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Dem Wahnsinn so nah

By: Elbenstein
folder German › Books
Rating: Adult ++
Chapters: 47
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Reviews: 41
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Disclaimer: I do not own the Forgotten Realms books. I do not make any money from the writing of this story.
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20. Kap. Liebe geht seltsame Wege

20. Kapitel
Liebe geht seltsame Wege

Erst spät in der Nacht kehrte auch Nalfein zurück ins Gasthaus. Es überraschte ihn in keiner Weise, seinen Bruder und den Halbdrow eng umschlungen in dessen Bett wieder zu finden. Er war innerlich sogar froh, dass die beiden ihr Glück gefunden zu haben schienen, wobei ihm gleichzeitig bewusst wurde, dass diese Liebe wohl kaum bestand haben konnte. Ein Vhaeraunpriester und ein Sklave. Die seltsamste Beziehung von der Nalfein jemals wusste. Aber vielleicht besaßen sie den Segen des Maskierten Fürsten. Wenn ja, dann hoffte er, dass dies noch eine längere Zeit so bleiben würde. Des Weiteren erinnerte ihn der Anblick der beiden Schlafenden an frühere Zeiten. An eine Welt, wo alles noch Ordnung und Sinn besaß und die Zwillinge sich nicht verstecken mussten. Doch Nalfein schüttelte diese Gedanken von sich und seufzte leise auf. Anschließend begab er sich zu seinem eigenen Bett. Er legte seine Waffen und Hemd ab, zog die Stiefel aus und machte es sich in den weichen Laken bequem. Dann breitete sich ein Lächeln auf den immer so mürrischen Gesichtszügen des jungen Kriegers aus, als er sich an die Nacht in der Stadt erinnerte. Er hatte in den vergangenen Stunden ein gutes Händchen für Sava gehabt und kam mit einem vollen Beutel Gold zurück. Die nächsten Tage schienen dadurch wieder gesichert, um das Zimmer und Essen zu bezahlen. Zusammen mit der Entlohnung des Sklavenhändlers, die sein Bruder höchstwahrscheinlich für den Jungen bekomme hatte, reichte es wohl für mehrere weitere Tage. Müde schloss Nalfein die bernsteinfarbenen Augen und wurde vom Schlaf übermannt.
Gegen morgen vernahm er leise Geräusche und wusste augenblicklich, dass dies nur Sorn und der Junge sein konnten und ließ ein abfälliges Knurren von sich hören und drehte sich auf die andere Seite, um nichts sehen zu müssen. Dann herrschte wieder Ruhe, doch nicht für lange. Ein erneutes Murren half diesmal nichts mehr und so blieb Nalfein nichts anderes übrig, als sich das Kissen über die Ohren zu stülpen und bei nächst bester Gelegenheit seinen Bruder mit dem eben stattfindenden Liebesspiel aufzuziehen, da dieser sich wohl nicht beherrschen konnte und anscheinend auch ganz vergaß, dass er mit dem jungen Halbdrow nicht alleine war. Auch wenn der junge Krieger in jenem Moment etwas ungehalten über die Situation war, so liebte er es aber auch seinen Bruder aufzuziehen. Solange er und Sorn sich nicht irgendwie in der Wolle hatten, fühlten sich die beiden Dunkelelfen, als würde etwas fehlen. Schon als Kinder hatten die Zwillinge nichts Besseres zu tun gehabt, als sich zu kabbeln. Aber genauso hielten sie unbestreitbar zusammen, egal was auf sie zukam.
Am späten Morgen erwachte Sorn als erster wieder und sein Blick huschte augenblicklich hinüber zu Shar, der ruhig atmete und anschmiegsam in seinen Armen schlief. Der Priester war überglücklich und konnte die Freude über die nächtliche Leidenschaft kaum glauben, noch in Worte fassen. Er war über beiden Ohren in den Halbdrow verliebt und betete sogar still und heimlich für das Glück, dass ihm beschert wurde. Einige Zeit lag er da, beobachtete den schlafenden Jungen und ließ seine Hand dabei durch das lange, weiße und überaus weiche Haar von Shar wandern. Dann konnte er nicht anders und küsste ihn zärtlich auf den Mund.
