Dem Wahnsinn so nah
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German › Books
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Adult ++
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Disclaimer:
I do not own the Forgotten Realms books. I do not make any money from the writing of this story.
4. Kap. Die Macht
4. Kapitel
Die Macht
„Was suchst du hier?“, erklang eine tiefe Stimme.
Shar erstarrte und hielt in all seinen Bewegungen inne. Gerade eben hatte er noch erfolgreich und voller Stolz seine Aufgabe erledigt und wollte nur noch zurück zu seinem Herrn, da stand plötzlich ohne Vorwarnung ein Drow vor ihm. Unter der heruntergezogenen Kapuze seines Wollumhangs erspähte der Junge eine schwarze Lederrüstung, einen Waffengürtel mit einem Langschwert und an der Seite prangte eine kleine Armbrust. Bei dem Anblick der Waffen bekam Shar Angst und sie erinnerten ihn an die Krieger zu Hause. Sein Blick wanderte weiter und er schaute jetzt noch ängstlicher nach oben. Ein Paar rot glühenden Augen bedachten den Jungen mit Argwohn. Shars Herz raste plötzlich wild in seiner Brust und der Angstschweiß trat ihm auf die Stirn. Der junge Halbdrow wollte gerade etwas erwidern, da riss der Drow vor ihm die Kapuze vom Kopf.
„Ein Halbdrow?“, kam die überraschte Frage des Dunkelelfen.
Der Fremde gehörte zu einer Patrouille, die ab und zu hier am Schmuckkästchen vorbei schaute, um eventuelle Schlägereien oder etwaige andere Vorfälle überblicken zu können. Der Soldat hatte eher einen Dieb oder schmierigen Händler in Verkleidung erwartet, doch der Anblick eines jungen Halbdrow verwunderte ihn doch sehr.
„Was machst du hier? Das ist kein Ort für jemanden wie dich“, knurrte der Drow ungehalten, als er erkannte, dass vor ihm ein Sklave stand.
Shar war immer noch wie gelähmt und wusste im ersten Moment nicht, was er tun sollte. Nhaundar hatte ihm den Auftrag erteilt die Botschaft zu überbringen und danach gleich zurückkommen. Aber von Stadtwachen war niemals die Rede. Sein hagerer Körper zitterte wie Espenlaub und die Furcht vor dem Unerwarteten kroch in seine Glieder. Der eben erst errungene Sieg über die erfolgreiche Erledigung seiner Mission schmolz dahin wie ein Eisberg im Hochsommer. Er wollte nur noch nach Hause. Das Misstrauen vor dem Soldaten spitzte sich zu, als dieser ihn letztendlich am eisernen Halsband ergriff und Shar bösartig anfunkelte.
„Wird es bald, ich warte auf die Antwort, Sklave“, drohte ihm der Fremde.
„Ich … ich“, piepste Shar leise und dabei spürte er wie ihm langsam die Luft abgeschnürt wurde.
Der Drow verstärkte seinen Griff und nahm dem Jungen somit weiter in die Mangel, doch seine Geduld war begrenzt. Mit der anderen Hand holte er Schwung und ohrfeigte den Jungen.
Ein glühender Schmerz durchfuhr Shars Gesicht in jenem Moment, als die flache Hand seine Wange traf. Als wäre es nicht genug, erfolgte eine Sekunde später ein weiterer Schlag auf seine andere Wange. Dabei traten Shar die Tränen in die Augen, denn die Stadtwache war nicht zimperlich.
„Antworte Sklave“, mahnte ihn der Fremde jetzt mit eiskaltem Ton in der Stimme.
„Ich …“, dann brach Shar abrupt ab. Der Drow ließ ihn plötzlich aus noch unersichtlichem Grund einfach los. Der Junge verlor dabei das Gleichgewicht und fiel geradewegs mit dem Hintern auf den harten Felsenboden und ihm entwich ein lautes Stöhnen.
Von weitem erklang ein lauter Ruf der immer wieder drei Silben wiederholte, „Haltet den Dieb“. Ein Händler aus der Stadt rannte an dem Soldaten vorbei und rief einem Goblin hinterher, der nur kurze Momente zuvor an Shar und der Stadtwache vorüber hechtete.
Diesen kurzen Augenblick der Unachtsamkeit des Dunkelelfen ausnutzend raffte Shar sich eilig auf und rannte was seine Beine und Lungen hergaben. Er hatte nur noch einen Gedanken und der führte ihn schnurstracks über den Basar. Er wollte zurück zu seinem Herr und dies auf dem schnellsten Wege. Nachhause in die Sicherheit von Nhaundars Anwesen. Für einen Tag hatte er eindeutig schon zu viel erlebt. Der junge Halbdrow flitzte die Straße entlang und traute sich nicht ein Mal umzuschauen, ob ihm der fremde Dunkelelf folgte. Er spurtete an den Ständen der Händler entlang und vergaß bei der übereilten Flucht allen anderen Personen aus dem Weg zu gehen. Stattdessen rammte er einige der Passanten, die ihm unliebsame Flüche hinterher schickten und wild mit den Armen fuchtelten. Nach einigen Minuten spürte der Junge wie seine Kräfte nachließen. Seine Lunge brannte wie Feuer, seine Beine fühlten sich taub an und selbst seine Füße brannten auf dem kalten Felsen. Nun schaute er rasch von einer Seite auf die andere und erkannte im Augenwinkel einen kleinen, verlassenen Händlerstand, der abseits der anderen seinen Platz einnahm. Zum ersten Mal blickte der junge Halbdrow auch über die Schultern und konnte erkennen, dass ihm niemand folgte, der Drowsoldat war verschwunden. Erleichtert hielt er an, seufzte auf und lief hinüber zu dem verlassen wirkenden Stand auf dem seltsam aussehende Pflanzen aller Art und Form feilgeboten wurden. Sein Atem kam stoßweise und sein Herz klopfte wild. Shar achtete jedoch nicht darauf, sondern suchte jetzt ein Versteck um sich anschließend kurz auszuruhen. Der Junge konnte kein Lebewesen ausmachen und das war ihm gerade recht. So schlüpfte Shar auf den Knien unter den aufgestellten Wagen, krümmte sich zusammen und zog seine Knie fast bis zum Hals. Er hoffte, dass dieser Unterschlupf vor den Blicken anderer verborgen blieb. Zusammengekauert atmete er tief ein und aus und konnte fühlen wie mit jedem Atemzug das Brennen in seiner Brust nachließ. Selbst seinen kleinen, dünnen Beinen ging es augenblicklich besser.
Zur gleichen Zeit beobachtete der Drowhändler Durdyb - Besitzer jenes Standes - in nur einigen Meter Entfernung, wie eine verhüllte Kreatur sich unter seinen Warenstand zwängte und dort verharrte. Na warte, du Dieb, spornte sich der Händler an. Er ärgerte sich über diesen unliebsamen Zwischenfall, war er doch gerade nur eine Minute verschwunden und bei seinem Wiederkommen fielen die Halunken wie Ungeziefer über ihn her. Durdyb schlich sich leise an seinen Stand heran, blieb dann bedrohlich wirkend davor stehen und ließ den angeblichen Dieb nicht aus den Augen.
Shar bemerkte den Drowhändler erst als es bereits zu spät war. Durdyb riss ihn mit voller Wucht an dem Umhang aus seinem Versteck hervor und baute sich gefährlich vor dem Jungen auf, der nun hilflos auf dem Felsboden lag. Der junge Halbdrow riss vor Schreck seine tiefblauen Augen weit auf. Eben noch erleichtert über seine geglückte Flucht vor dem Soldaten und glücklich ein so gutes Versteck gefunden zu haben, blieb Shar erneut das Herz vor Angst stehen.
„Mit dir mache ich kurzen Prozess, du Dieb“, platzte der Drow voller Böswilligkeit heraus und beugte sich nach unten, um dem Langfinger die tief ins Gesicht gezogene Kapuze vom Kopf zu ziehen.
„Ich bin kein Dieb“, rief Shar im gleichen Augenblick in Panik dem Dunkelelfen entgegen und versuchte sich so zu verteidigen.
„Das sagen alle“, antwortete der Händler erbost über diese billige Ausrede. Doch gleich im nächsten Moment hielt er inne, als er das Gesicht des jungen Halbdrow genauer sah. Dann erkannte er das Sklavenhalsband und war überrascht. Ein Sklave der stiehlt und anscheinend einen Herrn hatte - dem Alter des Halsbandes nach zu urteilen noch nicht lange, denn die Schweißnaht wirkte frisch - das konnte nicht sein. Des Weiteren fiel Durdyb noch etwas anderes auf, das Alter des jungen Halbdrow. Der Händler genoss in Bruchteil von Sekunden plötzlich das blutjunge Aussehen des vermeintlichen Diebes und die tiefblauen Augen, die ihn flehend durch ein mit Dreck verschmiertes Gesicht anstarrten. Das Brandzeichen auf dem Arm bemerkte er dabei nicht, er hatte nur noch ein Interesse und vergaß alles andere um sich herum.
„Du bist also kein Dieb … schön, schön … wer bist du dann?“, säuselte der Drowhändler mit einem Mal seinem Gegenüber zu und wirkte viel zu freundlich.
„Ich bin Shar“, verkündete der Junge mit einem plötzlich aufkommenden Stolz, dass der Fremde ihm zuhörte anstatt ihn zu schlagen.
„Interessant“, kam die knappe Antwort von Durdyb und beäugte den Jungen jetzt eingehender. Dieser Kleine war schmutzig aber dennoch hübsch, ging ihm durch den Kopf und aller Ärger schien vergessen. Wen interessierte es schon, wer dieser Halbdrow war, nur ein Sklave der zurzeit ohne seinen Herrn hier weilte. Einzig und allein das entzückende Alter und das knabenhafte Aussehen zählten nun für ihn und die Gedanken des Händlers wirbelten anregend durcheinander.
„Guldor, komm her“, rief Durdyb plötzlich ungeduldig über seine Schultern.
Ein junger Drow kam nur wenige Augenblicke später um eine Häuserecke angeschlurft und blieb vor dem älteren Dunkelelfen stehen.
„Du passt mir jetzt auf den Stand auf, ich bin für kurze Zeit beschäftigt“, gab Durdyb die Anweisung an seinen Gehilfen weiter.
Dieser nickte lediglich und machte nicht einmal Anstalten, sich den immer noch auf dem Boden liegenden Shar, eines Blickes zu würdigen.
Der männliche Dunkelelf zog den Jungen auf die Füße, packte ihn unsanft an den Händen und schleifte ihn gleich danach hinter sich her.
„Aber ich muss zu meinem Herrn …“, stammelte Shar, der erschrocken feststellte, dass der Fremde ihn kräftig an beiden Händen mit sich zerrte und zwar in die falsche Richtung.
„Nichts aber, du kommst mit und dann werden wir schon sehen“, fauchte Durdyb und zog Shar weiter hinter sich her, bis sie nur einige Meter weiter in einer kleinen Kammer verschwanden.
