auf und die kleine Familie erwachte aus ihrem kurzen und unruhigen Schlaf in dieser so holprigen und turbulenten Nacht.
Artemis war der Erste, der seinen Augen öffnete und sich sichtlich noch etwas verwirrt in der kleinen Felsenschlucht umschaute. Er dachte über die vergangenen Ereignisse dieser Nacht nach und wollte und konnte es irgendwie nicht glauben, was alles geschehen war. Erst seine Rettung durch seine zwei Freunde, dann die seltsame Wiedergeburt und seine wundersame Genesung. Soviel auf einmal und er war froh, dass sich eines nicht verändert hatte und zwar seine Liebe zu Drizzt. Außerdem hatte er seine Adoptivtochter, die er abgöttisch liebte. Während Artemis jetzt langsam mit einer Hand vorsichtig über Drizzts Wange streichelte, wurde auch dieser aus seinem tranceähnlichen Schlaf wach. Und der junge Drow begrüßte seinen Geliebten mit einem freundlichen Lächeln. Doch erst nachdem sich der Dunkelelf vergewissert hatte, dass die kleine Diana noch schlief, rückte er näher an Artemis heran, um sich an ihn zu kuscheln. Beide lagen eng umschlungen nebeneinander und tauschten innige Küsse aus. Wobei sie allerdings genau darauf achteten, dass niemand sie dabei beobachten konnte, besonders nicht das Mädchen. Ihre Zweisamkeit hielt allerdings nicht lange an, denn Jarlaxle kam, kaum dass die beiden sich zärtlich aneinander schmiegten, unverhofft von seinem Wachplatz am niedergebrannten Lagerfeuer herüber geschritten.
“Guten Morgen ihr zwei Liebenden … geht es euch gut?“, erklang die Stimme des listigen Drow, der dabei ein breites Lächeln auf den Lippen trug.
Eigentlich hatte er nicht vor seine beiden Freunde zu stören, aber die ganze Nacht über kreisten seine Gedanken immer nur über zwei Dinge, ob Artemis nun eine wirkliche Begegnung mit dem Magier Calaunim und ob er nicht einen tödlichen Fehler mit Drizzts Haarsträhne begangen hatte. Eine weitere, für ihn fast noch wichtigere Angelegenheit, musste ebenfalls dringend geklärt werden, wo sollten sie für die nächsten Jahre Unterschlupf oder gar ein Zuhause suchen und finden. Jarlaxle musste sich eingestehen, dass er sich wirklich Sorgen machte. Er fragte sich, ob er wirklich alt wurde oder ob es etwas anderes sein könnte. Aber der Dunkelelf war sich sicher, dass er dies herausfinden würde und dringend an seinen Prioritäten arbeiten müsste. Bei dem Gedanken huschte erneut ein breites Lächeln über sein Gesicht.
“Habt ihr auch Hunger? Diana hat nichts vom Kuchen übrig gelassen oder vielleicht doch?“, sprach er den jungen Drow und Artemis an, die ihn sichtlich etwas genervt anschauten. Dabei schaute Jarlaxle tatsächlich zu der Stelle, an der er vermutete, dass seine Nichte vielleicht wirklich ein Stück des Kuchens versteckt haben könnte.
“Nein, habe ich nicht … ich wäre dir allerdings sehr verbunden wenn du selbst suchen würdest“, kam die trockene Antwort von Artemis, der ganz anderen Gedanken nach hang, als er die Hand seines Geliebten streichelte.
“Ich störe euch nur ungern, aber zum kuscheln bleibt später auch noch Zeit. Wir sollten uns lieber erst einmal Gedanken machen, wo wir für die nächsten Jahre Unterschlupf finden wollen und unser Schatz auch groß werden könnte. Was haltet ihr denn davon?“, antwortete Jarlaxle ebenfalls trocken.
“Du schaffst es immer wieder den schönsten Momenten mit deiner feinfühligen Art die besondere Note zu verleihen“, sagte Artemis in seinem gewohnt sarkastischem Unterton und küsste ein letztes Mal Drizzt, weil er fürchtete seine Tochter könnte jeden Moment wach werden.
Und mit seiner Vorahnung lag er ziemlich richtig, denn das Mädchen öffnete plötzlich die Augen, streckte sich gemütlich unter ihrer Wolldecke und schaute danach direkt zu Jarlaxle, Drizzt und ihren Vater hinüber.
Als sie alle drei erblickte, strahlte Diana über beide Ohren, riss sich die Decke weg und rannte mehr oder weniger zu ihrem Vater und schloss ihn in ihre Arme. Artemis erwiderte ihre zärtliche Umarmung, als sie plötzlich los ließ und Drizzt fest umklammerte. Dabei huschte jetzt auch endlich dem jungen Dunkelelfen ein freudiges Lächeln über die Lippen und auch er erwiderte ihre Liebkosung. Dann ließ sie ihren Onkel los. Doch anstatt zu Jarlaxle hinüber zu gehen, wie sie es öfters bereits getan hatte, blieb sie vor dem älteren Drow stehen und funkelte ihn mit ihren grünen Augen an. Während dessen erschien ein Schmollmund auf ihrem Gesicht und sie sagte, „Onkel Jarlaxle, du warst nicht nett zu mir. Du bist ein ganz gemeiner Kuchen-Dieb-Onkel. Ich will Kuchen von dir.“
Kaum, dass das Mädchen die Worte ausgesprochen hatte, verfielen Artemis und Drizzt in lautes Gelächter und Jarlaxle stand da und blickte in gespielter, trauriger Miene hinunter zu seiner Nichte. Dann machte auch er einen Schmollmund und musste laut lachen.
“Wie mein Schatz befiehlt“, kam seine knappe Antwort, machte eine tiefe Verbeugung und tippte sich danach kurz an den seinen Hut. “Ganz der Vater!“
Im Laufe des Vormittags saß die kleine Familie um die Lagerstelle in der kleinen Felsenschlucht. Über dem Feuer schmorten zwei erlegte Hasen, die Drizzt gejagt hatte und die drei Freunde mussten eine wichtige Entscheidung fällen. Sie benötigten dringend einen Ort, an dem sie und vor allem Diana normal leben und aufwachsen konnte. Wenn man überhaupt von normalen Lebensumständen reden kann, denn ihre drei Adoptivväter konnte man kaum als konventionelle Familiengemeinschaft bezeichnen. Bei der hitzigen Diskussion fielen dann Ortsnamen wie Calimhafen, Amn, Schneeflockengebirge und auch der Name Silbrigmond. Und letzter war ein Ort, der für seine Toleranz in ganz Faerûn, ja selbst in ganz Toril bekannt war. Silbrigmond die Stadt für Philosophen und Künstler, das Juwel des Nordens.
Zuerst fand Artemis diese Vorstellung recht amüsant, doch ihm wurde schmerzlich bewusst, dass er ja nun offiziell unter den Toten weilte und somit könnte er sich wohl auch kaum unter seinem richtigen Namen vorstellen. Der Mann kannte diese Stadt, hatte er doch selbst einige Zeit nach seinem schmerzlichen Besuch in Menzoberranzan dort gelebt. Und Drizzt brachte ein Argument in ihre Diskussion, er sei immerhin ein guter Freund von Lady Alustriel, der Herrscherin von Silbrigmond. Wenn er mit seinem Namen und seiner Ehre einstehen würde, dann dürfte einem Leben in dieser wunderschönen Stadt nichts mehr im Wege stehen. Jarlaxle war von dieser Idee mehr als angetan. Er kannte Lady Alustriel, zwar selbst nur vom Namen und ihrem grandiosen Kampf um die Zwergenfeste Mithril-Halle vor vielen Jahren. Ihre Schönheit und ihre Kraft waren über das ganze Land weit verbreitet und es ließ dem Drow nur ein breites Grinsen auf dem Gesicht erscheinen, wenn er den Gedanken leise und heimlich für sich selbst weiterführte.
Letztendlich fiel die Entscheidung der drei Freunde auf Silbrigmond und Artemis verdrängte er den letzten Rest seiner Angst, dass seine wahre Identität auffliegen könnte und wollte sich der Gefahr für seine Tochter und seine große Liebe ins Auge sehen. Sie saßen danach gemütlich um das glimmende Feuer herum und aßen gemütlich zu Mittag.