Shar selbst war wach, tat aber so, als würde er schlafen, um die sanften Liebkosungen intensiver spüren zu können. Er fühlte die zarten Streicheleinheiten auf seinem Kopf, während er gleichzeitig sich wünschte, Sorn würde niemals damit aufhören. Es war wunderschön und zugleich auch seltsam unwirklich. Wenn er seine Gefühle hätte beschreiben müssen, dann hätten ihm im wahrsten Sinne die Worte gefehlt. Doch er wollte nichts von der letzten Nacht missen. Zum ersten Mal in seinem Leben gab es jemanden, der ihm solche Freuden bereitete, körperlich, wie auch seelisch. Gefühle von unbekanntem Ausmaß und der junge Halbdrow war sich sicher, dass es wohl nichts Vergleichbareres geben konnte. Sein Körper schien zu schweben und überall durchströmte ihn eine Wärme und ein angenehmes Kribbeln. Shar war verliebt und wusste noch nicht, was es bedeutete. Niemand hatte ihm bisher etwas davon erzählt, nicht einmal sein Vater. Eigentlich wusste der junge Halbdrow überhaupt nichts vom Leben und was dieses mit sich brachte. Ihm wurde lediglich von Kindesbeinen eingebläut, was er war, ein Sklave. Ein Sklave hatte seinem Herrn zu dienen, er musste arbeiten. Am Ende musste Shar mit ansehen, wie Handir auf grausame Weise sein Leben verlor und er selbst büßte seine Unschuld ein. Shar nahm es hin, was blieb ihm schon anderes übrig? Dann erinnerte sich der Junge an den Aufklärungsunterricht von Dipree und was die Worten und Taten der Offenbarung des Wesentlichen mit den Jahren mit sich brachte, Angst und Schmerzen und das er diese nur ungern auf sich nahm. Aber auch hier blieb ihm keine andere Möglichkeit. Dann zwang Nhaundar ihn zu Dingen, die kaum einer freiwillig gemacht hätte und Shar musste sie tun. Trost fand er schließlich bei seinem toten Vater. Durch den tragischen Tod von Handir wurde etwas in Shar zerstört, doch niemand interessierte es. Nhaundar und all die anderen Dunkelelfen schienen blind dafür zu sein. Keiner sprach mit ihm über den schrecklichen Verlust, warum auch, er war für sie lediglich ein Sklave mit bezaubernden Reizen zur eigenen Befriedigung. So geschah es auch, dass der junge Halbdrow sich einredete, dass Handir nicht tot war, nein, er schien lediglich spurlos verschwunden, bis er eines Tages wieder zu ihm zurückkehren würde. Wann und wo das lang ersehnte Treffen stattfinden würde, war egal, es zählte nur das Wiedersehen. Als Shar in schweren Zeiten der absoluten Not und völlig angsterfüllt nicht mehr weiter wusste, dann redete er mit Handir. Für ihn war sein Vater bei ihm. Ja, Handir gab ihm Ratschläge und die Antworten auf seine Fragen. Doch eigentlich gab sich der Junge selbst die Antworten und ahnte davon nichts. Ihm fiel auch nicht auf, dass die ihm so vertraute Stimme im Kopf stets das Gleiche wiederholte: „Sei brav und gehorsam und ich werde zu dir zurückkehren.“ Durch sein junges Alter, der Stand als Sklave, die Lebensumstände und seine kindliche Naivität konnte er nicht begreifen, dass er sich das alles nur einbildete. Dass letztendlich Sorn, der Dunkelelf neben ihm, seinen Teil zu dieser ungewöhnlichen Situation beigetragen hatte, dass der junge Halbdrow am Ende zwischen Wunsch und Realität nicht mehr unterscheiden konnte, dass ahnte keiner. Immerhin wollte Sorn für Shar in der schicksalhaften Nacht nur das Beste und rief damals die Seele des verstorbenen Mondelfen an die Seite seines Sohnes. Er wollte ihm damit Trost spenden, aber nicht, dass Shar dem Glauben verfiel, sein Vater rede mit ihm aus dem Jenseits oder von Shars Sicht, aus dem Diesseits, um sich schließlich in der Zukunft wieder mit seinem Sohn zu treffen. Doch die Seele Handirs verschwand an jenen Ort, der seine Bestimmung war.
Nur ein Lebewesen auf Faerûn kannte das volle Ausmaß dessen, was in den vergangenen Jahren vor sich ging. Dieses Geschöpf beobachtete neugierig aus dem Schatten heraus, was passiert war und konnte sich eines siegessicheren Lächelns nicht erwähren. Diese Person kannte die starke und unbeugsame Seele Handirs, genauso fühlte er die unbestreitbare Willensstärke und die unschuldige Naivität des jungen Halbdrows. Er konnte die Zukunft vor sich sehen und wusste von der Wirkungsfähigkeit aller Beteiligten, die seine Instrumente der Macht darstellten.
Doch gerade jetzt, wo Sorns Hände über Shars Kopf streichelten, sprach der Junge erneut stumm zu seinem Vater und der Schatten hörte von einem unbekannten Ort aufmerksam zu. „Ich weiß nicht was es ist, aber es so wunderschön, wenn ich mit dem jungen Dunkelelfen zusammen bin. Er ist ganz anders, als all die anderen. Er mag mich. Mein ganzer Körper kribbelt und wenn er mich berührt, dann wünsche ich mir, er würde nie wieder damit aufhören. Hörst du Handir, er hat mir auch gesagt, dass er mich liebt. Er wird mir nicht wehtun wie Nhaundar, oder Vater?“ Darauf folgte lange keine Antwort ins Shars Kopf. Doch der Junge wartete geduldig und sehnte sich nach der Stimme von Handir. Dann, ganz plötzlich, vernahm der Halbdrow die Antwort, die wie tausend Stimmen auf einmal in seinem Kopf widerhallte. „Sei brav mein Sohn, gehorche ihm und dir wird nichts Schlimmes zustoßen.“ Nun war Shar überzeugt. Denn das, was sein Vater sagte, konnte nur die Wahrheit sein. „Ja Handir, ich werde es tun. Ich warte auf dich.“
Shar spürte jäh die sanften Lippen von Sorn und öffnete die Augen. Vergessen schien in jenem liebevollen Moment die Tatsache, dass der Tonfall seines Vaters plötzlich so seltsam anders klang. Viel zu laut und ungewöhnlich. Shar blickte in die bernsteinfarbenen Augen des Dunkelelfen. Sorn ließ von dem Jungen ab und lächelte ihn an. Der Halbdrow tat es ihm gleich und dann lagen beide umschlungen in dem weichen Bett.
„Ich muss dir was sagen, Sorn“, flüsterte Shar leise.
Sorn runzelte einen Moment etwas überrascht die Stirn und fragte sich, was der Junge ihm wohl zu sagen hatte. Die Neugier war groß und so nickte er als Bestätigung.
„In meinem Bauch kribbelt es, genau hier“, meinte Shar und tippte mit einem Finger auf Sorns Bauch.
