Dem Wahnsinn so nah
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Disclaimer:
I do not own the Forgotten Realms books. I do not make any money from the writing of this story.
32. Kap. Liebesspiel der Macht
32. Kapitel
Liebesspiel der Macht
Während Sorn mit Shar beschäftigt war, stürzte sich ein betrunkener Dantrag Baenre auf Nalfein Dalael. Beide lagen ausgestreckt in den Kissen und der Waffenmeister streichelte sanft, aber bestimmt mit seinen Händen gierig über den muskulösen Körper des Jüngeren. Er spürte die stahlharten Muskeln. Das wiederum brachte sein Blut in Wallung und die Lust nach unendlicher Befriedigung strömte durch seine Adern. In Dantrags vernebeltem Verstand tauchten Bilder von ausschweifender Zweisamkeit auf und er klebte regelrecht an Nalfeins Lippen.
Der junge Krieger stattdessen kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit und dem innerlichen Drang an, den Waffenmeister nicht gleich und auf der Stelle zu erdolchen. Auch wenn es der Plan des Älteren gewesen war, den Sohn des ersten Hauses genau auf diese Weise abzulenken, so dachte er nun, dass Sorn ihm etwas schuldete. Erinnerungen an Kindheitstage wollten sich seiner bemächtigen, doch er versuchte sie niederzuringen. Ohne großen Erfolg. Während Nalfein mit diesen Gedanken focht und sie als eine unausgesprochene Warnung in sich aufsteigen fühlte, spürte Nalfein sogleich, wie die Annäherungsversuche von Dantrag heftiger und unkontrollierter wurden. Die Hände seines Gegenübers wanderten unermüdlich über seinen Körper und rissen letztendlich an den langen Haaren. Jetzt reichte es dem jungen Krieger eindeutig und er wollte mit den Händen den Waffenmeister von sich stoßen. Überrascht bemerkte er allerdings, dass der gefährliche Dunkelelf mehr Kraft besaß, als es immer den Anschein erweckte. Obwohl er betrunken war, drückte er nun Nalfein fester in die Kissen. Der ältere Zwilling musste seine ganze Muskelkraft aufwenden und schaffte es gerade mal soweit, den muskulösen Leib seines immer unbeherrschenderen Gegenübers wenige Zentimeter von sich zustoßen. Der junge Krieger versuchte sich vorzustellen, wie der kleine Shar sich dabei fühlen musste und kämpfte gegen eine ungewohnte Panik an.
„Es gibt kein zurück mehr“, flüsterte plötzlich Dantrag in Nalfeins Ohr und leckte anschließend genüsslich darüber.
Vor Ekel verzog der junge Krieger das Gesicht und startete einen erneuten Versuch, sich von dem immer gierigeren Waffenmeister zu befreien, aber leider wirkungslos.
„Du gehörst mir, wie all die anderen“, hauchte Dantrag und diesmal unterstrich er seine Aussage, indem er mit einer Hand in Nalfeins Schritt griff und zudrückte.
Der Zwilling keuchte gepeinigt auf und der Sohn des Hauses Baenre fasste dies als Aufforderung auf. Gerade wollte Nalfein nach dem versteckten Dolch im Stiefel greifen, da gab es einen dumpfen Knall und im nächsten Moment landete der erschlaffte Körper Dantrags in Nalfeins Armen. Erschrocken riss er die Augen auf doch begriff schnell, dass dies seine Chance zum Entkommen war. Er schubste den wehrlosen Leib des Waffenmeisters von sich und direkt in den hohen Kissenberg. Dann schaute er auf und erkannte ein verschmitztes Lächeln seines Bruders.
„Ich dachte, du könntest Hilfe gebrauchen“, meinte der junge Priester mit heiterer Stimme und reichte Nalfein eine helfende Hand.
Der Krieger nahm die Hilfe an, ließ sich nach oben ziehen und murrte dann leise vor sich hin. „Ein nächstes Mal wird es nicht mehr geben, das schwöre ich dir. Der Kerl hat sogar im besoffenen Zustand mehr Kraft, als ich mir gedacht habe.“
Die Augen von Nalfein wanderten dabei auf den bewusstlosen Körper und anschließend zu Sorn hinüber. Der Priester hielt in der anderen Hand einen Kerzenständer, den er sogleich mit einem lauten Knall auf den Boden warf. Bei dem Lärm und Gewusel ringsherum fiel es nicht auf.
„Nal, ich danke dir und Shar sicherlich auch“, antwortete der Kleriker und schaute über die Schulter, um den jungen Halbdrow hinter sich noch einmal anzuschauen. Ein weiteres Lächeln seines Liebsten ließ ihn dabei leise seufzen und er wandte sich erneut seinem Bruder zu. „Übrigens, ein nächstes Mal wird es nicht geben. Unser Plan hat funktioniert, davon bin ich absolut überzeugt.“
„Das will ich dir auch geraten haben, denn ich tue es nie wieder“, ärgerte sich Nalfein, auch wenn er wusste, dass diese Idee immerhin seinem Kopf entsprungen war. „Dann will ich dir noch sagen, du schuldest mir etwas.“
„Kein Problem, alles was du willst“, schmunzelte Sorn und sein Gesicht wirkte von den Sorgenfalten der letzten Tage befreit.
„Du hast es also geschafft, Shar den Schmerztrank zu geben?“, wollte Nalfein neugierig wissen und kam auf das eigentliche Thema zurück. Obwohl ihm das Ganze Schauspiel viel Mühe und Überwindung gekostet hatte. Innerlich war er jedoch glücklich, dass alles anscheinend ohne Probleme verlief.
„Alles erledigt …“, erklärte der junge Priester, doch plötzlich sah er wieder traurig aus.
Das konnte der Ältere der beiden Zwillinge deutlich erkennen und vergessen schien in diesem Moment der eigene Ärger und er legte besänftigend eine Hand auf Sorns Schulter. „Es wird alles gut werden, du wirst sehen. Deine Tränke helfen auch mir. Außerdem, wird Zaknafein sich um den Rest kümmern und dann können wir dieses Anwesen und vor allem die schleimige Goblinfratzen wie Nhaundar vergessen und von hier für immer verschwinden.“ Die Stimme von Nalfein klang beruhigend, doch auch in ihr schwang eine Spur Angst mit.
Sorn sah seinem Bruder in die bernsteinfarbenen Augen und dann nickte er einfach. Die ungesagten Fragen und deren unerfreulichen Antworten blieben daraufhin unausgesprochen.
„Wir werden gehen“, beschloss der junge Krieger plötzlich. „Du kannst für den Kleinen nichts mehr tun. Shar ist stark und schafft es, daran musst du denken. Jetzt heißt es abwarten und der Morgen kommt schnell, die wirst sehen.“ Damit versuchte Nalfein Sorn zum Gehen zu überreden. Seine Worte waren sehr gut gewählt, denn der Priester nickte erneut. Dann liefen beide davon, wobei Sorn es nicht übers Herz brachte, sich zu Shar umzudrehen. Er benötigte alleine seine ganze Kraft, um sich überhaupt von dem jungen Halbdrow zu entfernen und verschwand ungesehen in der Menge.
Kurze Zeit später waren die Zwillinge wie vom Erdboden verschluckt und unauffindbar. Aber niemand der Gäste, noch Nhaundar suchte nach ihnen. Dieser vergnügte sich zur selben Zeit blendend mit seinem neuesten Spielzeug und schaute hin und wieder tiefer ins Glas, als er vertragen hätte. Zurück blieb nur ein ängstlicher Shar, der immer wieder skeptisch zu dem ohnmächtigen Dantrag schielte, der reglos in den Kissen lag und hoffte, dass dieser niemals wieder erwachte. Auch wenn die Kette dem Jungen gerade mal drei Meter Abstand gewehrte, so nutze er diese voll aus und näherte sich dem Kissenberg nicht. Das Problem an der Sache lag jedoch eindeutig auf der Hand. Denn versteckt in den Polstern wäre Shar aus dem Sichtfeld der meisten hier anwesenden Drow gewesen, doch so saß er nun mitten auf dem Boden und wurde nur wenige Minuten später von drei angetrunkenen Dunkelelfen erspäht und sofort belagert. Bei ihnen handelte es sich um ältere Adelige aus einem der niederen Häuser der Stadt.
„Schau’ dir das mal an, Alak“, lispelte einer der unbekannten Männer angetrunken und kam zu Shar hinüber gewankt. Man konnte deutlich erkennen, dass er bereits weit mehr über den Durst getrunken hatte, als ihm bekam.
„Ein feines Kerlchen, sich für uns hier her zu setzen“, äußerte der Angesprochene bleiern und näherte sich seinem Freund. Er hatte ebenfalls eindeutig dem Alkohol zu viel zugesprochen.
Zusammen standen beide nun vor dem auf dem Boden knienden Halbdrow und ihre Augen leuchteten gefährlich rot.
„Was habt ihr denn gefunden?“, ertönte nun eine dritte Stimme und Ghaundan gesellte sich zu seinen zwei Kameraden Alak und Vorn.
„Ein neues Spielzeug“, erklärte der angetrunkene Vorn und hielt dabei einen der herumwuselnden Sklaven mit einem Tablett an, wo gefüllte Weinbecher standen. Er griff sich einen neuen Becher und reichte dann jeweils einen weiteren Alak und Ghaundan.