Jetzt hatte der Junge wirklich Heidenangst. Noch niemals zuvor war er in solch eine Situation geraten und der ältere Dunkelelf gefiel ihm überhaupt nicht. Draußen hatte er ihn mit einem seltsamen Blick angeschaut, der dem Jungen noch mehr Angst einjagte. Wenigstens hatte er ihn nicht geschlagen und mit diesem Gedanken versuchte sich Shar selbst zu beruhigen. Doch nicht genug. Als er mit dem Händler in einem kleinen, dunklen Raum eintrat raste sein Herz schneller und schlug ihm bis zum Hals. Er wusste sofort, dass er hier nicht bleiben konnte, er hatte auf dem schnellsten Wege zu Nhaundar zurück zu kehren.
„Ich muss zu meinem Herrn“, flehte der junge Halbdrow erneut mit zittriger Stimme.
„Bist du jetzt ruhig“, schnauzte ihn der Drow ungehalten an. „Dein Pack weiß nie wann es zu schweigen hat.“
Daraufhin holte Durdyb mit der Hand aus und verpasste Shar eine schallende Ohrfeige. Ohne eine weitere Reaktion abzuwarten drückte er den dürren Körper des Jungen zu Boden und sank ebenfalls nach unten. Mit einem Bein nahm er Schwung und hielt den jungen Halbdrow mit beiden Knien fest in seinem Griff.
Shar war im ersten Moment überrascht doch nicht verwundert, dass er geschlagen wurde. Seine Wange brannte erneut. Dann lag er mit dem Rücken auf dem Boden und wurde, wie noch niemals zuvor in seinem Leben, von dem schwereren Dunkelelfen mit beiden Beinen auf den harten Felsboden gedrückt. Das gefiel dem Jungen gar nicht und die Panik drohte ihn zu übermannen. Als Shar kurz darauf die funkelnden Augen sah, die ihn mit einem unheilvollen Blick anstarrten, da war ihm klar, dass das nichts Normales zu sein schien. Ein kalter Schauer nach dem anderen jagte über seinen Rücken und Hilfe suchend quiekte er, „Ich muss zu meinem Herrn.“
Doch der Drowhändler schien nichts zu hören oder hören zu wollen. Stattdessen ergriff er die hageren Handgelenke Shars, bog sie nach hinten und drückte diese ebenfalls fest auf den Boden. So konnte sich der junge Halbdrow nicht mehr rühren. Shar fühlte sich so elend in seiner Haut, wie niemals zuvor. Er wusste nicht was der Dunkelelf von ihm wollte, aber es war nichts Gutes. Als sich der Kopf des Händlers jetzt direkt über seinen befand, spürte Shar plötzlich, wie sich dessen Mund auf seinen drückte. Ohne Vorwarnung fühlte der Junge gleich danach wie der Drow seine Zunge nach vorne schob und so gewaltsam die Lippen von Shar öffnete. Dann berührte der Mann über ihm seine Zunge und der junge Halbdrow hätte am liebsten geschrieen. Er verstand nicht was mit ihm geschah. Nur eines wusste Shar, er wollte, dass der Dunkelelf über ihn sofort aufhören sollte.
Guldor, der junge Gehilfe des Drowhändlers hörte ganz nebenbei, wie unterdrücktes Gequieke, Stöhnen, Seufzen und Würgen aus der nicht weit entfernten Kammer nach Draußen hallte und freute sich für sich selbst, dass er heute wohl verschont geblieben war.
Nach über einer halben Stunde kam Durdyb mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck zurück zu seinem Warenstand. Im Schlepptau hielt er Shar an den Haaren. Der wollende Umhang wies jetzt mehr Risse auf, die Kapuze war achtlos über seinen Kopf gezogen worden und die Hose, die der Junge getragen hatte, war ebenfalls an einigen Stellen weiter zerrissen und wirkte erbärmlicher als zuvor.
„Los hau ab, bevor ich mir das anders überlege“, knurrte der Händler Shar an und stieß ihn unsanft auf die Straße, weg von seinem Geschäft und somit auch aus seinen Augen. Dann trat er nach dem Jungen und wand sich ab und kümmerte sich um andere Dinge.
Shar lag einen kurzen Moment noch wie benommen einfach nur da und hörte die Worte kaum, die ihn verjagten. Erst ein Tritt, der ihn an der Schulter traf und augenblicklich anfing zu schmerzen, holte den Jungen zurück in die Wirklichkeit. Seine Lippen taten ebenfalls weh und bluteten leicht. Sein Mund hatte einen schalen Geschmack und seine Kehle schien wie ausgetrocknet. Er wollte gerne einen Schluck Wasser, um den Mund auszuspülen, den der Dunkelelf ihm auf so quälende Weise aufgerissen hatte und ihm daraufhin beständig etwas aufs Neue hinein geschoben hatte. Das Shar zum Oralverkehr gezwungen wurde wusste er nicht. Der Junge spürte jeden Knochen, als sein Körper durch das schwere Gewicht des Händlers auf den harten Boden gedrückt wurde und etwas geschah, dass Shar nicht gekannt hatte und niemals wieder erleben wollte.
Als Durdyb aus den Augenwinkeln beobachtete, dass der junge Halbdrow immer noch dort lag, wurde er wütend. „Mach’ das du weg kommst, Ungeziefer“, und kam dem Jungen wieder gefährlich nahe, um ihn zu verjagen.
Wieder ertönte die bösartige Stimme des Dunkelelfen und erst jetzt wusste Shar, dass er auf dem schnellsten Wege von hier fliehen musste. Unter Schmerzen erhob sich der Junge, zog dabei seinen Umhang dicht um seinen gepeinigten Leib und versuchte so schnell es ihm möglich war die Straße zurück zu seinem Herrn zu eilen. Nach vielen Minuten, die dem Jungen wie Stunden vorkamen, stand er vor dem eisernen Tor zum Anwesen von Nhaundar Xarann. Eine Wache die Dienst hatte erkannte den Halbdrow und ließ ihn herein. Erst als Shar sicher hinter den Mauern des Innenhofes war, stolperte er und fiel geradewegs auf die Knie.
Yazston hatte das Ganze von einem Fenster in den Privatgemächern seines Herrn beobachtete und konnte sehen, dass etwas nicht stimmte. Flink berichtete er Nhaundar und beide wurden augenblicklich nervös. Ein Soldat des Hauses schleifte Shar rasch nach oben und nur wenige Minuten später lag ein ängstlicher Halbdrow vor den Füßen Nhaundars.
„Sklave, was ist passiert?“, brüllte Nhaundar bösartig, da er davon ausging, dass Shar seine Aufgabe nicht erfüllt hatte und wohl seinem Widersacher in die Hände gefallen war. Dabei unterstrich er seine Frage mit einem Fußtritt, der direkt in den Magen des Jungen zielte.
Erschrocken, gleichzeitig verwirrt und ängstlich krümmte sich der dürre Körper des Halbelfen zusammen. Dabei entwisch dem Jungen ein leises Stöhnen.
„Wird es bald oder soll ich es dir aus der Nase ziehen, du Abschaum“, kochte nun Nhaundar, der es nicht erwarten konnte, welche Antwort er erhalten würde.
Von weiter hinten in dem großen Raum hörte man jemanden erschrocken einatmen und ein Kettenrasseln durchdrang die unheimliche Stille, die sich plötzlich über alle Anwesenden gelegt hatte. Es war Handir, der wie sooft zuvor mit einer Kette an der Wand festgemacht war und nun versuchte, sich loszureißen, um zu seinem Sohn zu eilen. Er wusste nicht was dies alles zu bedeuten hatte, aber sein Kind schien in Gefahr zu schweben. Nhaundar bemerkte es und drehte sich herum.
„Wer wird denn?“, meinte er launig, denn den Elfen hatte er über die Rückkehr des Halbdrow ganz vergessen. Dann wurde sich der Sklavenhändler bewusst, dass es sich ja um den Sohn des Mondelfen handelte und überlegte, wie er seinen Lustsklaven dazu bringen könnte einen Fehler zu begehen und er ihn dafür bestrafen konnte. Er musste seinem Ärger Luft machen und am besten an beiden, wenn er zusätzlich gereizt werden würde.
„Dein Sohn hat versagt, mein Hübscher“, säuselte der Sklavenhändler zuerst, wandte sich im gleichen Moment Shar zu und brüllte los, „Missgeburt, was ist passiert?“
Shar, der sich mittlerweile etwas gefasst hatte, lugte unter der Kapuze hervor und erkannte seinen Vater, der wie wild an der Kette riss und zu ihm herüber eilen wollte. Der Anblick hinterließ einen seltsamen Stich im Bauch des Jungen. Das Grausen kehrte in seine Glieder zurück, er fing an zu zittern und der ungebändigte Zorn seines Herrn verstärkte nur noch die Furcht des Halbdrow. Zu einem hatte er Angst vor seinem Herrn, der wütend war und auf der anderen Seite konnte sein Vater mit ansehen, dass sein eigener Sohn schwach war. Shar schämte sich jäh vor Handir und der Junge schien der Überzeugung, so niemals ein Kämpfer zu werden. Das und viele weitere Gedanken wirbelten mit einem Mal durch Shars Kopf bis er endlich den Mut fand zu antworten.
„Mein Herr …“, erhob der junge Halbdrow seine Stimme und war doch nichts weiter als ein heiseres Flüstern.
„Lauter!“, schrie Nhaundar den Befehl.
„Ich … ich habe es geschafft, mein Herr …“, erklärte Shar nun und schluckte einmal, bis er weiter sprechen konnte, „… ich habe eure Botschaft übergeben und bin dann gleich wieder zu euch zurückgekommen.“
Diese Worte überraschten alle Anwesenden im Raum. Vor allem Handir, der von alledem keine Ahnung hatte. Er war auf dem Glauben gewesen, dass sein Sohn sich irgendwo auf dem Anwesen aufhielt, als er vor nicht weniger als einer halben Stunde mit einem adligen Freier zurückkehrte. Doch was hatte es mit der Botschaft auf sich und wieso sah Shar aus, als wäre ihm etwas widerfahren, das so nicht geplant gewesen war. Die Wut nagte an den Nerven des Mondelfen.
„Ist das so?“, säuselte Nhaundar plötzlich wieder freundlich und beäugte aufmerksam das äußere Erscheinungsbild des Halbdrow, das nicht zu den Worten zu passen schien. Er riss in einer abrupten Bewegung mit der Hand den Umhang von Shars dünnem Körper und staunte nicht schlecht, als er einige blaue Flecken und die blutig aufgerissene Lippe sah.
„Und was ist passiert?“, wollte jetzt der Sklavenhändler weiter wissen.
Erneut schluckte Shar und wusste im ersten Moment nicht, wie er erklären sollte was vorgefallen war, dann seufzte er kurz auf und blickte in Richtung seines Vaters. Dieser zerrte immer noch ungehalten an der Kette, aber keiner im Zimmer schenkte ihm Aufmerksamkeit, nur sein Sohn. Die Augen beider trafen sich und Handir hätte am liebsten aufgeschrieen, als er erkannte, dass etwas passiert war, wozu sein Sohn noch viel zu jung war.