Dieser kicherte kurz auf und freute sich mehr denn jäh. Nicht nur er schien sich in Shar verliebt zu haben, sondern auch der Halbdrow in ihn.
„Dann kribbeln jetzt unsere beiden Bäuche“, lachte Sorn leise und tippte den Jungen zaghaft in dessen Bauch.
Ein Quicken der Freude ertönte und beide kitzelten sich gegenseitig.
Als Nalfein am späten Morgen zum zweiten Mal durch das erneute Liebesspiel seines Bruders und dessen neuen Geliebten erwachte, zeigte ein Murren an, dass er es mitbekommen hatte. Na warte, mein Kleiner, das gibt irgendwann noch Rache, grinste er schadenfroh in sich hinein und machte Anstalten, sich aus dem Bett zu zwingen. Schlafen konnte er jetzt sowie so nicht mehr.
Nalfein zog sich an und begab sich erneut auf Beutefang, während er Sorn und Shar alleine zurück ließ. Er wusste, dass bald alles vorbei sein würde und das wahrscheinlich für lange Zeit. Solange wollte er ihnen ihr Glück lassen, denn auch unter seiner stahlharten Fassade steckte ein weicher Kern.
Am dritten Tag zog sich Sorn gerade seine Kleidung über und streifte sich zum Abschluss seinen Waffengürtel, samt Dolch und Langschwert, um. Heute war es soweit, Shar musste zurück gebracht werden und ein Plan für die weitere Zukunft der beiden Liebenden musste her. Langsam schlichen sich die ersten Ansätze dabei in Sorns Verstand.
Der Kleriker dachte in den letzten Tagen angestrengt nach, nicht nur über die ungewöhnliche Liebe der beiden, sondern auch, wie sie kein abruptes Ende nehmen musste. Er und der junge Halbdrow schienen sich wahrhaftig in einander verliebt zu haben und konnten sich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, dass sie es nicht weiter ausleben durften. Die bald folgende Trennung laste vor allem schwer auf Sorn, der Shar in der kurzen Zeit näher kennen gelernt hatte. Doch auch etwas anderes konnte der Vhaeraunpriester nicht außer Acht lassen. In ruhigen Momenten merkte der Kleriker, dass mit Shar etwas nicht in Ordnung zu sein schien.
Es war nicht das Verhalten eines unterwürfigen Sklaven, dass der junge Halbdrow gewohnt war und das er vermutlich so schnell auch nicht ablegen konnte. Immerhin schien Shar unter den Fittichen der Zwillinge, vor allem bei Sorn, regelrecht aufzublühen und sich freier und ungezwungener zu geben. Doch bei Fehlern verfiel er sogleich in seine vorherbestimmte Rolle zurück. Dann nahm sich der Kleriker augenblicklich die Zeit und erklärte dem Jungen, dass er hier keine Angst haben musste und dass niemand ihm ein Leid antun wollte. Daraufhin war dann alles wieder in Ordnung. Der junge Halbdrow lernte schnell und machte auch wieder einen glücklichen Eindruck.
Stattdessen fiel dem Kleriker auf, dass der Junge für jemanden in seinem Alter, ob Sklave oder freier Bürger dieser Stadt, zurückgeblieben wirkte. Sorn wusste, dass es teils auf die Lebensumstände von Shar zurück zu führen war, wer hätte ihm auch schon die Feinheiten des Lebens erklären sollen So erfuhr Sorn auch durch geschicktes Fragen, dass Handir einst die einzige Bezugsperson in Shars jungen Leben darstellte, doch dieser war nun tot. Die nächste wichtige Person war nun Nhaundar und der behandelte ihn wie ein Schosstier, dass bei Ungehorsam vom Herrn auf grausame Art bestraft wurde. Von ihm konnte Shar nichts lernen. Für den Priester war somit klar, er musste sich wirklich um Shar kümmern. Dabei überkamen Sorn die eigenen Kindheitserinnerungen. Er und sein Zwillingsbruder wurden auch als Waisen groß, doch mit einem Unterschied, sie beide waren nicht alleine. Sie hatten sich gegenseitig, halfen sich gemeinsam aus allen Schwierigkeiten heraus und sie waren Dunkelelfen in einer Welt von Dunkelelfen. Einst lebten beide als Straßenkinder in den Straßen von Eryndlyn, Shars Geburtsstadt. Aber ihnen war das Glück hold und sie lernten einen Drow kennen, der sich ihrer annahm und ihnen eine Welt gezeigt hatte, die geradezu für sie geschaffen war. Er nahm die Zwillinge mit an die Oberfläche, sie lebten bei dessen Clan und wuchsen im Glauben von Vhaeraun auf.