Gegen Nachmittag machten sich die drei Freunde, zusammen mit der kleinen Diana auf den Weg nach Silbrigmond. Viel Gepäck hatte keiner von ihnen und so ging es schnell in Richtung Süden. Zuvor beschlossen sie den bequemen Planwagen von Bruenor stehen zu lassen. Er würde sie nur stören, denn mit dem Wagen war es unmöglich unauffällig und abseits der Handelsstraßen zu reisen. Wenn sie auf diesen kleinen Komfort verzichten mussten, wäre ihre Wanderung dadurch auch geschützter und ging schneller voran. Jarlaxle und Artemis hatten nämlich beschlossen, sich nach Möglichkeit durch unbewohntes Land zu bewegen, um unliebsamen Begegnungen von vorn herein auszuschließen. Drizzt war es fast schon egal, Hauptsache sie würden es überhaupt bis in das Juwel des Nordes schaffen, wo sie endlich Ruhe finden konnten. Den Gedanken, dass Lady Alustriel sie abweisen könnte, verdrängte der junge Dunkelelf dabei.
In der nächsten Woche führte sie ihr Weg nach Mirabar, um das sie jedoch großzügig einen Bogen machten. Dann ging es weiter nach Osten. Sie schlugen sich durch fast schon unwegsames Gelände oder durch weite Ebenen an den Ausläufern des Grats der Welt entlang. Die einzige Person, die dabei ihren Spaß zu haben schien war die kleine Diana. Bei jeder Rast war sie die Erste die freudig durch die Gegend sprang und dabei wild zwischen den beiden Dunkelelfen und ihrem Vater umher lief. Während Artemis, Drizzt und manchmal auch Jarlaxle sich bei der Jagd abwechselten, hatten sie ständig ein wachsames Auge auf Diana. Bisweilen gab sie nicht mal mehr Ruhe, weil sie mit ihrem kleinen Holzschwert üben wollte. Dann war es Drizzt oder Jarlaxle, die sich eine halbe Stunde Zeit nahmen und mit ihrer kleinen Nichte übten. Die beiden Dunkelelfen erkannten, dass sie jetzt schon mit ihren jungen Jahren ein Talent entwickelte, sie war sehr schnell von Begriff und verstand die Erklärungen ihrer beider Onkel schon fast beim ersten Mal. Jarlaxle war auf seine eigene Art sogar sehr stolz auf seine kleine Nichte, was ihm stets ein breites Lächeln auf sein Gesicht zauberte.
Artemis ließ sich während den Spielstunden dabei öfters dazu hinreißen, wieder seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Er wurde sich nur allmählich bewusst, was alles in den letzten Tagen und Wochen geschehen war. Soeben saß der Mann wieder da und grübelte über die Situation nach, da kam Diana gerade auf ihren Vater zu gerannt. Als er die Stimme seiner Tochter vernahm schaute er auf, und sie warf sich geradewegs in seine Arme.
Beide umarmten sich innig und Diana fragte ihren Vater unerwartet etwas, was ihn beinahe die Fassung raubte.
“Papa, wieso sieht du eigentlich heute so hübsch aus?“, sagte das kleine Mädchen neugierig.
“Wie meinst du das denn Diana?“, kam die verblüffte Frage zurück an seine Tochter.
Er ließ Diana los, legte seine Hände auf die Schultern des Mädchens und ging mit seinem Oberkörper einige Zentimeter nach hinten, so dass er ihr genau in ihre grüne Augen schauen konnte. „Schatz, sag’ mir … was siehst du?“
“Du siehst seit heute morgen so jung wie Onkel Drizzt aus“, kam die die knappe Antwort des Kindes und sie lächelte einfach nur sanft ihrem Vater ins Gesicht. Und ohne weitere Worte umarmte sie Artemis erneut und flüsterte ihm ins Ohr, „So gefällst du mir aber besser“, und dann drückte sie ihm einen Kuss auf seine Stirn. Diana löste sich aus der Umarmung ihres Vaters und rannte zurück zu Drizzt, der nur einige Meter von den beiden entfernt stand und sein Pferd streichelte. Als er einen Seitenblick zu der Familienszene wagte, musste er augenblicklich lächeln, denn sein Geliebter machte sich wirklich gut in seiner Vaterrolle. Welch Ironie des Schicksals, schoss ihm bei diesem Bild nur durch den Kopf.
Artemis hatte in diesem Moment mit seiner Fassung zu kämpfen. Das Erlebnis mit dem Magier und die verdrängten Gedanken an seine Hinrichtung, sowie die wundersame Auferstehung wurden ihm erst jetzt richtig bewusst. Er war so beschäftigt damit gewesen, sich über seine zweite Chance zu freuen und seine zwei größten Schätze wieder um sich herum zu haben, dass er in der letzten Woche keine weitere Gedanken verschwendet hatte, sich zu fragen, was wirklich alles geschehen war. Das würde er allerdings dringend nachholen, schwor er sich und zwar so schnell wie möglich. Er wusste, dass die Lebensenergie des Drowopfers durch seinen Körper floss und ihn immer mehr stärkte. Außerdem war er sich endlich gewahr, dass er im Prinzip nur noch ein halber Mensch war.
Nur kurze Zeit später saßen die drei Freunde um ihr Lagefeuer versammelt und Artemis wollte jetzt die Möglichkeit ergreifen, um endlich die Gewissheit zuhaben, über die Dinge die bereits langsam in seinem Kopf Form angenommen hatten. So fragte er ohne Umschweife in die kleine Runde.
“Ich will jetzt die Wahrheit von Euch wissen. Was ist in der Höhle mit mir passiert?“
Verdutzt schauten Jarlaxle und Drizzt zu Artemis hinüber.
“Wie meinst du das?“, kam die kurze Antwort des älteren Drow.
“Lenk’ nicht vom Thema ab … Du weißt wovon ich spreche … ich will dir nur mal gesagt haben, meine Tochter sagte mir vorhin, ich sehe jünger aus. Also, was ist passiert?“, sprach jetzt erneut Artemis, der soeben seine ganze Geduld unter Beweis zu stellen versuchte, denn jetzt wollte er es wissen.
Drizzt hatte plötzlich ein sehr komisches Gefühl im Bauch, doch eine Erklärung für die seltsamen Dinge konnte er nicht abgeben. Er verstand sie ja selbst kaum und er war froh, als Jarlaxle sogleich auf die Frage des Mannes antwortete.
“Nun, eigentlich gibt es nicht viel zu erklären, mein Freund. Nachdem du wohl mit deiner geistigen Umnachtung einen Anflug von Selbstmitleid hattest und dich freiwillig dem Gericht gestellt hast, blieb uns nicht viel Zeit zum reagieren. Der Einzige, der bereit war mir auf der Stelle zu helfen war Kimmuriel … oder sagen wir mal, er schuldet mir den einen oder anderen Gefallen.“
Dann verstummte er für einen kurzen Moment, machte einen theatralischen Seufzer und studierte dabei sein Gegenüber Artemis. Doch dieser saß nur regungslos da, hatte seine grauen Augen starr auf den Drow gerichtete und hörte neugierig zu.
