Imaginations from the other Side
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German › Books
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Disclaimer:
I do not own the Forgotten Realms books. I do not make any money from the writing of this story.
Intrigen
Kapitel 4
- Intrigen-
„STIRB....“ schrie Briza nur, den Dolch hoch erhoben. Sie nahm nichts mehr wahr und sah nur noch das Gesicht der Frau unter sich. Voller Befriedigung ließ sie den Dolch niedersausen. Rache war ihr einziger Gedanke. Doch der Dolch traf nicht, denn plötzlich kippte ihre ganze Welt zur Seite und da waren auf einmal so viele Hände und Arme. Briza erkannte, dass ihre Geschwister sie weggestoßen hatten und versuchten ihr den Dolch abzunehmen. Wild kämpfend rollten sie über den Boden.
Dinin war mitten im Kampf seiner Schwestern. Mehr als einmal wurde er von der tobenden Briza erwischt. Sein Arm brannte und er fühlte warmes Blut daran herunter laufen. Schließlich gelang es den dreien mit vereinten Kräften die wahnsinnige Frau bewußtlos zu schlagen. Keuchend und stöhnend rafften sich die beiden Priesterinnen auf. Sie packten Briza an allen Vieren und wollten sie rausschleppen. Vierna warf einen Seitenblick auf Nerdanel und dann hinüber zu Dinin.
„Kümmer dich um sie .... ich hab dafür jetzt keine Zeit...ich werde später nach ihr sehen.“
Dinin sah ihr nur hinterher und wurde zornig. So wenig bedeutet euch das Leben eurer Schwester, dachte er nur. Er war einfach nur enttäuscht und sehr wütend. Doch er ermahnte sich, dass es jetzt um wichtigere Dinge ging. Er richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf Nerdanel.
Sie hatte tiefe Striemen auf der Brust und wahrscheinlich auch auf dem Rücken. Aus mehreren Schnittwunden floss unaufhörlich ein Strom warmen Blutes. Er hatte schon oft Krieger mit Wunden gesehen, darunter auch viele die schlimmer aussahen als das. Doch niemals zuvor hatte er um das Leben einer Person so viel Angst gehabt. Er zerschnitt ihr Kleid und begann eiligst damit, ihre Wunden notdürftig zu verbinden, um zumindest den Blutfluss zu stoppen. Schließlich rannte er zur Tür und rief sich Bedienstete, die ihm Verbände und Heiltränke bringen sollten.
Es war mitten in der Nacht als der Waffenmeister von einem seiner Unteroffiziere geweckt wurde. Ohne Murren stand er auf und kam seiner Pflicht nach. Man hatte ihn zu den Gemächern der hohen Priesterin Briza gerufen und ihm befohlen einen bewaffneten Trupp Soldaten mitzubringen. Als er auf den Gang kam, sah er bereits den Grund dafür. Briza tobte wie ein Wilde. Sie kämpfte in blinder Wut mit ihrer eigenen Mutter und schien weder sie noch eine ihrer Schwestern wahrzunehmen. Maya lag bereits bewusstlos auf dem Boden und wurde von Drizzt aus der Reichweite seiner tobenden Schwester gezogen. Malice war vollauf mit ihrem wahnsinnigen Kind beschäftigt. Er sah, dass Vierna sich auch den Arm hielt, er war verdreht und offensichtlich gebrochen. Mittlerweile eskalierte die Situation zwischen den beiden anderen Frauen und sie begannen mit Waffen aufeinander loszugehen. Er hörte Malice nur schreien „Waffenmeister, schlagt sie bewusstlos!“ Er befolgt diesen Befehl nur zu gern und mischte sich in den Kampf mit ein. Briza war schon immer eine starke Frau gewesen und es dauerte eine Weile bis es ihm gelang, ihr den Streitkolben und die Peitsche aus der Hand zu schlagen. Schließlich hieb er genussvoll seinen Schwertknauf auf ihren Nacken und Briza brach zusammen. Schwer atmend musterte er die Umstehenden. Malice bedeutete ihm nur mit einer Handbewegung zur Seite zu treten. Sein Blick fiel auf Drizzt und dieser erwiderte ihn nur mit kalter Verachtung. Kindermörder, dachte Zaknafein nur böse bevor er sich wieder zurückzog in die stille Einsamkeit seiner Gemächer.
Während Dinin damit beschäftigt war die Diener zu beauftragen, begann hinter seinem Rücken die Waffe der dunklen Königin damit, den Körper von Nerdanel zu überwuchern. Die teilweise intelligente Waffe durfte nicht zulassen, dass ihre Trägerin starb, auch wenn ihr letzter Befehl anders gelautet hatte. Bald würden alle Lebensgeister aus der Priesterin weichen. Die Platten und Schuppen wuchsen und wurden zu einer lebenden sich ständig bewegenden Masse, die den Körper förmlich durchdrang. Muskeln, Fasern, Knochen und Blut wurden angeregt, die Regeneration begann.
Als Dinin einige Augenblicke später zurückgeeilt kam, packte ihn das schiere Entsetzen. Nerdanel lag immer noch am Boden, doch sie war über und über mit einer schuppigen Masse überzogen, die sich um sie wand wie der Leib einer Schlange. Nur noch ihr Gesicht war zu sehen, doch auch hierauf begann sich dieses Zeug auszubreiten. Entsetzt griff er nach seinem Schwert und näherte sich vorsichtig dem Körper. Beim Näherkommen konnte er fünf leuchtende Steine sehen, von denen sich jeweils einer an ihrem Hals, ihren Armen und ihren Beinen befand. Sie schienen zu pulsieren. Unschlüssig was er nun tun sollte, berührte er vorsichtig mit dem Schwert die Masse und versuchte sie abzulösen. Doch sie glitt einfach um sein Schwert herum und floss weiter als bestünde sie aus Wasser. Wieder setzte er an, doch diesmal etwas härter und mit mehr Druck. Sein Schwert rutschte ab und bohrte sich in den Boden, als wäre es über eine Plattenrüstung geschrammt. Voller Verzweiflung ließ er das Schwert fallen und packte mit seinen Händen zu. Er erwischte einen dicken Strang dieses Materials und zog daran. In seinen Händen fühlte es sich warm und fest an, wie der dicke Leib einer Schlange. Er zog aus Leibeskräften daran, doch konnte damit ebenso wenig erreichen wie zuvor. Er sah plötzlich wie ihr Gesicht wieder zum Vorschein kam. Eiligst ließ er den widerlichen Strang los und beugte sich vor zu ihr.
„Nerdanel ... hörst du mich ...?“, fragte er und strich ich dabei immer wieder über die Wange. Doch sie regte sich nicht. Seinen Ekel vor dem seltsamen Zeug überwindend griff er ihre Schultern und versuchte sie zu schütteln, doch sie schien am Boden festgeklebt zu sein.
Er schreckte hoch als es klopfte, eilig sprang er auf und rannte zur Tür. Draußen stand nur die Sklavin und hatte die benötigten Sachen auf dem Arm. Er riss sie ihr weg und verjagte das Sklavenmädchen gleich wieder. Vorsichtig späte er noch einmal auf den Gang, doch es war weit und breit niemand zu sehen. Er drehte sich wieder um ging zu Nerdanel zurück. Unschlüssig was er jetzt tun sollte, betrachtete er sie eine Weile. Er hatte keine Ahnung was mit ihr geschah. Während er sie so betrachtete kamen ihm einige Erinnerungen an den ganzen Irrsinn von eben zurück.
Sie hat mich weggestoßen, kam es ihm, Brizas erster Schlag galt mir. Warum? fragte er sich, sie hat mir geholfen. Er sah wieder diese Szenen vor sich und er hörte den Schrei in seinem Kopf, als der erste Hieb Nerdanel traf. Er begriff nicht, warum sie ihn weggestoßen hatte. Er begann zu spüren, wie sein eigener Körper nach Aufmerksamkeit verlangte. Seine Wunden mussten auch versorgt werden, vor allem der lange Schnitt im Arm, dachte er nur. Da er nicht wußte was er wegen diesem Gewächs auf Nerdanel tun sollte, ließ er sich auf den Boden sinken und begann damit so gut es eben möglich war, sich um seine Wunden zu kümmern. Die beiden Heiltränke, so nötig er sie jetzt auch gehabt hätte, verschmähte er. Vielleicht brauche ich sie für Nerdanel, war nur sein Gedanke.
Drizzt war nach dem Kampf mit Briza sehr besorgt. Aus den Gesprächen seiner Mutter mit Vierna hatte er herausgehört, dass es wohl bei diesem Ausraster von Briza wieder um ihre Tochter ging. Er hatte von Anfang an geahnt, dass es keine gute Idee gewesen war, sie mit ins Haus zu bringen. Es war nicht Nerdanels Schuld, dass wusste er und es bekümmerte ihn, dass sie die Leidtragende von alledem war. Es ließ ihm keine Ruhe und so machte er sich auf den Weg zu ihren Gemächern. Er musste auch an Zaknafein denken. Die kurze Begegnung zwischen ihnen hatte ausgereicht, um ihm deutlich zu machen, dass wohl doch etwas Wahres an den Behauptungen seiner Schwestern war. Er hatte es in den Augen des Waffenmeisters gesehen, dass dieser es genossen hatte Briza niederzuschlagen. Und Drizzt wusste, dass er es sogar noch mehr genossen hätte sie zu töten. Briza war schlecht, aber sie zu töten, war auch nicht richtig. Wenn er jetzt an seinen früheren Lehrer dachte, dann kam ihm nur in den Sinn, Schlächter seines eigenen Volkes. Und dieser Gedanke schmerzte Drizzt sehr, denn Zaknafein war einstmals sein Freund gewesen.
Schließlich stand er vor der Tür zu Nerdanels Gemächern. Er klopfte leise und hörte augenblicklich wie sich jemand zur Tür bewegte. Was er nicht erwartet hatte war, dass Dinin ihm öffnete. Sein Bruder stand mit nacktem Oberkörper vor ihm und starrte ihn finster an.
„Was willst du?“, schnappte Dinin böse.
„Ich wollte nur sehen, ob alles in Ordnung ist. Geht es Nerdanel gut?“, fragte Drizzt nur vorsichtig und versuchte dabei einen Blick nach drinnen zu erhaschen. Doch Dinin hatte die Tür nicht sehr weit geöffnet und verwährte seinem jüngeren Bruder auch sonst jeden Einblick in das Zimmer. Er wollte verhindern, dass Drizzt sah, was mit ihr los war. Er war noch nicht so weit, eine Entscheidung darüber zu treffen, wem er von diesem seltsamen Zeug erzählen sollte.
