AFF Fiction Portal

Dem Wahnsinn so nah - German

By: Elbenstein
folder German › Books
Rating: Adult +
Chapters: 2
Views: 1,153
Reviews: 1
Recommended: 0
Currently Reading: 0
Disclaimer: I do not own the book(s) that this fanfiction is written for, nor any of the characters from it. I do not make any money from the writing of this story.
arrow_back Previous

1. Kapitel - Das Jahr der Klinge

1. Kapitel
Das Jahr der Klinge

Fünf Jahre nach dieser schicksalhaften Nacht lag Chalithra in den Wehen. Sie und Handir verliebten sich an jenem Abend beide Hals über Kopf ineinander und waren seither ein Paar. Man konnte tatsächlich von Liebe auf den ersten Blick sprechen und dazu noch zwischen einer Dunkelelfe und einem Mondelfen. Beide wussten nicht, wie es dazu gekommen war, aber eines konnte ihnen niemand nehmen, ihre Liebe war aufrichtig und ehrlich. Handir schienen dieses seltsame Glück erst mit der Zeit zu verstehen. Die vergangenen Jahre waren wunderschön und der ehemalige Mondelfenkrieger von der Oberfläche gewöhnte sich schneller als gedacht an die neue Umgebung und die Stadt Eryndlyn. Jedoch die Oberfläche, sein früheres Zuhause und vor allem das Sonnenlicht und die Bäume des Mondwaldes vermisste er tief in seinem Herzen. Er war dort geboren und nicht bestimmt für das Unterreich, wer konnte es ihm verübeln. Aber auch mit jedem Tag der verstrich, wurden dem Mondelfen neue Wunder offenbar und die Drow versetzten ihn in Erstaunen, hauptsächlich innerhalb des Anwesens des Vaterpartons und Hohepriesters Tarlyn Myt’tarlyl. Handir wurde der anerkannte Ehemann der ersten Tochter des Hauses Myt’tarlyl. Vhaeraun, der Maskierte Fürst und Verfechter im Pantheon der Drow als Förderer von dunkelelfischen Zielen, Interessen und Macht an der Oberfläche, konnte gegen solch eine Verbindung keine Einwende erheben, wenn er davon erfahren hätte. Wie kann man so etwas besser vereinen als mit einer Heirat zwischen Drow und Feen. Chalithra und Handir versprachen sich gegenseitig, dass sie nach der Geburt des ersten Kindes zusammen auf die Oberfläche wollten, mit dem Segen des Patriarchen des Hauses, der ebenfalls mehrere Male die von der Sonne beschienen Erde von Faerûn besucht hatte. Sogar in den Reihen des Patrons Tarlyn stand Handir in einer guten Position, als einer der Oberflächenkämpfer der Haussoldaten. Der ehemalige Elfenkrieger, der einst zusammen mit seinem Clan im Norden Faerûns mitten im Mondwald lebte, war nun Krieger eines hoch angesehenen Vhaeraunanhängers aus der Stadt Eryndlyn und wartete gerade mit Spannung auf die Geburt seines ersten Kindes.
Plötzlich durchbrach ein lauter Schrei die Stille der Nacht im Jahr 1275 DR, am 19. Eleint kurz nach Mitternacht im Jahr der Klinge.
„Das Kind kommt“, hörte Handir Iymril, die jüngere Schwester Chalithras und gleichzeitig seine Schwägerin, aus den Privatgemächern der ältesten Tochter rufen.
Iymrils Stimme klang angespannt, auch wenn er sie nur durch eine geschlossene Tür vernahm. Ein erneuter Schrei ließ den stets so starken und stolzen Elfen erzittern, denn diesmal war es seine Frau, die ihren Schmerzen Ausdruck verlieh. Dann herrschte kurzweilig eine beängstigte Stille und gleich darauf vernahm er ein Weinen durch die Türe zu Chalitras Privatgemächern. Die Aufregung der Geburt nahm jählings von ihm Besitz und er konnte nicht mehr warten und öffnete schwungvoll die Tür. Drinnen bot sich ein Anblick, den er niemals zuvor erwartet hätte. Chalithra lag in ihrem Bett, überall Blutspritzer und Zofen, die aufgeregt versuchten, das Chaos des neuen Lebens zu beseitigen. Doch etwas anderes zog Handir in den Bann. Seine geliebte Ehefrau lag erschöpft in den weichen Kissen ihres Bettes. Auf ihrem Arm thronte ein kleines, zusammengeknülltes Bündel Stoff und sie lächelte. Ihr freudiges Strahlen ging nun auch auf den Mondelfen über und er wurde sich bewusst, dass er soeben Vater geworden war. Aufgewühlt und stolz eilte er zu seiner Frau hinüber, setzte sich behutsam auf die Bettkante und beide lächelten sich an. Sein Blick fiel auf das kleine Bündel und er erkannte darunter einen kleinen Säugling. Helle Haut, fast schon zu farblos für einen Halbdrow, – das Kind ähnelte von der Hautfarbe eher einem blassen Oberflächenelfen – weiße Fingerchen streckten sich müde und abgekämpft in die Luft, während tiefblaue Augen neugierig glänzten und ein weißer Flaum Haare bedeckte das kleine Köpfchen. All das konnte Handir im Schein von vielen Fackeln an den Wänden erkennen und seufzte zufrieden über den schönsten Augenblick in seinem Leben.
Währenddessen zogen sich bis auf Iymril alle aus den Privatgemächern der ersten Tochter des Hauses Myt’tarlyl respektvoll zurück.
„Handir, du bist Vater unseres Sohnes“, flüsterte Chalithra leise, als sie ihrem Mann direkt in seine blauen Augen schaute.
Die Geburt hatte sie angestrengt und so ließ sie sich nun endgültig sanft in die Kissen nieder. Das Kind fest an ihre Brust gedrückt.
Das Wort „Sohn“ löste bei Handir Freudentränen aus. Ungehemmt flossen sie über seine Wangen und er beugte sich nach vorne, um Chalithra einen zärtlichen Kuss auf die Stirn zu geben.
„Wie soll unser Sohn heißen?“, fragte der Elf neugierig und beäugte mit stolzer Miene den kleinen Säugling in den Armen seiner Frau erneut.
„Shar. Shar Dyneren Myt’tarlyl aus dem zweiten Haus“, murmelte Chalithra aufgezehrt von der Geburt und konnte dabei plötzlich ein Husten nicht unterdrücken.