„Na wird es bald du Abschaum oder soll ich es aus dir herausprügeln“, brüllte Nhaundar boshaft und trat dabei einen Schritt näher auf Shar zu. Am liebsten hätte er im gleichen Moment seinen Worten die Taten folgen lassen, aber da waren sie wieder, die tiefblauen Augen, die ihn so unschuldig anschauten. Was ist nur mit dir los, scholl sich Nhaundar stumm, das hier ist nur ein lächerlicher Sklave. Doch die Augen zogen ihn magisch an, etwas war an ihnen, dass dem Sklavenhändler schon fast die Fassung nahm. Er spürte plötzlich ein Verlangen, dass er schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Es war Lust, eine unbeschreibliche Regung auf etwas Neues. Verwirrt schüttelte er den Kopf und riss sich von dem Anblick los.
„Antworte, Sklave“, schrie er jetzt seinen Frust von der Seele.
Shar zuckte kurz zusammen, schaute ein letztes Mal zu Handir hinüber, der zustimmend nickte, denn auch er war neugierig geworden.
„Mein Herr …“, begann Shar zu erzählen und schilderte jedes kleinste Detail, nachdem er die Botschaft abgeliefert hatte, bis er zu der Stelle kam, als der Drowhändler ihn in die kleine Kammer schleifte. „… Dann hat er mir den Mund auf meinen gedrückt und die Zunge hinein geschoben …“, und Shar musste eine kurze Pause machen und verzog leicht angewidert sein Gesicht. Alleine schon der Gedanke daran erfüllte ihn mit einem quälenden Schmerz.
„Und was dann?“, fragte Nhaundar ruhig und nun neugieriger.
„… Er hat sich nackt gemacht und meinen Kopf gehalten“, berichtete der Junge und seufzte, als er daran zurückdachte und ein erneuter kalter Schauer jagte über seinen Rücken.
Nhaundar und Handir überlegten einen kurzen Augenblick, bis ihnen beiden im gleichen Moment klar wurde, dass der Drow Shar genötigt hatte, ihn zwang mit dem Mund zu befriedigen.
Während Handir mit weit aufgerissenen Augen seinen Sohn bedachte und erst einmal diese Nachricht verdauen musste, wurde Nhaundar wiederholt wütend. Doch diesmal aus einem ganz anderen Grund. Dieser schmierige Drow von einem Händler, dachte er sich, vergreift sich einfach an meinem Eigentum und zahlt nicht dafür. Doch halt, vielleicht gibt es eine Möglichkeit die Bezahlung einzufordern. So blickte der Sklavenhändler erneut zu Shar hinunter, der immer noch vor ihm kniete und fragte im höflichsten Tonfall, der ihm gelang. „Welcher Händler war das? Mit welchen Waren hat er gehandelt?“
Der Junge verstand nicht recht, doch dann entsann er sich, dass es sich um die seltsamsten Pflanzen gehandelt hatte, die er je zu Gesicht bekam. Noch während er nachdachte, kam Shar selbst eine Idee. Vielleicht sollte er auch einmal mit Glück gesegnet sein. Wenn sein Herr den Zorn an dem Fremden ausließ, dann würde dieser für seine Qual die gerechte Strafe bekommen.
„Es waren Pflanzen, mein Herr. Komische Pflanzen am ganzen Stand“, berichtete Shar wahrheitsgemäß und war sogar in seiner ganzen Naivität stolz darauf, sich diese wichtige Tatsache im Hinterkopf behalten zu haben.
„Yazston?“, erklang daraufhin die fragende Stimme Nhaundars.
„Durdyb, ich werde ihn holen“, antwortete der Drowsoldat und die weiteren unausgesprochenen Worte hangen noch einige Minuten im Raum.
Yazston freute sich zwar innerlich über die Schmach des Halbdrow, doch wenn es um die Brutalität gegenüber anderen und sich um dessen Hilflosigkeit handelte, dann überwog diese Tatsache eindeutig. Mit einem Nicken wurde das Wollen von Yazston bestätigt, der kurz darauf aus dem Raum rauschte.
Handir rang innerlich immer noch mit seiner Fassung über die unerwarteten Neuigkeiten über seinen Sohn. Nicht nur die angedeutete Vergewaltigung eines widerlichen Dunkelelfen, sondern auch die Bestrafung von Shar vor seinen Augen schmerzte ihn sehr. Er wollte helfen und konnte es dennoch nicht. Die Schmach saß tief und er wusste, dass Nhaundar gefährlich war. Mit dieser Erkenntnis seufzte Handir und ahnte ebenfalls, was die beiden vorhatten und zum ersten Mal in seinem Leben stimmte er dem skrupellosen Sklavenhändler zu. Ein Exempel sollte statuiert werden, doch leider anderes, als sich der Mondelf vorstellte. Shar schien der Einzige in dem Raum, der noch keine Ahnung hatte.
Während Yazston sich auf dem Weg zu dem Drowhändler Durdyb machte, verbrachte Shar die Zeit des Wartens ungewohnter Weise in den Privatgemächern seines Herrn. Nhaundar ließ den Jungen an Ort und Stelle knien und schlenderte hinüber zu Handir. Er war wütend auf Durdyb, der sich einfach an seinem Eigentum vergriffen hatte und gleichzeitig wollte er den Zorn an dem Elfen auslassen. Er dachte darüber nach, wie er die Demütigung Handirs steigern könnte, da erschienen ihm im Geist abermals diese tiefblauen Augen des Halbdrow. Nhaundar schimpfte sich stumm und fragte sich dabei, was nur mit ihm geschah. Doch da waren sie wieder diese Augen, sie leuchteten hell und klar und voller Unschuld. Dann sah er das Blau von Handir und erkannte, dass sich beide ähnelten, mit einem gravierenden Unterschied. Die Augen des Mondelfen wirkten abgestumpft, alt und verbraucht und dabei war er nur vier Jahrhunderte alt. Das einstige Feuer der Wut und des Hasses gegenüber Nhaundar und Iymril war aus ihnen gewichen. Genau das, was den Sklavenhändler an Handir in all den Jahren so angezogen hatte. Selbst der Zorn auf Durdyb, der seinen Sohn genötigt hatte, brachte die Intensität des Aufbegehrens nicht zurück. Enttäuscht, jedoch gleichzeitig auch froh, den kleinen Unterschied durch Zufall entdeckt zu haben, wandte Nhaundar seine ganze Aufmerksamkeit Handir zu. Der Drow lief einmal um den Elfen herum und musterte den muskulösen Körper intensiv. Dann blieb er neben ihm stehen und streichelte verträumt das schwarze Haar des Mondelfen, während seine andere Hand über den starken Rücken strich.
„Vielleicht wird eines Tages dein Sohn deinen Platz einnehmen“, flüsterte Nhaundar plötzlich dem knienden Handir ins Ohr und dabei huschte ein heiteres Lächeln über sein Gesicht.
Handir, der jedes Wort mit Schrecken hörte, verkrampfte sich und wollte gerade etwas erwidern, da zog der Sklavenhändler grob an dessen langen Haaren, als er die angespannte Reaktion bemerkte.
„Nicht doch vor deinem Sohn, mein Hübscher. Was soll er nur von seinem Vater denken, wenn ich ihm Schmerzen bereite“, säuselte Nhaundar und leckte mit seiner Zunge über die ihm entgegen gestreckte Wange des Mondelfen.
„Niemals“, antwortete ihm Handir mit zusammen gebissenen Zähnen, „Nicht solange ich lebe.“
„Man sollte mit seinen Wünschen vorsichtig sein, sie könnten schnell in Erfüllung gehen, mein Hübscher“, kam die kalte Antwort des Sklavenhändlers und er zog den Kopf heftig zurück in den Nacken.
Diese Drohung verfehlte in keiner Weise ihre Wirkung. Handirs Herz raste vor Schrecken und Angst und am liebsten hätte er sich auf Nhaundar gestürzt. Doch nur eines hielt ihn momentan noch zurück, sein Sohn. In den Augenwinkeln konnte der Mondelf erkennen, dass Shar immer noch vorne übergebeugt auf den Knien saß und zum Glück für Handir, nichts von den Worten und Reaktionen mitbekam, die er und der Drow aus stritten. Der Junge sollte nicht wissen, dass ihn sein Vater kaum beschützen konnte und er in Gefahr schwebte, solange zumindest nicht, wenn es sich vermeiden ließ.
Der Sklavenhändler erfreute sich in der Zeit des Wartens an seinem Lustsklaven, in dem er ihn demütigend immer wieder vor den Augen seines Sohnes streichelte, leckte und selbst vor dem Schritt nicht halt machte. Die Entwürdigung wurde dadurch perfekt, gratulierte sich Nhaundar dabei selbst und sein Ärger schien zu verrauchen.
Die Zeit verstrich schnell und nur wenig später stand Shar mit Nhaundar, Yazston zusammen vor Durdyb im großen Innenhof des Anwesens Xarann. Handir beobachtete ängstlich und neugierig die Szene vom Fenster und hoffte auf einen guten Ausgang. Die Drohung Nhaundars hatte ihre Wirkung nicht verfehlt und der Elf bangte mehr dann je um das Leben seines Sohnes. Das Eigene zählte in jenem Augenblick nicht mehr, nicht solange er die Zukunft von Shar kannte. Mit Schrecken und Tränen in den Augen versuchte Handir sich bei Chalithra zu entschuldigen und wünschte sich die Freiheit für den Jungen, der das Schicksal eines Sklaven tagtäglich lebte. Einst aus Liebe geboren wurde er hier in Hass erzogen und dabei war seine Seele die reine Unschuld. Die Qual, dass sein Sohn nun endgültig ein Sklavenhalsband und das Brandzeichen Nhaundars trug, brachte Handir einen tiefen Stich in seinem Herzen ein. Er beschimpfte sich selbst als Schwächling und feige obendrein und damit bestrafte sich der Mondelf selbst, dass er sich nicht in der Lage sah, etwas an der Situation zu ändern. Handir beobachtete weiter und betete währenddessen zu Vhaeraun und Corellon gleichermaßen. Er musste einfach erhört werden.
„Ist das der Händler, Sklave?“, fragte der Sklavenhändler zur gleichen Zeit milde, wobei er genau auf die Reaktion des Drowhändlers achtete, der mit einer blutigen Lippe vor ihm stand und wütend den Dunkelelfen vor sich anfunkelte.
„Ja, mein Herr“, piepste Shar und freute sich innerlich, dass der Drow, der ihm erst vor einiger Zeit selbst Leid zugefügt hatte, nun blutete. Jetzt wird es dir mein Herr schon zeigen, sagte sich der Junge und freute sich innerlich auf die Bestrafung des anderen.
„Ich verlange das Geld dafür, dass ihr mein Eigentum ohne mein Wissen angerührt habt“, verlangte Nhaundar mit ruhiger Stimme, konnte sich dabei jedoch ein hinterhältiges Grinsen nicht verkneifen. „Ihr könnt von Glück reden, dass ihr meiner Habe nicht mehr angetan habt, dass hätte euch vermutlich den Kopf gekostet.“
Durdyb, der über diese Worte offensichtlich überrascht schien, war gleichzeitig auch dankbar, so einfach mit dem Leben davon gekommen zu sein oder steckte hinter den Worten des Sklavenhändlers mehr als es den Anschein erweckte. Wenn er von vorne herein gewusst hätte, wer der Herr und Meister dieses wertlosen Halbdrow gewesen wäre, vielleicht wäre er niemals auf die Idee gekommen sich von dem Jungen befriedigen zu lassen. Nun war es nicht mehr rückgängig zu machen und er stand hier und schien nervös auf das was nun kommen sollte.