Wenn Sorn daran dachte, wusste er, er musste versuchen einen Weg zu finden, Shar zu helfen, ohne dass der Sklavenhändler verdacht schöpfte und sich seiner annehmen. Nicht nur als Priester und Liebhaber, sondern auch als wahrer Freund. Gar nicht so einfach, denn auch Nhaundar konnte sehr gerissen sein. So konnte er Shar nicht alleine lassen, der als Halbdrow nirgendwo eine Chance für weitere Zuneigung oder Akzeptanz finden würde, außer in den Armen des Priesters selbst. Das Schlimmste an der ganzen verzwickten Situation bestand jedoch darin, Shar soweit zu beruhigen, dass er weniger Angst vor der Rückkehr hatte. In den letzten Tagen schien er regelrecht aufgeblüht zu sein. Der Priester nahm sich sogar die Zeit, um Shar vor den Gefahren zu warnen, wenn er etwas tat, dass Nhaundar erneut zur Weisglut treiben könnte. In keinem Fall würde er wieder so zugerichtet werden, wie erst vor einigen Tagen. Des Weiteren erklärte Sorn ruhig, dass er ein Plan hätte, dass sich beide öfters sehen würden. Das Problem bestand lediglich darin, dass der Kleriker noch keine richtige Ausführung parat hatte. So blieb ihm nichts anderes übrig, als zu lügen, was er sehr gut konnte. Aber wenn ihm nicht bald eine Lösung in den Sinn kam, dann hätte er später größeren Ärger am Hals, als er sich wünschte. Von der Angelegenheit wusste auch Nalfein und aus diesem Grund begleitete er die beiden am Abend der Rückkehr zu Nhaundar. Im Notfall konnte der junge Kämpfer immer noch sein Schwert und die Muskelkraft einsetzen und für sich und seinen Bruder einen Weg aus jedweden Schwierigkeiten bahnen. Ob da nun der Halbdrow mit inbegriffen war, dass wusste selbst der Krieger noch nicht. Doch in jedem Fall mussten sie alle vorsichtig sein.
Sorn war fertig angezogen und Shar ebenfalls. Er trug eine abgetragene Hose und einen noch älteren Umhang des Klerikers. Denn als er ihn zu sich holte, da war der Junge lediglich in die verdreckte Decke eingepackt und hatte ansonsten nichts weiter am Leib getragen. Eigentlich wäre Sorn in der Versuchung gewesen, Shar schöne Kleidung zu geben, aber Nhaundar würde ihn sowieso wieder nach seinen Vorstellungen herrichten lassen. So musste das alte Zeug herhalten.
Zusammen mit Nalfein machten sich die Zwillinge mit dem Halbdrow auf den Weg zu dem Sklavenhändler.
Die Strecke war nicht weit und es dauerte nicht lange und die drei standen vor dem Anwesen Xarann.
„Shar“, wendete sich Sorn augenblicklich an den Jungen, der ihn daraufhin mit offener Neugier ansah. „Du wirst das tun was ich dir gesagt habe und nichts anderes.“ Die Aufforderung gab dem Priester eine gewisse Sicherheit, denn die Angst um mögliche schwere Verletzungen und der Zorn von Nhaundar selbst, kannte Sorn bereits gut genug und Shar musste diese Erfahrung nicht zum wiederholten Male erleben müssen.
„Ja, das hast du mir erklärt“, wisperte Shar leise und bedachte den jungen Drow mit einem entwaffnenden Lächeln und beugte sich vor, nur um gleich Sorn einen letzten Kuss auf den Mund zu drücken.
Der Priester erwiderte die Geste und als sich beide von einander lösten, ertönte ein leises, jedoch tief aus dem Herzen kommendes Seufzen.
„Bitte denke daran, Shar. Es ist wichtig …“, sprach der Kleriker wieder auf den jungen Halbdrow ein und wurde abrupt von Nalfein unterbrochen. „Er hat dir jetzt schon zum wiederholten Mal gesagt, dass er es weiß. Es reicht jetzt, lasst uns lieber das Ganze hinter uns bringen.“
Dieser Kommentar brachte Nalfein einen drohenden Blick seines Bruders ein, der diesen aber nicht aufrechterhalten konnte. Sorn stimmte innerlich dem Krieger zu, dass sie dieses Gespräch mehr als einmal in den letzten drei Tagen geführt hatten, aber er wollte sicher gehen, dass Shar es nicht vergaß. Die Angst um ihn ergriff Sorn und ab sofort würde ihn der Halbdrow nicht mehr aus dem Kopf, geschweige denn aus seinem Herzen verschwinden.
Die Drei schritten kurze Augenblicke später durch das Eisentor und über den Hof von Nhaundars Anwesen. Shar wurde rechts und links zwischen den Zwillingen flankiert, wobei Sorn aufpasste, dass er unter den Blicken der hier patrouillierten Soldaten des Sklavenhändlers nicht die Hand seines Liebsten in die eigene nahm. So gingen sie, jeder für sich über den Innenhof. Nalfein hielt seine Hände auf den Schwertknäufen seiner Waffen, während Sorn instinktiv unter seinem Hemd das heilige Symbol Vhaerauns hervor holte und es mit der gleichen Hand fest umklammerte. Still und heimlich betete er, dass ihm jetzt und auf der Stelle ein Plan in den Sinn kommen möge, dass er Shar Helfer, Geliebter und in naher Zukunft sein Retter sein konnte.
Sie gelangten ins Hauptgebäude, wobei allen drei ein Seufzer entfuhr, aber niemand merkte es, waren sie doch in ihre eigenen Gedanken vertieft, jeder für sich alleine. Dann schritten sie die Treppe nach oben und begaben sich in den Gang, der wie stets zu dem Empfangszimmer, Arbeitszimmer und zu etwaigen anderen Zwecken genutzte Privatgemach des Sklavenhändlers führte. Sorn war so in sein Gebet vertieft, dass er erst jetzt sein heiliges Symbol freigab und es dann über der Brust offen baumeln ließ. Vor Nhaundar selbst musste er sich nicht verstecken und auch keine gefährliche Lage erwarten müssen, weil er in aller Öffentlichkeit seinen Glauben präsentierte. Genauso musste er die anderen im Haushalt nicht fürchten, die ihn eventuell verraten könnten.