„Geht es dir gut?“, wollte Handir eilig wissen und schaute besorgt auf seine schwache Frau, die erschöpft in den Kissen ruhte.
„Mach dir keine Sorgen, mir geht es bestens. Ich bin nur müde von der Anstrengung, das ist alles. Vater wird stolz sein können, es ist ein männlicher Nachfahre.“
„Ruh’ dich aus, Chalithra. Tarlyn wird es morgen als Erster erfahren, wenn er nicht schon ruhelos in seinen Privatgemächern auf und abläuft“, erwiderte Handir nun ebenfalls müde, aber mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen.
Die Stunden vor der Geburt hatten auch ihn an den Rand eines nervösen Zustandes gebracht, da er zuvor noch niemals ein Kind mit einer Elfe erwartete. Doch nun lag beides hinter Mutter und Vater. Tarlyn wird wahrlich stolz sein, dachte Handir über den Patron des Hauses nach. Da der Mondelf mittlerweile selbst ein gläubiger Anhänger Vhaerauns und ein ebenso unbeugsamer Kämpfer der Stadt Eryndlyn war, konnten nur männliche Nachfolger im Haus weiter kommen und aufsteigen. Den Frauen war lediglich die repräsentative Rolle eigen. Ganz so, als würde es sich um einen Clan an der Oberfläche handeln mit dem einzigen Unterschied, sie befanden sich im Unterreich und mussten ständig auf der Hut vor neugierigen Priesterinnen und Mutter Oberinnen von Lolth sein.
Zufrieden blickte der Elf auf seine beiden Liebsten, als sich Iymril unerwartet räusperte, ganz so, als hätte sie niemand beachtet.
Iymril, die 30 Jahre jünger Schwester von Chalithra, war ein ganz anderer Schlag einer Dunkelelfe. Verschlagen, hinterhältig und stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht, doch das wusste niemand. Auch wenn sie selbst, wie die anderen Familienmitglieder ihrem Gott treu ergeben war, so war sie innerlich aufgerieben und eifersüchtig. Immer schien sie verschwunden und tauchte unvermittelt erst dann wieder auf, wenn man sie vermisste. Neidisch auf ihre ältere Schwester, die ihr Glück bei einem jungen, attraktiven und dazu noch stattlichen Krieger der Mondelfen von 380 Jahren gefunden hatte, eine sehr explosive Mischung. Alles, was sich Iymril immer für sich selbst gewünscht, aber nie bekommen hatte, ging in den letzten fünf Jahren an Chalithra. Iymril blieb nichts anderes übrig als tatenlos zu zuschauen, wie Handir und Chalithra von Tag zu Tag glücklicher wurden, während sie nicht beachtet wurde. Äußerlich gab sich die Drow als zuvorkommend und um das Wohl aller bedacht, aber hinter der Fassade brodelte ein See aus heißer Lava und schürte die Eifersucht. Heute, jetzt in dieser Nacht, schien das Glück der beiden Liebenden ihren Höhepunkt gefunden zu haben. Der Segen ihres Vaters war mit ihnen und nicht einmal ihr älterer Bruder Kalanzar schien gegen diese Verbindung jemals Einwände zu haben. Der Waffenmeister des Hauses Myt’tarlyl freute sich wie der Rest der Familie über den Zuwachs. Auch ihr Bruder hatte bereits das eigene Glück in einer attraktiven Dunkelelfe aus einem niederen Adelshaus gefunden.
„Chalithra, meine Schwester, du solltest etwas trinken und dich ausruhen“, gab Iymril ihr freundlich zu verstehen. Dabei schob sie Handir etwas unsanft zur Seite und hielt in ihrer Hand einen Becher kalten Wassers. Vorsichtig hob Iymril das Gefäß an die Lippen ihrer Schwester und half beim trinken. Das Ganze tat sie einige Mal, um sicher zu gehen, dass Chalithra keinen einzigen Tropfen des kostbaren Nasses verschüttete.
„Ich danke dir“, antwortete die frisch gebackene Mutter und bedachte ihre Schwester mit einem liebeswürdigen Lächeln.
„Du solltest mir auch danken, Schwester. Du und der Abschaum, der dir den Tod gebracht hat“, säuselte plötzlich Iymril und ein argwöhnisches Blitzen in ihren rot glühenden Augen durchbrach die bis jetzt aufrecht erhaltene Fassade der jüngeren Drow und ihrer Schwester.
Beide, Handir wie auch Chalithra blickten überrascht und irritiert zu Iymril hinauf, die sich bereits entfernt und sich einige Schritte von dem Bett aufhielt. Mit einer eleganten Geste stellte sie nun den leeren Becher ab, als wäre nie etwas gesagt worden.
„Ihr beiden glaubt doch nicht wirklich, dass ein Halbdrow unserem Vater gefallen wird. Doch wisse, du Chalithra hast du mir alles genommen, was ich jemals begehrt habe, nämlich dich Handir“, führte plötzlich Iymril ihre seltsamen Anschuldigungen weiter aus und bedachte dabei den Mondelfen mit einer Mischung aus Anziehung und Abscheu.
„Sag’ so etwas nicht …“, verteidigte sich Chalithra plötzlich, musste aber abbrechen, weil ein erneuter Hustenanfall von ihr Besitz ergriff. Sie begriff nicht was so unerwartete in ihre jüngere Schwester gefahren war. Handir ging es nicht anders.
„Was ist denn mit dir los? Chalithra hat gerade ein Kind zur Welt gebracht, es ist nicht der richtige Zeitpunkt zu streiten und schon gar nicht über solch’ ein Thema“, brachte sich Handir nun mit ein und versuchte unauffällig seiner geliebten Frau näher zu kommen. Aus den Augenwinkeln erkannte er Schweißperlen auf ihrer Stirn, sie fing leicht an zu zittern und sie starrte erschrocken über die Worte auf ihre Schwester zu der Dunkelelfe hinüber.
Hatte Handir eben richtig verstanden oder war das ganze nur ein Alptraum und er würde gleich in die Wirklichkeit zurückkehren und feststellen, dass nichts geschehen war. Was war nur in Iymril gefahren, so etwas hatte sie niemals gesagt, nicht die stets zuvorkommende Drow, die selbst er, Handir, in all seiner Zeit im Unterreich zu schätzen gelernt hatte.