„Verzeiht mir Nhaundar, aber hätte ich es gewusst …“, verteidigte sich Durdyb mit schleimiger Stimme.
„Ach, aus eurem Mund höre ich nur Lügen, so wie ihr und all die anderen es stets zu tun pflegt“, unterbrach ihn verärgert der Sklavenhändler über den so offen daliegende Gegenschlag des Dunkelelfen, sein wertloses Leben nicht auf schnelle Art und Weise zu verlieren.
„Bezahlt mir eure Schulden und ihr habt heute euren Glückstag“, strahlte Nhaundar plötzlich, als ihm bewusst wurde, dass er eindeutig in der besseren Position stand und ohne etwas zu tun seinen Geldbeutel aufstocken konnte.
„Ihr knöpft mir den letzten Rest meines wohlverdienten Lohnes ab, Nhaundar? Es ist doch nur …“, versuchte sich Durdyb ein letztes Mal aus der Affäre zu ziehen, obwohl das Risiko hoch war, dass der Sklavenhändler anderes reagieren könnte, als beabsichtigt. Nhaundar war bekannt für seine Launen, die sich gerne von einer auf andere Minute änderten. Aber genauso wusste jeder, dass ein voller Geldbeutel für Nhaundar an erster Stelle stand, wie auch bei Durdyb. Beide kannten sich schon länger und so wussten sie auch, wie weit sie gehen konnten. Nur eines würde der Händler nicht so schnell vergessen, das grobe Verhalten von Yazston, der ihn hier her schleifte und ihn vor vielen Konkurrenten lächerlich machte.
„… mein Eigentum“, beendete Nhaundar nun den Satz für Durdyb und riss diesen damit aus seinen Gedanken. „Also, wird es bald oder ich überlege es mir noch anderes.“
Shar stand plötzlich wie ein Häuflein Elend im Innenhof und hörte das Gespräch zwischen seinem Herrn und dem Händler mit Entsetzen an. Er verstand nicht, wieso dieser Drow nicht die gerechte Strafe für das bekam, was er ihm angetan hatte. Doch stattdessen verlangte Nhaundar, dass der der Dunkelelf Geld bezahlen sollte. Shar ärgerte es mehr, als er zugeben wollte, dass er zum Schluss wieder als Wertlos bezeichnet wurde. Vater, dachte Shar, wieso kann ich nicht das sein, was du bist. Doch der Junge, in seiner ganzen freien Naivität, bedachte nicht, was es hieß, bei dem Sklavenhändler ein Lustsklave zu sein, aber die Zeit würde kommen, irgendwann vielleicht.
Als sich Nhaundar und Durdyb geeinigt hatten und dieser dem Sklavenhändler einen vollen Beutel Gold überreichte, verabschiedeten sie sich und jeder ging seines Weges.
Von diesem Moment an veränderte sich Shars Leben allmählich. Er wurde offiziell der Botenjunge für Nhaundar und auch für dessen Soldaten, während er weiterhin für die niedrigsten Arbeiten eingeteilt wurde. Von Früh bis Spät arbeitete er und musste seine Aufgaben liegen lassen, wenn es sich um eine wichtige Nachricht handelte, nur um bis spät in die Nacht die liegen gelassen Aufgaben zu erfüllen. Todmüde fiel er in traumlosen Schlaf, um am nächsten Tag von neuem zu beginnen. Ganz zum Verdruss der anderen Sklaven. Sie ärgerten sich, dass der immer so wertloses Halbdrow plötzlich im Ansehen des Herrn stieg, während sie immer wieder den gleichen Tätigkeiten nachgingen, ob gut oder schlecht. Eifersucht machte sich breit und zeichnete sich von Jahr zu Jahr deutlicher ab. Sie schikanierten Shar nun ebenfalls und nicht nur Yazston und die Soldaten gaben ihm jetzt Fußtritte, Ohrfeigen, Kopfnüsse, von den Beschimpfungen ganz abgesehen, die tagtäglich auf den Jungen nieder prasselten. Shar verstand nicht, wieso die anderen ihm plötzlich so ein seltsames Verhalten entgegen brachten. Dazu kam, dass er Handir kaum noch sah und diese Tatsache machte ihn in den dunklen Stunden der Nacht traurig. Oft weinte er lautlos vor sich hin und wünschte, er könnte wieder Geschichten erzählt bekommen, aber auch das war nicht mehr der Fall.
Nach fast drei Jahren, in denen sich alles wieder in Normalität verlief, hörte Shar eines Tages eine laute Stimme die nach ihm rief. Allerdings handelte es sich nicht um Yazston, der ihn abermals zu einem Botengang herbestellte, sondern um seinen Herrn Nhaundar persönlich. Doch das konnte nicht sein, das war seit dem damaligen Ereignis niemals mehr geschehen. So ging Shar erneut an seine Arbeit, als hätte er nichts gehört und wischte weiter die Treppe. Da hörte er wieder den Ruf und von weitem erkannte er jäh seinen Herrn Nhaundar, der am oberen Treppenabsatz stand und ungeduldig wartete.
„Sklave, hör’ auf damit, ich habe eine wichtige Botschaft“, drängelte der Sklavenhändler.
Shar war überrascht und hielt augenblicklich in seiner Tätigkeit inne, blieb aber respektvoll auf den Knie sitzen, um niemanden zu verärgern, schon gar nicht seinen Herrn.
„Sklave, komm endlich“, herrschte ihn Nhaundar nun mit wütender Stimme an und bedeutete ihm mit einer schnellen Geste sich zu erheben und zu folgen.
Gesagt getan und Shar raffte sich auf und eilte hinterher, hinein in die Privatgemächern des Sklavenhändlers. Dort war der Junge freudig überrascht Handir zu sehen, der jedoch wie stets angekettet im hinteren Teil des Zimmers saß. Schon viel zu viele Tage lagen zwischen ihrem letzten Wiedersehen, das auch nur kurz im Innenhof stattfand, als Handir gerade mit einem Drow durch das Eisentor in den Straßen von Menzoberranzan verschwand. Auch der Elf freute sich seinen Sohn nach vielen Zehntagen wieder zu Gesicht zu bekommen. Beide tauschten heimlich ein Lächeln aus bevor sich Shar ganz seinem Herrn zuwandte, der ihm gerade erklärte, worin seine Aufgabe bestand. Eine leichte Tätigkeit, wie der junge Halbdrow hörte, der daraufhin eilig die Nachricht entgegen nahm und seinen Botengang erledigte.
Zwei Stunden später stand Shar wieder vor Nhaundar und konnte verkünden, dass alles ohne Probleme verlaufen war. Der Sklavenhändler freute sich über seinen Laufburschen und zum ersten Mal seit langem beobachtete er den Jungen genauer. Shar stand vor ihm, den Kopf wie immer zu Boden gerichtet, seine langen, ungekämmten Haare umspielten die hageren Gesichtszüge des Halbdrow, während ein alter, abgetragener Wollmantel und eine noch ältere Hose den Rest des dürren Körpers bedeckte. Er wirkte auf diese Art so unscheinbar und unwichtig und Nhaundar war von sich selbst überrascht, dass ihm diese Tatsache erst jetzt auffiel. Doch durch das Abgemagerte ähnelte er seinem Vater gar nicht, der muskulöse Körperbau des Kriegers fehlte gänzlich und der Sklavenhändler legte seine Stirn in Falter und dachte angestrengt nach was Vater und Sohn verband. Ab und zu wandte Nhaundar kurz seinen Blick hinüber zu Handir, der still und leise auf dem Boden kauerte und heimlich die Szene zwischen Shar und dem Sklavenhändler beobachtete und anschließend nahm er den Halbdrow wieder ins Visier. Nhaundar richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Jungen und musterte ihn eingehend. Der Junge schaute grausam aus, dreckig und verschmutzt. Ob er darunter auch so eine Schönheit wie sein Vater ist, sann der Drow plötzlich nach und erschrak ein wenig über diesen Gedanken. Dann erinnerte er sich an die tiefblauen Augen, die ihn einst so unschuldig anschauten. Vor seinem inneren Auge spielte sich diese Szene noch einmal ab und er konnte spüren, wie ihn wieder diese unbekannte Lust übermannte. Shar versprühte etwas, das den älteren Drow auf magische Weise anzog. Er ist zu jung, mahnte sich Nhaundar, viel zu jung, dünn und dreckig.
Lange sann der Drow noch darüber nach, während Handir bei jeder weiteren Minute in Sorge um seinen Sohn lebte und Shar im Gegenzug ebenfalls nervös wurde. Ab und zu blickte er hinüber zu Handir, der ihn mit einem Lächeln zu verstehen gab, dass er ruhig bleiben sollte. Mehr konnte der Elf nicht tun, auch wenn ihm der Sinn nach mehr stand. Aber das Leben seines Sohnes würde er nicht riskieren und selbst suchte er Trost in den Erinnerungen an Chalithra.
Nach kurzer Zeit von quälenden Selbstzweifeln und eines unbekannten Gefühls der absoluten Lust kehrten Nhaundars Gedanken zurück in die Wirklichkeit und nach des Rätsels Lösung. Mit lauter Stimme rief er nach zwei Dunkelelfensklaven und wies sie an, dass der Halbdrow zu baden und zu kämmen sei. Anschließend sollte er wieder hier her gebracht werden. Während einer der Sklaven mit dem verdutzt dreinblickenden Shar bereits auf dem Gang verschwand, gab er dem anderen eine weitere, geflüsterte Anweisung, so dass diese vor den Ohren Handirs verheimlicht wurde.
Handir spürte die Wut in sich aufsteigen. Er war genauso überrascht wie Shar, als Nhaundar diese unerwartete Anweisung gegeben hatte und wollte sich gar nicht vorstellen, was er damit bezweckte. Nur eines schien dem Elfen klar, es konnte in jedem Fall nichts Gutes heißen. Und als hätte der Drow die Gedanken seines Liebessklaven gelesen, schritt er nun bedächtig hinüber und wollte die Zeit sinnvoll nutzen, sich an dem muskulösen Körper des Mondelfen zu erfreuen, der heute in seidene Stoffe gehüllt war.
Über eine Stunde brachten die zwei Sklaven damit auf Shar in kaltem Wasser zu schrubben, zu waschen und die halb verflitzten langen, weißen, Haare in Ordnung zu bringen. Heißes Wasser wollten sie nicht verschwenden, nicht für einen Halbdrow. Dabei waren sie keines Wegs sanft und Shar schrie am Anfang vor Schmerzen auf. Das Wasser brannte auf seiner Haut, genau wie es heißes Wasser getan hätte. Durch das heftige Schrubben wurde sie gerötet, während seine Lippen durch die Kälte blau anliefen. Das Badewasser verfärbte sich dunkel und darunter kam ein junger Halbdrow hervor, der plötzlich ansehnlich wirkte. Doch nun konnte man aber auch die Prellungen, blauen Flecken, Schrammen und Narben erkennen, die er in den letzten 23 Jahren zugefügt bekommen hatte.