Der Priester hielt als erster an, dicht gefolgt von Shar und kurz darauf Nalfein. Ein letztes Mal tauschten alle einen wissenden Blick aus und schweren Herzens näherte sich Sorn der Tür. Gerade wollte Sorn anklopfen, da wurde sie plötzlich von innen aufgerissen und die bernsteinfarbenen Augen des Klerikers weiteten sich vor Staunen und Entsetzen zugleich. Vor ihm stand, nicht zu verkennen, eine Dunkelelfe und Hohepriesterin eines Adelshauses. Ihre weißen, langen Haare hingen ihr wie glänzende Silberfäden über die Schultern, sie trug ein edles Gewand, das ihren attraktiven Körper mit all den dazugehörigen Kurven deutlich hervor brachte. An ihrer Taille hang schlaff eine der bedrohlichen Peitschen der Lolthpriesterinnen und auf ihrer Brust prangte ihr Symbol der Spinnenkönigin selbst. Ihr Gesicht verriet ihre Überraschung und bedachte die vor ihr stehenden drei Gestalten mit unverhüllter Neugier. Hinter ihr stand ein ebenfalls verdutzter Sklavenhändler, der im gleichen Augenblick die Zwillinge und den Halbdrow erkannte. Nhaundar sah in jenem Moment noch etwas anderes, das heilige Symbol des Vhaeraunpriesters auf dessen Brust.
Er hatte gerade ein wunderbares Geschäft mit einem niederen Adelshaus abgeschlossen und dafür eine Menge Gold und Edelsteine versprochen bekommen. Seine Freude darüber wich augenblicklich und wurde durch die Angst um sein Leben ersetzt, denn wenn Dhaunae Yauntyrr Sorn als das erkennen würde, was er tatsächlich war und das in Zusammenhang mit dem Sklavenhändler brachte, dann wäre der Ärger nicht fern. Ausnahmsweise besaß Nhaundar gerade jetzt die Geistesgegenwart und machte sich den Überraschungsmoment zu Eigen. Mit schnellen Schritten ging er an der Priesterin Yauntyrr vorbei und direkt auf Sorn und Nalfein zu.
„Meister Philiom, ihr seit wieder da und habt mir beide unversehrt zurückgebracht“, meinte Nhaundar in ruhigem Ton, wobei er versuchte die eigene Aufregung zu unterdrücken und wand sich dabei mit den Worten zu Nalfein, um die ganze Aufmerksamkeit auf den Krieger zu lenken. „Ich hatte euch noch nicht so schnell wieder bei mir erwartet, hatten wir nicht fünf Tage ausgemacht?“
Währenddessen gab der Sklavenhändler in der Zeichensprache dem Priester zu verstehen, der mit weit aufgerissen Augen und verblüfftem Gesicht still auf der Stelle verharrte, dass er sein Symbol wegstecken sollte. Aber Sorn schien im ersten Moment nicht zu verstehen.
Dhaunae Yauntyrr stand unmittelbar auf der Türschwelle und schaute zu dem muskulösen Krieger hinüber, der direkt vor ihr stand.
Zur gleichen Zeit verstand Nalfein umso mehr. Denn er sah den Blick des Sklavenhändlers zu seinem Bruder und dessen heiliges Symbol auf seiner Brust. Das bedeutete Schwierigkeiten wenn sie nicht aufpassten und er spielte das Spiel unverzüglich mit. Der Krieger richtete seine Aufmerksamkeit an die Priesterin, die ausschaute, als würde sie nichts verstehen, was auch durchaus der Fall war und tat einen Schritt auf den Sklavenhändler zu.
„Nhaundar, dringende Geschäfte zwingen mich früher zu kommen. Ich hoffe doch sehr, mein Auftauchen ist nicht unpassend?“, meinte Nalfein und bedachte dabei die Priesterin mit schönen Augen.“
Der einzige der Anwesenden, der jetzt gar nichts verstand war Shar, der jedoch klug genug war, sich aus der Schusslinie zu begeben. Er zwängte sich an die Mauer, machte sich etwas kleiner und verfolgte das Schauspiel in den Augenwinkeln. Es amüsierte ihn, wie alle so plötzlich anderes zu sein schienen und das sein Herr so freundlich wirkte. Dabei entging dem Jungen aber nicht die Tatsache, dass sich alle wegen der unbekannten Frau so seltsam verhielten. Wenn er sich recht an die Worte von Sorn erinnerte, dann hatte er ihm einst erklärt, dass man Drowfrauen in der Stadt nicht trauen durfte und nie etwas gegen sie sagen sollte. So beobachtete er gespannt weiter.
Nalfein war in der Zwischenzeit näher an die Priesterin herangetreten und verbeugte sich respektvoll und schirmte dabei Sorn und Nhaundar mit seinem eigenen Körper ab. „Herrin, meine unterwürfige Aufwartung eines unbedeutenden Mannes.“
Dhaunae wirkte sehr beeindruckt und noch mehr schien sie den Krieger recht attraktiv zu finden, denn sie erhob ihre Hand und reichte sie ihm zu Gruß. „Meister Philiom, wie ich annehme?“, fragte sie neugierig nach.
Nalfein nahm ihre Hand entgegen und sein Augenmerk galt sofort einem Edelstein besetzten Goldenen Ring an einem ihrer Finger und so schickte er sich an, ihr, für Drow recht ungewöhnlich, einen Handkuss zu geben. Dabei entfernte er das Schmuckstück noch geschickter von ihrem Finger und ließ ihn in der Handfläche verschwinden. Dhaunae Yauntyrr bemerkte davon nichts, nur dass ihr der Krieger schmeichelte. Sie selbst war noch jung und unerfahren, aber niemals verlegen eine günstige Gelegenheit in Anspruch zu nehmen, die sich ihr gerade bot.