„Es geht ihr gut. Sie schläft gerade,“ antwortete er nur kurz angebunden.
Drizzt bemerkte, dass er hier nicht weiterkommen würde. Sein Bruder war offensichtlich nicht bereit ihn reinzulassen. Er war besorgt, doch konnte nichts unternehmen.
„Ist noch etwas?“, fragte Dinin mürrisch.
Drizzt schüttelte nur den Kopf und ging weg. Er fühlte den stechenden Blick in seinem Rücken, den sein Bruder ihm nachwarf, doch das kümmerte ihn nicht. Er versuchte sich derweilen einzureden, dass mit Nerdanel alles in Ordnung sei. Doch an diesen Gedanken glaubte er selbst nur halbherzig, während er sich auf den Weg zu seinem Quartier machte.
Mürrisch zog sich auch Dinin wieder zurück. Es ärgerte ihn, dass Drizzt sich so viele Sorgen zu machen schien. Er war eifersüchtig auf seinen jüngeren Bruder und wollte nicht, dass dieser Nerdanel zu nahe kam. Sein Blick glitt wieder zu ihr und er musste seufzen. Was war bloß mit dieser schönen Frau los? fragte er sich. Sie würde ihm einiges erklären müssen, wenn sie aufwachte, dachte er nur während er sich wieder niederließ um seine Verletzungen zu versorgen.
Ich spürte nur eine wohlige Wärme um mich herum. Es war so ruhig und friedlich. Ich hätte mich ewig so treiben lassen können. Plötzlich begann ein unangenehmes Picksen mich aus meinen Träumen zu reißen. Ich öffnete die Augen und sah nur eine Zimmerdecke über mir. Was war passiert? fragte ich mich. Ich spürte, dass sich meine Waffe gerade zurückzog. Sie war immer noch auf meiner Brust beschäftigt, wie ich spürte. Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen. Ich fühlte mich unglaublich ausgelaugt und als ich endlich aufsehen konnte, da erschrak ich, vor mir saß Dinin und starrte mich an.
Dinin bemerkte plötzlich wie sich dieses Zeug wieder zurückzog und sich um die Steine zu sammeln begann. Er unterbrach seine Bemühungen sich zu verbinden und starrte aufmerksam auf das Geschehen. Erst wurde ihr Kopf ganz sichtbar und dann ihre Arme und Beine, nur auf der Brust und dem Bauch verblieb diese Masse noch. Er sah wie sie die Augen aufschlug und etwas verwirrt schaute. Schließlich versuchte sie sich aufzusetzen, doch als sie ihn sah hielt sie erschrocken inne.
Wir starrten uns beide eine Weile an. Keiner sagte ein Wort nur unsere Blicke trafen sich.
„Was ist das?“, brachte er schließlich heraus.
„Das... nun das ist ... eine Waffe“, lautete meine schlichte Antwort.
Seine großen Augen musterten mich argwöhnisch und aufmerksam.
„Sie ist ein Geschenk unserer Göttin an ihre Priesterschaft. Sie ist Waffe, Schild und Heilung in einem.“
Diese Erklärung schien ihn nicht im Mindesten zu beruhigen.
Wieder starrte er mich nur an und ich erwiderte seinen Blick. Ich spürte, wie sich die Waffe endgültig zurückzog. Die Heilung war beendet. Mein nackter Körper wurde sichtbar und sowohl ich als auf Dinin konnten sehen, dass dort nicht auch nur eine Wunde war. Die Haut war glatt und heil.
Durch Dinins Kopf schossen tausend Gedanken in diesem Moment.
Sie ist eine Priesterin, auch noch einer anderen Gottheit. Und dieses Ding, dieses Ding ist an und in ihrem Körper. Ich muss es der Oberin sagen... nein warum sollte ich. Das wird Ärger geben. Was soll ich tun? Was nur?
Sein Blick hing immer noch an ihr. Ihre schönen Augen sahen ihn furchtsam an und in ihnen konnte er eine unausgesprochene Frage lesen. Wirst du mich verraten? konnte er darin sehen. Er wußte, was Oberin Malice mit ihr machen würde, wenn sie dies erfahren würde. Sie würde sie Briza überlassen, dass war ihm mit einem Mal klar. Und diese würde sie foltern bis sie schließlich nach Jahrzehnten endlich sterben durfte. Vorsichtig ließ er sich neben ihr nieder. Ihre Blicke hingen immer noch aneinander. Er wollte nicht, dass sie starb, nicht das einzige Wesen, das seiner trostlosen Existenz einige fröhliche Augenblicke geschenkt hatte. Doch er wußte, dass er eine Entscheidung treffen musste, hier und jetzt.
„Ich werde dich nicht verraten“, flüsterte er nur.
Ich konnte nichts sagen, ich konnte nur still da sitzen und ihn anstarren. Ich hoffte inständig, dass er es einfach auf sich beruhen lassen würde, doch im gleichen Atemzug wusste ich wie töricht dieser Gedanke war. Natürlich würde er mich verraten, denn ich könnte ja eine Gefahr für sein Haus sein, dachte ich nur. Ich begann zu überlegen, was ich nun tun konnte. Mich auf ihn stürzen, ihn töten und dann verschwinden, um zu verhindern, dass er zu Malice rannte. Sicher nicht, dachte ich nur ironisch, ich bin viel zu schwach und außerdem ist er ein Krieger, ich nicht. Meine Gedanken überschlugen sich einfach nur als er sich dann neben mich setzte. Schließlich hörte ich seine Worte und Erleichterung durchflutete mich. Doch im gleichen Moment, fiel mir ein, dass er das sicher nicht umsonst machen würde. Ich fragte mich still und insgeheim, was sein Preis für das Schweigen sein würde. Doch er sagte nichts weiter. Ich musste die Initiative ergreifen, sonst würde er zu viel denken und dann fiel ihm sicher etwas ein.
„Sie hat dich sicher auch geschlagen, nicht wahr?“
Er nickte nur benommen.
„Soll ich deine Wunden heilen? Keine Angst, du wirst mit meiner Waffe nicht in Berührung kommen.“
Er sah mich nur an als hätte ich etwas Entsetzliches gesagt, doch dann entspannte sich sein Gesicht wieder. Ich wußte selbst nicht warum ich das gesagt hatte, geschweige denn wie ich das anstellen sollte. Heilen, so was hatte ich niemals zuvor gemacht. Etwas nervös begann ich zu überlegen und erinnerte mich dann an die Sache in unserem Lager, als ich den Lichtzauber auf das Schwert gesprochen hatte. Mühsam versuchte ich mich zu erinnern und schließlich drängte sich mir der Zauber zurück ins Gedächtnis. Ich atmete noch einmal tief durch und hoffte, dass es auch klappen würde, ich versuchte mich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass es ja mit dem Licht auch funktioniert hatte.
Was hat sie gesagt? Sie will mich heilen! Aber warum? Sie tut wieder etwas einfach so... so grundlos. Ich verstehe es nicht, dachte Dinin nur. Er musterte sie misstrauisch, doch sah keinen Grund warum er es nicht zulassen sollte. Sein muskulöser Oberkörper war mit älteren Striemen und neuen Prellungen übersät. An seinem Oberarm trug er einen provisorischen Verband, durch den immer noch Blut sickerte. Vorsichtig hielt ich die Hände über die Wunden und murmelte meinen Heilzauber. Seine Wunden begannen sich auf der Stelle zu schließen. Er beobachtete mich die ganze Zeit dabei und ich war mir nur zu sehr bewusst, dass ich immer noch nackt war.
Dinin spürte, wie die heilende Energie durch seinen Körper floss. Es war eine angenehme Wärme und er spürte keine Schmerzen mehr. Er betrachtete sie, wie sie nackt vor ihm saß. Wieder breitete sich dieses Kribbeln in seinem Bauch aus und er war sich nicht sicher, ob das Gefühl von der Heilung stammte oder durch ihre pure Anwesenheit ausgelöst wurde. Er sah, wie sich die Wunden schlossen und nichts zurückblieb, nicht einmal eine Narbe. Bei Heilungen, die seine Schwestern oder andere Priesterinnen vorgenommen hatten, waren immer leichte Narben verblieben. Er bemerkte sogar, wie alte Narben, die unter Nerdanels Hände kamen ebenfalls zu verblassen begannen. Erstaunt sah er sie wieder an. Er fühlte sich als sei er etwas besonders, wenn sie sich sogar die Mühe machte seinen Narben zu entfernen. Er spürte die Wärme, die von ihren Händen ausging und er konnte sich vorstellen, dass sie sehr weich waren, obwohl sie ihn nicht berührten. Er wollte sie spüren.
Als ich sicher war, dass die Wunden geschlossen waren, nahm ich meine Hände wieder weg. Doch er hielt sie fest, zog sie zu sich herüber und legte sie auf seine Brust. Ich konnte das Herz schlagen spüren. Seine Haut war sehr warm, als würde sie brennen. Er sah mir nur in die Augen. Die Zeit stand still in diesem Moment. Seine Hand berührte vorsichtig mein Gesicht und fuhr die Wange entlang. Schließlich verharrte sie an meinem Kinn und er zog mein Gesicht langsam herüber bis wir nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Ich konnte seinen warmen Atem spüren. Seine andere Hand schloss sich um die meine und er küßte mich. Erst berührten sich unseren Lippen nur vorsichtig, doch ich zog nicht zurück, da ich viel zu erschöpft war um über mein Tun und Handel überhaupt noch nachzudenken, und so begann er meine Lippen zu liebkosen. Es war nur ein kurzer zaghafter Kuss und als er sich von mir löste und wir einander in die Augen sahen, konnte ich ein leidenschaftliches Feuer darin brennen sehen. Ich merkte wie meine Hände zu zittern begannen und Schwäche meinen Körper heimsuchte.
Sie hat es zugelassen. Ich durfte sie küssen. Ihre Lippen sind zart und weich, ganz so wie ich sie in Erinnerung habe. Ich begehre sie mehr denn je. Dachte Dinin nur als ihre Lippen sich getrennt hatten. Plötzlich spürte er wie ihre Hände zu zittern begannen.
„Was hast du Nerdanel? Du brauchst dich nicht zu fürchten“, fragte er mit leiser Stimme.
„Nein, ich fürchte mich nicht. Ich ... ich bin nur erschöpft, das ist alles. Verzeih, wenn ich damit diesen Augenblick zerstöre, aber ich kann kaum noch aufrecht sitzen.“
Ich konnte unglaubliche Erleichterung in seinen Augen sehen.
„Hilfst du mir bitte auf? Ich glaube es ist besser wenn ich mich jetzt ausruhe.“
„Du solltest dich lieber waschen. Dein ganzer Körper ist voll von geronnenem Blut“, sagte er nur umsichtig.