Shar, der nicht wusste, was das Ganze zu bedeuten hatte, ließ die Prozedur nur widerwillig über sich ergehen, besonders weil er in seinem Leben noch niemals zuvor in einem Badezuber gesessen hatte. Das Einzige, das ihm zum Waschen zur Verfügung stand war stets ein Eimer kaltes Wasser. Als die beiden Sklaven fertig waren, hoben sie ihn grob aus der Wanne und trockneten ihn ab. Erneut wurden seine Haare bearbeitet und er hatte das Gefühl, als würden sie ihm die Kopfhaut abziehen wollen. Nach weiteren Minuten begutachteten sie ihr Werk, der eine gab dem anderen ein Zeichen, sie nickten sich stumm zu und ohne ein Wort schleiften sie ihn zurück in Nhaundars Privatgemächern.
Der Junge wollte gerade protestieren, dass er keine Hose anhatte, da war es auch schon zu spät und er wurde durch die Tür zu seinem Herrn hingeschoben und stand plötzlich im Raum. Die Tür fiel geräuschlos hinter ihm ins Schloss. Er sah seinen Vater und Nhaundar auf dem großen Diwan in der Ecke am Fenster sitzen und beide schienen ziemlich beschäftigt zu sein. Eilig senkte er demütig den Kopf, ganz wie er es gewohnt war und wartete ungeduldig ab. Da wurde Shar sich blitzartig bewusst, dass er nackt war und sein Kopf lief vor dem aufkommenden Schamgefühl plötzlich rot an und er fühlte sich hilflos verloren in diesem Zimmer. Mit seinen Händen versuchte er krampfhaft seine intimste Stelle zu bedecken. Da wohl Nhaundar und Handir sein Herbringen nicht mitbekommen zu haben schienen, blieb ihm nichts anderes übrig, als hier ruhig und still auf der Stelle zu verharren. Aber die Neugier war größer und so blinzelte der Junge aus den Augenwinkeln hinüber. Erschrocken riss er seine tiefblauen Augen weit auf und sah zum ersten Mal, wie sich Nhaundar und Handir näher kamen. Er erinnerte sich mit einem Mal an den Geist des Dunkelelfen und den jungen Sklaven von einst. Es ähnelte der Szene von damals und nun tat sein Herr das Gleiche mit seinem Vater. Aber wie konnte das nur möglich sein, fragte sich Shar und eine nie gekannte Angst durchfuhr den hageren Leib des jungen Halbdrow. Er fing augenblicklich an zu zittern und verstand die Welt nicht mehr. Wie, als wäre ein undurchdringbarer Schleier von seinen Augen genommen worden, wurde ihm die Wahrheit in jenem Moment klar, als sein Herr sich von hinten über Handir beugte und sich beide in einem Rhythmus bewegten, vor- und rückwärts. Er wusste noch nicht was sie da taten und hätte es auch nicht in Worte fassen können, aber es schien nicht gut zu sein. Das Gesicht seines Vaters verzog sich dabei zu einer gequälten Fratze. Dies wiederum erinnerte Shar an sein eignes Erlebnis mit dem damaligen Drowhändler, der den Jungen ebenfalls zu etwas gezwungen hatte, das ihm nicht gefallen und gleichzeitig ein ekelhaftes Gefühl hervorgerufen hatte. Shar wusste, dass es nicht schön sein konnte und die Welt, die sich der junge Halbdrow über Handir und sein Leben zu Recht gelegt hatte, zerplatzte wie eine Seifenblase mit jeder weiteren Sekunde die verstrich. Shar konnte aber nicht anders und beobachtete weiter. Sein Herz raste und sein Bauch erhielt einen Stich. Tränen traten in seine Augen und ein kalter, Angst einflössender Schauer jagte über seinen Rücken. Mit einem kehligen Schrei von Nhaundar wurde Shar aus seinen Gedanken gerissen und instinktiv schaute er hinüber zu Handir und dem Drow und seufzte.
Beide blickten überrascht auf und erkannten den jungen Halbdrow, der nackt am anderen Ende des Zimmers stand und mit geweiteten Augen ungläubig die beiden Männer anstarrte.
Während Handir schluckte, tief Luft holen musste und im gleichen Moment sich am liebsten vor Scham irgendwo anderes befunden hätte, musste Nhaundar bei dieser Überraschung hinterhältig lächeln. Der soeben erlebte Höhepunkt war dadurch nur noch süßer. Er zog sich eilig aus dem Elfen zurück, streifte flink seine dunkle Robe über und stieß Handir unachtsam zur Seite. Dann richtete er sich zur vollen Größe auf und konnte sich denken, dass der Mondelf diese peinliche Situation in keiner Weise genoss. Ganz anders der Drow. Er hatte schon lange auf eine Demütigung Handirs gewartet und jetzt war sie ganz unverhofft eingetreten. Doch was ihn am meisten erfreute war der junge Halbdrow, der nackt im Raum stand und mit seinen tiefblauen Augen eine unschuldige Erschütterung ausstrahlte und wohl nicht wusste, was er denken sollte.
„Mein Hübscher, dein Sohn ist wieder da“, säuselte Nhaundar, als wäre gar nichts vorgefallen, dabei huschte ein dämonisches Lächeln über sein Gesicht.
Er wandte sich seinem Lustsklaven zu und er erkannte wie Handir errötete.
„Aber wer wird denn gleich rot werden, dass ist nur dein Sohn“, reizte der Dunkelelf weiter und schien jedes Wort in sich aufsaugen zu wollen.
„Ich …“, stammelte Handir leise, doch weiter kam er nicht, als ihm vor Scham die Stimme versagte.
„Ja, mein Hübscher, ich höre“, fragte Nhaundar, wohl bewusst über die gebrochene Stimme des Elfen, dann richtete er seine gesamte Aufmerksamkeit dem Halbdrow zu und vergaß Handir.
Der Sklavenhändler lief hinüber zu dem nackten Shar und seine Augen wurden größer, je näher er dem Jungen kam. Obwohl der Körper dünn, fast schon zu mager wirkte - denn man konnte jede einzelne Rippe mit den Augen erkennen und die Beine wirkten wackelig, so als könnten sie das Gewicht des Jungen kaum halten - war das Gesicht um so hübscher. Es wirkte auf eine gewisse Art und Weise attraktiv, auch wenn es ebenfalls wie der Rest des Körpers zu ausgehungert war. Weiße, lange, und diesmal gekämmte Haare umspielten die sanften Gesichtszüge. Da waren sie wieder, die tiefblauen Augen, die Nhaundar so sehr faszinierten. Sie ließen wieder die unschuldige Seele darin erkennen. Doch der Sklavenhändler erschrak ein wenig, als er die Prellungen, blauen Flecke, Schrammen und Narben sah, die sich über den ganzen Körper erstreckten. Das rundete in seinem Kopf nicht im Geringsten das Bild ab, das allmählich Form annahm. Innerlich ärgerte es Nhaundar, dass er doch nicht so perfekt wirkte, wie er sich das vorgestellte hatte. Sein letzter Blick fiel auf die vorne verschränkten Hände, die der Junge schützend vor seinen Schritt hielt. Zuerst wollte der Drow dem Sklaven den Befehl erteilen sie zu entfernen, entschied sich jedoch gleich dagegen. Wieso soll ich mir alles schon vorher verderben, mahnte er sich selbst. Die Zeit wird noch kommen, doch vorher muss er perfekt werden. Ein Plan nahm Gestalt an und diesen wollte er so dringend erledigt wissen, wie er wusste, was die Zukunft bringen würde.
Die Macht
„Was suchst du hier?“, erklang eine tiefe Stimme.
Shar erstarrte und hielt in all seinen Bewegungen inne. Gerade eben hatte er noch erfolgreich und voller Stolz seine Aufgabe erledigt und wollte nur noch zurück zu seinem Herrn, da stand plötzlich ohne Vorwarnung ein Drow vor ihm. Unter der heruntergezogenen Kapuze seines Wollumhangs erspähte der Junge eine schwarze Lederrüstung, einen Waffengürtel mit einem Langschwert und an der Seite prangte eine kleine Armbrust. Bei dem Anblick der Waffen bekam Shar Angst und sie erinnerten ihn an die Krieger zu Hause. Sein Blick wanderte weiter und er schaute jetzt noch ängstlicher nach oben. Ein Paar rot glühenden Augen bedachten den Jungen mit Argwohn. Shars Herz raste plötzlich wild in seiner Brust und der Angstschweiß trat ihm auf die Stirn. Der junge Halbdrow wollte gerade etwas erwidern, da riss der Drow vor ihm die Kapuze vom Kopf.
„Ein Halbdrow?“, kam die überraschte Frage des Dunkelelfen.
Der Fremde gehörte zu einer Patrouille, die ab und zu hier am Schmuckkästchen vorbei schaute, um eventuelle Schlägereien oder etwaige andere Vorfälle überblicken zu können. Der Soldat hatte eher einen Dieb oder schmierigen Händler in Verkleidung erwartet, doch der Anblick eines jungen Halbdrow verwunderte ihn doch sehr.
„Was machst du hier? Das ist kein Ort für jemanden wie dich“, knurrte der Drow ungehalten, als er erkannte, dass vor ihm ein Sklave stand.
Shar war immer noch wie gelähmt und wusste im ersten Moment nicht, was er tun sollte. Nhaundar hatte ihm den Auftrag erteilt die Botschaft zu überbringen und danach gleich zurückkommen. Aber von Stadtwachen war niemals die Rede. Sein hagerer Körper zitterte wie Espenlaub und die Furcht vor dem Unerwarteten kroch in seine Glieder. Der eben erst errungene Sieg über die erfolgreiche Erledigung seiner Mission schmolz dahin wie ein Eisberg im Hochsommer. Er wollte nur noch nach Hause. Das Misstrauen vor dem Soldaten spitzte sich zu, als dieser ihn letztendlich am eisernen Halsband ergriff und Shar bösartig anfunkelte.
„Wird es bald, ich warte auf die Antwort, Sklave“, drohte ihm der Fremde.
„Ich … ich“, piepste Shar leise und dabei spürte er wie ihm langsam die Luft abgeschnürt wurde.
Der Drow verstärkte seinen Griff und nahm dem Jungen somit weiter in die Mangel, doch seine Geduld war begrenzt. Mit der anderen Hand holte er Schwung und ohrfeigte den Jungen.
Ein glühender Schmerz durchfuhr Shars Gesicht in jenem Moment, als die flache Hand seine Wange traf. Als wäre es nicht genug, erfolgte eine Sekunde später ein weiterer Schlag auf seine andere Wange. Dabei traten Shar die Tränen in die Augen, denn die Stadtwache war nicht zimperlich.
„Antworte Sklave“, mahnte ihn der Fremde jetzt mit eiskaltem Ton in der Stimme.
„Ich …“, dann brach Shar abrupt ab. Der Drow ließ ihn plötzlich aus noch unersichtlichem Grund einfach los. Der Junge verlor dabei das Gleichgewicht und fiel geradewegs mit dem Hintern auf den harten Felsenboden und ihm entwich ein lautes Stöhnen.
Von weitem erklang ein lauter Ruf der immer wieder drei Silben wiederholte, „Haltet den Dieb“. Ein Händler aus der Stadt rannte an dem Soldaten vorbei und rief einem Goblin hinterher, der nur kurze Momente zuvor an Shar und der Stadtwache vorüber hechtete.