Währenddessen wurde Shar von der Angst geschüttelt. Er zitterte am ganzen Leib, fühlte sich alleine gelassen und hörte die Worte der drei Dunkelelfen, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagten. Dantrag war er los, dafür gesellten sich andere Männer, dazu betrunkene Drow, zu ihm. Er wusste nicht, was schlimmer sein sollte, aber er würde es herausfinden. Eigentlich wollte er gerne zu seinem Herrn Nhaundar hinüber, der ihn beschützen würde oder zu Sorn, der aber mittlerweile spurlos verschwunden war. Sein Liebster hatte ihm kurz vor seinem Verschwinden erklärt, dass die Gefahr für den Priester zu hoch wäre, wenn er sich ständig um den Jungen kümmerte. Nhaundar wäre wohl sehr böse, wenn er davon erfuhr und dann könnten sich Sorn und Shar niemals wieder sehen. Shar glaubte diese Lüge, die mehr Wahrheit besaß, als allen Beteiligten lieb gewesen wäre. Anschließend erinnerte sich der junge Halbdrow an das abscheuliche Mittel, was er von seinem Liebsten bekommen hatte und wusste, dass dies immer half. Es schmeckte zwar widerlicher als sonst, dazu machte es seine Zunge etwas taub, aber es war ja nicht das erste Mal, dass ihm Sorn komische Sachen zum trinken gab. Der Junge war gutgläubig, aber das durfte er durchaus, denn der Vhaeraunpriester hielt stets sein Wort und wollte ihm niemals schaden.
Da Shar jetzt aus dieser auswegslosen Situation nicht weglaufen konnte, versuchte er sich so klein und unscheinbar zu machen, wie er es immer tat.
„Hey du, komm’ her!“, klang plötzlich wieder die angetrunkene Stimme von Vorn, der sich dabei in den Kissenhaufen warf. Den immer noch bewusstlosen Waffenmeister ignorierte er völlig. Alak und Ghaundan hatten sich in der Zwischenzeit die restlichen Weinbecher vom Tablett gefischt, den Sklaven fortgeschickt, ihm aber dabei den Auftrag erteilt etwas zu Essen zu bringen. Danach gesellten sich die zwei anderem Drow zu ihrem Kameraden und kuschelten sich gemütlich zurückgelehnt in die bequemen Kissen.
„Wird es bald!“, machte Vorn seinem Ärger über den Ungehorsam von Shars Verhalten Luft und er musste sich etwas erheben, um an die Kette zu kommen. Etwas mühsam und schwankend griff er zu und zog einmal kräftig daran.
Der junge Halbdrow erschrak. Er wollte nicht zu den Dreien hinüber, denn nur noch ein Gedanke erfasste ihn in diesem Moment, Nhaundar. Sein Herr würde niemals zulassen, dass diese Dunkelelfen ihn zu sich nahmen. So sah er ganz kurz auf, schaute zu der Ehrentribüne und Nhaundar, der auf einem Diwan sich mit dem anderen Jungen vergnügte. Er beachtete Shar überhaupt nicht. Dann senkte der Junge eilig wieder die tiefblauen und krampfte sich zusammen. Mit den Knien auf dem Boden und den Kopf darauf, während er einige Tränen niederkämpfte. In seiner Position ähnelte er eher einem Knäuel und zitterte weiter. Die Tränen übermannten ihn schließlich, bis er nach einigen Sekunden ein paar geradeso wegblinzeln konnte. Die Furcht vor dem Unbekannten hatte ihn erneut eingeholt.
„Ein freches Ding“, knurrte Vorn jetzt ungehalten und diesmal riss er heftiger an Shars Kette.
Der junge Halbdrow verlor durch den Ruck plötzlich das Gleichgewicht und wurde zur Seite gerissen. Dann lag er so auf dem Holzfußboden und versuchte sich nicht zu bewegen.
„Sieh’ dir das mal an, Ghaundan“, ertönte die Stimme von Alak, der gerade dabei war, sich mit einer Fleischergabel ein Stück gebratenes Fleisch von dem Tablett zu angeln, dass der Sklave gebracht hatte und schleunigst davon gehuscht war.
„Du denkst auch nur ans Essen“, erwiderte Ghaundan amüsiert, griff nun aber nach einer weiteren Fleischgabel und nahm sich sein Anteil vom Essen.
„Ich meine doch nicht das Essen, das Ding ist ein Halbdrow“, meinte Alak wütend und schubste seinen Kameraden unsanft zur Seite.
Ghaundan erschrak, kippte um, rappelte sich schleunigst auf und starrte Alak anschließend böse mit funkelnden Augen an.
„Hört auf, alle beide!“, schimpfte der betrunkene Vorn, der mittlerweile seine beiden Begleiter doppelt sah und sich nun selbst an dem Fleisch bediente und die dritte Fleischergabel samt Fleisch zu sich nahm.
Kauend und schmatzend taten sich die drei Dunkelelfen an dem Essen gütlich, während Shar vor Angst zitternd immer noch regungslos auf dem Boden lag. Er fragte sich ständig, wieso Nhaundar nicht kam und ihn holte. Mittlerweile musste er doch sehen, dass er Hilfe brauchte. Vielleicht hat er aber gerade etwas anderes zu tun, redete sich der junge Halbdrow ein. Die Antwort beruhigte ihn ein wenig.
„Wisst ihr …“, begann Alak seine beiden Kameraden mit vollem Mund anzusprechen und spukte hier und da einige Brocken Fleisch aus, kaute dennoch genüsslich beim Reden weiter. „… ich habe mich gefragt … wie kann ein Drow von reinem Blut … mit einer Oberflächenschlampe … so etwas zeugen?“
Vorn und Ghaundan verschluckten sich beinahe und husteten, als sie die Worte von Alak hörten und auch bei ihnen flog so manches Fleischstückchen unappetitlich davon.
„Wie kannst du nur so etwas erwähnen“, beschwerte sich Vorn als Erster und musterte nun den jungen Halbdrow auf dem Boden vor sich.
„Dann zeig’ dem doch, wo sein Platz ist … hat der Vater von diesem Ding wahrscheinlich auch getan“, lachte Ghaundan und zeigte mit dem Finger auf Shar. Dabei gingen alle davon aus, dass Shars Vater ein Dunkelelf gewesen sein musste. Woher sollten sie auch die Wahrheit kennen.
Innerlich verkrampfte sich der junge Halbdrow immer mehr und der Wunsch endlich in Nhaundars fester Umarmung zu liegen, begehrte er plötzlich mehr als alles andere. Selbst Sorn schien vergessen und er würde sogar die Schläge und Tritte seines Herrn haben wollen, solange die fremden Drow einfach nur ganz weit weg wären. Doch dann tat Shar einen Fehler, den er so eigentlich nicht gewollt hatte, doch es war zu spät. Denn trotz der Furcht bekam er jedes gesprochene Wort mit und die Männer sprachen Unrecht. Handir war ein Krieger und seine Mutter eine wunderschöne Dunkelelfe. Zumindest lauteten so die Erzählungen von seinem Vater. Die Drow durften nicht so über seinen Vater sprechen. Daraufhin erhob Shar den Kopf, blickte zu Alak, Vorn und Ghaundan hinüber und sagte leise und mit zittriger Stimme. „Das stimmt nicht.“
Die drei Dunkelelfen horchten sofort auf und schauten sich mit einem hinterhältigen Grinsen an.
„Hat das Ding da gerade etwas gesagt?“, fragte Alak laut und tat so, als würde er sich umschauen, wer denn eben noch gesprochen haben könnte.
„Mir war auch so“, erwiderte Vorn in aller Unschuld.
„Wenn ihr mich fragt, dann hat dieses Ding da gesprochen. Klang wie „stimmt nicht“ oder ich habe mich verhört“, ertönte die Stimme von Ghaundan, der dabei den eigenen Tonfall anhob und damit Shar versuchte nachzuäffen.
Alle drei brachen in lautes Gelächter aus und beendeten es jeweils mit einem Rülpser.
Shar wurde wütend. Niemand durfte Handir beleidigen und gleichzeitig spürte er, dass die Fremden auch ihn mit den Worten verspotteten. Das hätte Nhaundar niemals zugelassen, sagte der junge Halbdrow zu sich selbst und richtete sich nun auf, bis er erneut kniete. Mit wässrigen Augen blickte er zu den Dunkelelfen hinüber und flüsterte leise, aber immer noch hörbar. „Mein Vater ist ein Krieger der Mondelfen. Mehr als ihr jemals sein werdet.“
Alak, Vorn und Ghaundan verstummten augenblicklich, wobei sie sich beinahe an ihrem Essen verschluckten und trauten ihren Ohren nicht. Nicht das Gesprochene ließ sie innehalten, sondern das ungehorsame Verhalten des Sklaven.
„Das Ding hat es schon wieder getan …“, ärgerte sich Alak und Ghaundan beendete für ihn den Satz, „… das trägt eine Strafe mit sich, nicht wahr, Vorn?“
Der betrunkene Vorn grinste tückisch und riss als Antwort abermals an Shars Kette.
Der Mut des Jungen schlug augenblicklich in Angst um. Der junge Halbdrow verlor das Gleichgewicht und fiel längs auf den Boden. In diesem Moment begriff Shar, dass er eine nie wieder gutzumachende Übertretung des Gehorsams begangen hatte. Hilfe suchend schaute er auf und suchte ängstlich nach Nhaundar, doch nun schien auch dieser spurlos verschwunden zu sein. Dann wanderten die Augen eilig durch den Raum und er hoffte, doch noch Sorn und Nalfein irgendwo zu sehen. Aber auch diese konnte er nicht ausmachen. Seine Eingeweide verkrampften sich und er wurde von einer unbeschreiblichen Angst ergriffen, die nicht einmal Dantrag bei ihm hätte auslösen können. Vater hilf mir! Mein Herr, Sorn wo seit ihr, flehte Shar stumm aber er bekam keine Antwort. Sein hagerer Körper zitterte unkontrolliert und schon einen Atemzug später riss Vorn wieder an der Kette und zog so den leichten Körper auf dem Fußboden zu sich und seinen Kameraden hinüber.
„Welche Strafe passt denn zu einem sprechenden Halbdrow?“, fragte sich Vorn, wobei seine Betonung auf dem Wort „sprechenden“ lag, als ob so etwas unmöglich wäre. Er runzelte die Stirn und sein Gesicht verzog sich zu einer staunenden Maske, als wäre alles ein Wunder. Währenddessen schaute er mit rot glühenden Augen zu Shar hinunter. In einer Hand hielt er die Fleischergabel und fuchtelte wild mit ihr durch den Luft.