„Du sagt es. Nicht so voreilig ihr beiden“, konterte Iymril lässig und selbstbewusst. „Alles hast du mir genommen Chalithra. Nicht nur Handir, nein, selbst die Position in diesem Haus. Ich erinnere mich noch so gut wie heute Morgen an Vaters Worte, dass er stolz sein würde, wenn eine von seinen Töchtern den ersten männlichen Nachfahre auf die Welt bringen würde. Er wäre der rechtmäßige Erbe, wenn Kalanzar versagen sollte. Du hast es nun geschafft und mir jede Möglichkeit genommen selbst aufzusteigen. Dafür hasse ich dich Chalithra und dich ebenfalls Handir, du stinkender Abfall.“ Die Worte schossen geradezu aus ihrem Mund und sie dachte nicht darüber nach, jetzt noch etwas von ihrer Eifersucht den beiden gegenüber geheim zu halten.
Erschrocken über diese harten Aussagen, rückte Handir nun noch näher an Chalithra heran, die jetzt offensichtlich mehr als zuvor am ganzen Körper wie Espenlaub erzitterte und um ihre Fassung rang. Das Bündel mit dem Säugling lag noch in ihrem Armen. Das Kind schien die angespannte Situation zu bemerken, denn es gab einige nervöse Laute von sich und hob hin und wieder die kleinen, noch kraftlosen Ärmchen in die Luft, um auf sich aufmerksam zu machen.
„Was du mir an den Kopf wirfst ist kann nicht dein Ernst sein, Iymril. lass’ Chalithra in Ruhe. Sie ist schwach und hat ein Kind geboren“, verteidigte nun der Elf seine Frau mit einer ungeheuren Anspannung in der Stimme. Die Angst, dass hier etwas Schreckliches geschah bemächtigte sich Handirs Herzen und er wusste nicht recht, was er denken oder fühlen sollte. Es sollte ein freudiges Erlebnis werden und keines, dass hier in Beschuldigungen und unerwarteter Eifersucht endete.
„Hört auf euch in so einträchtiger Fassung zu zeigen und schließe deine Augen für immer, Chalithra“, meinte Iymril böswillig und biss sich im nächsten Moment auf die Lippe, als sie bemerkt hatte, dass sie soeben zu viel von ihrem Plan verraten hatte, der bis zu diesem Zeitpunkt sich wunderbar zusammenfügte.
„Was … was hast du … gesagt“, stammelte Chalithra leise bei den Worten ihrer jüngeren Schwester und riss vor Schreck ihre Augen weit auf.
„Hör’ endlich mit diesem Unsinn auf“, mischte sich nun auch Handir wieder ins Geschehen ein und legte behutsam eine Hand auf die Stirn von Chalithra, um sie zu beruhigen. Er spürte dabei den Schweiß und eine ungewöhnliche Kälte, die sie ausstrahlte. Besorgt beäugte er seine Ehefrau und konnte erkennen, dass etwas nicht stimmte und es lag nicht an der Geburt des Kindes selbst, auch nicht an der Aufregung, die ihr soeben zu Teil wurde.
„Was …?“, setzte Handir gerade an zu sprechen, da durchdrang ein markerschütterndes Gelächter das Zimmer.
„Ich habe dich vergiftet, meine Schwester“, lachte Iymril mit voller Überzeugung und ein krankhaftes Lächeln stahl sich auf das Gesicht der Drow. „Du hast mein Wasser getrunken, das dich ins Reich deines Gottes bringen wird.“
Handir sprang in jenem Augenblick rasend vor Wut vom Bett auf und blieb kurz vor Iymril stehen. „Sag’ mir, dass das nicht wahr ist“, forderte er die Drow zornesrot heraus. Die Unverschämtheit der Aussage ging doch über das Eigentliche, was sich bis jetzt die jüngste Schwester erlaubt hatte. Doch bei seinen eigenen Worten wurde er sich mehr als bewusst, dass Iymril soeben die Wahrheit sprach. Er beobachtete aufgewühlt sein Gegenüber und sah sogleich zu Chalithra hinüber, die immer schwächer in die weichen Kissen des Bettes zurücksank. Bei diesem Anblick überkam ihn eine ungeheuerliche Traurigkeit und eine noch viel stärkere Gefühlsregung, Hass. Er konnte jetzt jedoch nicht nachgeben, das Leben seiner Frau stand auf dem Spiel, sie war das Wichtigste, um sie musste er sich als erstes kümmern. Iymril würde ihre Strafe rechtzeitig bekommen, dass schwor er sich, als er plötzlich das vor Schmerz verzerrende Gesicht von Chalithra beobachte. Handir wandte sich hastig von der jüngeren Schwester ab, begab sich zu seiner Ehefrau und setzte sich neben sie. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Atem kam schwer und flach. Shar, seinen Sohn, hielt sie fest in den Armen. Als sie bemerkte, dass Handir sich erneut zu ihr gesellt hatte, öffnete sie ihre Lider und bedachte den stolzen Elfenkrieger mit einem freundlichen Lächeln.
„Vergib’ mir. Wenn ich gewusst …“, dann brach ihre zittrige Stimme ab und sie holte einmal tief Luft.
Am liebsten hätte Handir ihr gesagt, sie solle nicht reden, aber die Zeichen um sie standen schlecht und wurden von Sekunde zu Sekunde schlimmer. Wenn wirklich Gift im Wasser gewesen war, dann würde sie jeden Moment ihr Leben aushauchen und ihn für immer verlassen. Ein Gedanke, der schmerzlich in seinem Inneren zerrte und Iymril kurzzeitig vergessen ließ. Sollte es niemals mehr eine Zeit für Zärtlichkeiten, ihre Liebe oder Gespräche geben? Nichts, was sie verband würde übrig bleiben, wenn Iymril diese schreckliche Tat nicht nur erfunden, sondern auch umgesetzt hatte. Vielleicht doch nur ein Alptraum und ich werde gleich in meinem Bett neben Chalithra aufwachen und merken, alles ist in Ordnung. Doch die Zeit rann viel zu schnell durch die Sanduhr dahin, alles schien mit einem Mal Falsch zu wirkten. Während Handirs Gedanken und Gefühle wild durcheinander wirbelten, öffnete Chalithra erneut ihre Augen.
„Handir“, flüsterte sie leise, „Nimm unseren Sohn und …“, dann brach ihre Stimme ab. Ein letztes Mal atmete sie aus und nicht mehr ein.