Diesen kurzen Augenblick der Unachtsamkeit des Dunkelelfen ausnutzend raffte Shar sich eilig auf und rannte was seine Beine und Lungen hergaben. Er hatte nur noch einen Gedanken und der führte ihn schnurstracks über den Basar. Er wollte zurück zu seinem Herr und dies auf dem schnellsten Wege. Nachhause in die Sicherheit von Nhaundars Anwesen. Für einen Tag hatte er eindeutig schon zu viel erlebt. Der junge Halbdrow flitzte die Straße entlang und traute sich nicht ein Mal umzuschauen, ob ihm der fremde Dunkelelf folgte. Er spurtete an den Ständen der Händler entlang und vergaß bei der übereilten Flucht allen anderen Personen aus dem Weg zu gehen. Stattdessen rammte er einige der Passanten, die ihm unliebsame Flüche hinterher schickten und wild mit den Armen fuchtelten. Nach einigen Minuten spürte der Junge wie seine Kräfte nachließen. Seine Lunge brannte wie Feuer, seine Beine fühlten sich taub an und selbst seine Füße brannten auf dem kalten Felsen. Nun schaute er rasch von einer Seite auf die andere und erkannte im Augenwinkel einen kleinen, verlassenen Händlerstand, der abseits der anderen seinen Platz einnahm. Zum ersten Mal blickte der junge Halbdrow auch über die Schultern und konnte erkennen, dass ihm niemand folgte, der Drowsoldat war verschwunden. Erleichtert hielt er an, seufzte auf und lief hinüber zu dem verlassen wirkenden Stand auf dem seltsam aussehende Pflanzen aller Art und Form feilgeboten wurden. Sein Atem kam stoßweise und sein Herz klopfte wild. Shar achtete jedoch nicht darauf, sondern suchte jetzt ein Versteck um sich anschließend kurz auszuruhen. Der Junge konnte kein Lebewesen ausmachen und das war ihm gerade recht. So schlüpfte Shar auf den Knien unter den aufgestellten Wagen, krümmte sich zusammen und zog seine Knie fast bis zum Hals. Er hoffte, dass dieser Unterschlupf vor den Blicken anderer verborgen blieb. Zusammengekauert atmete er tief ein und aus und konnte fühlen wie mit jedem Atemzug das Brennen in seiner Brust nachließ. Selbst seinen kleinen, dünnen Beinen ging es augenblicklich besser.
Zur gleichen Zeit beobachtete der Drowhändler Durdyb - Besitzer jenes Standes - in nur einigen Meter Entfernung, wie eine verhüllte Kreatur sich unter seinen Warenstand zwängte und dort verharrte. Na warte, du Dieb, spornte sich der Händler an. Er ärgerte sich über diesen unliebsamen Zwischenfall, war er doch gerade nur eine Minute verschwunden und bei seinem Wiederkommen fielen die Halunken wie Ungeziefer über ihn her. Durdyb schlich sich leise an seinen Stand heran, blieb dann bedrohlich wirkend davor stehen und ließ den angeblichen Dieb nicht aus den Augen.
Shar bemerkte den Drowhändler erst als es bereits zu spät war. Durdyb riss ihn mit voller Wucht an dem Umhang aus seinem Versteck hervor und baute sich gefährlich vor dem Jungen auf, der nun hilflos auf dem Felsboden lag. Der junge Halbdrow riss vor Schreck seine tiefblauen Augen weit auf. Eben noch erleichtert über seine geglückte Flucht vor dem Soldaten und glücklich ein so gutes Versteck gefunden zu haben, blieb Shar erneut das Herz vor Angst stehen.
„Mit dir mache ich kurzen Prozess, du Dieb“, platzte der Drow voller Böswilligkeit heraus und beugte sich nach unten, um dem Langfinger die tief ins Gesicht gezogene Kapuze vom Kopf zu ziehen.
„Ich bin kein Dieb“, rief Shar im gleichen Augenblick in Panik dem Dunkelelfen entgegen und versuchte sich so zu verteidigen.
„Das sagen alle“, antwortete der Händler erbost über diese billige Ausrede. Doch gleich im nächsten Moment hielt er inne, als er das Gesicht des jungen Halbdrow genauer sah. Dann erkannte er das Sklavenhalsband und war überrascht. Ein Sklave der stiehlt und anscheinend einen Herrn hatte - dem Alter des Halsbandes nach zu urteilen noch nicht lange, denn die Schweißnaht wirkte frisch - das konnte nicht sein. Des Weiteren fiel Durdyb noch etwas anderes auf, das Alter des jungen Halbdrow. Der Händler genoss in Bruchteil von Sekunden plötzlich das blutjunge Aussehen des vermeintlichen Diebes und die tiefblauen Augen, die ihn flehend durch ein mit Dreck verschmiertes Gesicht anstarrten. Das Brandzeichen auf dem Arm bemerkte er dabei nicht, er hatte nur noch ein Interesse und vergaß alles andere um sich herum.
„Du bist also kein Dieb … schön, schön … wer bist du dann?“, säuselte der Drowhändler mit einem Mal seinem Gegenüber zu und wirkte viel zu freundlich.
„Ich bin Shar“, verkündete der Junge mit einem plötzlich aufkommenden Stolz, dass der Fremde ihm zuhörte anstatt ihn zu schlagen.
„Interessant“, kam die knappe Antwort von Durdyb und beäugte den Jungen jetzt eingehender. Dieser Kleine war schmutzig aber dennoch hübsch, ging ihm durch den Kopf und aller Ärger schien vergessen. Wen interessierte es schon, wer dieser Halbdrow war, nur ein Sklave der zurzeit ohne seinen Herrn hier weilte. Einzig und allein das entzückende Alter und das knabenhafte Aussehen zählten nun für ihn und die Gedanken des Händlers wirbelten anregend durcheinander.
„Guldor, komm her“, rief Durdyb plötzlich ungeduldig über seine Schultern.
Ein junger Drow kam nur wenige Augenblicke später um eine Häuserecke angeschlurft und blieb vor dem älteren Dunkelelfen stehen.
„Du passt mir jetzt auf den Stand auf, ich bin für kurze Zeit beschäftigt“, gab Durdyb die Anweisung an seinen Gehilfen weiter.
Dieser nickte lediglich und machte nicht einmal Anstalten, sich den immer noch auf dem Boden liegenden Shar, eines Blickes zu würdigen.
Der männliche Dunkelelf zog den Jungen auf die Füße, packte ihn unsanft an den Händen und schleifte ihn gleich danach hinter sich her.
„Aber ich muss zu meinem Herrn …“, stammelte Shar, der erschrocken feststellte, dass der Fremde ihn kräftig an beiden Händen mit sich zerrte und zwar in die falsche Richtung.
„Nichts aber, du kommst mit und dann werden wir schon sehen“, fauchte Durdyb und zog Shar weiter hinter sich her, bis sie nur einige Meter weiter in einer kleinen Kammer verschwanden.
Jetzt hatte der Junge wirklich Heidenangst. Noch niemals zuvor war er in solch eine Situation geraten und der ältere Dunkelelf gefiel ihm überhaupt nicht. Draußen hatte er ihn mit einem seltsamen Blick angeschaut, der dem Jungen noch mehr Angst einjagte. Wenigstens hatte er ihn nicht geschlagen und mit diesem Gedanken versuchte sich Shar selbst zu beruhigen. Doch nicht genug. Als er mit dem Händler in einem kleinen, dunklen Raum eintrat raste sein Herz schneller und schlug ihm bis zum Hals. Er wusste sofort, dass er hier nicht bleiben konnte, er hatte auf dem schnellsten Wege zu Nhaundar zurück zu kehren.
„Ich muss zu meinem Herrn“, flehte der junge Halbdrow erneut mit zittriger Stimme.
„Bist du jetzt ruhig“, schnauzte ihn der Drow ungehalten an. „Dein Pack weiß nie wann es zu schweigen hat.“
Daraufhin holte Durdyb mit der Hand aus und verpasste Shar eine schallende Ohrfeige. Ohne eine weitere Reaktion abzuwarten drückte er den dürren Körper des Jungen zu Boden und sank ebenfalls nach unten. Mit einem Bein nahm er Schwung und hielt den jungen Halbdrow mit beiden Knien fest in seinem Griff.
Shar war im ersten Moment überrascht doch nicht verwundert, dass er geschlagen wurde. Seine Wange brannte erneut. Dann lag er mit dem Rücken auf dem Boden und wurde, wie noch niemals zuvor in seinem Leben, von dem schwereren Dunkelelfen mit beiden Beinen auf den harten Felsboden gedrückt. Das gefiel dem Jungen gar nicht und die Panik drohte ihn zu übermannen. Als Shar kurz darauf die funkelnden Augen sah, die ihn mit einem unheilvollen Blick anstarrten, da war ihm klar, dass das nichts Normales zu sein schien. Ein kalter Schauer nach dem anderen jagte über seinen Rücken und Hilfe suchend quiekte er, „Ich muss zu meinem Herrn.“
Doch der Drowhändler schien nichts zu hören oder hören zu wollen. Stattdessen ergriff er die hageren Handgelenke Shars, bog sie nach hinten und drückte diese ebenfalls fest auf den Boden. So konnte sich der junge Halbdrow nicht mehr rühren. Shar fühlte sich so elend in seiner Haut, wie niemals zuvor. Er wusste nicht was der Dunkelelf von ihm wollte, aber es war nichts Gutes. Als sich der Kopf des Händlers jetzt direkt über seinen befand, spürte Shar plötzlich, wie sich dessen Mund auf seinen drückte. Ohne Vorwarnung fühlte der Junge gleich danach wie der Drow seine Zunge nach vorne schob und so gewaltsam die Lippen von Shar öffnete. Dann berührte der Mann über ihm seine Zunge und der junge Halbdrow hätte am liebsten geschrieen. Er verstand nicht was mit ihm geschah. Nur eines wusste Shar, er wollte, dass der Dunkelelf über ihn sofort aufhören sollte.
Guldor, der junge Gehilfe des Drowhändlers hörte ganz nebenbei, wie unterdrücktes Gequieke, Stöhnen, Seufzen und Würgen aus der nicht weit entfernten Kammer nach Draußen hallte und freute sich für sich selbst, dass er heute wohl verschont geblieben war.
Nach über einer halben Stunde kam Durdyb mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck zurück zu seinem Warenstand. Im Schlepptau hielt er Shar an den Haaren. Der wollende Umhang wies jetzt mehr Risse auf, die Kapuze war achtlos über seinen Kopf gezogen worden und die Hose, die der Junge getragen hatte, war ebenfalls an einigen Stellen weiter zerrissen und wirkte erbärmlicher als zuvor.
„Los hau ab, bevor ich mir das anders überlege“, knurrte der Händler Shar an und stieß ihn unsanft auf die Straße, weg von seinem Geschäft und somit auch aus seinen Augen. Dann trat er nach dem Jungen und wand sich ab und kümmerte sich um andere Dinge.