Ich nickte nur und versuchte aufzustehen. Meine Beine waren taub und kaum das ich stand fiel ich auch schon wieder. Seine Arme fingen mich auf und trugen mich ins Bad.
„Ich kann nicht mehr. Würdest du mir bitte helfen?“
Ich spürte, wie ich rot wurde. Unsere Blicke trafen sich erneut. Das Glühen in seinen Augen war nach wie vor da. Er lächelte und ich wurde noch ein wenig röter im Gesicht. Am Rand der Wanne setzte er mich ab, nahm ein Tuch und begann mich zu waschen. Ich musste mehrmals tief einatmen, da das Wasser ziemlich kalt war. Vorsichtig fuhr er meine Schlüsselbeinknochen nach. Ich lehnte an seinem Oberkörper und so konnte er mir von hinten über die Schulter schauen. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, aber ich konnte mir denken wie sehr es ihm gefallen musste. Ich konnte mein Seufzen nicht unterdrücken als das kalte Wasser über meine Haut lief.
Ihr Körper bebt und er ist sehr warm. Sie ist zart und zerbrechlich. Sie ist ganz anders. Er genoss es sehr, dass sie sich von ihm so intim berühren ließ. Er hoffte, tief in seinem Inneren, dass es nicht bei solchen Kleinigkeiten bleiben würde.
Als es an meine Beine ging, hielt er kurz inne. Ich öffnete nur die Schenkel und ließ ihn gewähren. Ich war viel zu müde, als das ich jetzt noch an solchen Dingen gestört hätte. Er nahm dann ein Handtuch und trocknete mich ab. Vorsichtig hob er mich hoch und legte mich ins Bett. Er setzte sich an meine Seite und nahm dabei meine Hand.
„Ich wünsche dir einen erholsamen Schlaf Nerdanel. Mach dir keine Sorgen, ich werde dich nicht verraten.“
Mehr als ein Nicken brachte ich nicht mehr zustande bevor mich die Schwärze des Schlafes einholte.
Dinin saß noch eine ganze Weile an ihrem Bett. Er betrachtete sie nachdenklich. Seine Hand fuhr vorsichtig durch ihr Gesicht. Er würde sie nicht verraten. Und er würde sie niemandem anders überlassen. Nachdenklich betrachtete er ihre Waffe. Sie sah ganz harmlos aus, wie Schmuck, und doch war sie imstande solche Dinge zu vollbringen. Er schüttelte nur den Kopf. Es war nicht die Zeit um über so etwas nachzudenken. Er musste sich auch ausruhen. Er holte sein Hemd aus dem Bad, zog sich an und ging wieder zu ihrem Bett. Vorsichtig beugte er sich hinunter, er hielt kurz inne und schließlich berührten sich ihre Lippen erneut. Ein tiefer langer Kuss. Dann stand er auf und ging ohne sich ein weiteres Mal umzusehen. Er wusste, würde er sie jetzt noch einmal ansehen, dann würde er nicht mehr ihr Zimmer verlassen können. In ihm hatte sich ein unbekanntes Gefühl breit gemacht. Sein Herz begehrte eine Person. Es war für ihn ein ungeahntes Sehnen, dass ihn innerlich fast auffraß. Wie sehr er doch bei ihr bleiben wollte, doch das ging nicht. Noch nicht, dachte er nur.
Als er die Tür öffnete stand plötzlich Vierna vor ihm und schreckte ihn aus seinen Gedanken.
„Wie geht es ihr?“, fragte sie ohne große Umschweife.
„Ihre Wunden waren nicht so schlimm“, log er, denn er musste Vierna daran hindern zu Nerdanel zu gehen, sonst würde die ganze Sache schnell auffliegen. „Es sind nur oberflächliche Verletzungen. Ich habe sie verbunden und sie schläft jetzt.“
Vierna nickte nur und sah ihren Bruder durchdringend an. Sie ahnte, dass er etwas verbarg, doch im Moment hatte sie weder Interesse noch Lust dieser Sache auf den Grund zu gehen. Ihr Kampf mit ihrer Schwester war schon hart genug gewesen, da brauchte sie nicht auch noch eine Auseinandersetzung mit ihrem widerspenstigen Bruder. Sie würde hinter sein kleines Geheimnis noch früh genug kommen, immerhin war Dinin auch nur ein Mann. Ohne sich weiter darum zu kümmern drehte sie sich um und ging fort.
Dinin sah ihr nur erleichtert nach und glaubte, dass ihm seine Schwester diese Lüge abgekauft hatte. Jetzt konnte auch er beruhigt in seine Gemächer gehen.
In der Nacht suchten mich wieder verwirrende Träume heim. Erst waren es nur die Alpträume dieses wahnsinnigen Tages. Ich sah immer wieder Briza und ihren Irrsinn, doch dann plötzlich fühlte ich mich wie zurückversetzt. Ich träumte von meiner Kindheit, wie verwirrend, war ich doch nie ein Drow-Kind gewesen.
Ich saß auf den Stufen vor dem Tempel und spielte. An meinem Arm trug ich einen Verband. Neben mir saß eine hübsche Frau ... die hohe Priesterin der Stadt Ascaron, erinnerte ich mich. Na tut dein Arm noch weh, fragte sie mich. Ich sah sie lächelnd an und schüttelte den Kopf. Warum hat Vater dieses Bild in meine Haut machen lassen, fragte ich sie neugierig. Sie hob mich hoch und nahm mich auf ihren Schoß. Er möchte, dass du die Gelegenheit bekommst, dich mit deiner Vergangenheit vertraut zu machen. Darum sollte ich das für ihn machen. Schließlich stand sie auf und trug mich zu einem Mann. Hier, Kampflord Quetana, Eure tapfere kleine Tochter. Ich sah in Quetanas Gesicht und er strahlte mich an. Ich fühlte mich wohl in seinen Armen. Ganz stolz zeigte ich ihm den Verband an meinem Arm und erzählte ihm wie tapfer ich gewesen war. Er lächelte mich nur liebevoll an und ich hörte ihn flüstern „Du Segen meiner alten Tage, ich danke der Göttin, dass ich dich habe.“ Liebevoll drückte er mich gegen sich. Wir gingen zu seinem Reittier, einer großen schwarzen Eidechse und ich kicherte vor Freude, dass ich allein auf dem Sattel sitzen durfte, während er nebenher lief. Ich sah mich um und entdeckte eine Frau, die glücklich ihr Kind hochhob. Warum hab ich keine Mutter, fragte ich Quetana plötzlich. Er sah nur zu mir auf und ich schwöre, dass ich niemals wieder soviel Trauer in den Augen meines Vaters gesehen hatte. Das erzähle ich dir, wenn du älter bist, mein Kind, antwortete er ausweichend. Nein, sag es mir jetzt, quengelte ich. Wieder sah er zu mir auf. Und wenn dir die Antwort Schmerz bereitet mein Kind, fragte er mich nur. Sag es, forderte ich mit der ganze energischen Kraft, die nur ein Kind haben kann. Er sah mich noch einen Moment lang an und schaute dann geradeaus. Sein Blick ging in die Ferne und schließlich sagte er nur, „Weil sie dich nicht wollte“. Ich weiß noch, dass ich ihn entsetzt angesehen habe und dann nur noch in seine Arme wollte um mich fest an ihn zu drücken.
Den Rest der Nacht zogen nur undeutliche Gedankenfetzen an mir vorbei. Ich hatte ständig das Gefühl irgendetwas zu hören. Es flüsterte ständig um mich herum und ich war unfähig zu sagen, ob diese Worte nun Realität waren oder nur Traumfetzen. Ich sah auch Bilder, doch sie ergaben keinen Sinn. Es war eine verwirrende Nacht.
Der Morgen war nicht besonders angenehm. Ich wachte auf und war immer noch erschöpft. Jeder Knochen tat mir weh und ich fühlte einen Hunger in mir, der weit über das Empfinden des normalen Bedürfnisses nach Essen hinausging. Ich hatte gestern wohl viel Kraft verbraucht. Diese Aussicht gefiel mir nicht besonders, denn ich war mir nicht wirklich im Klaren darüber, wie ich meine Energievorräte wieder auffrischen konnte. Ich erinnerte mich daran, dass Priester beten mussten um ihre Zauber zu bekommen. Etwas unsicher beschloss ich meinem Instinkt zu folgen. Ich setzte mich bequem im Schneidersitz aufs Bett und begann mich zu entspannen. Ich ließ mich in ein tiefes meditatives Gefühl tragen und schließlich spürte ich etwas. Es fühlte sich vertraut an, als ob ich jemandem gegenüberstand, der mich in Herz und Seele verstand. Doch weder sah ich jemanden, noch hörte ich irgendetwas. Weiter meinem Gefühl folgenden trug ich vorsichtig meine schlichten Bitten vor und plötzlich schoss ein wildes Prickeln und Kribbeln durch meinen Körper. Es tat nicht weh, sondern war überaus angenehm. In meinem Geist spuckten auf einmal alle jene Zauber herum, die ich gerade erbeten hatte. Da ich niemals zuvor so etwas gefühlt hatte, war ich ziemlich verwirrt. Immer noch diese Präsenz spürend hielt ich es für angebracht, mich zu bedanken und schließlich spürte ich wie ich mich entfernte oder entfernte sie sich. Ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Ich öffnete die Augen und fühlte mich ungemein erfrischt und mein imaginärer Hunger war ein wenig gemildert, aber dennoch spürbar. Ich war erleichtert und glücklich darüber, dass zumindest diese Sache so leicht war.
Dann blickte ich hinunter auf meinen Arm. Ich erinnerte mich lebhaft an die Träume der letzten Nacht. Jetzt wusste ich also, dass ich die Tätowierung von meinem Ziehvater hatte, dachte ich mir. Jetzt blieb nur noch die Frage des „Warum“ offen. Gut ich musste zugeben, die Priesterin in meinem Traum hatte gesagt, dass es mir einmal möglich wäre mich mit meiner Vergangenheit vertraut zu machen. Doch war dem wirklich so oder war Quetana mein leiblicher Vater und hatte mir das gegenüber nie erwähnt. Unwillkürlich wanderten meine Gedanken zu ihm und ich erinnerte mich an viele schöne Momente, die wir zusammen verbracht hatten. Quetana der Vergewaltiger von Briza, nein dieser Gedanke war geradezu verrückt. Tief in meinem Inneren wusste ich, dass er so was nie gemacht hätte. Doch warum wusste ich das, fragte mein immer noch allzu menschlicher Verstand.