„NEIN!“, schrie Handir im gleichen Moment qualvoll auf. „Chalithra!“, rief er lautstark hinter her. Doch sie bewegte sich nicht. Sie lag reglos in den weichen Kissen des Bettes, der Körper erschlafft und ihr Atem war verstummt.
„Jetzt gehörst du mir“, lachte in jenem Augenblick Iymril fröhlich hinters Handirs Rücken und strafte damit das Hinscheiden ihrer älteren Schwester.
„Du elendes Biest“, fauchte der Krieger plötzlich wütend. Ein unsagbarer Zorn ergriff jäh von ihm Besitz, alles schien mit einem Mal vergessen und er stürzte sich blindlings auf die Dunkelelfe, die einfach nur dastand und dämonisch grinste.
„Du hast deine Schwester getötet, meine Frau“, stachelte Handir sie an und war gerade im Begriff seine Waffe zu ergreifen, als er merkte, dass er keine mitgenommen hatte und er sie in seinem Zimmer gelassen hatte. Im gleichen Moment hörte er Iymrils Stimme rufen, „Wachen! Kommt schnell, Handir hat Chalithra und das Kind …“, dann stockte sie abrupt, als Handir geistesgegenwärtig auf die Drow los rannte und sie von den Beinen fegte. Verwirrt landete sie auf dem Boden, über sich der Elfenkrieger bedrohlich ausschauend.
„Wage es nicht“, versuchte er sie zu erpressen, doch die Trauer, um den eben geschehenen Tod seiner Frau, nahm überhand und er ließ die Schwester los, während er ungläubig aus seinen blauen Augen blickte und doch nichts wirklich wahrnahm.
Iymril zögerte nicht lange und sah die erst beste Möglichkeit von dem angriffslustigen Krieger zu entkommen. Sie stieß ihm ihren Ellenbogen ins Gesicht, drückte den muskulösen Körper von sich und raffte sich geschickt wieder auf die Füße.
Handir landete auf der Seite und schüttelte einen Augenblick verdutzt den Kopf. Dann erhob er sich ebenfalls und sah Iymril am Bett mit seiner toten Frau und dem Bündel mit seinem Sohn stehen. Eilig rannte er hinüber und gleich im nächsten Atemzug trieb Handir der Verräterin seine Faust in ihr Rückgrat. Ein erschreckter Schrei ertönte und die jüngere Schwester fiel bewusstlos zu Boden. Handir blickte irritiert auf die liegende Dunkelelfe hinunter und konnte immer noch nicht verstehen, was sich soeben vor seinen Augen abgespielt hatte. Ein seltsames Schwindelgefühl breitete sich in seinem Inneren aus und er musste sich zuerst einmal auf das Bett setzen. Seine Augen füllten sich erneut mit Tränen und er sah entsetzt auf den schlaffen Körper von Chalithra. So verweilte er einige Minuten und versuchte zu realisieren, was passiert war.
Ein leises Wimmern riss ihn ruckartig aus seinen Erinnerungen und der Krieger wurde sich bewusst, dass Shar, sein Sohn noch in den Armen seiner Mutter lag. Zitternd streckte er seine Hände nach vorne und nahm vorsichtig den kleinen Säugling in die eigenen starken Arme.
Das Kind beäugte ihn mit seinen großen, tiefblauen Augen und machte den Eindruck, als ob es wüsste, dass etwas Schreckliches geschehen war.
„Mein Sohn, so etwas habe ich dir nicht gewünscht“, flüsterte Handir dem Kleinen zu und überlegte, was er jetzt als nächstes tun sollte. Sein erster Gedanke war zu Tarlyn zu gehen und ihm von der schändlichen Tat zu berichten, die sich hier abgespielt hatte. Doch er besann sich eilig anders. Wem würde der Patron mehr glauben, einem angeheirateten Elfenkrieger von der Oberfläche oder seiner leiblichen Tochter, die immer noch bewusstlos auf dem Boden vor dem Bett lag, von ihm niedergestreckt. Der Vorteil lag eindeutig nicht auf seiner Seite. Selbst mit wohl ausgesuchten Worten könnte oder würde ihm niemand Glauben schenken. Die Trauer um den eben entstandenen Verlust verwirrten ihn umso mehr. So schloss er seine Lider und überlegte weiter, während er seinen Sohn Shar fest an die Brust drückte.
Plötzlich sah Handir vor sich den Mondwald. Hohe, grüne Bäume, saftige grüne Wiesen und Blüten, wohin er auch blickte. Die Sonne schien ihm ins Gesicht und eine kühle Brise umspielte seine Wangen. Dann sprang Handir abrupt auf, packte das Bündel mit dem Säugling jetzt noch fester in seine Arme und wusste nun, was zu tun war. Ich werde fliehen. Niemand wird mich aufhalten, ich kehre dem Unterreich den Rücken zu und keiner wird mich jemals finden. So lauteten seine Überlegungen und diese wollte er schnellstmöglich in die Tat umsetzen. Ein letzter Blick auf Chalithra, ein zärtlicher Kuss auf ihren Mund und Handir wand sich schmerzlich von dem leblosen Körper ab. Sie hätte es so gewollt, sagte er zu sich selbst, auch um sich Mut zu machen. Er beobachtete die Tür und versuchte zu lauschen, aber kein Ton war zu hören. Eigentlich hatte Handir vor, aus dem Zimmer zu spazieren, aber was, wenn Wachen davor standen und dazu noch treue und ergebene Soldaten von Iymril. Er drehte sich einmal um sich selbst und erspähte letztendlich das Fenster mit dem Balkon. Ich werde klettern, es ist Nacht, die Wachen konzentrieren sich auf Angriffe von Draußen und nicht auf einen Soldaten innerhalb des Adelshauses. Gesagt getan und er schritt eilig auf den Balkon zu. Doch ein leises Geräusch ließ ihn zusammen zucken. Hastig wirbelte er herum und erkannte, dass Iymril im Begriff war, aufzuwachen. Ich muss mich beeilen, drängte er sich selbst zur Schnelligkeit an.