Shar lag einen kurzen Moment noch wie benommen einfach nur da und hörte die Worte kaum, die ihn verjagten. Erst ein Tritt, der ihn an der Schulter traf und augenblicklich anfing zu schmerzen, holte den Jungen zurück in die Wirklichkeit. Seine Lippen taten ebenfalls weh und bluteten leicht. Sein Mund hatte einen schalen Geschmack und seine Kehle schien wie ausgetrocknet. Er wollte gerne einen Schluck Wasser, um den Mund auszuspülen, den der Dunkelelf ihm auf so quälende Weise aufgerissen hatte und ihm daraufhin beständig etwas aufs Neue hinein geschoben hatte. Das Shar zum Oralverkehr gezwungen wurde wusste er nicht. Der Junge spürte jeden Knochen, als sein Körper durch das schwere Gewicht des Händlers auf den harten Boden gedrückt wurde und etwas geschah, dass Shar nicht gekannt hatte und niemals wieder erleben wollte.
Als Durdyb aus den Augenwinkeln beobachtete, dass der junge Halbdrow immer noch dort lag, wurde er wütend. „Mach’ das du weg kommst, Ungeziefer“, und kam dem Jungen wieder gefährlich nahe, um ihn zu verjagen.
Wieder ertönte die bösartige Stimme des Dunkelelfen und erst jetzt wusste Shar, dass er auf dem schnellsten Wege von hier fliehen musste. Unter Schmerzen erhob sich der Junge, zog dabei seinen Umhang dicht um seinen gepeinigten Leib und versuchte so schnell es ihm möglich war die Straße zurück zu seinem Herrn zu eilen. Nach vielen Minuten, die dem Jungen wie Stunden vorkamen, stand er vor dem eisernen Tor zum Anwesen von Nhaundar Xarann. Eine Wache die Dienst hatte erkannte den Halbdrow und ließ ihn herein. Erst als Shar sicher hinter den Mauern des Innenhofes war, stolperte er und fiel geradewegs auf die Knie.
Yazston hatte das Ganze von einem Fenster in den Privatgemächern seines Herrn beobachtete und konnte sehen, dass etwas nicht stimmte. Flink berichtete er Nhaundar und beide wurden augenblicklich nervös. Ein Soldat des Hauses schleifte Shar rasch nach oben und nur wenige Minuten später lag ein ängstlicher Halbdrow vor den Füßen Nhaundars.
„Sklave, was ist passiert?“, brüllte Nhaundar bösartig, da er davon ausging, dass Shar seine Aufgabe nicht erfüllt hatte und wohl seinem Widersacher in die Hände gefallen war. Dabei unterstrich er seine Frage mit einem Fußtritt, der direkt in den Magen des Jungen zielte.
Erschrocken, gleichzeitig verwirrt und ängstlich krümmte sich der dürre Körper des Halbelfen zusammen. Dabei entwisch dem Jungen ein leises Stöhnen.
„Wird es bald oder soll ich es dir aus der Nase ziehen, du Abschaum“, kochte nun Nhaundar, der es nicht erwarten konnte, welche Antwort er erhalten würde.
Von weiter hinten in dem großen Raum hörte man jemanden erschrocken einatmen und ein Kettenrasseln durchdrang die unheimliche Stille, die sich plötzlich über alle Anwesenden gelegt hatte. Es war Handir, der wie sooft zuvor mit einer Kette an der Wand festgemacht war und nun versuchte, sich loszureißen, um zu seinem Sohn zu eilen. Er wusste nicht was dies alles zu bedeuten hatte, aber sein Kind schien in Gefahr zu schweben. Nhaundar bemerkte es und drehte sich herum.
„Wer wird denn?“, meinte er launig, denn den Elfen hatte er über die Rückkehr des Halbdrow ganz vergessen. Dann wurde sich der Sklavenhändler bewusst, dass es sich ja um den Sohn des Mondelfen handelte und überlegte, wie er seinen Lustsklaven dazu bringen könnte einen Fehler zu begehen und er ihn dafür bestrafen konnte. Er musste seinem Ärger Luft machen und am besten an beiden, wenn er zusätzlich gereizt werden würde.
„Dein Sohn hat versagt, mein Hübscher“, säuselte der Sklavenhändler zuerst, wandte sich im gleichen Moment Shar zu und brüllte los, „Missgeburt, was ist passiert?“
Shar, der sich mittlerweile etwas gefasst hatte, lugte unter der Kapuze hervor und erkannte seinen Vater, der wie wild an der Kette riss und zu ihm herüber eilen wollte. Der Anblick hinterließ einen seltsamen Stich im Bauch des Jungen. Das Grausen kehrte in seine Glieder zurück, er fing an zu zittern und der ungebändigte Zorn seines Herrn verstärkte nur noch die Furcht des Halbdrow. Zu einem hatte er Angst vor seinem Herrn, der wütend war und auf der anderen Seite konnte sein Vater mit ansehen, dass sein eigener Sohn schwach war. Shar schämte sich jäh vor Handir und der Junge schien der Überzeugung, so niemals ein Kämpfer zu werden. Das und viele weitere Gedanken wirbelten mit einem Mal durch Shars Kopf bis er endlich den Mut fand zu antworten.
„Mein Herr …“, erhob der junge Halbdrow seine Stimme und war doch nichts weiter als ein heiseres Flüstern.
„Lauter!“, schrie Nhaundar den Befehl.
„Ich … ich habe es geschafft, mein Herr …“, erklärte Shar nun und schluckte einmal, bis er weiter sprechen konnte, „… ich habe eure Botschaft übergeben und bin dann gleich wieder zu euch zurückgekommen.“
Diese Worte überraschten alle Anwesenden im Raum. Vor allem Handir, der von alledem keine Ahnung hatte. Er war auf dem Glauben gewesen, dass sein Sohn sich irgendwo auf dem Anwesen aufhielt, als er vor nicht weniger als einer halben Stunde mit einem adligen Freier zurückkehrte. Doch was hatte es mit der Botschaft auf sich und wieso sah Shar aus, als wäre ihm etwas widerfahren, das so nicht geplant gewesen war. Die Wut nagte an den Nerven des Mondelfen.
„Ist das so?“, säuselte Nhaundar plötzlich wieder freundlich und beäugte aufmerksam das äußere Erscheinungsbild des Halbdrow, das nicht zu den Worten zu passen schien. Er riss in einer abrupten Bewegung mit der Hand den Umhang von Shars dünnem Körper und staunte nicht schlecht, als er einige blaue Flecken und die blutig aufgerissene Lippe sah.
„Und was ist passiert?“, wollte jetzt der Sklavenhändler weiter wissen.
Erneut schluckte Shar und wusste im ersten Moment nicht, wie er erklären sollte was vorgefallen war, dann seufzte er kurz auf und blickte in Richtung seines Vaters. Dieser zerrte immer noch ungehalten an der Kette, aber keiner im Zimmer schenkte ihm Aufmerksamkeit, nur sein Sohn. Die Augen beider trafen sich und Handir hätte am liebsten aufgeschrieen, als er erkannte, dass etwas passiert war, wozu sein Sohn noch viel zu jung war.
„Na wird es bald du Abschaum oder soll ich es aus dir herausprügeln“, brüllte Nhaundar boshaft und trat dabei einen Schritt näher auf Shar zu. Am liebsten hätte er im gleichen Moment seinen Worten die Taten folgen lassen, aber da waren sie wieder, die tiefblauen Augen, die ihn so unschuldig anschauten. Was ist nur mit dir los, scholl sich Nhaundar stumm, das hier ist nur ein lächerlicher Sklave. Doch die Augen zogen ihn magisch an, etwas war an ihnen, dass dem Sklavenhändler schon fast die Fassung nahm. Er spürte plötzlich ein Verlangen, dass er schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Es war Lust, eine unbeschreibliche Regung auf etwas Neues. Verwirrt schüttelte er den Kopf und riss sich von dem Anblick los.
„Antworte, Sklave“, schrie er jetzt seinen Frust von der Seele.
Shar zuckte kurz zusammen, schaute ein letztes Mal zu Handir hinüber, der zustimmend nickte, denn auch er war neugierig geworden.
„Mein Herr …“, begann Shar zu erzählen und schilderte jedes kleinste Detail, nachdem er die Botschaft abgeliefert hatte, bis er zu der Stelle kam, als der Drowhändler ihn in die kleine Kammer schleifte. „… Dann hat er mir den Mund auf meinen gedrückt und die Zunge hinein geschoben …“, und Shar musste eine kurze Pause machen und verzog leicht angewidert sein Gesicht. Alleine schon der Gedanke daran erfüllte ihn mit einem quälenden Schmerz.
„Und was dann?“, fragte Nhaundar ruhig und nun neugieriger.
„… Er hat sich nackt gemacht und meinen Kopf gehalten“, berichtete der Junge und seufzte, als er daran zurückdachte und ein erneuter kalter Schauer jagte über seinen Rücken.
Nhaundar und Handir überlegten einen kurzen Augenblick, bis ihnen beiden im gleichen Moment klar wurde, dass der Drow Shar genötigt hatte, ihn zwang mit dem Mund zu befriedigen.
Während Handir mit weit aufgerissenen Augen seinen Sohn bedachte und erst einmal diese Nachricht verdauen musste, wurde Nhaundar wiederholt wütend. Doch diesmal aus einem ganz anderen Grund. Dieser schmierige Drow von einem Händler, dachte er sich, vergreift sich einfach an meinem Eigentum und zahlt nicht dafür. Doch halt, vielleicht gibt es eine Möglichkeit die Bezahlung einzufordern. So blickte der Sklavenhändler erneut zu Shar hinunter, der immer noch vor ihm kniete und fragte im höflichsten Tonfall, der ihm gelang. „Welcher Händler war das? Mit welchen Waren hat er gehandelt?“
Der Junge verstand nicht recht, doch dann entsann er sich, dass es sich um die seltsamsten Pflanzen gehandelt hatte, die er je zu Gesicht bekam. Noch während er nachdachte, kam Shar selbst eine Idee. Vielleicht sollte er auch einmal mit Glück gesegnet sein. Wenn sein Herr den Zorn an dem Fremden ausließ, dann würde dieser für seine Qual die gerechte Strafe bekommen.
„Es waren Pflanzen, mein Herr. Komische Pflanzen am ganzen Stand“, berichtete Shar wahrheitsgemäß und war sogar in seiner ganzen Naivität stolz darauf, sich diese wichtige Tatsache im Hinterkopf behalten zu haben.
„Yazston?“, erklang daraufhin die fragende Stimme Nhaundars.
„Durdyb, ich werde ihn holen“, antwortete der Drowsoldat und die weiteren unausgesprochenen Worte hangen noch einige Minuten im Raum.
Yazston freute sich zwar innerlich über die Schmach des Halbdrow, doch wenn es um die Brutalität gegenüber anderen und sich um dessen Hilflosigkeit handelte, dann überwog diese Tatsache eindeutig. Mit einem Nicken wurde das Wollen von Yazston bestätigt, der kurz darauf aus dem Raum rauschte.