So erhob der ältere Drow erneut seine Stimme und sprach weiter, „An die Sache mit der Kugel kannste du dich doch bestimmt erinnern?“ und ohne eine Reaktion abzuwarten sprudelten die Worte aus dem Mund des Dunkelelfen jetzt unbeirrt weiter. „Dann ergab eines das andere. Kimmuriel meinte, er hätte einen mächtigen Zauberkundigen gefunden …einer der sich für diese Art von Macht verschrieben hat, die dir widerfahren ist und vor allen Dingen bereit war einem Menschen zu helfen. Was mich geritten hat, mich auf das folgende Angebot einzulassen weiß ich selbst nicht … vielleicht ein Anflug von Freundschaft?“
Jarlaxle war bei seinen eigenen Worten wieder bewusst, dass er darauf keine wirklich Antwort geben konnte. Wusste er es doch selber nicht, „Woher Kimmuriel den Magier kannte?“. Außerdem musste er aufpassen, seinen Fehler mit der Haarsträhne von Drizzt nicht zu erwähnen. So versuchte er munter weiter darauf los zu erzählen und sich geschickt aus der Affäre zu ziehen. „Der Magier benutzte ein Drowopfer und übertrug dessen Lebensjahren und –energie auf dich, mein Freund. Er hat dir mit diesem Ritual ein ausgiebiges Lebensgefühl geschenkt. Den Rest dürftest du noch wissen … immerhin warst du derjenige von uns, der ihn nach seinem plötzlichen Verschwinden gesehen hat. Und an deiner Stelle würde ich mich freuen, mein Freund … du bist jetzt ein Drow im Körper eines Menschen, nur das jetzt nicht nur die moralische Einstellung stimmt, sondern auch die Lebenserwartung. Übrigens muss ich Diana Recht geben, wenn ich mir das so anschaue siehst du wirklich jünger aus, als zuvor. Der Magier hat wirklich ganze Arbeit geleistet … der Zauber hat über Nacht wohl endgültig seine Wirkung entfaltet und nun wirst du für längere Zeit jünger und wohl angemerkt auch hübscher aussehen.“
„Wie schön“, kam die sarkastische Antwort des Mannes und schüttelte einfach nur noch mit dem Kopf.
Dann wandte sich auch Drizzt seinem Geliebten zu und betrachtete ihn genauer. Und irgendwie hatte seine Nichte tatsächlich Recht. Ihm war kurz nach der Verwandlung bereits aufgefallen, dass Artemis jünger wirkte und jetzt sah dieser fast aus wie fünfundzwanzig. Es fiel ihm nur nicht auf, weil er den ganzen Tag mit seinem Liebsten verbrachte, genau wie Jarlaxle und Diana. Zum ersten Mal wusste er auch, dass der Söldner die Wahrheit sagte. Ihm gefiel das neue Aussehen und musste kurz lächeln.
„Mit diesem guten Ergebnis hat wohl niemand gerechnet“, stellte der Söldner daraufhin fest und lächelte.
Artemis und Drizzt saßen beide still da und hörten der Stimme des Söldners zu, als Artemis Jarlaxle jäh anschrie, „Ein Experiment mit meinem Körper … schön, schön. Dir ist aber nicht der Gedanke gekommen, dass er vielleicht eine Gegenleistung verlangen wird, oder mein Freund?“
Die Worte „mein Freund“ spie der Mann mit solch einem Sarkasmus hervor, dass sogar Drizzt befürchtete, sein Geliebter könnte jeden Moment auf den Dunkelelfen neben ihm losgehen. Besonders weil Artemis instinktiv gerade an seinen Waffelgürtel griff und seinen juwelenbesetzten Dolch zog. Unbewusst strich er über den Knauf und dessen Klinge. Er wollte niemanden damit angreifen, aber der Gedanke an die ganzen Ereignisse war plötzlich wieder deutlich vor seinen geistigen Augen sichtbar.
“Bist du derjenige, der den Magier Calaunim Zaurahel gesehen hat?“, versuchte jetzt der junge Drow sich in die Unterhaltung einzumischen, um die angespannte Stimmung wieder etwas zu lindern. „Er hat dir einen Gefallen getan, wir werden jetzt gemeinsam alt. Wer fragt da noch nach der Bezahlung, die der Magier gefordert hat. Es ging doch sowieso auf Jarlaxles Kosten, wie ich annehme. Sollte man nicht einmal Glück im Leben haben?“
Artemis war sich im gleichen Moment nicht sicher, aber er behielt diesen Gedanken fest in seinem Hinterkopf. Er fragte sich erneut, wieso ausgerechnet er damals diesen Vampir-Dolch bekommen hatte und es dann wiederum der gleiche Magier war, der im jetzt sogar das Leben gerettet hatte. Ob es nur Zufall oder reine Berechnung war, dieser kleine Unterschied ließ den Mann nicht los. Und ihm fielen wieder die Worte des Magiers ein, die er ihm zum Abschied sagte, „Dein großer Gönner von einst hat dir dein Leben gerettet und es erfüllt mich mit Stolz, dass du diesen Dolch in Ehren gehalten hast. Früher oder später wirst du noch die wahre Bedeutung verstehen. Der Zeitpunkt wird kommen, das Verspreche ich dir und deinen Freunden Jarlaxle und dem Sohn von Zaknafein Do’Urden“.
Jarlaxle starrte ins Feuer und um ihn herum hörte er eine altbekannte Stimme, die ihm etwas zurief. Doch einem fiel es wie Schuppen von den Augen.
“Ich hab’ ihn … ich hab’ ihn“, erklang eine Stimme aus der Ferne, die gerade auf ihn zugelaufen kam. Vor ihm tauchte die Silhouette Zaknafeins auf und er hielt etwas in der Hand.
“Wie .. Was …Wo?“, stammelte Jarlaxle verdutzt.
“Hey, alter Freund … ich habe die Wette gewonnen. Schau’ ihn dir an“, antwortete Zak und strahlte dabei über das ganze Gesicht. In seiner Hand hielt er etwas nach oben, dass wie ein Dolch aussah.
Der junge Drowkrieger schaute seinen Freund im ersten Moment nur verdutzt in die strahlenden Augen. Doch dann breitete sich ein süffisantes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Hatte es Zak doch tatsächlich geschafft und somit die Wette gewonnen. Jarlaxle war sich sicher gewesen, dass es sich nur um eine Legende gehandelt hatte, doch das es den Dolch von Menzoberra wirklich gab war noch viel besser. Jetzt hatten die beiden Freunde wieder ein Geheimnis, welches sie miteinander teilten.
Die Beiden liebten ihre Wetten und je geheimnisvoller, desto abenteuerlustiger wurden sie. Jarlaxle und Zaknafein, beide Schüler der Akademie Melee-Magthere kamen ihrer Abschlussprüfung immer näher und somit mussten sie ein halbes Jahr auch bei einem Meister von Scorcere verbringen. Dieser war von allen Beteiligten wohl der Einzige, der froh war, wenn er beide Krieger endlich wieder abgeben konnte. Lausbuben beschrieb nur ansatzweise das Verhalten der beiden besten Freunde und sie waren für jeden Spaß zu haben, egal welche Freude oder Gefahr dahinter lauerte. Und der Magier war es auch gewesen, der ihnen eines Tages die Legende von Menzoberra erzählte. Sie war die „Clanlose“ … ihr Grab sollte sich angeblich tief im Inneren von Narbondel befinden. Genau an diesem Ort sollte ein großer Schatz verborgen sein. Alleine schon bei der Erzählung dieser Geschichte, blitzten die roten Augen von Jarlaxle und Zak auf, die augenblicklich die gleiche Idee hatten. Nachdem sie viele Tage mit ihren Nachforschungen beschäftigt waren und selbst die Hilfe eines Lehrlings in der Akademie von Scorcere annahmen und heimlich nachts die Gegend auskundschafteten, kam endlich die lang ersehnte Stunde. Jarlaxle hielt Wache, während Zak sich heimlich ins Innere von Narbondel begab. Und er schaffte es tatsächlich, das Grab existierte wirklich. Doch den Schatz nahm er nicht mit, wenn niemand davon wusste, dass die Legende der Realität entsprach, würde auch niemand sich auf die Suche nach den Juwelen, Smaragden und den wunderschönen Waffen machen, die über bereits verwitterte Knochen verstreut lagen. Doch ein Gegenstand lenkte die Aufmerksamkeit von Zak auf sich, ein juwelenbesetzer Dolch. Es sollte angeblich der Dolch der Menzoberra sein, einer, der anderen Lebewesen die Seele aussaugen konnte. Ja, beschloss der junge Krieger, das wäre Beweis genug und steckte ihn in seinen Waffengürtel. Dann verschwand er wieder so heimlich, wie er hergekommen war und stand kurze Zeit später wieder freudestrahlend vor seinem Freund.
Dann spürte Jarlaxle eine Hand, als Zak sich neben den jungen Drow stellte und ihm eine Hand über die Schulter legte.