Nach über einer halben Stunde schlich Handir, zusammen mit seinem neugeborenen Sohn durch die dunklen Straßen der Stadt Eryndlyn. Seine Gefühle spielten verrückt und er dachte ständig an Chalithra, wie sie leblos in ihrem Bett lag und er ihr nicht helfen konnte. Er sah Iymril vor sich und hörte ihr wahnsinniges Lachen. Das musste einfach ein Alptraum sein und wenn er es am wenigstens erwartete, würde er in seinem Bett erwachen und später darüber lachen, wie er nur so dumm sein konnte zu glauben, Iymril hätte seine Frau getötet. Aber je länger er sich diese Worte einredete, desto stärker fühlte Handir, dass er in keinem Traum gefangen saß. Er stand mit seinem Sohn mitten in der Wirklichkeit des Unterreiches. Sein neues Leben wurde innerhalb von Minuten zum zweiten Mal auf den Kopf gestellt und Handir hatte das Gefühl nicht mehr zu wissen, was er denken oder was er empfinden sollte. Nur in einem Punkt war er sich sicher, er befand sich auf der Flucht. Er versteckte sich im Schatten der vielen Häuserschluchten und achtete sorgsam darauf, von keinem beobachtet zu werden. Als ob Shar wüsste, dass es um Leben und Tod ging, verhielt sich der Säugling still und lag ruhig in den Armen seines Vaters.

Zur gleichen Zeit stand Iymril mitten im Trubel der Nacht auf der Anhöhe des zweiten Hauses Myt’tarlyl auf dem Balkon ihrer eigenen Privatgemächer und belächelte den unerwarteten Tod ihrer Schwester, an dem sie die Verantwortung trug und die Flucht ihres Schwagers.
„Du wirst mir nicht mehr in Quere kommen, Handir. Jetzt bin ich am Zug und alle schenken mir ihren Glauben. Nun kann ich meine Religion leben und führen und eines Tages werdet ihr es bereuen, auf Hieb und Stich, so wahr meine Göttin mit mir ist “, flüsterte die Drow lautlos vor sich hin und beobachtete neugierig, wie ihr Vater im Innenhof alles in Bewegung setzte, um den flüchtigen Handir – den angebliche Mörder seiner ersten Tochter und Entführer seines Enkelsohnes – zu finden und anschließend hinzurichten.
Iymril hatte nach der überstürzten Flucht des Kriegers mit samt seinem Kind, nichts anderes getan, als ihrem Vater und Hohepriester auf schnellstem Wege Bericht zu erstatten. Hinterhältig wie eine Schlange, konnte sie die Verletzungen von Handir vorweisen, der sie bewusstlos geschlagen hatte. Den Becher mit Gift übergab sie ebenfalls und ein Erkenntniszauber brachte die schreckliche Wahrheit ans Licht. Man fand schnell heraus, dass in dem einst kühlen Nass ein rasch wirkendes Gift enthalten war. Diese Ausführungen stammten natürlich von Iymril und somit erklärten sie lediglich die Sicht der Dinge, die sie eigens für das Ausgehen ihres verruchten Planes zu Recht gelegt und theatralisch herüber gebracht hatte. Danach verschwand sie recht aufgelöst in ihren eigenen Privatgemächern und gab sich offiziell der plötzlich entstanden Trauer über den Verlust ihrer geliebten Schwester hin.
„Nhaundar, darf ich bitten, Euer Auftritt wird verlangt“, murmelte Iymril jetzt einer Gestalt zu, die sich hinter ihr im Schatten des Balkons verbarg. Als der Name der Person erwähnt wurde, trat diese hervor und verbeugte sich respektvoll vor der Dunkelelfe.
Es handelte sich um Nhaundar Xarann, einen Sklavenhändler aus Menzoberranzan und ein guter Geschäftspartner zu der nun seit kurzem ersten Tochter des Hauses Myt’tarlyl Iymril, in der Stadt Eryndlyn. Nhaundar war bereits ein etwas älterer Dunkelelf von ungefähr 550 Jahren mit langen, weißen Haaren und roten Augen, die soeben gefährlich aufglimmten. Er trug schwarze Lederkleidung und darüber eine dunkelrote Tunika. Von der Statur wirkte er normal gewachsen und für sein Alter sogar recht ansehnlich. Kein Gramm zuviel und nur einige Falten im Gesicht.
Dieser Drow grinste bei der Aufforderung von Iymril hämisch und erwiderte kurz und knapp, „Ich werde Euch nicht enttäuschen, wenn Ihr es auch nicht tut. Wir beiden betreiben schon so lange Geschäfte …“.
„Ruhe“, zischte Iymril plötzlich ärgerlich und brachte somit den Mann zum Schweigen. Sie fühlte sich bei der öligen Stimme des Händlers aus der Stadt der Spinnenkönigin immer unangenehm berührt obwohl er nützlich für sie war. Doch er war es auch, der sie stets mit den neuesten Sklaven, Nachrichten und etwaigen andere Dingen versorgte, die ihren Aufstieg im Haus ihres Vaters sichern sollte. Bereits Wochen vor der Geburt des ersten Kindes ihrer Schwester, hatte sie mit dem Sklavenhändler ein Geschäft abgeschlossen, dass ihr in Zukunft vielleicht mehr bringen würde, als es jetzt den Anschein erwecken ließ. Nhaundar hatte ihr das beste Gift auf dem Markt zu einem guten Preis verkauft. Der Rest war für ihren Geschmack sehr einfach verlaufen. Sie wusste nämlich von dem heimlichen Traum Handirs, dass er sich nach der Oberfläche sehnte. So ging sie auch davon aus, dass er fliehen würde, anstatt sich an ihren Vater zu wenden. Alles lief bestens und vielleicht sogar noch besser, dachte sie.
„Wie schwächlich Handir ist, meine Schwester“, sagte sie siegessicher zu sich selbst und musste lächeln. „Beeilt Euch endlich Nhaundar, sonst wird er aus der Stadt verschwunden sein, bevor Ihr Euren neuen Sklaven überhaupt erst in die Hand bekommt“, beendete Iymril ihr Gespräch und machte sich auf den Weg zurück ins Innere des Hauses.