Doch schon drängten sich neue Probleme in meinen Kopf. Ich saß nackt auf dem Bett und wenn ich so an mir hinunter sah, dann konnte ich da keine Wunde mehr entdecken. Ich überlegte mir, dass es wohl nicht wirklich gut sein konnte, wenn eine der Priesterinnen nach mir sehen wollte. Ich schaute mich im Raum um und entdeckte einen kleinen Korb mit Verbänden. Auf wackligen Beinen ging ich hin und begann mich damit zu verbinden, um zumindest den Anschein zu wahren.
Kaum das der Verband richtig saß, da kamen auch schon die ersten Sklavinnen um mich einzukleiden und das Blut vom Boden zu waschen. Sie waren gerade fertig, da ging die Tür auch schon auf und Vierna trat ohne Umschweife ein. Sie musterte mich misstrauisch und ich gab mir große Mühe elend auszusehen.
„Wie geht es Euch?“
„Schlecht, aber ich versuche Haltung zu bewahren. Und ja ich habe mich so gut es ging selbst versorgt und will auch nicht das jemand anders an mir herumpfuscht. Ich kann für mich selbst sorgen. DANKE!“, zickte ich sie nur an.
Ich war wütend und es interessierte mich nicht, ob ihr das gefiel oder nicht. Ich musste hier unten überleben und war fest entschlossen mich nicht mehr unterkriegen zu lassen. Vierna schien das ebenso zu sehen und war ganz und gar nicht erbost. Sie lächelte nur geheimnisvoll.
„Schön zu sehen, dass es Euch so gut geht. Eure Mutter wird sich sicher freuen das zu hören“, antwortete sie mit mehr als nur einem Hauch Sarkasmus in der Stimme.
Schließlich bedeutete sie mir, dass ich ihr folgen solle. Ich sah sie nur fragend an, doch da sie keine Anstalten machte mir etwas zu erklären, blieb mir nichts anderes übrig als ihr hinterher zu gehen. Insgeheim fragte ich mich aber doch, ob ich jetzt zusammen mit ihr und den anderen frühstücken sollte, denn Hunger hatte ich schon.
Ich folgte ihr nur durch die Gänge wieder in den Thronsaal und in mir machte sich wieder diese altbekannte Nervosität breit. Im Moment wollte ich weder Malice noch Briza sehen, doch hier im Unterreich wurde man nicht gefragt was man wollte und was nicht, man hatte einfach dem zu folgen was einem befohlen wurde. Die Türen öffneten sich wieder vor uns und kurz darauf stand ich wieder vor Malice. Briza war nicht da, zu meiner großen Erleichterung. Doch nun lag der gestrenge Blick der Oberin ganz allein auf mir. Wieder musterte sie mich eine unendlich lange Zeit, doch schließlich
„Mmmhhh Ihr seht nicht gut aus Nerdanel, aber Ihr habt es überlebt. Ab heute wird sich Maya um Euch kümmern, denn Ihr braucht jemanden der Euch in die Gepflogenheiten des Hauses einführt und Euch unterrichtet."
So schnell war es entschieden und dem widersprach ich auch nicht. Maya musterte mich kalt. Ihr schien der Gedanke nicht zu gefallen, Kindermädchen für mich spielen zu müssen.
Wir gingen zusammen raus und dann weiter nach unten. Auf dem Weg kam uns ein extravaganter Mann entgegen. Er trug einen überaus häßlichen Hut. Sein Kopf war kahl geschoren und seine Kleidung war mehr als nur auffällig.
Maya ging hocherhobenen Hauptes an ihm vorbei ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Ich hingegen betrachtete ihn mit Neugier, daß beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit. Ich wußte insgeheim wer er war, aber diese Person in der Wirklichkeit zu sehen war dann doch etwas ganz anderes. Nach diesem Zwischenspiel gingen wir in Mayas Gemächer. Sie setzte sich mit mir hin und wir begannen erst einmal mit einem Frühstück, bei dem sie mir beibrachte welches Besteck an welchen Platz gehörte. Ich fragte mich zwar, was das sollte und ob sie mich wirklich für so dumm und unzivilisiert hielt, aber ich nahm es gelassen hin und dachte mir einfach, dass es wohl besser für mich ist, wenn ich jetzt meinen Mund halte und sie einfach machen lasse. Danach fuhren wir mit dem Erlernen der Schrift und dem Unterricht in allen möglichen Sachen fort. Vor allem Etikette, bäh wie langweilig. Aufmerksamkeit heuchelnd saß ich da und brütete darüber wie ich wohl am besten hier rauskommen konnte. Gegen Mittag wurde es Maya zu dumm und sie schickte mich weg. Da jetzt niemand da war um mich zu beaufsichtigen, gönnte ich mir einen Spaziergang in der oberen Etage. Ganz allein.
Dinin verbrachte den Tag mit seinen üblichen langweiligen Tätigkeiten. Er haßte diese Routine, lieber war er auf Wache draußen außerhalb der Stadt. Doch er erfüllte seine Pflicht, sie lenkte ihn von seinen Gedanken ab. Jede unbeobachtete Sekunde musste er an sie denken. Es jagte ihm heiße Schauer durch den Körper wenn er an den Kuss von gestern Abend dachte. Als er wieder seinen Gedanken nachhing, sah er sie oben auf der Galerie stehen. Doch ihr Blick schien in die Ferne zu schweifen. Plötzlich tauchte jemand neben ihr auf. Als Dinin ihn sah kochte er vor Eifersucht. Zaknafein, sein größter Konkurrent um die Gunst von Nerdanel, wie er glaubte.
Ich stand auf der Galerie und dachte an meine Freunde. Mir wurde wieder schwer ums Herz. Ich vermisste sie so sehr, es fühlte sich an wie Heimweh, nur das es viel schlimmer war. Gedankenverloren stand ich da und sah hinaus über den Zaun, der das Anwesen umgab. Ich sah in die Finsternis, die nur von dem Strahlen des Narbondel durchbrochen wurde. Da war etwas, ich spürte es und das Gefühl war nah. Es fühlte sich so an als wären sie da, es kam mir fast vor als könnte ich sie sehen und hören. Doch bevor ich diesem Gefühl auf die Spur kommen konnte, sprach mich jemand von der Seite an.
„Ihr sollte hier nicht herumstehen, Lady Nerdanel. Die Krieger betrachten Euch sonst allzu ungebührlich“, sagte der Waffenmeister des Hauses zu mir.
Zaknafein hatte sie gesehen, gedankenverloren sah sie in die Ferne. Er hatte von dem zweiten Angriff den Briza auf ihre Tochter verübt hatte, gehört. Er war sich ziemlich sicher, dass dies nicht der letzte Angriff oder Mordversuch gewesen sein dürfte. Briza war eine Schlange, die keine Gnade kannte. Sie würde nicht eher aufgeben, bis die junge Frau tot zu ihren Füßen lag. Traurig schüttelte er nur seinen Kopf. Ein weiteres Opfer im Namen der Spinnenkönigin, dachte er nur betrübt. Seinen Sohn hatte er bereits verloren, er wartete nur noch auf die Stunde in der er Drizzt zur Strecken bringen würde. Nachdenklich fiel sein Blick wieder auf die junge Frau, in ihren Augen brannte das gleiche Feuer wie einst in denen seines Sohnes. Nein, keine weiteren Opfer, dachte er nur entschlossen und ging schnellen Schrittes zur ihr hinauf.
Seine Anwesenheit erschreckte mich und ich zuckte erschrocken zusammen und starrte ihn mit großen Augen an.
„Verzeiht .... ich .... ich war in Gedanken“, murmelte ich nur.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Ihr solltet wachsamer sein. Wäre ich ein Meuchelmörder, dann wäre es mir ein leichtes gewesen Euch zu töten. Euer Leben ist kostbar Herrin, Ihr solltet es nicht so verschwenden“, sagte er nur mit aller gebotenen Höflichkeit.
„Kostbar! Für wen? Für meine Mutter? für die Oberin? Lasst mich raten, ich bin eigentlich nur noch am Leben, weil die Oberin noch keinen Grund sieht mich zu beseitigen“, platzte es aus mir heraus. Ich war wütend und wollte endlich allem Luft machen.
„Schon möglich. Kommt Herrin, laßt uns ein wenig zusammen durchs Haus laufen. Ihr solltet Euch nicht allein in den Gängen rumtreiben, die Zeiten sind gefährlich geworden“, antwortete er nur ausweichend.
Ich ging neben ihm her, eine ganze Weile sagte keiner von uns ein Wort. Wir beiden schienen mit unseren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein. Schließlich brach er die Stille zwischen uns.
„Was habt ihr Lady Nerdanel? Etwas scheint euch sehr zu beschäftigen?“
„Ist das so offensichtlich?“, fragte ich nur.
Ein Zucken der Mundwinkel gab mir die Antwort.
„Die Angriffe meiner Mutter belasten mich sehr. Sie hasst mich und ich kann ihr das noch nicht einmal verübeln. Ich fühle mich hier so falsch am Platz. Ich gehöre hier einfach nicht hin“, sagte ich, ohne mir Gedanken darüber zu machen, wem er das alles erzählen könnte. Zaknafein musterte mich daraufhin neugierig, sagte jedoch nichts sondern ging mit mir weiter durch die schier endlosen Gänge des Anwesens.
Schließlich erreichten wir seine privaten Übungsräume und mir wurde mit einem Mal etwas mulmig zumute. Ich traute ihm zwar keinen Meuchelmord zu, aber Briza sehr wohl und sie war eine hohe Priesterin und Zaknafein lediglich ein Mann, der Befehle zu befolgen hatte. Plötzlich drehte er sich zu mir um, packte meinen Arm und zerrte mich in eine dunkle Nische. Er war sehr stark und es war ihm ein leichtes mich gegen die Wand zu drücken und dort festzuhalten.
„Ich werde Euch helfen zu entkommen, Lady Nerdanel. Noch heute Nacht könnt ihr das Haus verlassen, wenn ihr dies wünscht“, sagte er im Flüsterton.
Meine Augen wurden groß und ich konnte im ersten Moment nichts sagen. Doch schließlich gewann ich meine Stimme wieder.
„Und was ist mit Euch? Oberin Malice wird wissen, wer mir geholfen hat ...“
„Das ist unwichtig. Ich werde nicht zulassen, dass noch jemand mit solch einem besonderen Charakter diesen Spinnenküssern zum Opfer fällt“, sagte er mit einem Knurren in der Stimme.
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er wusste ja noch nicht einmal, dass Drizzt nicht das getan hatte, dessen ihn alle bezichtigten und ihn dafür belohnte. Ich sah ihn an.
„Nicht alles ist immer so wie es scheint...“, doch noch bevor ich weitersprechen konnte, spürte ich wie er mir einen Dolch gegen die Rippen drückte. Zaknafein witterte Verrat.