“Jetzt oder nie aber am besten mit diesem Dolch … los komm schon“, sprach Zak und spielte auf ihre Wette an.
“In Ordnung … ich habe verloren, aber ich warne dich, ich will die schönste Glatze die man jemals gesehen hatte“, antworte Jarlaxle seinem Freund und musste augenblicklich laut los lachen. Er wurde doch tatsächlich geschlagen und hatte diese Wette verloren. Jetzt musste er wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und seine Haarpracht opfern.
Gedankenversunken schaute Jarlaxle in das vor ihm prasselnde Lagerfeuer. Wieso kam ihm jetzt erst der Gedanke, dass dieser Dolch seines früheren Freundes, genau dieser Dolch von Menzoberra war. Gab es noch einen anderen Schluss, den man aus den Ereignissen ziehen konnte? Nein, der Vampir-Dolch von Artemis war genau dieses Artefakt. Er sog den Opfern die Seele aus und diese Fähigkeit besaßen nicht viele magische Waffen. All die Jahre hatte er diese Waffe mit seinen Augen bewundert und ihre schreckliche Art zu töten selbst mit angesehen. Er selbst war noch derjenige, der damals das kostbare Geschenk seines alten Freundes verloren hatte. Zak schenkte ihm diesen Dolch als Zeichen für ihren abenteuerlichsten Lausbubenstreich. Irgendwann wanderte die Waffen in die Schatzkammer von Bregan D’aerthe und Jarlaxle vergaß ihn schlicht weg bis er vor zwei Jahrhunderten selbst feststellte, dass dieser Dolch daraus verschwunden war. Niemals wieder hatte er eine Spur von ihm gefunden. Doch noch ein ganz anderes Ereignis fiel ihm blitzartig wieder ein. Der damalige Lehrling ihres Meisters, der ihnen die nötigen Hinweise lieferte, war fast zeitgleich an der Akademie verschwunden wie der Dolch, obwohl er zu einem Meister aufgestiegen war. Plötzlich schloss er die Augen und musste tief durchatmen. Der Name „Calaunim“ kreiste in seinen Gedanken herum. Vor sich sah er wieder den Magier mit seiner dunkelblauen Samtrobe und den lavendelfarbenen Augen. Auf der anderen Seite sah er einen großen und doch schmächtigen Drow, nicht viel älter als ein junger Dunkelelf mit leuchtend lavendelfarbenen Augen, wie er in seinem Arbeitszimmer in der Akademie stand, Calaunim, der Lehrling ihres Meisters. Der stets unergründliche Zauberer von unbekannter Herkunft. Könnte es sein, dass diese beiden Personen ein und dieselbe sind? Wie konnte er nur jemals so dumm sein und die Zusammenhänge jetzt erst erkennen. Er, der immer sich für so schlau und gewitzt hielt, hatte sich hinters Licht führen lassen. Er fragte sich wie ihm jemals so ein Fehler unterlaufen konnte. Es gab nur noch ein Geheimnis, was dringend geklärt werden musste. Was wollte der ehemalige Lehrling mit einer Haarsträhne von Drizzt und welcher Macht hatte sich der Magier verschrieben? Kimmuriel musste sich beeilen bevor es zu spät war den Zauberer aufzuhalten, was immer er auch vorhatte.
„Jarlaxle?“, hörte der Drow plötzlich eine Stimme. Er schloss darauf nochmals seine Augen und als er sie öffnete, stand Artemis direkt vor ihm und schaute auf den Drow herab.
“Was ist los?“, fragte der Mann nochmals und sah in den Augenwinkeln zu Drizzt hinüber, der ebenfalls bemerkt hatte, das ihr Freund für einen kurzen Moment geistesabwesend zu sein schien.
Augenblicklich ging sein Blick zu dem Dolch an Artemis Waffengürtel und ein seltsames Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus. Er musste versuchen die dunklen Gedanken über den Magier abzuwerfen und erst Mal den beiden nichts von seinem Wissen preiszugeben. Dann sprach Jarlaxle munter wie eh und je, „Ich habe nur geträumt“, und versuchte ein Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen zu lassen.
Diese Geste schien wohl Artemis und Drizzt zu beruhigen, denn der Mann drehte sich von ihm weg und rief nach seiner Tochter.
Keine Stunde später waren die drei Gefährten zusammen mit Diana wieder auf dem Weg nach Silbrigmond.
Auf ihrer Reise überquerten sie nach zwei Zehntagen endlich den Fluss Surbrin. Weiter ging es direkt am Rand des bekannten Mondwaldes entlang, wobei sie stets auf der Hut blieben, keinem der Elfen zu begegnen.
Jarlaxle, Drizzt und Artemis hingen dabei ihren eigenen Gedanken nach, nur ab und zu wurden sie von Diana unterbrochen, die diese Reise noch aufregender empfand, als ihre Erste ins Eiswindtal. Ständig fragte sie neugierig nach Tieren oder Pflanzen, die sie auf dem Weg erspähte und wollte alles genau erklärt haben. Drizzt stellte sich für diese Aufgabe als der Geschickteste heraus, immerhin war er Waldläufer und damit die Person, die sich am besten auskannte.
Und dann gab es noch die Tatsache, dass das Mädchen jetzt immer größer und dabei jeden Tag dreister wurde. Artemis war sich bewusst, dass dies nur der Einfluss von Jarlaxle sein konnte, aber hätte er jemals ein Kind gewollt, was brav Zuhause sitzen und alles tun würde, was die Eltern von ihm verlangte. Nein, das war nicht das Bild, was er für seine kleine Diana vor sich sah, sie sollte Abenteuer kennen lernen und eine schöne Kindheit verbringen, ganz im Gegensatz zu seiner eigenen. Bald stand schon ihr sechster Geburtstag vor der Tür und Artemis konnte sich gar nicht vorstellen, wie schnell die Zeit ins Land gegangen war. Vielleicht auch kein Wunder, wenn man glücklich ist, dachte der Mann.
Jarlaxle, der stets listige Drow, übte jedoch den meisten Einfluss auf das Mädchen aus. Und er machte daraus auch kein Geheimnis, seiner Nichte jede Menge beizubringen oder zu erzählen, was für kleine Mädchen nicht unbedingt vorbildlich war.
Sie waren gerade im Begriff das letzte Stück des Mondwaldes hinter sich zu lassen, da hörte Artemis seine Tochter vor sich hin summen. Noch dachte er sich nichts dabei, das tat sie jetzt schon seit einigen Tagen, seit sie mal wieder mit ihrem Onkel Jarlaxle die Köpfe zusammen gesteckt hatte. Doch dann fing sie leise an zu singen. Erst verstand er den Text nicht, bis sie aus vollem Hals sang
„Blut, Blut, Räuber saufen Blut
Raub und Mord und Überfall sind gut
Hoch vom Galgen klingt es
Hoch vom Galgen klingt es
Raub und Mord und Überfall sind gut“
(Subway to Sally – „Julia und die Räuber“)
Erschrocken und irritiert schaute er zu Diana hinüber, die direkt neben ihm auf ihrem eigenen Pferd saß und munter vor sich hinträllerte. Artemis seufzte einmal tief und schaute gleich darauf zu seinem Geliebten hinüber, der darüber nur den Kopf schüttelte.
Als Jarlaxle hinter seinem Rücken Diana hörte und den Text erkannte breitete sich augenblicklich ein breites süffisantes Grinsen auf seinem Gesicht aus und er gratulierte sich selbst für seine Genialität. Seine Nichte würde noch so viel von ihm lernen können und gleichzeitig ihren Vater damit ärgern, um ihn stets aufs Neue an seine Vaterpflichten zu erinnern. Was wäre denn das Leben ohne solche kleine Abwechslungen, die das ganze erst lebenswert machen, auch wenn es nur für kurze Momente andauerte.
“Jarlaxle!“, hörte er noch die laute Stimme von Artemis rufen, als er seinem Pferd die Sporen gab und schneller voran ritt. Die restlichen Worte konnte er gleich darauf nicht vernehmen.