Ein letztes Mal verbeugte sich Nhaundar Xarann vor seiner wehrten Geschäftspartnerin und verschwand im Schatten. So schnell wird dieser Mistkerl nicht entkommen, meine Liebe, ging es nun dem Sklavenhändler durch den Kopf. Die Stadt ist durch meine Soldaten abgeriegelt, er kann nur mit unserer Hilfe fliehen. Bei diesen Gedanken rieb er sich die Hände und lächelte bösartig in sich hinein. In seiner Hand hielt er einen kleinen Samtbeutel, prall gefüllt mit den edelsten Steinen, seine Entlohnung dafür, dass er Handir mit zu sich ins Haus nehmen würde, so lautete die Abmachung. Fort von Eryndlyn und aus den Augen der Tochter des Hauses Myt’tarlyl. Dieser Elfenkrieger wird in Zukunft meine exotische Sammlung vervollständigen und höchstwahrscheinlich meine Schatzkammer füllen. Mit dieser guten Aussicht machte sich der Drow auf zu Yazston, seinen treuen Soldatenhauptmann zu treffen, anschließend den Elfen zu ködern und einzufangen. Seine Hand berührte eine kleine Brosche, die an seiner dunkelroten Tunika prangte. Er konzentrierte sich und sprang von dem Balkon. Der Dunkelelf levetierte nach unten auf den Boden zu. Zum Glück hatte er seinen Magier dabei, der ihm hin und wieder mehr nutzte, als er stets dachte. Denn bei Nhaundar handelte es sich nicht um einen Adligen, aber diese Brosche erfüllte zeitweise den Dienst eines in Menzobarranzans ansässigen Haussymbolen und ihrem Levitationszauber. Unten im Hof blickte er sich kurz um und verschwand auf dem gleichen Weg, wie er sich Zutritt zum Anwesen verschafft hatte. Zurück zu den eigenen Männern und zu seinem neusten Sklaven.

Handir schlich lautlos durch die verlassen wirkenden Straßen der Stadt Eryndlyn. Seinen Sohn fest an seine Brust gedrückt. Er beobachtete aufmerksam jeden Winkel vor, hinter und neben sich, bevor er einen weiteren Schritt unternahm, sich aus der Stadt zu stehlen. Mittlerweile musste Iymril ihrem Vater die Nachricht über Chalithras Tod erzählt haben, überlegte Handir. Bald wird ein aufgeregtes Ausschwärmen der Soldaten ihren Höhepunkt erreichen und mich in den Straßen suchen. Ich muss schneller sein, sagte er zu sich selbst und trieb sich dabei zur Eile. Bald wird Eryndlyn nur noch von den Kriegern des Hauses Myt’tarlyl wimmeln und dann habe ich jede Chance vertan, sicher und heil zu entkommen. Doch wie er das anstellen sollte, war Handir in diesem Moment noch völlig schleierhaft. Sein erstes Ziel vor Augen zeigte ihm, dass er die Stadtmauern von Eryndlyn überwinden musste um sich erst danach weitere Gedanken um die Flucht zu machen. Etwas anderes kam ihm nicht in den Sinn. Da wurde er durch ein Geräusch vor sich aufmerksam gemacht und er hielt abrupt inne. Seine Augen tasteten die Umgebung vor sich ab, doch er konnte nichts ausmachen. Er tat einen weiteren Schritt, da ertönte ein weiterer Laut. Es klang in seinen Ohren wie Schritte von Stiefeln auf dem blanken Felsboden. Handirs Herz stockte einen kurzen Atemzug und er schaute sich nervös um. Haben sie mich bereits gefunden, fragte er sich. Doch dann herrschte nur noch Stille. Einige Sekunden blieb er regungslos stehen und lauschte. Als er nichts mehr hören konnte, setzte sich Handir wiederum in Bewegung. Plötzlich schälte sich nur einige Meter vor ihm eine dunkle Gestalt aus dem Schatten eines Hauses und blieb seelenruhig auf der Straße stehen. Im Dunkeln der Nacht beobachtete der Fremde nun ebenfalls seine Umgebung und erspähte den Mondelfenkrieger, der unmittelbar vor ihm zum Stehen kam. Handirs Blut rauschte durch seine Adern und sein Atem kam schnell. Er hielt erneut inne und verfluchte sich selbst, dass er sich ohne eine Waffe von dem Anwesen Myt’tarlyl entfernt hatte und nun wehrlos diesem Fremden – Freund oder Verbündeter – gegenüberstand. Es handelte sich eindeutig um einen Drow, denn die Augen glühten rot auf.
Der Elfenkrieger erkannte nur wenige Sekunden später eine weitere Gestalt, die sich der ersten näherte und in unmittelbarer Nähe ebenfalls zum Halt kam. Darauf folgten nun mehrere andere und ehe sich Handir versah, wurde er von einer dicht gedrängten Traube von Dunkelelfen umstellt. Instinktiv drückte er seinen Sohn fest an die Brust und versuchte so, den Säugling zu schützen, auch wenn es bei einem Angriff schwer möglich gewesen wäre, jemanden auszuweichen. Ihm blieb jetzt nur die Hoffnung, unbeschadet aus dieser Situation herauszukommen, ob nun Freund oder Feind.
„Wen haben wir denn da?“, durchbrach eine ölige Drowstimme die Stille der Dunkelheit und schien auf ihn zu zukommen.
Der Krieger schaute zur Seite, wo er soeben die Worte vernommen hatte und war nicht einmal überrascht, dass diese in der Sprache der Oberfläche zu ihm sprach. Doch er kannte sie nicht und er musste sich auf das Schlimmste gefasst machen. So verharrte er still auf der Stelle.
„Ein Fang in der Nacht, ich scheine heute eine Glückssträhne zu haben“, sprach der Fremde weiter, benutzte jedoch nun die Sprache der Drow und näherte sich dabei dem Elfen. „Yazston“, kam eine Anweisung hinter her.
„Nicht so schnell“, rief Handir in der Aufregung und wollte versuchen Zeit zu schinden und die neue Situation in den Griff zu bekommen, die so unerwartet auf ihn eingestürzte. Vielleicht konnte er verhandeln und mit diesen Dunkelelfen reden und ins Geschäft kommen. Alle Möglichkeiten waren besser, als hier untätig zu stehen und zu warten was sie vorhatten.
„Ich höre“, säuselte der Fremde neugierig. Dabei trat er nun direkt vor Handir und beide konnten sich im Schein einer magisch, erhellten Fackel in die Augen schauen. Neben dem Fremden stand unvermittelt ein weiterer Drow. Eine in dunkelblaue Robe gehüllte Person mit zu einem Zopf gebunden, weißen Haar und einem silbernen Diadem auf der Stirn, der das Licht in einer Hand hielt. Ein Magier schoss es Handir durch den Kopf und der Respekt vor dem Unbekannten wuchs. Er konnte es mit Kämpfern aufnehmen, aber nicht mit Magie beherrschenden Dunkelelfen. Die Zeit und die Lage arbeiteten gegen ihn.