- Intrigen-
„STIRB....“ schrie Briza nur, den Dolch hoch erhoben. Sie nahm nichts mehr wahr und sah nur noch das Gesicht der Frau unter sich. Voller Befriedigung ließ sie den Dolch niedersausen. Rache war ihr einziger Gedanke. Doch der Dolch traf nicht, denn plötzlich kippte ihre ganze Welt zur Seite und da waren auf einmal so viele Hände und Arme. Briza erkannte, dass ihre Geschwister sie weggestoßen hatten und versuchten ihr den Dolch abzunehmen. Wild kämpfend rollten sie über den Boden.
Dinin war mitten im Kampf seiner Schwestern. Mehr als einmal wurde er von der tobenden Briza erwischt. Sein Arm brannte und er fühlte warmes Blut daran herunter laufen. Schließlich gelang es den dreien mit vereinten Kräften die wahnsinnige Frau bewußtlos zu schlagen. Keuchend und stöhnend rafften sich die beiden Priesterinnen auf. Sie packten Briza an allen Vieren und wollten sie rausschleppen. Vierna warf einen Seitenblick auf Nerdanel und dann hinüber zu Dinin.
„Kümmer dich um sie .... ich hab dafür jetzt keine Zeit...ich werde später nach ihr sehen.“
Dinin sah ihr nur hinterher und wurde zornig. So wenig bedeutet euch das Leben eurer Schwester, dachte er nur. Er war einfach nur enttäuscht und sehr wütend. Doch er ermahnte sich, dass es jetzt um wichtigere Dinge ging. Er richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf Nerdanel.
Sie hatte tiefe Striemen auf der Brust und wahrscheinlich auch auf dem Rücken. Aus mehreren Schnittwunden floss unaufhörlich ein Strom warmen Blutes. Er hatte schon oft Krieger mit Wunden gesehen, darunter auch viele die schlimmer aussahen als das. Doch niemals zuvor hatte er um das Leben einer Person so viel Angst gehabt. Er zerschnitt ihr Kleid und begann eiligst damit, ihre Wunden notdürftig zu verbinden, um zumindest den Blutfluss zu stoppen. Schließlich rannte er zur Tür und rief sich Bedienstete, die ihm Verbände und Heiltränke bringen sollten.
Es war mitten in der Nacht als der Waffenmeister von einem seiner Unteroffiziere geweckt wurde. Ohne Murren stand er auf und kam seiner Pflicht nach. Man hatte ihn zu den Gemächern der hohen Priesterin Briza gerufen und ihm befohlen einen bewaffneten Trupp Soldaten mitzubringen. Als er auf den Gang kam, sah er bereits den Grund dafür. Briza tobte wie ein Wilde. Sie kämpfte in blinder Wut mit ihrer eigenen Mutter und schien weder sie noch eine ihrer Schwestern wahrzunehmen. Maya lag bereits bewusstlos auf dem Boden und wurde von Drizzt aus der Reichweite seiner tobenden Schwester gezogen. Malice war vollauf mit ihrem wahnsinnigen Kind beschäftigt. Er sah, dass Vierna sich auch den Arm hielt, er war verdreht und offensichtlich gebrochen. Mittlerweile eskalierte die Situation zwischen den beiden anderen Frauen und sie begannen mit Waffen aufeinander loszugehen. Er hörte Malice nur schreien „Waffenmeister, schlagt sie bewusstlos!“ Er befolgt diesen Befehl nur zu gern und mischte sich in den Kampf mit ein. Briza war schon immer eine starke Frau gewesen und es dauerte eine Weile bis es ihm gelang, ihr den Streitkolben und die Peitsche aus der Hand zu schlagen. Schließlich hieb er genussvoll seinen Schwertknauf auf ihren Nacken und Briza brach zusammen. Schwer atmend musterte er die Umstehenden. Malice bedeutete ihm nur mit einer Handbewegung zur Seite zu treten. Sein Blick fiel auf Drizzt und dieser erwiderte ihn nur mit kalter Verachtung. Kindermörder, dachte Zaknafein nur böse bevor er sich wieder zurückzog in die stille Einsamkeit seiner Gemächer.
Während Dinin damit beschäftigt war die Diener zu beauftragen, begann hinter seinem Rücken die Waffe der dunklen Königin damit, den Körper von Nerdanel zu überwuchern. Die teilweise intelligente Waffe durfte nicht zulassen, dass ihre Trägerin starb, auch wenn ihr letzter Befehl anders gelautet hatte. Bald würden alle Lebensgeister aus der Priesterin weichen. Die Platten und Schuppen wuchsen und wurden zu einer lebenden sich ständig bewegenden Masse, die den Körper förmlich durchdrang. Muskeln, Fasern, Knochen und Blut wurden angeregt, die Regeneration begann.
Als Dinin einige Augenblicke später zurückgeeilt kam, packte ihn das schiere Entsetzen. Nerdanel lag immer noch am Boden, doch sie war über und über mit einer schuppigen Masse überzogen, die sich um sie wand wie der Leib einer Schlange. Nur noch ihr Gesicht war zu sehen, doch auch hierauf begann sich dieses Zeug auszubreiten. Entsetzt griff er nach seinem Schwert und näherte sich vorsichtig dem Körper. Beim Näherkommen konnte er fünf leuchtende Steine sehen, von denen sich jeweils einer an ihrem Hals, ihren Armen und ihren Beinen befand. Sie schienen zu pulsieren. Unschlüssig was er nun tun sollte, berührte er vorsichtig mit dem Schwert die Masse und versuchte sie abzulösen. Doch sie glitt einfach um sein Schwert herum und floss weiter als bestünde sie aus Wasser. Wieder setzte er an, doch diesmal etwas härter und mit mehr Druck. Sein Schwert rutschte ab und bohrte sich in den Boden, als wäre es über eine Plattenrüstung geschrammt. Voller Verzweiflung ließ er das Schwert fallen und packte mit seinen Händen zu. Er erwischte einen dicken Strang dieses Materials und zog daran. In seinen Händen fühlte es sich warm und fest an, wie der dicke Leib einer Schlange. Er zog aus Leibeskräften daran, doch konnte damit ebenso wenig erreichen wie zuvor. Er sah plötzlich wie ihr Gesicht wieder zum Vorschein kam. Eiligst ließ er den widerlichen Strang los und beugte sich vor zu ihr.
„Nerdanel ... hörst du mich ...?“, fragte er und strich ich dabei immer wieder über die Wange. Doch sie regte sich nicht. Seinen Ekel vor dem seltsamen Zeug überwindend griff er ihre Schultern und versuchte sie zu schütteln, doch sie schien am Boden festgeklebt zu sein.
Er schreckte hoch als es klopfte, eilig sprang er auf und rannte zur Tür. Draußen stand nur die Sklavin und hatte die benötigten Sachen auf dem Arm. Er riss sie ihr weg und verjagte das Sklavenmädchen gleich wieder. Vorsichtig späte er noch einmal auf den Gang, doch es war weit und breit niemand zu sehen. Er drehte sich wieder um ging zu Nerdanel zurück. Unschlüssig was er jetzt tun sollte, betrachtete er sie eine Weile. Er hatte keine Ahnung was mit ihr geschah. Während er sie so betrachtete kamen ihm einige Erinnerungen an den ganzen Irrsinn von eben zurück.
Sie hat mich weggestoßen, kam es ihm, Brizas erster Schlag galt mir. Warum? fragte er sich, sie hat mir geholfen. Er sah wieder diese Szenen vor sich und er hörte den Schrei in seinem Kopf, als der erste Hieb Nerdanel traf. Er begriff nicht, warum sie ihn weggestoßen hatte. Er begann zu spüren, wie sein eigener Körper nach Aufmerksamkeit verlangte. Seine Wunden mussten auch versorgt werden, vor allem der lange Schnitt im Arm, dachte er nur. Da er nicht wußte was er wegen diesem Gewächs auf Nerdanel tun sollte, ließ er sich auf den Boden sinken und begann damit so gut es eben möglich war, sich um seine Wunden zu kümmern. Die beiden Heiltränke, so nötig er sie jetzt auch gehabt hätte, verschmähte er. Vielleicht brauche ich sie für Nerdanel, war nur sein Gedanke.
Drizzt war nach dem Kampf mit Briza sehr besorgt. Aus den Gesprächen seiner Mutter mit Vierna hatte er herausgehört, dass es wohl bei diesem Ausraster von Briza wieder um ihre Tochter ging. Er hatte von Anfang an geahnt, dass es keine gute Idee gewesen war, sie mit ins Haus zu bringen. Es war nicht Nerdanels Schuld, dass wusste er und es bekümmerte ihn, dass sie die Leidtragende von alledem war. Es ließ ihm keine Ruhe und so machte er sich auf den Weg zu ihren Gemächern. Er musste auch an Zaknafein denken. Die kurze Begegnung zwischen ihnen hatte ausgereicht, um ihm deutlich zu machen, dass wohl doch etwas Wahres an den Behauptungen seiner Schwestern war. Er hatte es in den Augen des Waffenmeisters gesehen, dass dieser es genossen hatte Briza niederzuschlagen. Und Drizzt wusste, dass er es sogar noch mehr genossen hätte sie zu töten. Briza war schlecht, aber sie zu töten, war auch nicht richtig. Wenn er jetzt an seinen früheren Lehrer dachte, dann kam ihm nur in den Sinn, Schlächter seines eigenen Volkes. Und dieser Gedanke schmerzte Drizzt sehr, denn Zaknafein war einstmals sein Freund gewesen.
Schließlich stand er vor der Tür zu Nerdanels Gemächern. Er klopfte leise und hörte augenblicklich wie sich jemand zur Tür bewegte. Was er nicht erwartet hatte war, dass Dinin ihm öffnete. Sein Bruder stand mit nacktem Oberkörper vor ihm und starrte ihn finster an.
„Was willst du?“, schnappte Dinin böse.
„Ich wollte nur sehen, ob alles in Ordnung ist. Geht es Nerdanel gut?“, fragte Drizzt nur vorsichtig und versuchte dabei einen Blick nach drinnen zu erhaschen. Doch Dinin hatte die Tür nicht sehr weit geöffnet und verwährte seinem jüngeren Bruder auch sonst jeden Einblick in das Zimmer. Er wollte verhindern, dass Drizzt sah, was mit ihr los war. Er war noch nicht so weit, eine Entscheidung darüber zu treffen, wem er von diesem seltsamen Zeug erzählen sollte.
„Es geht ihr gut. Sie schläft gerade,“ antwortete er nur kurz angebunden.