Während alldem kam der Priester zu Verstand und so ließ Sorn sein heiliges Symbol unter dem Hemd verschwinden. Dann spürte er starke Arme, die ihn zu sich zogen und die Finger sich in seinem Haar vergruben.
Es handelte sich hierbei um niemand anderen als Nhaundar selbst, der die Gelegenheit nutzte, sich dem hübschen und äußerst attraktiven jungen Dunkelelfen mit den bernsteinfarbenen Augen zu nähern.
Wenn ein Spiel, dann auch richtig, sagte sich der Sklavenhändler und kam dabei mit dem Gesicht immer näher an Sorns heran.
Ein erneut überrascht aussehender Priester blickte in die rot funkelnden Augen des Sklavenhändlers und schon im nächsten Moment spürte er dessen Lippen auf den eigenen. Als sein Gegenüber den Kuss intensivierte versuchte sich Sorn aus der Berührung und dem starken Griff zu lösen.
Doch Nhaundar ließ es nicht zu und packte nur umso fester zu. Er schob seine Zunge in den Mund des Priesters und genoss den Kuss. Viel zu lange schien es her zu sein, als die beiden dies in der Vergangenheit schon einmal taten.
Dhaunae Yauntyrr dagegen war ebenfalls verdutzt, wie angetan von dem schmucken Verhalten des Kriegers, als dieser seine Begrüßung mit einer erneuten Verbeugung beendete. Dabei hatte sie immer noch nicht bemerkt, dass ihr der Ring an der Hand fehlte. Dann wand sie sich an Nhaundar und erblickte diesen, als er sich gerade von den Lippen des jungen Drow löste.
„Ich bitte aufrichtig um Verzeihung für die unliebsame Störung, Herrin Yauntyrr. Doch Meister Philiom hat mir meine liebsten Schätze nach Hause gebracht“, säuselte Nhaundar und lächelte hinterlistig und ölig zu der Dunkelelfe hinüber. Wie wahr doch seine Worte waren, dachte er sich dabei und hob einen Arm auf Sorns Schulter. Mit Druck versuchte er den Priester auf die Knie zu zwingen, der nur mit einem leisen Murren dem Befehl des Sklavenhändlers nachkam. Dann kniete er auf dem Boden und spürte, wie Nhaundar ihm über das Haar fuhr, ganz so, als wäre er Shar.
Shar tat es Sorn unbewusst gleich, doch für ihn war es eine normale Reaktion und nichts Erzwungenes.
Dhaunae Yauntyrr betrachtete den älteren Dunkelelfen mit einem verachteten Blick, aber erinnerte sich daran, dass beide soeben ein gutes Geschäft abgeschlossen hatten. Für einige Atemzüge wanderten ihre Augen zu dem knienden Sorn hinunter und sie dachte sich, dass dieser ganz und gar nicht wie ein Sklave ausschaute. Dann bedachte sie Shar einen Moment lang und erkannte, dass sie einen Halbdrow vor sich hatte. Sie verzog angewidert ihr Gesicht, wollte aber weiter nichts mit dem Sklavenhändler und dessen Vorlieben zu tun haben. Es war ganz alleine seine Entscheidung. Ganz anders verhielt es sich bei dem Krieger, der vor ihr stand. Der Name sagte ihr nichts, aber der Titel „Meister“ versprach ihr wohl einen der Soldaten aus der Akademie von Malee-Magthere vor sich zu sehen. Mit glühenden Augen bedachte sie Nalfein und wünschte sich, dass sie irgendwann und irgendwo ihm nochmals über den Weg laufen würde. Aber ihr Weg führte sie erst einmal nach Hause. Die Oberin Mutter des Hauses Yauntyrr musste sofort in Kenntnis über den erfolgreichen Abschluss des Geschäftes mit Nhaundar gesetzt werden, der ihr nicht minder als zehn gute Sklaven zu geringem Preis versprochen hatte.
Nach einigen Worten ging die Priesterin ihres eigenen Weges und zurück blieben die Zwillinge, Shar und ein wirklich gut gelaunter Nhaundar.
„Ich wusste gar nicht welch’ angenehme Qualitäten ihr besitzt, Priester“, säuselte der Sklavenhändler und bedachte dabei Sorn mit funkelenden Augen, der soeben im Begriff war, sich wieder zu erheben.
„Ich weiß genau, ich sollte euch Dankbarkeit heucheln. Ich bin vielleicht auch versucht dankbar zu sein, doch versucht mich nie wieder zu küssen“, schnauzte ein verärgerter Sorn zurück und versuchte mit dem Handrücken seinen Mund sauber zu wischen. „Ich brauche dringend etwas zu trinken, am besten was Starkes um meinen Mund zu säubern.“
Nalfein lachte daraufhin herzhaft und schritt auf seinen Bruder zu. „Ich gebe es ja nicht gerne zu, aber Nhaundar hat uns aus der Situation heraus gehauen, aber dafür habe ich unser Abendessen gesichert.“ Dann öffnete der Krieger seine Hand und hielt den edlen und wertvoll aussehenden Ring unter Sorns Nase.