„Pass’ auf, allgegenwärtiger Richter“, platzte es Alak amüsiert heraus, „… sonst tust du der Kreatur noch weh.“ Daraufhin wieherte der Dunkelelf los und stach selbst mit seiner Fleischergabel Shar in den Oberarm.
„Ob man das Essen kann?“, fragte nun Ghaundan scheinheilig und auf seinem Gesicht trat ein tückisches Grinsen. Auch er holte mit der Gabel aus und tat es Alak gleich, nur das er in den Oberschenkel traf.
Shar schrie im gleichen Moment gepeinigt auf. Zum einen vor Überraschung und zum anderen, weil es ihm schrecklich wehtat. Kleine Wunden bildeten sich und aus denen rann Blut. Es waren eindeutig Verletzungen und er spürte Schmerzen. Doch wie konnte das sein, wenn ihm Sorn doch, wie schon sooft, ein Schmerzmittel gegeben hatte, um genau das zu verhindern. Schon immer hatte er funktioniert, doch diesmal schien es anders zu sein. Flehentlich hob der junge Halbdrow seinen Kopf, denn er lag immer noch auf dem Boden, vor ihm die drei Dunkelelfen und er versuchte einen Blick auf den nicht vorhandenen Sorn zu erhaschen. Nirgendwo war sein Liebster zu sehen und die Tränen stiegen ihm in die Augen, zu einem wegen der Qual des Fleisches und zum anderen wegen der Enttäuschung in seinem Herzen.
Ohne Vorwarnung piekste nun auch Vorn zu und traf den Jungen am anderen Oberarm. Erneut schrie Shar auf und augenblicklich wollte er jetzt einfach nur weit weg. Der Gedanke an Flucht nahm völlig von ihm Besitz, vergaß kurzzeitig alles um ihn herum. Eilige rappelte er sich auf, dann krabbelte er, wie schon zuvor bei Dantrag, auf allen Vieren davon.
Schallendes Gelächter ertönte, als Alak, Vorn und Ghaundan den Fluchtversuch des Halbdrow beobachteten und dabei eine nette kleine Aussicht auf Shars nackten Hintern erspähten.
„Das nenne ich mal einen hinreißenden Anblick“, lachte der betrunkene Vorn und riss unverzüglich an der Kette des Jungen, um ihn so zurück zu ziehen.
Kurz danach landete Shar wieder vor den drei fremden Dunkelelfen und abermals spielten sie ihr Spiel. Sie stachen mit den Fleischergabeln zu und trafen den jungen Halbdrow noch an anderen Stellen. Auch diese fingen augenblicklich an zu bluten und schmerzten, während Shar jammerte. Er weinte herzzerreißend und die Tränen röteten die immer sonst so schönen tiefblauen Augen. Der Schmerz wurde unerträglich, denn die Gabeln waren nicht spitz, sondern eher stumpf. Den Drow gelang es nur durch kräftige Stöße sie in das Fleisch des Jungen zu rammen. Das Schlimmste jedoch war, dass es niemanden kümmerte, was die Männer mit dem Sklaven taten. Jeder schien mit sich selbst oder anderen beschäftigt zu sein und so konnten Alak, Vorn und Ghaundan ungehindert ihrem Spaß freien Lauf lassen. Ganz zum Leidwesen des Jungen, der bei weiteren Treffern aufschrie und sich krümmte, während die Tränen über die Wangen rannen.
Nach wenigen Minuten bereitete das Pieksen den drei Dunkelelfen keine Freude mehr und so ließen sie von dem jungen Halbdrow ab, legten sich gemütlich in die Kissen und ein jeder trank einen weiteren Becher Rotwein.
Doch je höher der Alkoholpegel in Vorns Blut stieg, desto geschwätziger wurde er und gleichzeitig wütend auf jeden und alles.
„Habe ich dem Ding überhaupt gesagt, dass es Weinen darf?“, lallte Vorn seine Frage seinen beiden Kameraden zu.
Diese fingen an zu lachen und leerten ihren Becher daraufhin in einem Zug. „Nicht das wir wüssten“, erklang es ihm Chor und alle drei amüsierten sich abermals.
„Also eine neue Strafe“, warf Vorn grinsend in die kleine Runde und schaute sich plötzlich um. „Aber mit was?“
„Wenn ich behilflich sein dürfte“, erklang plötzlich eine weitere Stimme und Alak, Vorn und Ghaundan blickten sich überrascht um.
Ein Dunkelelf in Lederrüstung, Schwert und mit funkelnden Augen trat zu ihnen vor und hatte ein gefährliches Grinsen aufgesetzt. „Ich kann euch gerne meine Dornenpeitsche zur Verfügung stellen. Strafen sollten doch stets gleich erfolgen, nicht wahr meine Herren?“, meinte der Neuankömmling.
Shar hörte die Worte und erkannte die Stimme sofort wieder. Wenn ihn Nhaundar schon nicht sah und Sorn nirgendwo zugehen war, dann war Yazston eindeutig der Letzte, dem der Junge begegnen wollte. Die Angst vor dem Kommandanten der Soldaten saß tief, genauso wie der Hass. Yazston war dafür verantwortlich, dass sein Vater nicht mehr bei ihm weilte, obwohl er ihm in seinem Kopf stets versicherte, dass er zurückkommen würde. Dass Handir eigentlich tot war, das begriff der junge Halbdrow in seiner langjährigen Trauer und dem anwachsenden Wahnsinn ohnehin nicht mehr. Vermutlich nicht einmal, wenn es jemand wie Sorn ihm genau erklärt hätte. Nun fasste sich der Junge ein Herz und schaute mit verweinten Augen auf. Tatsächlich, die Stimme gehörte Yazston und dieser lächelte heimtückisch nach unten.
„Die Hilfe nehme ich doch gerne an“, lallte in diesem Moment Vorn und versuchte aufzustehen. Dabei kippte er mehrmals wieder zurück in die Kissen und sah nicht, wie der Kommandant der Soldaten angewidert den Kopf schüttelte.
Doch für Yazston war endlich die Zeit der Rache gekommen. Vor Jahren hatte er sie sich bei Handir für seine damalige Schmach in Eryndlyn bereits mit dem Tod gerächt, jetzt kam die Reihe an den Sohn. Yazston konnte niemandem verzeihen, noch vergaß er eine Erniedrigung. Im Falle von Shar war es lediglich dessen pure Anwesenheit, genauso wie seine Abstammung. Der Soldat griff an den Gürtel und machte dort die Dornenpeitsche los. Er drückte sie dem erst besten der Drei in die Hand und dieser war niemand anderer als Alak.
Die Dornenpeitsche machte ihrem Namen alle Ehre. Sie sah aus wie eine ganz normale Lederpeitsche. Doch im regelmäßigen Abstand der Lederstränge waren Dornen befestigt, die sich bei einem kräftigen Hieb ins Fleisch gruben und es aufrissen. Ein Züchtigungsmittel, um besonders widerspenstige Arbeitersklaven zu Recht zu weisen, anzutreiben oder … . Gerne wurde sie von Yazston als Bestrafung von äußerst widerspenstigen Sklaven eingesetzt.
Plötzlich gab es einen lauten Knall, ein Schrei folgte und in diesem Moment landete die Dornenpeitsche auf Shars Rücken. Alak hatte zugeschlagen und schien mit weit aufgerissenen Augen erstaunt, dass sie sich so leicht führen ließ. Denn er dachte, die Stacheln könnten den Schwung behindern, taten sie aber nicht. Schon holte er von neuem aus und diesmal traf der Schlag die Schulter des Jungen, der auf dem Boden lag und gepeinigt aufschrie.
„Nicht nachlassen, meine Herren“, lachte Yazston und bedachte Shar mit rot glühenden Augen und einem sardonischen Lächeln auf den Lippen. Dann schlenderte er einfach davon ohne den jungen Halbdrow eines weiteren Blickes zu würdigen. Ihn beflügelte das Gefühl der befriedigten Rache, auch wenn sie von anderen, betrunkenen Männern ausgeführt wurde. Jetzt wollte er sich lieber seinen eigenen Spaß gönnen, egal wo und mit wem und dabei das Gefühl der erfüllten Rachgier genießen.
Der junge Halbdrow empfand unbeschreibliche Qualen und immer wieder flehte er stumm, dass Nhaundar und Sorn ihn Retten kommen sollten. Aber niemand der beiden ließ sich blicken. Die Tränen rannen im ungehindert über die Wangen und das Ziehen und Brennen am ganzen Körper tat das Restliche, so dass Shar einfach liegen blieb und sich nicht mehr rührte. Er konnte nicht aufstehen, auch wenn er gewollte hätte. Wieso hilft der Trank nicht gegen die Schmerzen, seufzte der Junge beständig und wartete sehnsüchtig auf das Eintreten der Wirkung, aber nichts dergleichen geschah.
Nun war Ghaundan an der Reihe, der Alak die Dornenpeitsche aus der Hand riss und mit vollem Schwung auf den am Boden liegenden und jammernden Sklaven einschlug. Die Stacheln trafen ein weiteres Mal den Rücken und ein Reißen zog Shar an der getroffenen Stelle die Haut ab. Unsagbare Pein durchströmte den jungen Halbdrow, es blutete und dann fühlte er, wie ihm Übel wurde und Sterne flimmerten vor seinen Augen.
Noch einige Male schlug Ghaundan zu und die Reihe kam schließlich an den mittlerweile stockbetrunkenen Vorn. Er war kaum in der Lage, die Peitsche zu halten, seine Kameraden erschienen ihm plötzlich dreifach, doch er ließ sich diesen Spaß ebenfalls nicht nehmen. Glück oder Unglück für Shar, denn diese Peitschenhiebe gingen mehrmals knapp an ihm vorbei. Doch der Junge lag winselnd auf dem Holzfußboden und blutete aus vielen kleinen und großen Wunden. Die Ohnmacht wollte ihn nicht einholen, stattdessen spürte er etwas anderes. Ein seltsames Gefühl durchströmte seinen geschundenen Körper und alles fühlte sich plötzlich so taub an. Doch es kam nicht von den schweren Verletzungen, sondern tief aus seinem Inneren. Der junge Halbdrow wusste nicht was es war, doch es machte ihm keine Angst.