Drizzt bemerkte, dass er hier nicht weiterkommen würde. Sein Bruder war offensichtlich nicht bereit ihn reinzulassen. Er war besorgt, doch konnte nichts unternehmen.
„Ist noch etwas?“, fragte Dinin mürrisch.
Drizzt schüttelte nur den Kopf und ging weg. Er fühlte den stechenden Blick in seinem Rücken, den sein Bruder ihm nachwarf, doch das kümmerte ihn nicht. Er versuchte sich derweilen einzureden, dass mit Nerdanel alles in Ordnung sei. Doch an diesen Gedanken glaubte er selbst nur halbherzig, während er sich auf den Weg zu seinem Quartier machte.
Mürrisch zog sich auch Dinin wieder zurück. Es ärgerte ihn, dass Drizzt sich so viele Sorgen zu machen schien. Er war eifersüchtig auf seinen jüngeren Bruder und wollte nicht, dass dieser Nerdanel zu nahe kam. Sein Blick glitt wieder zu ihr und er musste seufzen. Was war bloß mit dieser schönen Frau los? fragte er sich. Sie würde ihm einiges erklären müssen, wenn sie aufwachte, dachte er nur während er sich wieder niederließ um seine Verletzungen zu versorgen.
Ich spürte nur eine wohlige Wärme um mich herum. Es war so ruhig und friedlich. Ich hätte mich ewig so treiben lassen können. Plötzlich begann ein unangenehmes Picksen mich aus meinen Träumen zu reißen. Ich öffnete die Augen und sah nur eine Zimmerdecke über mir. Was war passiert? fragte ich mich. Ich spürte, dass sich meine Waffe gerade zurückzog. Sie war immer noch auf meiner Brust beschäftigt, wie ich spürte. Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen. Ich fühlte mich unglaublich ausgelaugt und als ich endlich aufsehen konnte, da erschrak ich, vor mir saß Dinin und starrte mich an.
Dinin bemerkte plötzlich wie sich dieses Zeug wieder zurückzog und sich um die Steine zu sammeln begann. Er unterbrach seine Bemühungen sich zu verbinden und starrte aufmerksam auf das Geschehen. Erst wurde ihr Kopf ganz sichtbar und dann ihre Arme und Beine, nur auf der Brust und dem Bauch verblieb diese Masse noch. Er sah wie sie die Augen aufschlug und etwas verwirrt schaute. Schließlich versuchte sie sich aufzusetzen, doch als sie ihn sah hielt sie erschrocken inne.
Wir starrten uns beide eine Weile an. Keiner sagte ein Wort nur unsere Blicke trafen sich.
„Was ist das?“, brachte er schließlich heraus.
„Das... nun das ist ... eine Waffe“, lautete meine schlichte Antwort.
Seine großen Augen musterten mich argwöhnisch und aufmerksam.
„Sie ist ein Geschenk unserer Göttin an ihre Priesterschaft. Sie ist Waffe, Schild und Heilung in einem.“
Diese Erklärung schien ihn nicht im Mindesten zu beruhigen.
Wieder starrte er mich nur an und ich erwiderte seinen Blick. Ich spürte, wie sich die Waffe endgültig zurückzog. Die Heilung war beendet. Mein nackter Körper wurde sichtbar und sowohl ich als auf Dinin konnten sehen, dass dort nicht auch nur eine Wunde war. Die Haut war glatt und heil.
Durch Dinins Kopf schossen tausend Gedanken in diesem Moment.
Sie ist eine Priesterin, auch noch einer anderen Gottheit. Und dieses Ding, dieses Ding ist an und in ihrem Körper. Ich muss es der Oberin sagen... nein warum sollte ich. Das wird Ärger geben. Was soll ich tun? Was nur?
Sein Blick hing immer noch an ihr. Ihre schönen Augen sahen ihn furchtsam an und in ihnen konnte er eine unausgesprochene Frage lesen. Wirst du mich verraten? konnte er darin sehen. Er wußte, was Oberin Malice mit ihr machen würde, wenn sie dies erfahren würde. Sie würde sie Briza überlassen, dass war ihm mit einem Mal klar. Und diese würde sie foltern bis sie schließlich nach Jahrzehnten endlich sterben durfte. Vorsichtig ließ er sich neben ihr nieder. Ihre Blicke hingen immer noch aneinander. Er wollte nicht, dass sie starb, nicht das einzige Wesen, das seiner trostlosen Existenz einige fröhliche Augenblicke geschenkt hatte. Doch er wußte, dass er eine Entscheidung treffen musste, hier und jetzt.
„Ich werde dich nicht verraten“, flüsterte er nur.
Ich konnte nichts sagen, ich konnte nur still da sitzen und ihn anstarren. Ich hoffte inständig, dass er es einfach auf sich beruhen lassen würde, doch im gleichen Atemzug wusste ich wie töricht dieser Gedanke war. Natürlich würde er mich verraten, denn ich könnte ja eine Gefahr für sein Haus sein, dachte ich nur. Ich begann zu überlegen, was ich nun tun konnte. Mich auf ihn stürzen, ihn töten und dann verschwinden, um zu verhindern, dass er zu Malice rannte. Sicher nicht, dachte ich nur ironisch, ich bin viel zu schwach und außerdem ist er ein Krieger, ich nicht. Meine Gedanken überschlugen sich einfach nur als er sich dann neben mich setzte. Schließlich hörte ich seine Worte und Erleichterung durchflutete mich. Doch im gleichen Moment, fiel mir ein, dass er das sicher nicht umsonst machen würde. Ich fragte mich still und insgeheim, was sein Preis für das Schweigen sein würde. Doch er sagte nichts weiter. Ich musste die Initiative ergreifen, sonst würde er zu viel denken und dann fiel ihm sicher etwas ein.
„Sie hat dich sicher auch geschlagen, nicht wahr?“
Er nickte nur benommen.
„Soll ich deine Wunden heilen? Keine Angst, du wirst mit meiner Waffe nicht in Berührung kommen.“
Er sah mich nur an als hätte ich etwas Entsetzliches gesagt, doch dann entspannte sich sein Gesicht wieder. Ich wußte selbst nicht warum ich das gesagt hatte, geschweige denn wie ich das anstellen sollte. Heilen, so was hatte ich niemals zuvor gemacht. Etwas nervös begann ich zu überlegen und erinnerte mich dann an die Sache in unserem Lager, als ich den Lichtzauber auf das Schwert gesprochen hatte. Mühsam versuchte ich mich zu erinnern und schließlich drängte sich mir der Zauber zurück ins Gedächtnis. Ich atmete noch einmal tief durch und hoffte, dass es auch klappen würde, ich versuchte mich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass es ja mit dem Licht auch funktioniert hatte.
Was hat sie gesagt? Sie will mich heilen! Aber warum? Sie tut wieder etwas einfach so... so grundlos. Ich verstehe es nicht, dachte Dinin nur. Er musterte sie misstrauisch, doch sah keinen Grund warum er es nicht zulassen sollte. Sein muskulöser Oberkörper war mit älteren Striemen und neuen Prellungen übersät. An seinem Oberarm trug er einen provisorischen Verband, durch den immer noch Blut sickerte. Vorsichtig hielt ich die Hände über die Wunden und murmelte meinen Heilzauber. Seine Wunden begannen sich auf der Stelle zu schließen. Er beobachtete mich die ganze Zeit dabei und ich war mir nur zu sehr bewusst, dass ich immer noch nackt war.
Dinin spürte, wie die heilende Energie durch seinen Körper floss. Es war eine angenehme Wärme und er spürte keine Schmerzen mehr. Er betrachtete sie, wie sie nackt vor ihm saß. Wieder breitete sich dieses Kribbeln in seinem Bauch aus und er war sich nicht sicher, ob das Gefühl von der Heilung stammte oder durch ihre pure Anwesenheit ausgelöst wurde. Er sah, wie sich die Wunden schlossen und nichts zurückblieb, nicht einmal eine Narbe. Bei Heilungen, die seine Schwestern oder andere Priesterinnen vorgenommen hatten, waren immer leichte Narben verblieben. Er bemerkte sogar, wie alte Narben, die unter Nerdanels Hände kamen ebenfalls zu verblassen begannen. Erstaunt sah er sie wieder an. Er fühlte sich als sei er etwas besonders, wenn sie sich sogar die Mühe machte seinen Narben zu entfernen. Er spürte die Wärme, die von ihren Händen ausging und er konnte sich vorstellen, dass sie sehr weich waren, obwohl sie ihn nicht berührten. Er wollte sie spüren.
Als ich sicher war, dass die Wunden geschlossen waren, nahm ich meine Hände wieder weg. Doch er hielt sie fest, zog sie zu sich herüber und legte sie auf seine Brust. Ich konnte das Herz schlagen spüren. Seine Haut war sehr warm, als würde sie brennen. Er sah mir nur in die Augen. Die Zeit stand still in diesem Moment. Seine Hand berührte vorsichtig mein Gesicht und fuhr die Wange entlang. Schließlich verharrte sie an meinem Kinn und er zog mein Gesicht langsam herüber bis wir nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Ich konnte seinen warmen Atem spüren. Seine andere Hand schloss sich um die meine und er küßte mich. Erst berührten sich unseren Lippen nur vorsichtig, doch ich zog nicht zurück, da ich viel zu erschöpft war um über mein Tun und Handel überhaupt noch nachzudenken, und so begann er meine Lippen zu liebkosen. Es war nur ein kurzer zaghafter Kuss und als er sich von mir löste und wir einander in die Augen sahen, konnte ich ein leidenschaftliches Feuer darin brennen sehen. Ich merkte wie meine Hände zu zittern begannen und Schwäche meinen Körper heimsuchte.
Sie hat es zugelassen. Ich durfte sie küssen. Ihre Lippen sind zart und weich, ganz so wie ich sie in Erinnerung habe. Ich begehre sie mehr denn je. Dachte Dinin nur als ihre Lippen sich getrennt hatten. Plötzlich spürte er wie ihre Hände zu zittern begannen.
„Was hast du Nerdanel? Du brauchst dich nicht zu fürchten“, fragte er mit leiser Stimme.
„Nein, ich fürchte mich nicht. Ich ... ich bin nur erschöpft, das ist alles. Verzeih, wenn ich damit diesen Augenblick zerstöre, aber ich kann kaum noch aufrecht sitzen.“
Ich konnte unglaubliche Erleichterung in seinen Augen sehen.
„Hilfst du mir bitte auf? Ich glaube es ist besser wenn ich mich jetzt ausruhe.“
„Du solltest dich lieber waschen. Dein ganzer Körper ist voll von geronnenem Blut“, sagte er nur umsichtig.