„Immer wieder gerne geschehen und willkommen in meinem Reich“, schmunzelte Nhaundar und konnte kaum die Augen von dem attraktiven, jungen Kleriker lassen. Ein wunderbar, erfrischendes Gefühl strömte durch seinen Körper und er fühlte sich wie neu geboren. Nachdem die offensichtliche Gefahr vorüber war, freute sich der ältere Drow wonnetrunken und hätte gerne noch weiter mit Sorn sein nettes Spielchen gespielt. Doch genauso wusste er, dass der Priester, heute in Begleitung mit seinem Zwillingsbruder nicht zum Spaßen aufgelegt zu sein schien. Kein Problem, dachte sich der Sklavenhändler, ich kann mich auch an seinem jungen Körper mit den Augen satt sehen. Dann wanderte sein Blick zu Shar hinüber, der immer noch auf dem Boden kniete und das Haupt gesenkt hielt. Mit einem weiteren Lächeln im Gesicht richtete er sich erneut an den Kleriker. „Wie ich sehe sieht mein Schatz aus, wie ich ihn kenne und liebe.“
„Vorsicht Nhaundar, falls ihr euch daran erinnert was ihr vor einigen Tagen getan habt“, erinnerte Sorn ihn an die Misshandlung des jungen Halbdrows.
„Ja, ja“, tat Nhaundar diese Anschuldigung lapidar ab und wusste dabei genau, dass der Priester Recht hatte. Die Ironie des Ganzen amüsierte den Sklavenhändler jedoch. Eben noch stand der Kleriker in seiner Schuld, wobei er zuvor bei seinem eigenen groben Verhalten gegenüber Shar die Hilfe des Vhaeraunanhängers in Anspruch genommen hatte. Nun waren sie quitt.
„Lasst uns doch bei einem guten Schluck eines edlen Tropfens weiter reden“, wechselte der Sklavenhändler das Thema überaus freundlich, ging dabei jedoch einen Schritt auf den Jungen zu. Er griff nach unten und hob das Kinn von Shar an. Dann zog er ihn mit Druck nach oben bis der Junge vor ihm stand. Nhaundars Blick prüfte die hübschen Züge des jungen Halbdrow. Mit der anderen Hand fuhr er Shar durch die Haare und wusste, dass alles in bester Ordnung war. Heute Nacht gehörst du wieder mir, mein Schatz, versprach sich der Sklavenhändler selbst und rief laut nach Dipree. „Dipree, wasch ihn mir und ziehe ihn an. Mit dieser Kleidung sieht er ja schrecklich aus.“
Sorn fing bei diesen Worten vor Zorn an zu beben, denn immerhin handelte es sich hierbei um seine Hose und seinen Umhang. Nalfein bemerkte die Reaktion seines Bruders und legte ihm beschwichtigten einen Arm auf die Schulter.
Der Priester spürte die beruhigende Wirkung seines Bruders und wurde augenblicklich etwas friedlicher. „Das habe ich ihm gegeben und ich möchte die Kleidung wieder haben“, konnte Sorn nicht anders und richtete sich damit an Nhaundar.
Dieser runzelte kurz die Stirn, betrachtete sich die abgetragene Kleidung nochmals und ihm wurde bewusst, dass die Zwillinge von der Hand in den Mund lebten. „Selbstverständlich“, meinte Nhaundar mit abfälligem Tonfall und nickte dann Dipree zu, dass er den Worten des Priesters folge leisten sollte.
Dipree nickte ebenfalls und nahm sich Shar mit und verschwand kurz darauf mit ihm in dem Badezimmer.
Zurück blieben ein wütender Kleriker und ein leicht verärgerte Krieger. Denn Beleidigungen egal welcher Art, die ihn und seinen Bruder betrafen, brachten auch Nalfein zu einer Gefühlsregung.
„Dann lasst uns etwas trinken, meine Herren“, sprach Nhaundar, machte auf dem Absatz kehrt und wies mit einer Hand die Brüder in seine Privatgemächern.

Nach wenigen Minuten saßen Nhaundar, Sorn und Nalfein gemütlich auf Diwan und Sessel. Die Zwillinge wie stets dem schleimigen und äußerst hinterhältigen alten Drow gegenüber.
„Ich hoffe, der Tropfen mundet euch?“, fragte Nhaundar beifällig und wartete nur darauf, dass der Priester oder auch der Krieger etwas zu ihm sagten. Lange musste er auch nicht warten, da erhob Sorn auch schon seine Stimme.
„Wir lassen das Wortgeplänkel und kommen am besten gleich zur Sache.“
Der Priester leerte daraufhin sein Glas in einem Zug und versuchte sich durch den Alkohol den Kuss des Sklavenhändlers wegzuspülen und auf der anderen Seite sich dadurch Mut zu machen. Der ursprüngliche Plan kam ihm in den Sinn, damit Shar und er sich häufiger und dafür auch intensiver sehen konnten.
„Ich rate euch vorsichtig zu sein …“, mischte sich Nalfein ein und grinste fast schon so verschlagen wie Nhaundar selbst, „… aber mit meinem Bruder würde ich mich nicht anlegen.“
Die Zwillinge tauschten einen wissenden Blick aus und Sorn dankte innerlich Nalfein für dessen Unterstützung, die er eben ihm erneut zugesichert hatte.