Mittlerweile hatten die drei Dunkelelfen auch genug von dieser Bestrafung und Vorn allen voran, war der jenige, der sich kaum noch in der Lage sah, überhaupt noch etwas zu machen. Schlaff sank er in die Kissen zurück und die Peitsche knallte dabei dumpf auf dem Boden auf.
„Ghaundan, ich will meinen Spaß“, murrte Alak seinem Kameraden zu und beide tauschten einen wissenden Blick aus, bevor sie beide Vorn mit verächtlicher Miene musterten und beschlossen, ihn einfach hier zurück zu lassen.
„Der wird heute nichts mehr machen“, lachte Ghaundan und winkte dabei einen der vielen Sklaven mit einem Weintablett heran. Er nahm zwei Becher, reichte einen Alak hinüber und sie leerten ihn mit einem Schluck. Danach warfen sie die Becher unachtsam davon.
„Ich lasse dir den Vortritt“, säuselte Ghaundan seinem Kameraden zu und lächelte hinterlistig, denn er wollte sich gerne Appetit beim Zuschauen holen.
Alak ließ sich nicht lange bitten, wuchtete sich schwerfällig aus den Kissen auf und als er stand, schwankte er leicht. Dieser Becher Wein schien wohl auch für den zweiten Dunkelelfen einer zuviel gewesen zu sein. Doch dadurch ließ er sich nicht aus dem Konzept bringen. Langsam und bedächtig tat er einige Schritte zu dem jammernden und blutenden Halbdrow hinüber und kniete augenblicklich neben ihm.
„Lebst du noch?“, lallte Alak und tippte mit dem Finger an die Schulter von Shar.
„Du Idiot, na klar lebt der noch oder würde er sonst weinen?“, hörte er von hinten Ghaundan wütend rufen. „Beeil dich gefälligst, ich will nämlich auch mal.“
„Ja, ja, nur nicht hetzen, ich will genießen“, flüsterte Alak und rülpste laut auf. Doch der Alkohol hinderte ihn nicht daran, dass er noch in der Lage war, sich seines Hemdes zu entledigen. Dann machte er eine kurze Verschnaufpause, wobei er bemerkte, dass er den Sklaven plötzlich doppelt sah. Er griff daraufhin nach Shar und als erstes fasste er daneben. Beim zweiten Anlauf konnte er den Jungen an der Schulter anpacken und drehte ihn auf den Rücken.
Shar spürte die Berührungen sehr wohl und als er auf den offenen Wunden lag stöhnte er laut auf. Schreien konnte er nicht mehr, denn er schien irgendwie nicht er selbst zu sein und seine Zunge war mit einem Mal unendlich schwer. Fast schon hätte Shar sagen können, er schaue auf sich selbst hinab. Sah sich dort im eigenen Blut liegen und wusste nicht, was er davon halten sollte.
Alaks Finger griffen zur gleichen Zeit an den Lendenschurz des Jungen und rissen diesen mit einem Ruck weg. Dann war Shar nackt und die Augen des Drow über ihm leuchteten unheilsvoll auf. Alak öffnete die eigene Hose und zog sie ein wenig nach unten.
Der junge Halbdrow spürte zu diesem Zeitpunkt allerdings überhaupt nichts mehr. Werder die Berührungen, noch irgendwelche Schmerzen. Aber die Anstrengung nahm er dennoch wahr. Er stöhnte langsam auf und plötzlich wurde seine Zunge ganz pelzig und seine Augen sahen alles durch einen leichten Schleier. Das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmte, wuchs in ihm. Eine nie gekannte Übelkeit ergriff von ihm Besitz und mit ihr kamen nun schwarze Flecken, die von seinen Augen wild tanzten. Allmählich wurde der Kreislauf des Jungen schwächer. Das Atmen, sowie der Herzschlag und Puls wurden stetig langsamer. Kopfschmerzen begannen plötzlich wie wild zu pochen und Schweiß trat auf Shars Stirn. Irgendwo zwischen Wachsein und der herannahenden Ohnmacht erkannte der Junge, dass Alak von ihm abließ und sich an dessen Stelle Ghaundan gesellte. Dieser ging sogar noch einen Schritt weiter. Ghaundan strich mit einer Hand über den blutenden Körper und verteilte Shars Lebenssaft über den geschundenen Jungen und lachte gierig auf. Dann nahm der junge Halbdrow nichts mehr wahr. Im gleichen Atemzug schloss Shar die Augen und er trieb einer fernen Dunkelheit entgegen.
Alles um ihn herum war schwarz. Shar hörte von weitem ein lautes Durcheinander von Stimmen. Gelächter dröhnte schallend in seinem Kopf und nach einer schier unendlichen Zeit meinte er zu schweben. Sein Körper verspürte keine Schmerzen mehr. Stattdessen breitete sich eine angenehme und wohlige Wärme aus. Jemand schien ihn in den Arm zu nehmen und ihn nicht mehr loszulassen. Shar konnte allerdings niemand erkennen. Der Fremde ließ auch nicht los und irgendwann merkte der junge Halbdrow, dass er unendlich Müde wurde. Shar war schlaff und er wollte nur noch schlafen. Shar wollte erst wieder aufwachen, wenn alles vorbei war. Aber wann hatte diese Pein ein Ende? Shar wusste es nicht und in Bruchteilen von Sekunden schien es ihm plötzlich egal. Ganz unverhofft tauchten plötzlich Bilder vor ihm auf. Er sah Handir und Sorn, Nalfein und Zaknafein und alle lächelten ihn an. Der Junge lächelte zurück. Die Müdigkeit nahm plötzlich überhand und selbst in diesem Traum – war es überhaupt ein Traum? - schloss er die Augen und dann fühlte er nichts mehr.
Im Verlauf der langen Nacht wurde es allmählich Morgen. Viele Gäste waren bereits gegangen, nur noch vereinzelt fanden sich betrunkene Drow, die auf Grund ihres vernebelten Verstandes sich nicht mehr in der Lage sahen, von ihren Sitz- und Liegegelegenheiten aufzustehen. Außerdem bot sich jedem, der wach und einen klaren Kopf besaß ein Bild des absoluten Chaos. Durch dieses Durcheinander warteten einige Soldaten von Nhaundar, zusammen mit Ranaghar und Dipree. Der Magier, sowie der ältere Drowsklave wurden einen Abend zuvor dafür auserkoren, wieder für Ordnung zu sorgen. Für beide nicht die Arbeit, die sie sich wünschten, aber wer würde schon Widerworte in Gegenwart von Nhaundar laut aussprechen. Die Verstärkung bildeten die Krieger, die auf Anordnung der beiden Dunkelelfen die Betrunkenen und die Toten in getrennte Ecken des riesigen Saals zu schleifen hatten. Die noch vorhandenen Gäste schienen alle von zu viel Alkohol bewusstlos zu sein und wurden mehr oder weniger unvorsichtig auf einige Kissen gelegt, wo sie ihren Rausch ausschliefen und hoffentlich auch irgendwann wieder erwachten. Die Leichen, meistens unglückliche Sklaven, warf man einfach in die gegenüberliegende Ecke und sollten im Anschluss beseitigen werden.
Alak, Vorn und selbst Ghaundan gehörten zu den Elenden, die durch den übermäßigen Weingenuss von drei Soldaten gerade aufgehoben wurden. Gerade wollte Dipree zu der nächsten Gruppe gehen, da entdeckte er einen leblosen Körper, der nur zum Vorschein kam, weil ein Krieger gerade den schweren Leib von Ghaundan anhob. Der ältere Drowsklave riss vor Überraschung seine Augen weit auf, während der Unterkiefer vor Verblüffung nach unten klappte. Dipree erkannte diesen Körper augenblicklich unter all den hier weit verstreuten Sklaven sofort wieder. Er beugte sich hinab und schien selbst erstaunt über seine Reaktion. Überall um den Bewegungslosen klebte Blut am Boden und bei genauerem Untersuchen wusste Dipree wieso. Der Körper war über und über mit Wunden übersäht und selbst jetzt bluteten sie noch leicht. Selbst das weiße lange Haar und die Zöpfe, die er eigenhändig geflochten hatte, waren mit Blut verschmiert. Langsam wanderte die Hand des Drowsklaven zu dem Kopf und er drehte ihn so, dass er das Gesicht sehen konnte. Jetzt erschrak Dipree wirklich. Er hatte sich nicht getäuscht, es handelte sich um Shar, den kleinen Halbdrow, um den er sich immer gekümmert hatte. Die Wangen waren durch vergossene Tränen und getrocknetem Blut verschmiert, die Augen geschlossen, doch auf dem Mund zeichnete sich ein Lächeln ab. Das seltsame Gefühl des Verlustes ergriff den immer so unempfindungsarmen Dunkelelfen und er schluckte merklich. Mit solch einer Begegnung hatte er wahrlich nicht gerechnet. Er nahm an, dass Shar bei Dantrag wäre, den er bisher noch nicht entdeckt hatte. Dipree holte tief Luft und dann tastete er mit einem Finger nach dem Puls des Jungen. Er konnte keinen finden. Aber als er seinen Blick auf die eigenen Hände warf, erkannte er, dass sie zitterten. Reiß dich zusammen, Dipree, schimpfte er sich selbst und wollte einen zweiten Versuch wagen. Doch noch immer konnte er nicht mit dem Zittern innehalten.
„Ist was?“, klang von hinten die neugierige Stimme des Magiers Ranaghar.
„Nein“, antwortete Dipree eilig und richtete sich wieder auf. „Er ist …“. Dann brach die Stimme des Dunkelelfen unvermittelt ab und er verstand nicht wieso. Ohne ein weiteres Wort kam ein Soldat herbei, betrachtete sich kurz den geschundenen jungen Körper, hob ihn ohne Kommentar auf und trug ihn in die Ecke mit den Leichen.