„Ich habe nichts zu bieten, nur mich selbst und nicht einmal das“, setzte Handir verzweifelt an und musste den Verlauf seiner nächsten Worte genau überdenken. „Ich habe nichts getan, ich will einfach nur nach Hause“, log er weiter und hoffte darauf, dass die Fremden den bitteren Unterton in seiner Stimme nicht heraushören würden. Er war niemals ein guter Lügner und schon gar nicht, wenn er dazu gezwungen wurde. Doch diesmal gab er alles, sein Leben und das Leben seines Sohnes Shar standen auf dem Spiel.
„Das sehe ich anders, Elf“, kam die nüchterne Auskunft. „Ich habe Euch beobachtet und Ihr scheint aus der Stadt fliehen zu wollen. Des Weiteren habe ich von einem flüchtigen Elfenkrieger gehört, der gesucht wird. Neuigkeiten sprechen sich schnell herum.“
Mit dieser Antwort hatte Handir nicht gerechnet. Iymril scheint wirklich alles gut geplant zu haben. Doch er wusste nicht recht, was er mit den neuen Informationen anfangen konnte, um seinem Leben keinen sinnlosen Tot zu bescheren oder ob Iymril wirklich hinter alldem steckte.
„Keine Sorge, ich werde Euch nicht verraten, Elf, doch vielleicht können wir ins Geschäft kommen“, bot die aalglatte Stimme an.
Handirs Herz raste vor Überraschung und Aufregung über die Worte, die ihm eine Möglichkeit boten, dass noch nichts verloren war.
Eine kurze Pause trat ein und ein jeder schien nachzudenken.
„Mein Name ist Nhaundar Xarann und ich habe kein Interesse daran, Euch auf der Stelle töten zu lassen. Ich bin Händler und immer auf der Suche nach neuen Männern und wertvollen Gegenständen. Vielleicht beweist Ihr mir jetzt gleich und auf der Stelle, dass Ihr würdig seid ein Krieger zu sein und ich werde Euch aus der Stadt bringen. Ein Geschäft, dass Ihr sorgfältig überdenken solltet, aber Euch auch das Leben rettet.“
Handir hörte das Angebot und wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte. Alles hatte sich so schnell verändert. Vor einigen Stunden noch war er nervös auf und abgegangen und wartete gespannt auf die Geburt seines Kindes. Dann musste er tatenlos mit ansehen wie Chalithra seine geliebte Frau vor seinen Augen starb und letztendlich musste er vor Iymril fliehen. Welche Möglichkeiten blieben ihm noch, wenn er selbst am Leben bleiben wollte, nicht nur für sich, sondern auch für Shar. Der unschuldige Säugling regte sich im gleichen Augenblick in seinen Armen. Da traf er eine Entscheidung und hoffte inständig, dass er das Richtige tat. „Ich werde Euer Angebot annehmen“.
„Sehr gut“, meinte der Drow zufrieden stellend, der sich als Nhaundar bei ihm vorgestellt hatte und wies die Männer um ihn herum an, einen größeren Kreis zu bilden. „Zuerst werden wir Eure Fähigkeiten im Kampf prüfen. Wenn Ihr überlebt, dann werden wir zusammen aus der Stadt gehen“.
„Halt“, rief Handir jäh, „So hatten wir nicht gewettet“.
„Nicht?“, fragte der Drow hinterhältig, „Ich erinnere mich daran, dass ich meinte ‚Wenn ihr würdig seid ein Krieger zu sein’ gesagt zu haben, also zeigt mir Euer Geschick im Kampf.“
Handir vernahm die Worte und musste zugeben, der Fremde hatte Recht. Doch irgendwie schien er sich das anders vorgestellt zu haben. Nun saß er wirklich in der Falle und kam ohne einen Kampf nicht aus dieser auswegslosen Situation. Da fiel ihm etwas ein und wollte damit mehr Zeit schinden. „Ich habe keine Waffe“.
„Aber wir haben welche. Welvrin, gib ihm deine“, gab Nhaundar die Anweisung an einen seiner Soldaten.
Ein leises, missmutiges Knurren ging von dem Drow aus, der angesprochen wurde, dann setzte er sich in Bewegung und lief langsam auf den Elfen zu. Er zog sein Langschwert aus der Scheide und reichte es dem Mondelfenkrieger mit einem ärgerlichen Gesichtsausdruck.
Handir nahm die Klinge entgegen und musste feststellen, dass er immer noch seinen Jungen auf dem Arm hielt. Er schaute sich einen Moment um und entdeckte eine kleine, geschützte Stelle an der Häuserfront neben ihm und legte das Bündel vorsichtig nieder. Dann erhob er sich und schritt zurück in die Mitte des Kreises.
„Yazston“, sprach Nhaundar und darauf folgte ein leises Murmeln.
Als sich der Elfenkrieger umschaute, erkannte er einen großen, gut trainierten Drow, der sich aus dem Gefolge des Händlers herauswand und sich gegenüber Handir, mit gezücktem Langschwert entgegen stellte. Seine Haare waren kurz geschnitten und die Augen funkelten rot und unheilsvoll auf.
„Darf ich vorstellen, Yazston, einer meiner besten Soldaten. Einst ein Meister der Akademie der Krieger. Ich wünsche einen guten Kampf.“
Daraufhin beobachtete der Elf, wie sich der Händler zurück zog und die kleine Arena für den Kampf frei gab.
Der Dunkelelf mit dem Namen Yazston hielt ein nachtschwarzes Schwert in die Luft und schwang es mehrere Male von einer auf die andere Seite und versuchte damit seinen Gegner nervös zu machen. So kam es zumindest Handir vor, doch er ließ es nicht zu, denn in den letzten fünf Jahren hatte er mehr von dem Drowkampfstil gelernt, als er sich das jemals vorstellt hatte. Er umklammerte fest das Heft seines geliehenen Langschwertes. Dann erfolgte der plötzliche Angriff. Yazston machte einen langen Ausfallschritt und schoss auf Handir zu. Der Mondelfenkrieger wich zurück und blickte im gleichen Moment in die rot glühenden Augen des Drow, der ihn hasserfüllt anstarrte. Erneut stürmte Yazston nach vorne und ließ sein Schwert durch die Luft wirbeln. Er bewegte sich blitzartig und tänzelte um Handir herum, während er mit der Klinge nach ihm schlug. Dann wich der Drow zurück, ehe der Elf Gelegenheit hatte, den Angriff zu erwidern. Eine Leistung die selbst Handir bewunderte.