Die Entscheidung
Die Sonne ging gerade auf und die kleine Familie erwachte aus ihrem kurzen und unruhigen Schlaf in dieser so holprigen und turbulenten Nacht.
Artemis war der Erste, der seinen Augen öffnete und sich sichtlich noch etwas verwirrt in der kleinen Felsenschlucht umschaute. Er dachte über die vergangenen Ereignisse dieser Nacht nach und wollte und konnte es irgendwie nicht glauben, was alles geschehen war. Erst seine Rettung durch seine zwei Freunde, dann die seltsame Wiedergeburt und seine wundersame Genesung. Soviel auf einmal und er war froh, dass sich eines nicht verändert hatte und zwar seine Liebe zu Drizzt. Außerdem hatte er seine Adoptivtochter, die er abgöttisch liebte. Während Artemis jetzt langsam mit einer Hand vorsichtig über Drizzts Wange streichelte, wurde auch dieser aus seinem tranceähnlichen Schlaf wach. Und der junge Drow begrüßte seinen Geliebten mit einem freundlichen Lächeln. Doch erst nachdem sich der Dunkelelf vergewissert hatte, dass die kleine Diana noch schlief, rückte er näher an Artemis heran, um sich an ihn zu kuscheln. Beide lagen eng umschlungen nebeneinander und tauschten innige Küsse aus. Wobei sie allerdings genau darauf achteten, dass niemand sie dabei beobachten konnte, besonders nicht das Mädchen. Ihre Zweisamkeit hielt allerdings nicht lange an, denn Jarlaxle kam, kaum dass die beiden sich zärtlich aneinander schmiegten, unverhofft von seinem Wachplatz am niedergebrannten Lagerfeuer herüber geschritten.
“Guten Morgen ihr zwei Liebenden … geht es euch gut?“, erklang die Stimme des listigen Drow, der dabei ein breites Lächeln auf den Lippen trug.
Eigentlich hatte er nicht vor seine beiden Freunde zu stören, aber die ganze Nacht über kreisten seine Gedanken immer nur über zwei Dinge, ob Artemis nun eine wirkliche Begegnung mit dem Magier Calaunim und ob er nicht einen tödlichen Fehler mit Drizzts Haarsträhne begangen hatte. Eine weitere, für ihn fast noch wichtigere Angelegenheit, musste ebenfalls dringend geklärt werden, wo sollten sie für die nächsten Jahre Unterschlupf oder gar ein Zuhause suchen und finden. Jarlaxle musste sich eingestehen, dass er sich wirklich Sorgen machte. Er fragte sich, ob er wirklich alt wurde oder ob es etwas anderes sein könnte. Aber der Dunkelelf war sich sicher, dass er dies herausfinden würde und dringend an seinen Prioritäten arbeiten müsste. Bei dem Gedanken huschte erneut ein breites Lächeln über sein Gesicht.
“Habt ihr auch Hunger? Diana hat nichts vom Kuchen übrig gelassen oder vielleicht doch?“, sprach er den jungen Drow und Artemis an, die ihn sichtlich etwas genervt anschauten. Dabei schaute Jarlaxle tatsächlich zu der Stelle, an der er vermutete, dass seine Nichte vielleicht wirklich ein Stück des Kuchens versteckt haben könnte.
“Nein, habe ich nicht … ich wäre dir allerdings sehr verbunden wenn du selbst suchen würdest“, kam die trockene Antwort von Artemis, der ganz anderen Gedanken nach hang, als er die Hand seines Geliebten streichelte.
“Ich störe euch nur ungern, aber zum kuscheln bleibt später auch noch Zeit. Wir sollten uns lieber erst einmal Gedanken machen, wo wir für die nächsten Jahre Unterschlupf finden wollen und unser Schatz auch groß werden könnte. Was haltet ihr denn davon?“, antwortete Jarlaxle ebenfalls trocken.
“Du schaffst es immer wieder den schönsten Momenten mit deiner feinfühligen Art die besondere Note zu verleihen“, sagte Artemis in seinem gewohnt sarkastischem Unterton und küsste ein letztes Mal Drizzt, weil er fürchtete seine Tochter könnte jeden Moment wach werden.
Und mit seiner Vorahnung lag er ziemlich richtig, denn das Mädchen öffnete plötzlich die Augen, streckte sich gemütlich unter ihrer Wolldecke und schaute danach direkt zu Jarlaxle, Drizzt und ihren Vater hinüber.
Als sie alle drei erblickte, strahlte Diana über beide Ohren, riss sich die Decke weg und rannte mehr oder weniger zu ihrem Vater und schloss ihn in ihre Arme. Artemis erwiderte ihre zärtliche Umarmung, als sie plötzlich los ließ und Drizzt fest umklammerte. Dabei huschte jetzt auch endlich dem jungen Dunkelelfen ein freudiges Lächeln über die Lippen und auch er erwiderte ihre Liebkosung. Dann ließ sie ihren Onkel los. Doch anstatt zu Jarlaxle hinüber zu gehen, wie sie es öfters bereits getan hatte, blieb sie vor dem älteren Drow stehen und funkelte ihn mit ihren grünen Augen an. Während dessen erschien ein Schmollmund auf ihrem Gesicht und sie sagte, „Onkel Jarlaxle, du warst nicht nett zu mir. Du bist ein ganz gemeiner Kuchen-Dieb-Onkel. Ich will Kuchen von dir.“
Kaum, dass das Mädchen die Worte ausgesprochen hatte, verfielen Artemis und Drizzt in lautes Gelächter und Jarlaxle stand da und blickte in gespielter, trauriger Miene hinunter zu seiner Nichte. Dann machte auch er einen Schmollmund und musste laut lachen.
“Wie mein Schatz befiehlt“, kam seine knappe Antwort, machte eine tiefe Verbeugung und tippte sich danach kurz an den seinen Hut. “Ganz der Vater!“
Im Laufe des Vormittags saß die kleine Familie um die Lagerstelle in der kleinen Felsenschlucht. Über dem Feuer schmorten zwei erlegte Hasen, die Drizzt gejagt hatte und die drei Freunde mussten eine wichtige Entscheidung fällen. Sie benötigten dringend einen Ort, an dem sie und vor allem Diana normal leben und aufwachsen konnte. Wenn man überhaupt von normalen Lebensumständen reden kann, denn ihre drei Adoptivväter konnte man kaum als konventionelle Familiengemeinschaft bezeichnen. Bei der hitzigen Diskussion fielen dann Ortsnamen wie Calimhafen, Amn, Schneeflockengebirge und auch der Name Silbrigmond. Und letzter war ein Ort, der für seine Toleranz in ganz Faerûn, ja selbst in ganz Toril bekannt war. Silbrigmond die Stadt für Philosophen und Künstler, das Juwel des Nordens.
Zuerst fand Artemis diese Vorstellung recht amüsant, doch ihm wurde schmerzlich bewusst, dass er ja nun offiziell unter den Toten weilte und somit könnte er sich wohl auch kaum unter seinem richtigen Namen vorstellen. Der Mann kannte diese Stadt, hatte er doch selbst einige Zeit nach seinem schmerzlichen Besuch in Menzoberranzan dort gelebt. Und Drizzt brachte ein Argument in ihre Diskussion, er sei immerhin ein guter Freund von Lady Alustriel, der Herrscherin von Silbrigmond. Wenn er mit seinem Namen und seiner Ehre einstehen würde, dann dürfte einem Leben in dieser wunderschönen Stadt nichts mehr im Wege stehen. Jarlaxle war von dieser Idee mehr als angetan. Er kannte Lady Alustriel, zwar selbst nur vom Namen und ihrem grandiosen Kampf um die Zwergenfeste Mithril-Halle vor vielen Jahren. Ihre Schönheit und ihre Kraft waren über das ganze Land weit verbreitet und es ließ dem Drow nur ein breites Grinsen auf dem Gesicht erscheinen, wenn er den Gedanken leise und heimlich für sich selbst weiterführte.