Liebesspiel der Macht
Während Sorn mit Shar beschäftigt war, stürzte sich ein betrunkener Dantrag Baenre auf Nalfein Dalael. Beide lagen ausgestreckt in den Kissen und der Waffenmeister streichelte sanft, aber bestimmt mit seinen Händen gierig über den muskulösen Körper des Jüngeren. Er spürte die stahlharten Muskeln. Das wiederum brachte sein Blut in Wallung und die Lust nach unendlicher Befriedigung strömte durch seine Adern. In Dantrags vernebeltem Verstand tauchten Bilder von ausschweifender Zweisamkeit auf und er klebte regelrecht an Nalfeins Lippen.
Der junge Krieger stattdessen kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit und dem innerlichen Drang an, den Waffenmeister nicht gleich und auf der Stelle zu erdolchen. Auch wenn es der Plan des Älteren gewesen war, den Sohn des ersten Hauses genau auf diese Weise abzulenken, so dachte er nun, dass Sorn ihm etwas schuldete. Erinnerungen an Kindheitstage wollten sich seiner bemächtigen, doch er versuchte sie niederzuringen. Ohne großen Erfolg. Während Nalfein mit diesen Gedanken focht und sie als eine unausgesprochene Warnung in sich aufsteigen fühlte, spürte Nalfein sogleich, wie die Annäherungsversuche von Dantrag heftiger und unkontrollierter wurden. Die Hände seines Gegenübers wanderten unermüdlich über seinen Körper und rissen letztendlich an den langen Haaren. Jetzt reichte es dem jungen Krieger eindeutig und er wollte mit den Händen den Waffenmeister von sich stoßen. Überrascht bemerkte er allerdings, dass der gefährliche Dunkelelf mehr Kraft besaß, als es immer den Anschein erweckte. Obwohl er betrunken war, drückte er nun Nalfein fester in die Kissen. Der ältere Zwilling musste seine ganze Muskelkraft aufwenden und schaffte es gerade mal soweit, den muskulösen Leib seines immer unbeherrschenderen Gegenübers wenige Zentimeter von sich zustoßen. Der junge Krieger versuchte sich vorzustellen, wie der kleine Shar sich dabei fühlen musste und kämpfte gegen eine ungewohnte Panik an.
„Es gibt kein zurück mehr“, flüsterte plötzlich Dantrag in Nalfeins Ohr und leckte anschließend genüsslich darüber.
Vor Ekel verzog der junge Krieger das Gesicht und startete einen erneuten Versuch, sich von dem immer gierigeren Waffenmeister zu befreien, aber leider wirkungslos.
„Du gehörst mir, wie all die anderen“, hauchte Dantrag und diesmal unterstrich er seine Aussage, indem er mit einer Hand in Nalfeins Schritt griff und zudrückte.
Der Zwilling keuchte gepeinigt auf und der Sohn des Hauses Baenre fasste dies als Aufforderung auf. Gerade wollte Nalfein nach dem versteckten Dolch im Stiefel greifen, da gab es einen dumpfen Knall und im nächsten Moment landete der erschlaffte Körper Dantrags in Nalfeins Armen. Erschrocken riss er die Augen auf doch begriff schnell, dass dies seine Chance zum Entkommen war. Er schubste den wehrlosen Leib des Waffenmeisters von sich und direkt in den hohen Kissenberg. Dann schaute er auf und erkannte ein verschmitztes Lächeln seines Bruders.
„Ich dachte, du könntest Hilfe gebrauchen“, meinte der junge Priester mit heiterer Stimme und reichte Nalfein eine helfende Hand.
Der Krieger nahm die Hilfe an, ließ sich nach oben ziehen und murrte dann leise vor sich hin. „Ein nächstes Mal wird es nicht mehr geben, das schwöre ich dir. Der Kerl hat sogar im besoffenen Zustand mehr Kraft, als ich mir gedacht habe.“
Die Augen von Nalfein wanderten dabei auf den bewusstlosen Körper und anschließend zu Sorn hinüber. Der Priester hielt in der anderen Hand einen Kerzenständer, den er sogleich mit einem lauten Knall auf den Boden warf. Bei dem Lärm und Gewusel ringsherum fiel es nicht auf.
„Nal, ich danke dir und Shar sicherlich auch“, antwortete der Kleriker und schaute über die Schulter, um den jungen Halbdrow hinter sich noch einmal anzuschauen. Ein weiteres Lächeln seines Liebsten ließ ihn dabei leise seufzen und er wandte sich erneut seinem Bruder zu. „Übrigens, ein nächstes Mal wird es nicht geben. Unser Plan hat funktioniert, davon bin ich absolut überzeugt.“
„Das will ich dir auch geraten haben, denn ich tue es nie wieder“, ärgerte sich Nalfein, auch wenn er wusste, dass diese Idee immerhin seinem Kopf entsprungen war. „Dann will ich dir noch sagen, du schuldest mir etwas.“
„Kein Problem, alles was du willst“, schmunzelte Sorn und sein Gesicht wirkte von den Sorgenfalten der letzten Tage befreit.
„Du hast es also geschafft, Shar den Schmerztrank zu geben?“, wollte Nalfein neugierig wissen und kam auf das eigentliche Thema zurück. Obwohl ihm das Ganze Schauspiel viel Mühe und Überwindung gekostet hatte. Innerlich war er jedoch glücklich, dass alles anscheinend ohne Probleme verlief.
„Alles erledigt …“, erklärte der junge Priester, doch plötzlich sah er wieder traurig aus.
Das konnte der Ältere der beiden Zwillinge deutlich erkennen und vergessen schien in diesem Moment der eigene Ärger und er legte besänftigend eine Hand auf Sorns Schulter. „Es wird alles gut werden, du wirst sehen. Deine Tränke helfen auch mir. Außerdem, wird Zaknafein sich um den Rest kümmern und dann können wir dieses Anwesen und vor allem die schleimige Goblinfratzen wie Nhaundar vergessen und von hier für immer verschwinden.“ Die Stimme von Nalfein klang beruhigend, doch auch in ihr schwang eine Spur Angst mit.
Sorn sah seinem Bruder in die bernsteinfarbenen Augen und dann nickte er einfach. Die ungesagten Fragen und deren unerfreulichen Antworten blieben daraufhin unausgesprochen.
„Wir werden gehen“, beschloss der junge Krieger plötzlich. „Du kannst für den Kleinen nichts mehr tun. Shar ist stark und schafft es, daran musst du denken. Jetzt heißt es abwarten und der Morgen kommt schnell, die wirst sehen.“ Damit versuchte Nalfein Sorn zum Gehen zu überreden. Seine Worte waren sehr gut gewählt, denn der Priester nickte erneut. Dann liefen beide davon, wobei Sorn es nicht übers Herz brachte, sich zu Shar umzudrehen. Er benötigte alleine seine ganze Kraft, um sich überhaupt von dem jungen Halbdrow zu entfernen und verschwand ungesehen in der Menge.
Kurze Zeit später waren die Zwillinge wie vom Erdboden verschluckt und unauffindbar. Aber niemand der Gäste, noch Nhaundar suchte nach ihnen. Dieser vergnügte sich zur selben Zeit blendend mit seinem neuesten Spielzeug und schaute hin und wieder tiefer ins Glas, als er vertragen hätte. Zurück blieb nur ein ängstlicher Shar, der immer wieder skeptisch zu dem ohnmächtigen Dantrag schielte, der reglos in den Kissen lag und hoffte, dass dieser niemals wieder erwachte. Auch wenn die Kette dem Jungen gerade mal drei Meter Abstand gewehrte, so nutze er diese voll aus und näherte sich dem Kissenberg nicht. Das Problem an der Sache lag jedoch eindeutig auf der Hand. Denn versteckt in den Polstern wäre Shar aus dem Sichtfeld der meisten hier anwesenden Drow gewesen, doch so saß er nun mitten auf dem Boden und wurde nur wenige Minuten später von drei angetrunkenen Dunkelelfen erspäht und sofort belagert. Bei ihnen handelte es sich um ältere Adelige aus einem der niederen Häuser der Stadt.
„Schau’ dir das mal an, Alak“, lispelte einer der unbekannten Männer angetrunken und kam zu Shar hinüber gewankt. Man konnte deutlich erkennen, dass er bereits weit mehr über den Durst getrunken hatte, als ihm bekam.
„Ein feines Kerlchen, sich für uns hier her zu setzen“, äußerte der Angesprochene bleiern und näherte sich seinem Freund. Er hatte ebenfalls eindeutig dem Alkohol zu viel zugesprochen.
Zusammen standen beide nun vor dem auf dem Boden knienden Halbdrow und ihre Augen leuchteten gefährlich rot.
„Was habt ihr denn gefunden?“, ertönte nun eine dritte Stimme und Ghaundan gesellte sich zu seinen zwei Kameraden Alak und Vorn.
„Ein neues Spielzeug“, erklärte der angetrunkene Vorn und hielt dabei einen der herumwuselnden Sklaven mit einem Tablett an, wo gefüllte Weinbecher standen. Er griff sich einen neuen Becher und reichte dann jeweils einen weiteren Alak und Ghaundan.
Währenddessen wurde Shar von der Angst geschüttelt. Er zitterte am ganzen Leib, fühlte sich alleine gelassen und hörte die Worte der drei Dunkelelfen, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagten. Dantrag war er los, dafür gesellten sich andere Männer, dazu betrunkene Drow, zu ihm. Er wusste nicht, was schlimmer sein sollte, aber er würde es herausfinden. Eigentlich wollte er gerne zu seinem Herrn Nhaundar hinüber, der ihn beschützen würde oder zu Sorn, der aber mittlerweile spurlos verschwunden war. Sein Liebster hatte ihm kurz vor seinem Verschwinden erklärt, dass die Gefahr für den Priester zu hoch wäre, wenn er sich ständig um den Jungen kümmerte. Nhaundar wäre wohl sehr böse, wenn er davon erfuhr und dann könnten sich Sorn und Shar niemals wieder sehen. Shar glaubte diese Lüge, die mehr Wahrheit besaß, als allen Beteiligten lieb gewesen wäre. Anschließend erinnerte sich der junge Halbdrow an das abscheuliche Mittel, was er von seinem Liebsten bekommen hatte und wusste, dass dies immer half. Es schmeckte zwar widerlicher als sonst, dazu machte es seine Zunge etwas taub, aber es war ja nicht das erste Mal, dass ihm Sorn komische Sachen zum trinken gab. Der Junge war gutgläubig, aber das durfte er durchaus, denn der Vhaeraunpriester hielt stets sein Wort und wollte ihm niemals schaden.