Ich nickte nur und versuchte aufzustehen. Meine Beine waren taub und kaum das ich stand fiel ich auch schon wieder. Seine Arme fingen mich auf und trugen mich ins Bad.
„Ich kann nicht mehr. Würdest du mir bitte helfen?“
Ich spürte, wie ich rot wurde. Unsere Blicke trafen sich erneut. Das Glühen in seinen Augen war nach wie vor da. Er lächelte und ich wurde noch ein wenig röter im Gesicht. Am Rand der Wanne setzte er mich ab, nahm ein Tuch und begann mich zu waschen. Ich musste mehrmals tief einatmen, da das Wasser ziemlich kalt war. Vorsichtig fuhr er meine Schlüsselbeinknochen nach. Ich lehnte an seinem Oberkörper und so konnte er mir von hinten über die Schulter schauen. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, aber ich konnte mir denken wie sehr es ihm gefallen musste. Ich konnte mein Seufzen nicht unterdrücken als das kalte Wasser über meine Haut lief.
Ihr Körper bebt und er ist sehr warm. Sie ist zart und zerbrechlich. Sie ist ganz anders. Er genoss es sehr, dass sie sich von ihm so intim berühren ließ. Er hoffte, tief in seinem Inneren, dass es nicht bei solchen Kleinigkeiten bleiben würde.
Als es an meine Beine ging, hielt er kurz inne. Ich öffnete nur die Schenkel und ließ ihn gewähren. Ich war viel zu müde, als das ich jetzt noch an solchen Dingen gestört hätte. Er nahm dann ein Handtuch und trocknete mich ab. Vorsichtig hob er mich hoch und legte mich ins Bett. Er setzte sich an meine Seite und nahm dabei meine Hand.
„Ich wünsche dir einen erholsamen Schlaf Nerdanel. Mach dir keine Sorgen, ich werde dich nicht verraten.“
Mehr als ein Nicken brachte ich nicht mehr zustande bevor mich die Schwärze des Schlafes einholte.
Dinin saß noch eine ganze Weile an ihrem Bett. Er betrachtete sie nachdenklich. Seine Hand fuhr vorsichtig durch ihr Gesicht. Er würde sie nicht verraten. Und er würde sie niemandem anders überlassen. Nachdenklich betrachtete er ihre Waffe. Sie sah ganz harmlos aus, wie Schmuck, und doch war sie imstande solche Dinge zu vollbringen. Er schüttelte nur den Kopf. Es war nicht die Zeit um über so etwas nachzudenken. Er musste sich auch ausruhen. Er holte sein Hemd aus dem Bad, zog sich an und ging wieder zu ihrem Bett. Vorsichtig beugte er sich hinunter, er hielt kurz inne und schließlich berührten sich ihre Lippen erneut. Ein tiefer langer Kuss. Dann stand er auf und ging ohne sich ein weiteres Mal umzusehen. Er wusste, würde er sie jetzt noch einmal ansehen, dann würde er nicht mehr ihr Zimmer verlassen können. In ihm hatte sich ein unbekanntes Gefühl breit gemacht. Sein Herz begehrte eine Person. Es war für ihn ein ungeahntes Sehnen, dass ihn innerlich fast auffraß. Wie sehr er doch bei ihr bleiben wollte, doch das ging nicht. Noch nicht, dachte er nur.
Als er die Tür öffnete stand plötzlich Vierna vor ihm und schreckte ihn aus seinen Gedanken.
„Wie geht es ihr?“, fragte sie ohne große Umschweife.
„Ihre Wunden waren nicht so schlimm“, log er, denn er musste Vierna daran hindern zu Nerdanel zu gehen, sonst würde die ganze Sache schnell auffliegen. „Es sind nur oberflächliche Verletzungen. Ich habe sie verbunden und sie schläft jetzt.“
Vierna nickte nur und sah ihren Bruder durchdringend an. Sie ahnte, dass er etwas verbarg, doch im Moment hatte sie weder Interesse noch Lust dieser Sache auf den Grund zu gehen. Ihr Kampf mit ihrer Schwester war schon hart genug gewesen, da brauchte sie nicht auch noch eine Auseinandersetzung mit ihrem widerspenstigen Bruder. Sie würde hinter sein kleines Geheimnis noch früh genug kommen, immerhin war Dinin auch nur ein Mann. Ohne sich weiter darum zu kümmern drehte sie sich um und ging fort.
Dinin sah ihr nur erleichtert nach und glaubte, dass ihm seine Schwester diese Lüge abgekauft hatte. Jetzt konnte auch er beruhigt in seine Gemächer gehen.
In der Nacht suchten mich wieder verwirrende Träume heim. Erst waren es nur die Alpträume dieses wahnsinnigen Tages. Ich sah immer wieder Briza und ihren Irrsinn, doch dann plötzlich fühlte ich mich wie zurückversetzt. Ich träumte von meiner Kindheit, wie verwirrend, war ich doch nie ein Drow-Kind gewesen.
Ich saß auf den Stufen vor dem Tempel und spielte. An meinem Arm trug ich einen Verband. Neben mir saß eine hübsche Frau ... die hohe Priesterin der Stadt Ascaron, erinnerte ich mich. Na tut dein Arm noch weh, fragte sie mich. Ich sah sie lächelnd an und schüttelte den Kopf. Warum hat Vater dieses Bild in meine Haut machen lassen, fragte ich sie neugierig. Sie hob mich hoch und nahm mich auf ihren Schoß. Er möchte, dass du die Gelegenheit bekommst, dich mit deiner Vergangenheit vertraut zu machen. Darum sollte ich das für ihn machen. Schließlich stand sie auf und trug mich zu einem Mann. Hier, Kampflord Quetana, Eure tapfere kleine Tochter. Ich sah in Quetanas Gesicht und er strahlte mich an. Ich fühlte mich wohl in seinen Armen. Ganz stolz zeigte ich ihm den Verband an meinem Arm und erzählte ihm wie tapfer ich gewesen war. Er lächelte mich nur liebevoll an und ich hörte ihn flüstern „Du Segen meiner alten Tage, ich danke der Göttin, dass ich dich habe.“ Liebevoll drückte er mich gegen sich. Wir gingen zu seinem Reittier, einer großen schwarzen Eidechse und ich kicherte vor Freude, dass ich allein auf dem Sattel sitzen durfte, während er nebenher lief. Ich sah mich um und entdeckte eine Frau, die glücklich ihr Kind hochhob. Warum hab ich keine Mutter, fragte ich Quetana plötzlich. Er sah nur zu mir auf und ich schwöre, dass ich niemals wieder soviel Trauer in den Augen meines Vaters gesehen hatte. Das erzähle ich dir, wenn du älter bist, mein Kind, antwortete er ausweichend. Nein, sag es mir jetzt, quengelte ich. Wieder sah er zu mir auf. Und wenn dir die Antwort Schmerz bereitet mein Kind, fragte er mich nur. Sag es, forderte ich mit der ganze energischen Kraft, die nur ein Kind haben kann. Er sah mich noch einen Moment lang an und schaute dann geradeaus. Sein Blick ging in die Ferne und schließlich sagte er nur, „Weil sie dich nicht wollte“. Ich weiß noch, dass ich ihn entsetzt angesehen habe und dann nur noch in seine Arme wollte um mich fest an ihn zu drücken.
Den Rest der Nacht zogen nur undeutliche Gedankenfetzen an mir vorbei. Ich hatte ständig das Gefühl irgendetwas zu hören. Es flüsterte ständig um mich herum und ich war unfähig zu sagen, ob diese Worte nun Realität waren oder nur Traumfetzen. Ich sah auch Bilder, doch sie ergaben keinen Sinn. Es war eine verwirrende Nacht.
Der Morgen war nicht besonders angenehm. Ich wachte auf und war immer noch erschöpft. Jeder Knochen tat mir weh und ich fühlte einen Hunger in mir, der weit über das Empfinden des normalen Bedürfnisses nach Essen hinausging. Ich hatte gestern wohl viel Kraft verbraucht. Diese Aussicht gefiel mir nicht besonders, denn ich war mir nicht wirklich im Klaren darüber, wie ich meine Energievorräte wieder auffrischen konnte. Ich erinnerte mich daran, dass Priester beten mussten um ihre Zauber zu bekommen. Etwas unsicher beschloss ich meinem Instinkt zu folgen. Ich setzte mich bequem im Schneidersitz aufs Bett und begann mich zu entspannen. Ich ließ mich in ein tiefes meditatives Gefühl tragen und schließlich spürte ich etwas. Es fühlte sich vertraut an, als ob ich jemandem gegenüberstand, der mich in Herz und Seele verstand. Doch weder sah ich jemanden, noch hörte ich irgendetwas. Weiter meinem Gefühl folgenden trug ich vorsichtig meine schlichten Bitten vor und plötzlich schoss ein wildes Prickeln und Kribbeln durch meinen Körper. Es tat nicht weh, sondern war überaus angenehm. In meinem Geist spuckten auf einmal alle jene Zauber herum, die ich gerade erbeten hatte. Da ich niemals zuvor so etwas gefühlt hatte, war ich ziemlich verwirrt. Immer noch diese Präsenz spürend hielt ich es für angebracht, mich zu bedanken und schließlich spürte ich wie ich mich entfernte oder entfernte sie sich. Ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Ich öffnete die Augen und fühlte mich ungemein erfrischt und mein imaginärer Hunger war ein wenig gemildert, aber dennoch spürbar. Ich war erleichtert und glücklich darüber, dass zumindest diese Sache so leicht war.
Dann blickte ich hinunter auf meinen Arm. Ich erinnerte mich lebhaft an die Träume der letzten Nacht. Jetzt wusste ich also, dass ich die Tätowierung von meinem Ziehvater hatte, dachte ich mir. Jetzt blieb nur noch die Frage des „Warum“ offen. Gut ich musste zugeben, die Priesterin in meinem Traum hatte gesagt, dass es mir einmal möglich wäre mich mit meiner Vergangenheit vertraut zu machen. Doch war dem wirklich so oder war Quetana mein leiblicher Vater und hatte mir das gegenüber nie erwähnt. Unwillkürlich wanderten meine Gedanken zu ihm und ich erinnerte mich an viele schöne Momente, die wir zusammen verbracht hatten. Quetana der Vergewaltiger von Briza, nein dieser Gedanke war geradezu verrückt. Tief in meinem Inneren wusste ich, dass er so was nie gemacht hätte. Doch warum wusste ich das, fragte mein immer noch allzu menschlicher Verstand.