„Nhaundar“, begann Sorn mit ärgerlichem Unterton, „Was ich euch schon des Öfteren sagen wollte, ich bin es leid immer dann von euch gerufen zu werden, wenn ihr euch selbst in die Scheiße geritten habt. Des Weiteren …“, der Priester machte seiner Wut weiter Luft und er hob zur Warnung einen Finger und richtete diesen direkt auf Nhaundar, „… ihr seit solch’ eine schmierige Ratte, dass es mich wundert, dass ihr auf eurer schleimigen Ölspur euch noch nicht alle Knochen gebrochen habt.“ Darauf erhob sich Sorn von seinem Sessel und kam direkt auf einen verdutzt aussehenden Sklavenhändler zu. Der junge Drow versuchte nun noch durch weitere Gesten seine Aussage und die darauf folgende Bedingung seines Planes zu unterstreichen. Er tippte mit dem Finger auf Nhaundars Brust, ganz so, als würde er dem Dunkelelfen eine Waffe dagegen drücken. „Die Frage lautet hier, wer braucht hier wen? Könnt ihr mir die Antwort geben?“ Daraufhin bohrte Sorn mit seinem Finger immer fester auf Nhaundars Brust und sprach weiter. „Ich kann euch die Antwort ausführlich liefern. Denn ihr braucht mich und meine Kräfte. Für die Jagd wie auch für eure Spielzeuge.“ Bei dem Wort „Spielzeug“ bekam Sorn ein Stich ins Herz und er sah vor sich Shar, der in aller Unschuld immer wieder unter den Qualen all der Dunkelelfen zu leiden hatte, vor allem vor seinem Herrn selbst. „Da dies geklärt ist“, sprach Sorn weiter ohne Nhaundar zu Wort kommen zu lassen, „habe ich ein Angebot für euch. Ich werde weiterhin meine heilenden Kräfte euch gegen eine ausreichende Bezahlung zur Verfügung stellen. Das sogar in regelmäßigen Abständen, wenn es sein muss, doch dafür bekomme ich hin und wieder den Halbdrow für mich selbst.“ Sorn holte tief Luft und bohrte zum Abschluss nochmals den Finger fester in Nhaundars Brust.
Die Überraschung stand dem älteren Drow wahrlich ins Gesicht geschrieben. Zum einen über die Worte des Priesters und zum anderen wegen der doch recht schmerzhaften Berührung. Wenn dies, wie bereits vor einigen Tagen geschehen, der Dolch des Klerikers gewesen wäre, dann würde Nhaundar eingestehen müssen, er hätte ein Problem. Vielleicht würde aber noch eins auf ihn zukommen, denn ihm gegenüber saß der muskulöse Bruder von Sorn.
„Bitte seit gnädig mit mir“, witzelte Nhaundar kurz, doch der Ernst der Sache konnte er nicht ignorieren. Ohne den Priester müsste er sich für die Jagd jemand anderen Suchen müssen und Vhaeraunpriester gab es im Unterreich nicht wie Sand am Meer. Er war sich auch bewusst, welch ein Glück er mit den Brüdern Dalael hatte. So beschloss er, sich den Vorschlag des Klerikers genauer anzuhören. „Erklärt mir das ein wenig genauer. Man sollte stets alle Einzelheiten eines Geschäftes kennen und sie von allen Seiten aus abwägen.“
Nun nahm Sorn erneut seinen Finger und bohrte wieder in Nhaundars Brust, als hätte er immer noch einen Dolch in der Hand. „Der Deal ist ganz einfach. Alle drei Zehntage werde ich kommen und mich um das körperliche Wohlbefinden aller Sklaven kümmern. Je nachdem ob mich nicht gerade ein anderer Auftrag abhält. Für meine Dienste erhalte ich einen prall gefüllten Beutel mit Gold und den Halbdrow für eine oder mehrere Nächte. Bevor ihr antwortet, überlegt es euch gut, denn ansonsten werdet ihr mich und meinen Bruder das letzte Mal gesehen haben. Wir beide schlagen daraus Gewinn, denn wer möchte nicht einen Lustsklaven mit einem narbenfreiem Körper sein eigen nennen.“
An dieser Aussage war tatsächlich etwas wahres dran, dass konnte Nhaundar in keinem Fall leugnen. Doch der Preis schien hoch. So dachte der Sklavenhändler wirklich gut nach. Ein Beutel Gold für die Heilung aller Sklaven, auch die, die er als Arbeitskräfte verkaufte, ganz zu schweigen von den Lustsklaven, die ihm fast das meiste Geld einbrachten. Des Weiteren kam hinzu, dass sein bester Besitz durch die regelmäßige Kontrolle des Priesters vielleicht noch hübscher und attraktiver werden konnte, was war also schon dabei, wenn der Kleriker ihn einmal im Monat für sich alleine hatte. Zwar ohne zu bezahlen, aber dies war zu verkraften. Der Vorschlag schien durchaus lukrativ zu sein und höchstwahrscheinlich würde sein Ruf in der Stadt steigen, wenn es sich herum sprach, dass er gute Ware an den Mann brachte.
„Ich willige ein. Ein Beutel Gold und jeweils eine Nacht oder auch Nächte mit dem Halbdrow. Ihr scheint einen guten Geschmack zu haben, Priester“, antwortete Nhaundar und konnte ein schmieriges Grinsen nicht verkneifen.
Sorn ließ den Finger sofort von der Brust des Sklavenhändlers gleiten und wirkte innerlich überrascht, jedoch äußerlich versuchte er sich nichts anmerken zu lassen. Still und heimlich sendete er ein Stoßgebet an Vhaeraun und dankte ihm dafür, dass sein Plan auf fruchtbarem Boden gefallen war. Niemals hätte er damit gerechnet Nhaundar so zu ködern, doch es hatte tatsächlich funktioniert und er konnte Shar sehen und helfen. Sein Herz raste vor Freude schneller und er merkte, dass er sich setzen musste. Ohne eine Gefühlsregung zu zeigen, ging er eilig auf den Sessel zu und setzte sich.
„Das wird ein gutes Geschäft“, murmelte Sorn leise und griff nach seinem, wieder gefüllten Glas und leerte auch dieses mit einem Zug.
„Dieser Vorschlag hätte von mir stammen können“, meinte Nhaundar freudig und versuchte damit selbst die Lorbeeren einzuheimsen.
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