Da Shar jetzt aus dieser auswegslosen Situation nicht weglaufen konnte, versuchte er sich so klein und unscheinbar zu machen, wie er es immer tat.
„Hey du, komm’ her!“, klang plötzlich wieder die angetrunkene Stimme von Vorn, der sich dabei in den Kissenhaufen warf. Den immer noch bewusstlosen Waffenmeister ignorierte er völlig. Alak und Ghaundan hatten sich in der Zwischenzeit die restlichen Weinbecher vom Tablett gefischt, den Sklaven fortgeschickt, ihm aber dabei den Auftrag erteilt etwas zu Essen zu bringen. Danach gesellten sich die zwei anderem Drow zu ihrem Kameraden und kuschelten sich gemütlich zurückgelehnt in die bequemen Kissen.
„Wird es bald!“, machte Vorn seinem Ärger über den Ungehorsam von Shars Verhalten Luft und er musste sich etwas erheben, um an die Kette zu kommen. Etwas mühsam und schwankend griff er zu und zog einmal kräftig daran.
Der junge Halbdrow erschrak. Er wollte nicht zu den Dreien hinüber, denn nur noch ein Gedanke erfasste ihn in diesem Moment, Nhaundar. Sein Herr würde niemals zulassen, dass diese Dunkelelfen ihn zu sich nahmen. So sah er ganz kurz auf, schaute zu der Ehrentribüne und Nhaundar, der auf einem Diwan sich mit dem anderen Jungen vergnügte. Er beachtete Shar überhaupt nicht. Dann senkte der Junge eilig wieder die tiefblauen und krampfte sich zusammen. Mit den Knien auf dem Boden und den Kopf darauf, während er einige Tränen niederkämpfte. In seiner Position ähnelte er eher einem Knäuel und zitterte weiter. Die Tränen übermannten ihn schließlich, bis er nach einigen Sekunden ein paar geradeso wegblinzeln konnte. Die Furcht vor dem Unbekannten hatte ihn erneut eingeholt.
„Ein freches Ding“, knurrte Vorn jetzt ungehalten und diesmal riss er heftiger an Shars Kette.
Der junge Halbdrow verlor durch den Ruck plötzlich das Gleichgewicht und wurde zur Seite gerissen. Dann lag er so auf dem Holzfußboden und versuchte sich nicht zu bewegen.
„Sieh’ dir das mal an, Ghaundan“, ertönte die Stimme von Alak, der gerade dabei war, sich mit einer Fleischergabel ein Stück gebratenes Fleisch von dem Tablett zu angeln, dass der Sklave gebracht hatte und schleunigst davon gehuscht war.
„Du denkst auch nur ans Essen“, erwiderte Ghaundan amüsiert, griff nun aber nach einer weiteren Fleischgabel und nahm sich sein Anteil vom Essen.
„Ich meine doch nicht das Essen, das Ding ist ein Halbdrow“, meinte Alak wütend und schubste seinen Kameraden unsanft zur Seite.
Ghaundan erschrak, kippte um, rappelte sich schleunigst auf und starrte Alak anschließend böse mit funkelnden Augen an.
„Hört auf, alle beide!“, schimpfte der betrunkene Vorn, der mittlerweile seine beiden Begleiter doppelt sah und sich nun selbst an dem Fleisch bediente und die dritte Fleischergabel samt Fleisch zu sich nahm.
Kauend und schmatzend taten sich die drei Dunkelelfen an dem Essen gütlich, während Shar vor Angst zitternd immer noch regungslos auf dem Boden lag. Er fragte sich ständig, wieso Nhaundar nicht kam und ihn holte. Mittlerweile musste er doch sehen, dass er Hilfe brauchte. Vielleicht hat er aber gerade etwas anderes zu tun, redete sich der junge Halbdrow ein. Die Antwort beruhigte ihn ein wenig.
„Wisst ihr …“, begann Alak seine beiden Kameraden mit vollem Mund anzusprechen und spukte hier und da einige Brocken Fleisch aus, kaute dennoch genüsslich beim Reden weiter. „… ich habe mich gefragt … wie kann ein Drow von reinem Blut … mit einer Oberflächenschlampe … so etwas zeugen?“
Vorn und Ghaundan verschluckten sich beinahe und husteten, als sie die Worte von Alak hörten und auch bei ihnen flog so manches Fleischstückchen unappetitlich davon.
„Wie kannst du nur so etwas erwähnen“, beschwerte sich Vorn als Erster und musterte nun den jungen Halbdrow auf dem Boden vor sich.
„Dann zeig’ dem doch, wo sein Platz ist … hat der Vater von diesem Ding wahrscheinlich auch getan“, lachte Ghaundan und zeigte mit dem Finger auf Shar. Dabei gingen alle davon aus, dass Shars Vater ein Dunkelelf gewesen sein musste. Woher sollten sie auch die Wahrheit kennen.
Innerlich verkrampfte sich der junge Halbdrow immer mehr und der Wunsch endlich in Nhaundars fester Umarmung zu liegen, begehrte er plötzlich mehr als alles andere. Selbst Sorn schien vergessen und er würde sogar die Schläge und Tritte seines Herrn haben wollen, solange die fremden Drow einfach nur ganz weit weg wären. Doch dann tat Shar einen Fehler, den er so eigentlich nicht gewollt hatte, doch es war zu spät. Denn trotz der Furcht bekam er jedes gesprochene Wort mit und die Männer sprachen Unrecht. Handir war ein Krieger und seine Mutter eine wunderschöne Dunkelelfe. Zumindest lauteten so die Erzählungen von seinem Vater. Die Drow durften nicht so über seinen Vater sprechen. Daraufhin erhob Shar den Kopf, blickte zu Alak, Vorn und Ghaundan hinüber und sagte leise und mit zittriger Stimme. „Das stimmt nicht.“
Die drei Dunkelelfen horchten sofort auf und schauten sich mit einem hinterhältigen Grinsen an.
„Hat das Ding da gerade etwas gesagt?“, fragte Alak laut und tat so, als würde er sich umschauen, wer denn eben noch gesprochen haben könnte.
„Mir war auch so“, erwiderte Vorn in aller Unschuld.
„Wenn ihr mich fragt, dann hat dieses Ding da gesprochen. Klang wie „stimmt nicht“ oder ich habe mich verhört“, ertönte die Stimme von Ghaundan, der dabei den eigenen Tonfall anhob und damit Shar versuchte nachzuäffen.
Alle drei brachen in lautes Gelächter aus und beendeten es jeweils mit einem Rülpser.
Shar wurde wütend. Niemand durfte Handir beleidigen und gleichzeitig spürte er, dass die Fremden auch ihn mit den Worten verspotteten. Das hätte Nhaundar niemals zugelassen, sagte der junge Halbdrow zu sich selbst und richtete sich nun auf, bis er erneut kniete. Mit wässrigen Augen blickte er zu den Dunkelelfen hinüber und flüsterte leise, aber immer noch hörbar. „Mein Vater ist ein Krieger der Mondelfen. Mehr als ihr jemals sein werdet.“
Alak, Vorn und Ghaundan verstummten augenblicklich, wobei sie sich beinahe an ihrem Essen verschluckten und trauten ihren Ohren nicht. Nicht das Gesprochene ließ sie innehalten, sondern das ungehorsame Verhalten des Sklaven.
„Das Ding hat es schon wieder getan …“, ärgerte sich Alak und Ghaundan beendete für ihn den Satz, „… das trägt eine Strafe mit sich, nicht wahr, Vorn?“
Der betrunkene Vorn grinste tückisch und riss als Antwort abermals an Shars Kette.
Der Mut des Jungen schlug augenblicklich in Angst um. Der junge Halbdrow verlor das Gleichgewicht und fiel längs auf den Boden. In diesem Moment begriff Shar, dass er eine nie wieder gutzumachende Übertretung des Gehorsams begangen hatte. Hilfe suchend schaute er auf und suchte ängstlich nach Nhaundar, doch nun schien auch dieser spurlos verschwunden zu sein. Dann wanderten die Augen eilig durch den Raum und er hoffte, doch noch Sorn und Nalfein irgendwo zu sehen. Aber auch diese konnte er nicht ausmachen. Seine Eingeweide verkrampften sich und er wurde von einer unbeschreiblichen Angst ergriffen, die nicht einmal Dantrag bei ihm hätte auslösen können. Vater hilf mir! Mein Herr, Sorn wo seit ihr, flehte Shar stumm aber er bekam keine Antwort. Sein hagerer Körper zitterte unkontrolliert und schon einen Atemzug später riss Vorn wieder an der Kette und zog so den leichten Körper auf dem Fußboden zu sich und seinen Kameraden hinüber.
„Welche Strafe passt denn zu einem sprechenden Halbdrow?“, fragte sich Vorn, wobei seine Betonung auf dem Wort „sprechenden“ lag, als ob so etwas unmöglich wäre. Er runzelte die Stirn und sein Gesicht verzog sich zu einer staunenden Maske, als wäre alles ein Wunder. Währenddessen schaute er mit rot glühenden Augen zu Shar hinunter. In einer Hand hielt er die Fleischergabel und fuchtelte wild mit ihr durch den Luft.