Der Dunkelelf ist sehr gut geschult worden, schoss es Handir durch den Kopf. Er selbst besaß genug eigenes Talent, das ihn zu einem guten Schwertkämpfer machte, doch die kleine Demonstration von eben beeindruckte den Oberflächenelf. Zuhause in seiner ehemaligen Heimat zählte Handir bereits zu den Besten seines Clans, sonst wäre er auch niemals zum Kommandant der Krieger aufgestiegen und selbst als er im Haus von Myt’tarlyl seinen Posten als Soldat antrat, gehörte er zu den grandiosen Kämpfern. Vielleicht auch mit ein Grund, dass Handir es fünf Jahre unter den mordgierigen Drowsoldaten überlebte. Der Gegner nun, schien nicht umsonst ein Meister der Akademie gewesen zu sein.
Yazston trat einen Schritt zurück, wirbelte herum und trat Handir mit voller Wucht in den Magen. Handir taumelte nach hinten, seine langen Haare lösten sich von seinem Zopf schwarzen Haares, der nach hinten gebunden war und fielen ihm ins Gesicht. Yazston griff erneut an und setzte wieder sein Schwert ein. Eine Handvoll schwarzer Haare, die der Drow zu fassen bekam, rasierte er mit der messerscharfen Klinge ab und ließ sie zu Boden fallen.
„Das hätte dein Hals sein können, du Abschaum“, spuckte der Dunkelelf zu Handir gewandt und hielt ihm das abgeschnittene Haarbüschel hin, „Du kannst aufgeben“.
Doch genau das würde Handir nicht tun. Was sind schon Haare, wenn es um einen aufgeschlitzten Hals geht. Die Wut über das unfaire Verhalten seines Kampfgegners ließ den Elfen sofort wieder klar denken. Aus den Augenwinkeln sah er im Schatten das Bündel mit Shar, der sich ruhig verhielt und er hoffte, dass das auch so bleiben würde, dann stürmte er übergangslos nach vorne.
Bei den Worten ihres Kameraden erklang erneut lautes Gemurmel der umherstehenden Männer und spornten somit die beiden Kämpfer an.
Angestachelt stieß der Drow einen Wutschrei aus, so schnell würde er sich von einem einfachen Oberflächenelfen nicht der Schmach hingeben, dass dieser nicht bereits jetzt schon genug von dem Schauspiel hatte, und ließ sein Schwert auf Handir niederfahren. Der konnte mit seiner Klinge den Hieb abwehren und es flogen Funken, als Metall auf Metall schlug.
Die Wucht des Aufpralls zwang Handir in die Knie zu gehen.
„Ich will dein Blut sehen, du Missgeburt. Ich werde dich lehren“, zischte Yazston ungehalten, als er sich umdrehte und Handir das Heft seines Schwertes gegen die Stirn rammte. Der Elfenkrieger fiel und wurde durch den Dunkelelfen so hart gestreift, dass er am Kopf eine Platzwunde davontrug.
Das alleine war nicht genug. Der Drow wurde wütender, aus keinem unersichtlichen Grund und erhob erneut sein Schwert. Mit einem letzten Blick in die rot glühenden Augen, konnte Handir noch erkennen, wie der Knauf des Langschwertes sich senkte und dann wurde alles um ihn herum finstere Nacht.
Yazston hielt inne und betrachtete den bewusstlosen Krieger, der ausgesteckt auf dem kalten, dunklen Felsenboden lag. Das Schwert von Welvrin war ihm aus der Hand gefallen und lag achtlos neben dem Kämpfer.
„Nehmt ihn mit“, erteilte Nhaundar seinen Männern den Befehl und machte sich auf, zusammen mit dem Magier davon zu gehen. Da durchbrach ein seltsames Geräusch die Stille der Nacht, ganz so, als würde jemand weinen. Überrascht schauten sich der Sklavenhändler und die Soldaten um, bis einer von hinten nach vorne rief, „Hier ist ein Säugling“.
„Was?“, fragte Nhaundar irritiert, bis ihm einfiel, dass Iymril bei ihren Treffen davon gesprochen hatte, dass ihre Schwester ein Kind erwartet hatte. Dies schien wohl der Nachkomme zu sein. Doch in ihrem Plan wurde niemals das Kind erwähnt, so wandte sich der Händler ab und fuchtelte abweisend mit der Hand. Er bedeutete damit, dass der Fund uninteressant zu sein schien, jetzt zählte die kostbare Ware und dieser Mondelf hatte ihm wahrlich gezeigt, dass hier eine Menge zu holen gab. Sein kriegerisches Talent, dazu das muskulöse Aussehen und noch viel mehr würden auf den Sklavenhändler warten. So lief Nhaundar einige Meter gedankenverloren weiter, dann hielt er jählings an. Vielleicht könnte dieser Säugling ihm doch in der Zukunft dienlich sein. Jedes Kind wird einmal erwachsen und er könnte ihn verkaufen. Kinder nahmen die meisten nicht gerne, aber damit hätte er einen Sklaven mehr. Wieso nicht das Glück beim Schopf packen und umbringen kann man das Ding immer noch, lächelte Nhaundar tückisch. Der Elf wird auch nicht ewig leben. Daraufhin drehte sich der Sklavenhändler um und gab die Anweisung, dass Bündel mit dem Baby mit zu nehmen.
Weitere Minuten verstrichen und die ganze Gruppe, bestehend aus dem Sklavenhändler Nhaundar Xarann, dessen Magier und die Drowsoldaten verschwanden hinter den Mauern der Stadt Eryndlyn, direkt im Unterreich. Handir wurde von zwei Dunkelelfen getragen, besser gesagt geschleift, bis sie in einer kleinen, versteckten Kaverne Halt machten. Diese diente nur zu einem Zweck, das Reisen im tiefen und wilden Unterreich leichter zu gestalten. Unter einem Schutzzauber verborgen, lag ein Portal das einem ermöglichte, schnell und bequem viele hunderte von Kilometern zu reisen. So auch vom Süden Eryndlyns bis zur Stadt Menzoberranzan.
arrow_back Previous