Letztendlich fiel die Entscheidung der drei Freunde auf Silbrigmond und Artemis verdrängte er den letzten Rest seiner Angst, dass seine wahre Identität auffliegen könnte und wollte sich der Gefahr für seine Tochter und seine große Liebe ins Auge sehen. Sie saßen danach gemütlich um das glimmende Feuer herum und aßen gemütlich zu Mittag.
Gegen Nachmittag machten sich die drei Freunde, zusammen mit der kleinen Diana auf den Weg nach Silbrigmond. Viel Gepäck hatte keiner von ihnen und so ging es schnell in Richtung Süden. Zuvor beschlossen sie den bequemen Planwagen von Bruenor stehen zu lassen. Er würde sie nur stören, denn mit dem Wagen war es unmöglich unauffällig und abseits der Handelsstraßen zu reisen. Wenn sie auf diesen kleinen Komfort verzichten mussten, wäre ihre Wanderung dadurch auch geschützter und ging schneller voran. Jarlaxle und Artemis hatten nämlich beschlossen, sich nach Möglichkeit durch unbewohntes Land zu bewegen, um unliebsamen Begegnungen von vorn herein auszuschließen. Drizzt war es fast schon egal, Hauptsache sie würden es überhaupt bis in das Juwel des Nordes schaffen, wo sie endlich Ruhe finden konnten. Den Gedanken, dass Lady Alustriel sie abweisen könnte, verdrängte der junge Dunkelelf dabei.
In der nächsten Woche führte sie ihr Weg nach Mirabar, um das sie jedoch großzügig einen Bogen machten. Dann ging es weiter nach Osten. Sie schlugen sich durch fast schon unwegsames Gelände oder durch weite Ebenen an den Ausläufern des Grats der Welt entlang. Die einzige Person, die dabei ihren Spaß zu haben schien war die kleine Diana. Bei jeder Rast war sie die Erste die freudig durch die Gegend sprang und dabei wild zwischen den beiden Dunkelelfen und ihrem Vater umher lief. Während Artemis, Drizzt und manchmal auch Jarlaxle sich bei der Jagd abwechselten, hatten sie ständig ein wachsames Auge auf Diana. Bisweilen gab sie nicht mal mehr Ruhe, weil sie mit ihrem kleinen Holzschwert üben wollte. Dann war es Drizzt oder Jarlaxle, die sich eine halbe Stunde Zeit nahmen und mit ihrer kleinen Nichte übten. Die beiden Dunkelelfen erkannten, dass sie jetzt schon mit ihren jungen Jahren ein Talent entwickelte, sie war sehr schnell von Begriff und verstand die Erklärungen ihrer beider Onkel schon fast beim ersten Mal. Jarlaxle war auf seine eigene Art sogar sehr stolz auf seine kleine Nichte, was ihm stets ein breites Lächeln auf sein Gesicht zauberte.
Artemis ließ sich während den Spielstunden dabei öfters dazu hinreißen, wieder seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Er wurde sich nur allmählich bewusst, was alles in den letzten Tagen und Wochen geschehen war. Soeben saß der Mann wieder da und grübelte über die Situation nach, da kam Diana gerade auf ihren Vater zu gerannt. Als er die Stimme seiner Tochter vernahm schaute er auf, und sie warf sich geradewegs in seine Arme.
Beide umarmten sich innig und Diana fragte ihren Vater unerwartet etwas, was ihn beinahe die Fassung raubte.
“Papa, wieso sieht du eigentlich heute so hübsch aus?“, sagte das kleine Mädchen neugierig.
“Wie meinst du das denn Diana?“, kam die verblüffte Frage zurück an seine Tochter.
Er ließ Diana los, legte seine Hände auf die Schultern des Mädchens und ging mit seinem Oberkörper einige Zentimeter nach hinten, so dass er ihr genau in ihre grüne Augen schauen konnte. „Schatz, sag’ mir … was siehst du?“
“Du siehst seit heute morgen so jung wie Onkel Drizzt aus“, kam die die knappe Antwort des Kindes und sie lächelte einfach nur sanft ihrem Vater ins Gesicht. Und ohne weitere Worte umarmte sie Artemis erneut und flüsterte ihm ins Ohr, „So gefällst du mir aber besser“, und dann drückte sie ihm einen Kuss auf seine Stirn. Diana löste sich aus der Umarmung ihres Vaters und rannte zurück zu Drizzt, der nur einige Meter von den beiden entfernt stand und sein Pferd streichelte. Als er einen Seitenblick zu der Familienszene wagte, musste er augenblicklich lächeln, denn sein Geliebter machte sich wirklich gut in seiner Vaterrolle. Welch Ironie des Schicksals, schoss ihm bei diesem Bild nur durch den Kopf.
Artemis hatte in diesem Moment mit seiner Fassung zu kämpfen. Das Erlebnis mit dem Magier und die verdrängten Gedanken an seine Hinrichtung, sowie die wundersame Auferstehung wurden ihm erst jetzt richtig bewusst. Er war so beschäftigt damit gewesen, sich über seine zweite Chance zu freuen und seine zwei größten Schätze wieder um sich herum zu haben, dass er in der letzten Woche keine weitere Gedanken verschwendet hatte, sich zu fragen, was wirklich alles geschehen war. Das würde er allerdings dringend nachholen, schwor er sich und zwar so schnell wie möglich. Er wusste, dass die Lebensenergie des Drowopfers durch seinen Körper floss und ihn immer mehr stärkte. Außerdem war er sich endlich gewahr, dass er im Prinzip nur noch ein halber Mensch war.
Nur kurze Zeit später saßen die drei Freunde um ihr Lagefeuer versammelt und Artemis wollte jetzt die Möglichkeit ergreifen, um endlich die Gewissheit zuhaben, über die Dinge die bereits langsam in seinem Kopf Form angenommen hatten. So fragte er ohne Umschweife in die kleine Runde.
“Ich will jetzt die Wahrheit von Euch wissen. Was ist in der Höhle mit mir passiert?“
Verdutzt schauten Jarlaxle und Drizzt zu Artemis hinüber.
“Wie meinst du das?“, kam die kurze Antwort des älteren Drow.
“Lenk’ nicht vom Thema ab … Du weißt wovon ich spreche … ich will dir nur mal gesagt haben, meine Tochter sagte mir vorhin, ich sehe jünger aus. Also, was ist passiert?“, sprach jetzt erneut Artemis, der soeben seine ganze Geduld unter Beweis zu stellen versuchte, denn jetzt wollte er es wissen.
Drizzt hatte plötzlich ein sehr komisches Gefühl im Bauch, doch eine Erklärung für die seltsamen Dinge konnte er nicht abgeben. Er verstand sie ja selbst kaum und er war froh, als Jarlaxle sogleich auf die Frage des Mannes antwortete.
“Nun, eigentlich gibt es nicht viel zu erklären, mein Freund. Nachdem du wohl mit deiner geistigen Umnachtung einen Anflug von Selbstmitleid hattest und dich freiwillig dem Gericht gestellt hast, blieb uns nicht viel Zeit zum reagieren. Der Einzige, der bereit war mir auf der Stelle zu helfen war Kimmuriel … oder sagen wir mal, er schuldet mir den einen oder anderen Gefallen.“
Dann verstummte er für einen kurzen Moment, machte einen theatralischen Seufzer und studierte dabei sein Gegenüber Artemis. Doch dieser saß nur regungslos da, hatte seine grauen Augen starr auf den Drow gerichtete und hörte neugierig zu.