„Pass’ auf, allgegenwärtiger Richter“, platzte es Alak amüsiert heraus, „… sonst tust du der Kreatur noch weh.“ Daraufhin wieherte der Dunkelelf los und stach selbst mit seiner Fleischergabel Shar in den Oberarm.
„Ob man das Essen kann?“, fragte nun Ghaundan scheinheilig und auf seinem Gesicht trat ein tückisches Grinsen. Auch er holte mit der Gabel aus und tat es Alak gleich, nur das er in den Oberschenkel traf.
Shar schrie im gleichen Moment gepeinigt auf. Zum einen vor Überraschung und zum anderen, weil es ihm schrecklich wehtat. Kleine Wunden bildeten sich und aus denen rann Blut. Es waren eindeutig Verletzungen und er spürte Schmerzen. Doch wie konnte das sein, wenn ihm Sorn doch, wie schon sooft, ein Schmerzmittel gegeben hatte, um genau das zu verhindern. Schon immer hatte er funktioniert, doch diesmal schien es anders zu sein. Flehentlich hob der junge Halbdrow seinen Kopf, denn er lag immer noch auf dem Boden, vor ihm die drei Dunkelelfen und er versuchte einen Blick auf den nicht vorhandenen Sorn zu erhaschen. Nirgendwo war sein Liebster zu sehen und die Tränen stiegen ihm in die Augen, zu einem wegen der Qual des Fleisches und zum anderen wegen der Enttäuschung in seinem Herzen.
Ohne Vorwarnung piekste nun auch Vorn zu und traf den Jungen am anderen Oberarm. Erneut schrie Shar auf und augenblicklich wollte er jetzt einfach nur weit weg. Der Gedanke an Flucht nahm völlig von ihm Besitz, vergaß kurzzeitig alles um ihn herum. Eilige rappelte er sich auf, dann krabbelte er, wie schon zuvor bei Dantrag, auf allen Vieren davon.
Schallendes Gelächter ertönte, als Alak, Vorn und Ghaundan den Fluchtversuch des Halbdrow beobachteten und dabei eine nette kleine Aussicht auf Shars nackten Hintern erspähten.
„Das nenne ich mal einen hinreißenden Anblick“, lachte der betrunkene Vorn und riss unverzüglich an der Kette des Jungen, um ihn so zurück zu ziehen.
Kurz danach landete Shar wieder vor den drei fremden Dunkelelfen und abermals spielten sie ihr Spiel. Sie stachen mit den Fleischergabeln zu und trafen den jungen Halbdrow noch an anderen Stellen. Auch diese fingen augenblicklich an zu bluten und schmerzten, während Shar jammerte. Er weinte herzzerreißend und die Tränen röteten die immer sonst so schönen tiefblauen Augen. Der Schmerz wurde unerträglich, denn die Gabeln waren nicht spitz, sondern eher stumpf. Den Drow gelang es nur durch kräftige Stöße sie in das Fleisch des Jungen zu rammen. Das Schlimmste jedoch war, dass es niemanden kümmerte, was die Männer mit dem Sklaven taten. Jeder schien mit sich selbst oder anderen beschäftigt zu sein und so konnten Alak, Vorn und Ghaundan ungehindert ihrem Spaß freien Lauf lassen. Ganz zum Leidwesen des Jungen, der bei weiteren Treffern aufschrie und sich krümmte, während die Tränen über die Wangen rannen.
Nach wenigen Minuten bereitete das Pieksen den drei Dunkelelfen keine Freude mehr und so ließen sie von dem jungen Halbdrow ab, legten sich gemütlich in die Kissen und ein jeder trank einen weiteren Becher Rotwein.
Doch je höher der Alkoholpegel in Vorns Blut stieg, desto geschwätziger wurde er und gleichzeitig wütend auf jeden und alles.
„Habe ich dem Ding überhaupt gesagt, dass es Weinen darf?“, lallte Vorn seine Frage seinen beiden Kameraden zu.
Diese fingen an zu lachen und leerten ihren Becher daraufhin in einem Zug. „Nicht das wir wüssten“, erklang es ihm Chor und alle drei amüsierten sich abermals.
„Also eine neue Strafe“, warf Vorn grinsend in die kleine Runde und schaute sich plötzlich um. „Aber mit was?“
„Wenn ich behilflich sein dürfte“, erklang plötzlich eine weitere Stimme und Alak, Vorn und Ghaundan blickten sich überrascht um.
Ein Dunkelelf in Lederrüstung, Schwert und mit funkelnden Augen trat zu ihnen vor und hatte ein gefährliches Grinsen aufgesetzt. „Ich kann euch gerne meine Dornenpeitsche zur Verfügung stellen. Strafen sollten doch stets gleich erfolgen, nicht wahr meine Herren?“, meinte der Neuankömmling.
Shar hörte die Worte und erkannte die Stimme sofort wieder. Wenn ihn Nhaundar schon nicht sah und Sorn nirgendwo zugehen war, dann war Yazston eindeutig der Letzte, dem der Junge begegnen wollte. Die Angst vor dem Kommandanten der Soldaten saß tief, genauso wie der Hass. Yazston war dafür verantwortlich, dass sein Vater nicht mehr bei ihm weilte, obwohl er ihm in seinem Kopf stets versicherte, dass er zurückkommen würde. Dass Handir eigentlich tot war, das begriff der junge Halbdrow in seiner langjährigen Trauer und dem anwachsenden Wahnsinn ohnehin nicht mehr. Vermutlich nicht einmal, wenn es jemand wie Sorn ihm genau erklärt hätte. Nun fasste sich der Junge ein Herz und schaute mit verweinten Augen auf. Tatsächlich, die Stimme gehörte Yazston und dieser lächelte heimtückisch nach unten.
„Die Hilfe nehme ich doch gerne an“, lallte in diesem Moment Vorn und versuchte aufzustehen. Dabei kippte er mehrmals wieder zurück in die Kissen und sah nicht, wie der Kommandant der Soldaten angewidert den Kopf schüttelte.
Doch für Yazston war endlich die Zeit der Rache gekommen. Vor Jahren hatte er sie sich bei Handir für seine damalige Schmach in Eryndlyn bereits mit dem Tod gerächt, jetzt kam die Reihe an den Sohn. Yazston konnte niemandem verzeihen, noch vergaß er eine Erniedrigung. Im Falle von Shar war es lediglich dessen pure Anwesenheit, genauso wie seine Abstammung. Der Soldat griff an den Gürtel und machte dort die Dornenpeitsche los. Er drückte sie dem erst besten der Drei in die Hand und dieser war niemand anderer als Alak.
Die Dornenpeitsche machte ihrem Namen alle Ehre. Sie sah aus wie eine ganz normale Lederpeitsche. Doch im regelmäßigen Abstand der Lederstränge waren Dornen befestigt, die sich bei einem kräftigen Hieb ins Fleisch gruben und es aufrissen. Ein Züchtigungsmittel, um besonders widerspenstige Arbeitersklaven zu Recht zu weisen, anzutreiben oder … . Gerne wurde sie von Yazston als Bestrafung von äußerst widerspenstigen Sklaven eingesetzt.
Plötzlich gab es einen lauten Knall, ein Schrei folgte und in diesem Moment landete die Dornenpeitsche auf Shars Rücken. Alak hatte zugeschlagen und schien mit weit aufgerissenen Augen erstaunt, dass sie sich so leicht führen ließ. Denn er dachte, die Stacheln könnten den Schwung behindern, taten sie aber nicht. Schon holte er von neuem aus und diesmal traf der Schlag die Schulter des Jungen, der auf dem Boden lag und gepeinigt aufschrie.
„Nicht nachlassen, meine Herren“, lachte Yazston und bedachte Shar mit rot glühenden Augen und einem sardonischen Lächeln auf den Lippen. Dann schlenderte er einfach davon ohne den jungen Halbdrow eines weiteren Blickes zu würdigen. Ihn beflügelte das Gefühl der befriedigten Rache, auch wenn sie von anderen, betrunkenen Männern ausgeführt wurde. Jetzt wollte er sich lieber seinen eigenen Spaß gönnen, egal wo und mit wem und dabei das Gefühl der erfüllten Rachgier genießen.
Der junge Halbdrow empfand unbeschreibliche Qualen und immer wieder flehte er stumm, dass Nhaundar und Sorn ihn Retten kommen sollten. Aber niemand der beiden ließ sich blicken. Die Tränen rannen im ungehindert über die Wangen und das Ziehen und Brennen am ganzen Körper tat das Restliche, so dass Shar einfach liegen blieb und sich nicht mehr rührte. Er konnte nicht aufstehen, auch wenn er gewollte hätte. Wieso hilft der Trank nicht gegen die Schmerzen, seufzte der Junge beständig und wartete sehnsüchtig auf das Eintreten der Wirkung, aber nichts dergleichen geschah.
Nun war Ghaundan an der Reihe, der Alak die Dornenpeitsche aus der Hand riss und mit vollem Schwung auf den am Boden liegenden und jammernden Sklaven einschlug. Die Stacheln trafen ein weiteres Mal den Rücken und ein Reißen zog Shar an der getroffenen Stelle die Haut ab. Unsagbare Pein durchströmte den jungen Halbdrow, es blutete und dann fühlte er, wie ihm Übel wurde und Sterne flimmerten vor seinen Augen.
Noch einige Male schlug Ghaundan zu und die Reihe kam schließlich an den mittlerweile stockbetrunkenen Vorn. Er war kaum in der Lage, die Peitsche zu halten, seine Kameraden erschienen ihm plötzlich dreifach, doch er ließ sich diesen Spaß ebenfalls nicht nehmen. Glück oder Unglück für Shar, denn diese Peitschenhiebe gingen mehrmals knapp an ihm vorbei. Doch der Junge lag winselnd auf dem Holzfußboden und blutete aus vielen kleinen und großen Wunden. Die Ohnmacht wollte ihn nicht einholen, stattdessen spürte er etwas anderes. Ein seltsames Gefühl durchströmte seinen geschundenen Körper und alles fühlte sich plötzlich so taub an. Doch es kam nicht von den schweren Verletzungen, sondern tief aus seinem Inneren. Der junge Halbdrow wusste nicht was es war, doch es machte ihm keine Angst.