Doch schon drängten sich neue Probleme in meinen Kopf. Ich saß nackt auf dem Bett und wenn ich so an mir hinunter sah, dann konnte ich da keine Wunde mehr entdecken. Ich überlegte mir, dass es wohl nicht wirklich gut sein konnte, wenn eine der Priesterinnen nach mir sehen wollte. Ich schaute mich im Raum um und entdeckte einen kleinen Korb mit Verbänden. Auf wackligen Beinen ging ich hin und begann mich damit zu verbinden, um zumindest den Anschein zu wahren.
Kaum das der Verband richtig saß, da kamen auch schon die ersten Sklavinnen um mich einzukleiden und das Blut vom Boden zu waschen. Sie waren gerade fertig, da ging die Tür auch schon auf und Vierna trat ohne Umschweife ein. Sie musterte mich misstrauisch und ich gab mir große Mühe elend auszusehen.
„Wie geht es Euch?“
„Schlecht, aber ich versuche Haltung zu bewahren. Und ja ich habe mich so gut es ging selbst versorgt und will auch nicht das jemand anders an mir herumpfuscht. Ich kann für mich selbst sorgen. DANKE!“, zickte ich sie nur an.
Ich war wütend und es interessierte mich nicht, ob ihr das gefiel oder nicht. Ich musste hier unten überleben und war fest entschlossen mich nicht mehr unterkriegen zu lassen. Vierna schien das ebenso zu sehen und war ganz und gar nicht erbost. Sie lächelte nur geheimnisvoll.
„Schön zu sehen, dass es Euch so gut geht. Eure Mutter wird sich sicher freuen das zu hören“, antwortete sie mit mehr als nur einem Hauch Sarkasmus in der Stimme.
Schließlich bedeutete sie mir, dass ich ihr folgen solle. Ich sah sie nur fragend an, doch da sie keine Anstalten machte mir etwas zu erklären, blieb mir nichts anderes übrig als ihr hinterher zu gehen. Insgeheim fragte ich mich aber doch, ob ich jetzt zusammen mit ihr und den anderen frühstücken sollte, denn Hunger hatte ich schon.
Ich folgte ihr nur durch die Gänge wieder in den Thronsaal und in mir machte sich wieder diese altbekannte Nervosität breit. Im Moment wollte ich weder Malice noch Briza sehen, doch hier im Unterreich wurde man nicht gefragt was man wollte und was nicht, man hatte einfach dem zu folgen was einem befohlen wurde. Die Türen öffneten sich wieder vor uns und kurz darauf stand ich wieder vor Malice. Briza war nicht da, zu meiner großen Erleichterung. Doch nun lag der gestrenge Blick der Oberin ganz allein auf mir. Wieder musterte sie mich eine unendlich lange Zeit, doch schließlich
„Mmmhhh Ihr seht nicht gut aus Nerdanel, aber Ihr habt es überlebt. Ab heute wird sich Maya um Euch kümmern, denn Ihr braucht jemanden der Euch in die Gepflogenheiten des Hauses einführt und Euch unterrichtet."
So schnell war es entschieden und dem widersprach ich auch nicht. Maya musterte mich kalt. Ihr schien der Gedanke nicht zu gefallen, Kindermädchen für mich spielen zu müssen.
Wir gingen zusammen raus und dann weiter nach unten. Auf dem Weg kam uns ein extravaganter Mann entgegen. Er trug einen überaus häßlichen Hut. Sein Kopf war kahl geschoren und seine Kleidung war mehr als nur auffällig.
Maya ging hocherhobenen Hauptes an ihm vorbei ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Ich hingegen betrachtete ihn mit Neugier, daß beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit. Ich wußte insgeheim wer er war, aber diese Person in der Wirklichkeit zu sehen war dann doch etwas ganz anderes. Nach diesem Zwischenspiel gingen wir in Mayas Gemächer. Sie setzte sich mit mir hin und wir begannen erst einmal mit einem Frühstück, bei dem sie mir beibrachte welches Besteck an welchen Platz gehörte. Ich fragte mich zwar, was das sollte und ob sie mich wirklich für so dumm und unzivilisiert hielt, aber ich nahm es gelassen hin und dachte mir einfach, dass es wohl besser für mich ist, wenn ich jetzt meinen Mund halte und sie einfach machen lasse. Danach fuhren wir mit dem Erlernen der Schrift und dem Unterricht in allen möglichen Sachen fort. Vor allem Etikette, bäh wie langweilig. Aufmerksamkeit heuchelnd saß ich da und brütete darüber wie ich wohl am besten hier rauskommen konnte. Gegen Mittag wurde es Maya zu dumm und sie schickte mich weg. Da jetzt niemand da war um mich zu beaufsichtigen, gönnte ich mir einen Spaziergang in der oberen Etage. Ganz allein.
Dinin verbrachte den Tag mit seinen üblichen langweiligen Tätigkeiten. Er haßte diese Routine, lieber war er auf Wache draußen außerhalb der Stadt. Doch er erfüllte seine Pflicht, sie lenkte ihn von seinen Gedanken ab. Jede unbeobachtete Sekunde musste er an sie denken. Es jagte ihm heiße Schauer durch den Körper wenn er an den Kuss von gestern Abend dachte. Als er wieder seinen Gedanken nachhing, sah er sie oben auf der Galerie stehen. Doch ihr Blick schien in die Ferne zu schweifen. Plötzlich tauchte jemand neben ihr auf. Als Dinin ihn sah kochte er vor Eifersucht. Zaknafein, sein größter Konkurrent um die Gunst von Nerdanel, wie er glaubte.
Ich stand auf der Galerie und dachte an meine Freunde. Mir wurde wieder schwer ums Herz. Ich vermisste sie so sehr, es fühlte sich an wie Heimweh, nur das es viel schlimmer war. Gedankenverloren stand ich da und sah hinaus über den Zaun, der das Anwesen umgab. Ich sah in die Finsternis, die nur von dem Strahlen des Narbondel durchbrochen wurde. Da war etwas, ich spürte es und das Gefühl war nah. Es fühlte sich so an als wären sie da, es kam mir fast vor als könnte ich sie sehen und hören. Doch bevor ich diesem Gefühl auf die Spur kommen konnte, sprach mich jemand von der Seite an.
„Ihr sollte hier nicht herumstehen, Lady Nerdanel. Die Krieger betrachten Euch sonst allzu ungebührlich“, sagte der Waffenmeister des Hauses zu mir.
Zaknafein hatte sie gesehen, gedankenverloren sah sie in die Ferne. Er hatte von dem zweiten Angriff den Briza auf ihre Tochter verübt hatte, gehört. Er war sich ziemlich sicher, dass dies nicht der letzte Angriff oder Mordversuch gewesen sein dürfte. Briza war eine Schlange, die keine Gnade kannte. Sie würde nicht eher aufgeben, bis die junge Frau tot zu ihren Füßen lag. Traurig schüttelte er nur seinen Kopf. Ein weiteres Opfer im Namen der Spinnenkönigin, dachte er nur betrübt. Seinen Sohn hatte er bereits verloren, er wartete nur noch auf die Stunde in der er Drizzt zur Strecken bringen würde. Nachdenklich fiel sein Blick wieder auf die junge Frau, in ihren Augen brannte das gleiche Feuer wie einst in denen seines Sohnes. Nein, keine weiteren Opfer, dachte er nur entschlossen und ging schnellen Schrittes zur ihr hinauf.
Seine Anwesenheit erschreckte mich und ich zuckte erschrocken zusammen und starrte ihn mit großen Augen an.
„Verzeiht .... ich .... ich war in Gedanken“, murmelte ich nur.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Ihr solltet wachsamer sein. Wäre ich ein Meuchelmörder, dann wäre es mir ein leichtes gewesen Euch zu töten. Euer Leben ist kostbar Herrin, Ihr solltet es nicht so verschwenden“, sagte er nur mit aller gebotenen Höflichkeit.
„Kostbar! Für wen? Für meine Mutter? für die Oberin? Lasst mich raten, ich bin eigentlich nur noch am Leben, weil die Oberin noch keinen Grund sieht mich zu beseitigen“, platzte es aus mir heraus. Ich war wütend und wollte endlich allem Luft machen.
„Schon möglich. Kommt Herrin, laßt uns ein wenig zusammen durchs Haus laufen. Ihr solltet Euch nicht allein in den Gängen rumtreiben, die Zeiten sind gefährlich geworden“, antwortete er nur ausweichend.
Ich ging neben ihm her, eine ganze Weile sagte keiner von uns ein Wort. Wir beiden schienen mit unseren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein. Schließlich brach er die Stille zwischen uns.
„Was habt ihr Lady Nerdanel? Etwas scheint euch sehr zu beschäftigen?“
„Ist das so offensichtlich?“, fragte ich nur.
Ein Zucken der Mundwinkel gab mir die Antwort.
„Die Angriffe meiner Mutter belasten mich sehr. Sie hasst mich und ich kann ihr das noch nicht einmal verübeln. Ich fühle mich hier so falsch am Platz. Ich gehöre hier einfach nicht hin“, sagte ich, ohne mir Gedanken darüber zu machen, wem er das alles erzählen könnte. Zaknafein musterte mich daraufhin neugierig, sagte jedoch nichts sondern ging mit mir weiter durch die schier endlosen Gänge des Anwesens.
Schließlich erreichten wir seine privaten Übungsräume und mir wurde mit einem Mal etwas mulmig zumute. Ich traute ihm zwar keinen Meuchelmord zu, aber Briza sehr wohl und sie war eine hohe Priesterin und Zaknafein lediglich ein Mann, der Befehle zu befolgen hatte. Plötzlich drehte er sich zu mir um, packte meinen Arm und zerrte mich in eine dunkle Nische. Er war sehr stark und es war ihm ein leichtes mich gegen die Wand zu drücken und dort festzuhalten.
„Ich werde Euch helfen zu entkommen, Lady Nerdanel. Noch heute Nacht könnt ihr das Haus verlassen, wenn ihr dies wünscht“, sagte er im Flüsterton.
Meine Augen wurden groß und ich konnte im ersten Moment nichts sagen. Doch schließlich gewann ich meine Stimme wieder.
„Und was ist mit Euch? Oberin Malice wird wissen, wer mir geholfen hat ...“
„Das ist unwichtig. Ich werde nicht zulassen, dass noch jemand mit solch einem besonderen Charakter diesen Spinnenküssern zum Opfer fällt“, sagte er mit einem Knurren in der Stimme.
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er wusste ja noch nicht einmal, dass Drizzt nicht das getan hatte, dessen ihn alle bezichtigten und ihn dafür belohnte. Ich sah ihn an.
„Nicht alles ist immer so wie es scheint...“, doch noch bevor ich weitersprechen konnte, spürte ich wie er mir einen Dolch gegen die Rippen drückte. Zaknafein witterte Verrat.