So erhob der ältere Drow erneut seine Stimme und sprach weiter, „An die Sache mit der Kugel kannste du dich doch bestimmt erinnern?“ und ohne eine Reaktion abzuwarten sprudelten die Worte aus dem Mund des Dunkelelfen jetzt unbeirrt weiter. „Dann ergab eines das andere. Kimmuriel meinte, er hätte einen mächtigen Zauberkundigen gefunden …einer der sich für diese Art von Macht verschrieben hat, die dir widerfahren ist und vor allen Dingen bereit war einem Menschen zu helfen. Was mich geritten hat, mich auf das folgende Angebot einzulassen weiß ich selbst nicht … vielleicht ein Anflug von Freundschaft?“
Jarlaxle war bei seinen eigenen Worten wieder bewusst, dass er darauf keine wirklich Antwort geben konnte. Wusste er es doch selber nicht, „Woher Kimmuriel den Magier kannte?“. Außerdem musste er aufpassen, seinen Fehler mit der Haarsträhne von Drizzt nicht zu erwähnen. So versuchte er munter weiter darauf los zu erzählen und sich geschickt aus der Affäre zu ziehen. „Der Magier benutzte ein Drowopfer und übertrug dessen Lebensjahren und –energie auf dich, mein Freund. Er hat dir mit diesem Ritual ein ausgiebiges Lebensgefühl geschenkt. Den Rest dürftest du noch wissen … immerhin warst du derjenige von uns, der ihn nach seinem plötzlichen Verschwinden gesehen hat. Und an deiner Stelle würde ich mich freuen, mein Freund … du bist jetzt ein Drow im Körper eines Menschen, nur das jetzt nicht nur die moralische Einstellung stimmt, sondern auch die Lebenserwartung. Übrigens muss ich Diana Recht geben, wenn ich mir das so anschaue siehst du wirklich jünger aus, als zuvor. Der Magier hat wirklich ganze Arbeit geleistet … der Zauber hat über Nacht wohl endgültig seine Wirkung entfaltet und nun wirst du für längere Zeit jünger und wohl angemerkt auch hübscher aussehen.“
„Wie schön“, kam die sarkastische Antwort des Mannes und schüttelte einfach nur noch mit dem Kopf.
Dann wandte sich auch Drizzt seinem Geliebten zu und betrachtete ihn genauer. Und irgendwie hatte seine Nichte tatsächlich Recht. Ihm war kurz nach der Verwandlung bereits aufgefallen, dass Artemis jünger wirkte und jetzt sah dieser fast aus wie fünfundzwanzig. Es fiel ihm nur nicht auf, weil er den ganzen Tag mit seinem Liebsten verbrachte, genau wie Jarlaxle und Diana. Zum ersten Mal wusste er auch, dass der Söldner die Wahrheit sagte. Ihm gefiel das neue Aussehen und musste kurz lächeln.
„Mit diesem guten Ergebnis hat wohl niemand gerechnet“, stellte der Söldner daraufhin fest und lächelte.
Artemis und Drizzt saßen beide still da und hörten der Stimme des Söldners zu, als Artemis Jarlaxle jäh anschrie, „Ein Experiment mit meinem Körper … schön, schön. Dir ist aber nicht der Gedanke gekommen, dass er vielleicht eine Gegenleistung verlangen wird, oder mein Freund?“
Die Worte „mein Freund“ spie der Mann mit solch einem Sarkasmus hervor, dass sogar Drizzt befürchtete, sein Geliebter könnte jeden Moment auf den Dunkelelfen neben ihm losgehen. Besonders weil Artemis instinktiv gerade an seinen Waffelgürtel griff und seinen juwelenbesetzten Dolch zog. Unbewusst strich er über den Knauf und dessen Klinge. Er wollte niemanden damit angreifen, aber der Gedanke an die ganzen Ereignisse war plötzlich wieder deutlich vor seinen geistigen Augen sichtbar.
“Bist du derjenige, der den Magier Calaunim Zaurahel gesehen hat?“, versuchte jetzt der junge Drow sich in die Unterhaltung einzumischen, um die angespannte Stimmung wieder etwas zu lindern. „Er hat dir einen Gefallen getan, wir werden jetzt gemeinsam alt. Wer fragt da noch nach der Bezahlung, die der Magier gefordert hat. Es ging doch sowieso auf Jarlaxles Kosten, wie ich annehme. Sollte man nicht einmal Glück im Leben haben?“
Artemis war sich im gleichen Moment nicht sicher, aber er behielt diesen Gedanken fest in seinem Hinterkopf. Er fragte sich erneut, wieso ausgerechnet er damals diesen Vampir-Dolch bekommen hatte und es dann wiederum der gleiche Magier war, der im jetzt sogar das Leben gerettet hatte. Ob es nur Zufall oder reine Berechnung war, dieser kleine Unterschied ließ den Mann nicht los. Und ihm fielen wieder die Worte des Magiers ein, die er ihm zum Abschied sagte, „Dein großer Gönner von einst hat dir dein Leben gerettet und es erfüllt mich mit Stolz, dass du diesen Dolch in Ehren gehalten hast. Früher oder später wirst du noch die wahre Bedeutung verstehen. Der Zeitpunkt wird kommen, das Verspreche ich dir und deinen Freunden Jarlaxle und dem Sohn von Zaknafein Do’Urden“.
Jarlaxle starrte ins Feuer und um ihn herum hörte er eine altbekannte Stimme, die ihm etwas zurief. Doch einem fiel es wie Schuppen von den Augen.
“Ich hab’ ihn … ich hab’ ihn“, erklang eine Stimme aus der Ferne, die gerade auf ihn zugelaufen kam. Vor ihm tauchte die Silhouette Zaknafeins auf und er hielt etwas in der Hand.
“Wie .. Was …Wo?“, stammelte Jarlaxle verdutzt.
“Hey, alter Freund … ich habe die Wette gewonnen. Schau’ ihn dir an“, antwortete Zak und strahlte dabei über das ganze Gesicht. In seiner Hand hielt er etwas nach oben, dass wie ein Dolch aussah.
Der junge Drowkrieger schaute seinen Freund im ersten Moment nur verdutzt in die strahlenden Augen. Doch dann breitete sich ein süffisantes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Hatte es Zak doch tatsächlich geschafft und somit die Wette gewonnen. Jarlaxle war sich sicher gewesen, dass es sich nur um eine Legende gehandelt hatte, doch das es den Dolch von Menzoberra wirklich gab war noch viel besser. Jetzt hatten die beiden Freunde wieder ein Geheimnis, welches sie miteinander teilten.
Die Beiden liebten ihre Wetten und je geheimnisvoller, desto abenteuerlustiger wurden sie. Jarlaxle und Zaknafein, beide Schüler der Akademie Melee-Magthere kamen ihrer Abschlussprüfung immer näher und somit mussten sie ein halbes Jahr auch bei einem Meister von Scorcere verbringen. Dieser war von allen Beteiligten wohl der Einzige, der froh war, wenn er beide Krieger endlich wieder abgeben konnte. Lausbuben beschrieb nur ansatzweise das Verhalten der beiden besten Freunde und sie waren für jeden Spaß zu haben, egal welche Freude oder Gefahr dahinter lauerte. Und der Magier war es auch gewesen, der ihnen eines Tages die Legende von Menzoberra erzählte. Sie war die „Clanlose“ … ihr Grab sollte sich angeblich tief im Inneren von Narbondel befinden. Genau an diesem Ort sollte ein großer Schatz verborgen sein. Alleine schon bei der Erzählung dieser Geschichte, blitzten die roten Augen von Jarlaxle und Zak auf, die augenblicklich die gleiche Idee hatten. Nachdem sie viele Tage mit ihren Nachforschungen beschäftigt waren und selbst die Hilfe eines Lehrlings in der Akademie von Scorcere annahmen und heimlich nachts die Gegend auskundschafteten, kam endlich die lang ersehnte Stunde. Jarlaxle hielt Wache, während Zak sich heimlich ins Innere von Narbondel begab. Und er schaffte es tatsächlich, das Grab existierte wirklich. Doch den Schatz nahm er nicht mit, wenn niemand davon wusste, dass die Legende der Realität entsprach, würde auch niemand sich auf die Suche nach den Juwelen, Smaragden und den wunderschönen Waffen machen, die über bereits verwitterte Knochen verstreut lagen. Doch ein Gegenstand lenkte die Aufmerksamkeit von Zak auf sich, ein juwelenbesetzer Dolch. Es sollte angeblich der Dolch der Menzoberra sein, einer, der anderen Lebewesen die Seele aussaugen konnte. Ja, beschloss der junge Krieger, das wäre Beweis genug und steckte ihn in seinen Waffengürtel. Dann verschwand er wieder so heimlich, wie er hergekommen war und stand kurze Zeit später wieder freudestrahlend vor seinem Freund.