Mittlerweile hatten die drei Dunkelelfen auch genug von dieser Bestrafung und Vorn allen voran, war der jenige, der sich kaum noch in der Lage sah, überhaupt noch etwas zu machen. Schlaff sank er in die Kissen zurück und die Peitsche knallte dabei dumpf auf dem Boden auf.
„Ghaundan, ich will meinen Spaß“, murrte Alak seinem Kameraden zu und beide tauschten einen wissenden Blick aus, bevor sie beide Vorn mit verächtlicher Miene musterten und beschlossen, ihn einfach hier zurück zu lassen.
„Der wird heute nichts mehr machen“, lachte Ghaundan und winkte dabei einen der vielen Sklaven mit einem Weintablett heran. Er nahm zwei Becher, reichte einen Alak hinüber und sie leerten ihn mit einem Schluck. Danach warfen sie die Becher unachtsam davon.
„Ich lasse dir den Vortritt“, säuselte Ghaundan seinem Kameraden zu und lächelte hinterlistig, denn er wollte sich gerne Appetit beim Zuschauen holen.
Alak ließ sich nicht lange bitten, wuchtete sich schwerfällig aus den Kissen auf und als er stand, schwankte er leicht. Dieser Becher Wein schien wohl auch für den zweiten Dunkelelfen einer zuviel gewesen zu sein. Doch dadurch ließ er sich nicht aus dem Konzept bringen. Langsam und bedächtig tat er einige Schritte zu dem jammernden und blutenden Halbdrow hinüber und kniete augenblicklich neben ihm.
„Lebst du noch?“, lallte Alak und tippte mit dem Finger an die Schulter von Shar.
„Du Idiot, na klar lebt der noch oder würde er sonst weinen?“, hörte er von hinten Ghaundan wütend rufen. „Beeil dich gefälligst, ich will nämlich auch mal.“
„Ja, ja, nur nicht hetzen, ich will genießen“, flüsterte Alak und rülpste laut auf. Doch der Alkohol hinderte ihn nicht daran, dass er noch in der Lage war, sich seines Hemdes zu entledigen. Dann machte er eine kurze Verschnaufpause, wobei er bemerkte, dass er den Sklaven plötzlich doppelt sah. Er griff daraufhin nach Shar und als erstes fasste er daneben. Beim zweiten Anlauf konnte er den Jungen an der Schulter anpacken und drehte ihn auf den Rücken.
Shar spürte die Berührungen sehr wohl und als er auf den offenen Wunden lag stöhnte er laut auf. Schreien konnte er nicht mehr, denn er schien irgendwie nicht er selbst zu sein und seine Zunge war mit einem Mal unendlich schwer. Fast schon hätte Shar sagen können, er schaue auf sich selbst hinab. Sah sich dort im eigenen Blut liegen und wusste nicht, was er davon halten sollte.
Alaks Finger griffen zur gleichen Zeit an den Lendenschurz des Jungen und rissen diesen mit einem Ruck weg. Dann war Shar nackt und die Augen des Drow über ihm leuchteten unheilsvoll auf. Alak öffnete die eigene Hose und zog sie ein wenig nach unten.
Der junge Halbdrow spürte zu diesem Zeitpunkt allerdings überhaupt nichts mehr. Werder die Berührungen, noch irgendwelche Schmerzen. Aber die Anstrengung nahm er dennoch wahr. Er stöhnte langsam auf und plötzlich wurde seine Zunge ganz pelzig und seine Augen sahen alles durch einen leichten Schleier. Das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmte, wuchs in ihm. Eine nie gekannte Übelkeit ergriff von ihm Besitz und mit ihr kamen nun schwarze Flecken, die von seinen Augen wild tanzten. Allmählich wurde der Kreislauf des Jungen schwächer. Das Atmen, sowie der Herzschlag und Puls wurden stetig langsamer. Kopfschmerzen begannen plötzlich wie wild zu pochen und Schweiß trat auf Shars Stirn. Irgendwo zwischen Wachsein und der herannahenden Ohnmacht erkannte der Junge, dass Alak von ihm abließ und sich an dessen Stelle Ghaundan gesellte. Dieser ging sogar noch einen Schritt weiter. Ghaundan strich mit einer Hand über den blutenden Körper und verteilte Shars Lebenssaft über den geschundenen Jungen und lachte gierig auf. Dann nahm der junge Halbdrow nichts mehr wahr. Im gleichen Atemzug schloss Shar die Augen und er trieb einer fernen Dunkelheit entgegen.
Alles um ihn herum war schwarz. Shar hörte von weitem ein lautes Durcheinander von Stimmen. Gelächter dröhnte schallend in seinem Kopf und nach einer schier unendlichen Zeit meinte er zu schweben. Sein Körper verspürte keine Schmerzen mehr. Stattdessen breitete sich eine angenehme und wohlige Wärme aus. Jemand schien ihn in den Arm zu nehmen und ihn nicht mehr loszulassen. Shar konnte allerdings niemand erkennen. Der Fremde ließ auch nicht los und irgendwann merkte der junge Halbdrow, dass er unendlich Müde wurde. Shar war schlaff und er wollte nur noch schlafen. Shar wollte erst wieder aufwachen, wenn alles vorbei war. Aber wann hatte diese Pein ein Ende? Shar wusste es nicht und in Bruchteilen von Sekunden schien es ihm plötzlich egal. Ganz unverhofft tauchten plötzlich Bilder vor ihm auf. Er sah Handir und Sorn, Nalfein und Zaknafein und alle lächelten ihn an. Der Junge lächelte zurück. Die Müdigkeit nahm plötzlich überhand und selbst in diesem Traum – war es überhaupt ein Traum? - schloss er die Augen und dann fühlte er nichts mehr.
Im Verlauf der langen Nacht wurde es allmählich Morgen. Viele Gäste waren bereits gegangen, nur noch vereinzelt fanden sich betrunkene Drow, die auf Grund ihres vernebelten Verstandes sich nicht mehr in der Lage sahen, von ihren Sitz- und Liegegelegenheiten aufzustehen. Außerdem bot sich jedem, der wach und einen klaren Kopf besaß ein Bild des absoluten Chaos. Durch dieses Durcheinander warteten einige Soldaten von Nhaundar, zusammen mit Ranaghar und Dipree. Der Magier, sowie der ältere Drowsklave wurden einen Abend zuvor dafür auserkoren, wieder für Ordnung zu sorgen. Für beide nicht die Arbeit, die sie sich wünschten, aber wer würde schon Widerworte in Gegenwart von Nhaundar laut aussprechen. Die Verstärkung bildeten die Krieger, die auf Anordnung der beiden Dunkelelfen die Betrunkenen und die Toten in getrennte Ecken des riesigen Saals zu schleifen hatten. Die noch vorhandenen Gäste schienen alle von zu viel Alkohol bewusstlos zu sein und wurden mehr oder weniger unvorsichtig auf einige Kissen gelegt, wo sie ihren Rausch ausschliefen und hoffentlich auch irgendwann wieder erwachten. Die Leichen, meistens unglückliche Sklaven, warf man einfach in die gegenüberliegende Ecke und sollten im Anschluss beseitigen werden.
Alak, Vorn und selbst Ghaundan gehörten zu den Elenden, die durch den übermäßigen Weingenuss von drei Soldaten gerade aufgehoben wurden. Gerade wollte Dipree zu der nächsten Gruppe gehen, da entdeckte er einen leblosen Körper, der nur zum Vorschein kam, weil ein Krieger gerade den schweren Leib von Ghaundan anhob. Der ältere Drowsklave riss vor Überraschung seine Augen weit auf, während der Unterkiefer vor Verblüffung nach unten klappte. Dipree erkannte diesen Körper augenblicklich unter all den hier weit verstreuten Sklaven sofort wieder. Er beugte sich hinab und schien selbst erstaunt über seine Reaktion. Überall um den Bewegungslosen klebte Blut am Boden und bei genauerem Untersuchen wusste Dipree wieso. Der Körper war über und über mit Wunden übersäht und selbst jetzt bluteten sie noch leicht. Selbst das weiße lange Haar und die Zöpfe, die er eigenhändig geflochten hatte, waren mit Blut verschmiert. Langsam wanderte die Hand des Drowsklaven zu dem Kopf und er drehte ihn so, dass er das Gesicht sehen konnte. Jetzt erschrak Dipree wirklich. Er hatte sich nicht getäuscht, es handelte sich um Shar, den kleinen Halbdrow, um den er sich immer gekümmert hatte. Die Wangen waren durch vergossene Tränen und getrocknetem Blut verschmiert, die Augen geschlossen, doch auf dem Mund zeichnete sich ein Lächeln ab. Das seltsame Gefühl des Verlustes ergriff den immer so unempfindungsarmen Dunkelelfen und er schluckte merklich. Mit solch einer Begegnung hatte er wahrlich nicht gerechnet. Er nahm an, dass Shar bei Dantrag wäre, den er bisher noch nicht entdeckt hatte. Dipree holte tief Luft und dann tastete er mit einem Finger nach dem Puls des Jungen. Er konnte keinen finden. Aber als er seinen Blick auf die eigenen Hände warf, erkannte er, dass sie zitterten. Reiß dich zusammen, Dipree, schimpfte er sich selbst und wollte einen zweiten Versuch wagen. Doch noch immer konnte er nicht mit dem Zittern innehalten.
„Ist was?“, klang von hinten die neugierige Stimme des Magiers Ranaghar.
„Nein“, antwortete Dipree eilig und richtete sich wieder auf. „Er ist …“. Dann brach die Stimme des Dunkelelfen unvermittelt ab und er verstand nicht wieso. Ohne ein weiteres Wort kam ein Soldat herbei, betrachtete sich kurz den geschundenen jungen Körper, hob ihn ohne Kommentar auf und trug ihn in die Ecke mit den Leichen.