Dann spürte Jarlaxle eine Hand, als Zak sich neben den jungen Drow stellte und ihm eine Hand über die Schulter legte.
“Jetzt oder nie aber am besten mit diesem Dolch … los komm schon“, sprach Zak und spielte auf ihre Wette an.
“In Ordnung … ich habe verloren, aber ich warne dich, ich will die schönste Glatze die man jemals gesehen hatte“, antworte Jarlaxle seinem Freund und musste augenblicklich laut los lachen. Er wurde doch tatsächlich geschlagen und hatte diese Wette verloren. Jetzt musste er wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und seine Haarpracht opfern.
Gedankenversunken schaute Jarlaxle in das vor ihm prasselnde Lagerfeuer. Wieso kam ihm jetzt erst der Gedanke, dass dieser Dolch seines früheren Freundes, genau dieser Dolch von Menzoberra war. Gab es noch einen anderen Schluss, den man aus den Ereignissen ziehen konnte? Nein, der Vampir-Dolch von Artemis war genau dieses Artefakt. Er sog den Opfern die Seele aus und diese Fähigkeit besaßen nicht viele magische Waffen. All die Jahre hatte er diese Waffe mit seinen Augen bewundert und ihre schreckliche Art zu töten selbst mit angesehen. Er selbst war noch derjenige, der damals das kostbare Geschenk seines alten Freundes verloren hatte. Zak schenkte ihm diesen Dolch als Zeichen für ihren abenteuerlichsten Lausbubenstreich. Irgendwann wanderte die Waffen in die Schatzkammer von Bregan D’aerthe und Jarlaxle vergaß ihn schlicht weg bis er vor zwei Jahrhunderten selbst feststellte, dass dieser Dolch daraus verschwunden war. Niemals wieder hatte er eine Spur von ihm gefunden. Doch noch ein ganz anderes Ereignis fiel ihm blitzartig wieder ein. Der damalige Lehrling ihres Meisters, der ihnen die nötigen Hinweise lieferte, war fast zeitgleich an der Akademie verschwunden wie der Dolch, obwohl er zu einem Meister aufgestiegen war. Plötzlich schloss er die Augen und musste tief durchatmen. Der Name „Calaunim“ kreiste in seinen Gedanken herum. Vor sich sah er wieder den Magier mit seiner dunkelblauen Samtrobe und den lavendelfarbenen Augen. Auf der anderen Seite sah er einen großen und doch schmächtigen Drow, nicht viel älter als ein junger Dunkelelf mit leuchtend lavendelfarbenen Augen, wie er in seinem Arbeitszimmer in der Akademie stand, Calaunim, der Lehrling ihres Meisters. Der stets unergründliche Zauberer von unbekannter Herkunft. Könnte es sein, dass diese beiden Personen ein und dieselbe sind? Wie konnte er nur jemals so dumm sein und die Zusammenhänge jetzt erst erkennen. Er, der immer sich für so schlau und gewitzt hielt, hatte sich hinters Licht führen lassen. Er fragte sich wie ihm jemals so ein Fehler unterlaufen konnte. Es gab nur noch ein Geheimnis, was dringend geklärt werden musste. Was wollte der ehemalige Lehrling mit einer Haarsträhne von Drizzt und welcher Macht hatte sich der Magier verschrieben? Kimmuriel musste sich beeilen bevor es zu spät war den Zauberer aufzuhalten, was immer er auch vorhatte.
„Jarlaxle?“, hörte der Drow plötzlich eine Stimme. Er schloss darauf nochmals seine Augen und als er sie öffnete, stand Artemis direkt vor ihm und schaute auf den Drow herab.
“Was ist los?“, fragte der Mann nochmals und sah in den Augenwinkeln zu Drizzt hinüber, der ebenfalls bemerkt hatte, das ihr Freund für einen kurzen Moment geistesabwesend zu sein schien.
Augenblicklich ging sein Blick zu dem Dolch an Artemis Waffengürtel und ein seltsames Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus. Er musste versuchen die dunklen Gedanken über den Magier abzuwerfen und erst Mal den beiden nichts von seinem Wissen preiszugeben. Dann sprach Jarlaxle munter wie eh und je, „Ich habe nur geträumt“, und versuchte ein Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen zu lassen.
Diese Geste schien wohl Artemis und Drizzt zu beruhigen, denn der Mann drehte sich von ihm weg und rief nach seiner Tochter.
Keine Stunde später waren die drei Gefährten zusammen mit Diana wieder auf dem Weg nach Silbrigmond.
Auf ihrer Reise überquerten sie nach zwei Zehntagen endlich den Fluss Surbrin. Weiter ging es direkt am Rand des bekannten Mondwaldes entlang, wobei sie stets auf der Hut blieben, keinem der Elfen zu begegnen.
Jarlaxle, Drizzt und Artemis hingen dabei ihren eigenen Gedanken nach, nur ab und zu wurden sie von Diana unterbrochen, die diese Reise noch aufregender empfand, als ihre Erste ins Eiswindtal. Ständig fragte sie neugierig nach Tieren oder Pflanzen, die sie auf dem Weg erspähte und wollte alles genau erklärt haben. Drizzt stellte sich für diese Aufgabe als der Geschickteste heraus, immerhin war er Waldläufer und damit die Person, die sich am besten auskannte.
Und dann gab es noch die Tatsache, dass das Mädchen jetzt immer größer und dabei jeden Tag dreister wurde. Artemis war sich bewusst, dass dies nur der Einfluss von Jarlaxle sein konnte, aber hätte er jemals ein Kind gewollt, was brav Zuhause sitzen und alles tun würde, was die Eltern von ihm verlangte. Nein, das war nicht das Bild, was er für seine kleine Diana vor sich sah, sie sollte Abenteuer kennen lernen und eine schöne Kindheit verbringen, ganz im Gegensatz zu seiner eigenen. Bald stand schon ihr sechster Geburtstag vor der Tür und Artemis konnte sich gar nicht vorstellen, wie schnell die Zeit ins Land gegangen war. Vielleicht auch kein Wunder, wenn man glücklich ist, dachte der Mann.
Jarlaxle, der stets listige Drow, übte jedoch den meisten Einfluss auf das Mädchen aus. Und er machte daraus auch kein Geheimnis, seiner Nichte jede Menge beizubringen oder zu erzählen, was für kleine Mädchen nicht unbedingt vorbildlich war.
Sie waren gerade im Begriff das letzte Stück des Mondwaldes hinter sich zu lassen, da hörte Artemis seine Tochter vor sich hin summen. Noch dachte er sich nichts dabei, das tat sie jetzt schon seit einigen Tagen, seit sie mal wieder mit ihrem Onkel Jarlaxle die Köpfe zusammen gesteckt hatte. Doch dann fing sie leise an zu singen. Erst verstand er den Text nicht, bis sie aus vollem Hals sang
„Blut, Blut, Räuber saufen Blut
Raub und Mord und Überfall sind gut
Hoch vom Galgen klingt es
Hoch vom Galgen klingt es
Raub und Mord und Überfall sind gut“
(Subway to Sally – „Julia und die Räuber“)
Erschrocken und irritiert schaute er zu Diana hinüber, die direkt neben ihm auf ihrem eigenen Pferd saß und munter vor sich hinträllerte. Artemis seufzte einmal tief und schaute gleich darauf zu seinem Geliebten hinüber, der darüber nur den Kopf schüttelte.
Als Jarlaxle hinter seinem Rücken Diana hörte und den Text erkannte breitete sich augenblicklich ein breites süffisantes Grinsen auf seinem Gesicht aus und er gratulierte sich selbst für seine Genialität. Seine Nichte würde noch so viel von ihm lernen können und gleichzeitig ihren Vater damit ärgern, um ihn stets aufs Neue an seine Vaterpflichten zu erinnern. Was wäre denn das Leben ohne solche kleine Abwechslungen, die das ganze erst lebenswert machen, auch wenn es nur für kurze Momente andauerte.
“Jarlaxle!“, hörte er noch die laute Stimme von Artemis rufen, als er seinem Pferd die Sporen gab und schneller voran ritt. Die restlichen Worte konnte er gleich darauf nicht vernehmen.