Handir rang innerlich immer noch mit seiner Fassung über die unerwarteten Neuigkeiten über seinen Sohn. Nicht nur die angedeutete Vergewaltigung eines widerlichen Dunkelelfen, sondern auch die Bestrafung von Shar vor seinen Augen schmerzte ihn sehr. Er wollte helfen und konnte es dennoch nicht. Die Schmach saß tief und er wusste, dass Nhaundar gefährlich war. Mit dieser Erkenntnis seufzte Handir und ahnte ebenfalls, was die beiden vorhatten und zum ersten Mal in seinem Leben stimmte er dem skrupellosen Sklavenhändler zu. Ein Exempel sollte statuiert werden, doch leider anderes, als sich der Mondelf vorstellte. Shar schien der Einzige in dem Raum, der noch keine Ahnung hatte.
Während Yazston sich auf dem Weg zu dem Drowhändler Durdyb machte, verbrachte Shar die Zeit des Wartens ungewohnter Weise in den Privatgemächern seines Herrn. Nhaundar ließ den Jungen an Ort und Stelle knien und schlenderte hinüber zu Handir. Er war wütend auf Durdyb, der sich einfach an seinem Eigentum vergriffen hatte und gleichzeitig wollte er den Zorn an dem Elfen auslassen. Er dachte darüber nach, wie er die Demütigung Handirs steigern könnte, da erschienen ihm im Geist abermals diese tiefblauen Augen des Halbdrow. Nhaundar schimpfte sich stumm und fragte sich dabei, was nur mit ihm geschah. Doch da waren sie wieder diese Augen, sie leuchteten hell und klar und voller Unschuld. Dann sah er das Blau von Handir und erkannte, dass sich beide ähnelten, mit einem gravierenden Unterschied. Die Augen des Mondelfen wirkten abgestumpft, alt und verbraucht und dabei war er nur vier Jahrhunderte alt. Das einstige Feuer der Wut und des Hasses gegenüber Nhaundar und Iymril war aus ihnen gewichen. Genau das, was den Sklavenhändler an Handir in all den Jahren so angezogen hatte. Selbst der Zorn auf Durdyb, der seinen Sohn genötigt hatte, brachte die Intensität des Aufbegehrens nicht zurück. Enttäuscht, jedoch gleichzeitig auch froh, den kleinen Unterschied durch Zufall entdeckt zu haben, wandte Nhaundar seine ganze Aufmerksamkeit Handir zu. Der Drow lief einmal um den Elfen herum und musterte den muskulösen Körper intensiv. Dann blieb er neben ihm stehen und streichelte verträumt das schwarze Haar des Mondelfen, während seine andere Hand über den starken Rücken strich.
„Vielleicht wird eines Tages dein Sohn deinen Platz einnehmen“, flüsterte Nhaundar plötzlich dem knienden Handir ins Ohr und dabei huschte ein heiteres Lächeln über sein Gesicht.
Handir, der jedes Wort mit Schrecken hörte, verkrampfte sich und wollte gerade etwas erwidern, da zog der Sklavenhändler grob an dessen langen Haaren, als er die angespannte Reaktion bemerkte.
„Nicht doch vor deinem Sohn, mein Hübscher. Was soll er nur von seinem Vater denken, wenn ich ihm Schmerzen bereite“, säuselte Nhaundar und leckte mit seiner Zunge über die ihm entgegen gestreckte Wange des Mondelfen.
„Niemals“, antwortete ihm Handir mit zusammen gebissenen Zähnen, „Nicht solange ich lebe.“
„Man sollte mit seinen Wünschen vorsichtig sein, sie könnten schnell in Erfüllung gehen, mein Hübscher“, kam die kalte Antwort des Sklavenhändlers und er zog den Kopf heftig zurück in den Nacken.
Diese Drohung verfehlte in keiner Weise ihre Wirkung. Handirs Herz raste vor Schrecken und Angst und am liebsten hätte er sich auf Nhaundar gestürzt. Doch nur eines hielt ihn momentan noch zurück, sein Sohn. In den Augenwinkeln konnte der Mondelf erkennen, dass Shar immer noch vorne übergebeugt auf den Knien saß und zum Glück für Handir, nichts von den Worten und Reaktionen mitbekam, die er und der Drow aus stritten. Der Junge sollte nicht wissen, dass ihn sein Vater kaum beschützen konnte und er in Gefahr schwebte, solange zumindest nicht, wenn es sich vermeiden ließ.
Der Sklavenhändler erfreute sich in der Zeit des Wartens an seinem Lustsklaven, in dem er ihn demütigend immer wieder vor den Augen seines Sohnes streichelte, leckte und selbst vor dem Schritt nicht halt machte. Die Entwürdigung wurde dadurch perfekt, gratulierte sich Nhaundar dabei selbst und sein Ärger schien zu verrauchen.
Die Zeit verstrich schnell und nur wenig später stand Shar mit Nhaundar, Yazston zusammen vor Durdyb im großen Innenhof des Anwesens Xarann. Handir beobachtete ängstlich und neugierig die Szene vom Fenster und hoffte auf einen guten Ausgang. Die Drohung Nhaundars hatte ihre Wirkung nicht verfehlt und der Elf bangte mehr dann je um das Leben seines Sohnes. Das Eigene zählte in jenem Augenblick nicht mehr, nicht solange er die Zukunft von Shar kannte. Mit Schrecken und Tränen in den Augen versuchte Handir sich bei Chalithra zu entschuldigen und wünschte sich die Freiheit für den Jungen, der das Schicksal eines Sklaven tagtäglich lebte. Einst aus Liebe geboren wurde er hier in Hass erzogen und dabei war seine Seele die reine Unschuld. Die Qual, dass sein Sohn nun endgültig ein Sklavenhalsband und das Brandzeichen Nhaundars trug, brachte Handir einen tiefen Stich in seinem Herzen ein. Er beschimpfte sich selbst als Schwächling und feige obendrein und damit bestrafte sich der Mondelf selbst, dass er sich nicht in der Lage sah, etwas an der Situation zu ändern. Handir beobachtete weiter und betete währenddessen zu Vhaeraun und Corellon gleichermaßen. Er musste einfach erhört werden.
„Ist das der Händler, Sklave?“, fragte der Sklavenhändler zur gleichen Zeit milde, wobei er genau auf die Reaktion des Drowhändlers achtete, der mit einer blutigen Lippe vor ihm stand und wütend den Dunkelelfen vor sich anfunkelte.
„Ja, mein Herr“, piepste Shar und freute sich innerlich, dass der Drow, der ihm erst vor einiger Zeit selbst Leid zugefügt hatte, nun blutete. Jetzt wird es dir mein Herr schon zeigen, sagte sich der Junge und freute sich innerlich auf die Bestrafung des anderen.
„Ich verlange das Geld dafür, dass ihr mein Eigentum ohne mein Wissen angerührt habt“, verlangte Nhaundar mit ruhiger Stimme, konnte sich dabei jedoch ein hinterhältiges Grinsen nicht verkneifen. „Ihr könnt von Glück reden, dass ihr meiner Habe nicht mehr angetan habt, dass hätte euch vermutlich den Kopf gekostet.“
Durdyb, der über diese Worte offensichtlich überrascht schien, war gleichzeitig auch dankbar, so einfach mit dem Leben davon gekommen zu sein oder steckte hinter den Worten des Sklavenhändlers mehr als es den Anschein erweckte. Wenn er von vorne herein gewusst hätte, wer der Herr und Meister dieses wertlosen Halbdrow gewesen wäre, vielleicht wäre er niemals auf die Idee gekommen sich von dem Jungen befriedigen zu lassen. Nun war es nicht mehr rückgängig zu machen und er stand hier und schien nervös auf das was nun kommen sollte.
„Verzeiht mir Nhaundar, aber hätte ich es gewusst …“, verteidigte sich Durdyb mit schleimiger Stimme.
„Ach, aus eurem Mund höre ich nur Lügen, so wie ihr und all die anderen es stets zu tun pflegt“, unterbrach ihn verärgert der Sklavenhändler über den so offen daliegende Gegenschlag des Dunkelelfen, sein wertloses Leben nicht auf schnelle Art und Weise zu verlieren.
„Bezahlt mir eure Schulden und ihr habt heute euren Glückstag“, strahlte Nhaundar plötzlich, als ihm bewusst wurde, dass er eindeutig in der besseren Position stand und ohne etwas zu tun seinen Geldbeutel aufstocken konnte.
„Ihr knöpft mir den letzten Rest meines wohlverdienten Lohnes ab, Nhaundar? Es ist doch nur …“, versuchte sich Durdyb ein letztes Mal aus der Affäre zu ziehen, obwohl das Risiko hoch war, dass der Sklavenhändler anderes reagieren könnte, als beabsichtigt. Nhaundar war bekannt für seine Launen, die sich gerne von einer auf andere Minute änderten. Aber genauso wusste jeder, dass ein voller Geldbeutel für Nhaundar an erster Stelle stand, wie auch bei Durdyb. Beide kannten sich schon länger und so wussten sie auch, wie weit sie gehen konnten. Nur eines würde der Händler nicht so schnell vergessen, das grobe Verhalten von Yazston, der ihn hier her schleifte und ihn vor vielen Konkurrenten lächerlich machte.
„… mein Eigentum“, beendete Nhaundar nun den Satz für Durdyb und riss diesen damit aus seinen Gedanken. „Also, wird es bald oder ich überlege es mir noch anderes.“
Shar stand plötzlich wie ein Häuflein Elend im Innenhof und hörte das Gespräch zwischen seinem Herrn und dem Händler mit Entsetzen an. Er verstand nicht, wieso dieser Drow nicht die gerechte Strafe für das bekam, was er ihm angetan hatte. Doch stattdessen verlangte Nhaundar, dass der der Dunkelelf Geld bezahlen sollte. Shar ärgerte es mehr, als er zugeben wollte, dass er zum Schluss wieder als Wertlos bezeichnet wurde. Vater, dachte Shar, wieso kann ich nicht das sein, was du bist. Doch der Junge, in seiner ganzen freien Naivität, bedachte nicht, was es hieß, bei dem Sklavenhändler ein Lustsklave zu sein, aber die Zeit würde kommen, irgendwann vielleicht.
Als sich Nhaundar und Durdyb geeinigt hatten und dieser dem Sklavenhändler einen vollen Beutel Gold überreichte, verabschiedeten sie sich und jeder ging seines Weges.
Von diesem Moment an veränderte sich Shars Leben allmählich. Er wurde offiziell der Botenjunge für Nhaundar und auch für dessen Soldaten, während er weiterhin für die niedrigsten Arbeiten eingeteilt wurde. Von Früh bis Spät arbeitete er und musste seine Aufgaben liegen lassen, wenn es sich um eine wichtige Nachricht handelte, nur um bis spät in die Nacht die liegen gelassen Aufgaben zu erfüllen. Todmüde fiel er in traumlosen Schlaf, um am nächsten Tag von neuem zu beginnen. Ganz zum Verdruss der anderen Sklaven. Sie ärgerten sich, dass der immer so wertloses Halbdrow plötzlich im Ansehen des Herrn stieg, während sie immer wieder den gleichen Tätigkeiten nachgingen, ob gut oder schlecht. Eifersucht machte sich breit und zeichnete sich von Jahr zu Jahr deutlicher ab. Sie schikanierten Shar nun ebenfalls und nicht nur Yazston und die Soldaten gaben ihm jetzt Fußtritte, Ohrfeigen, Kopfnüsse, von den Beschimpfungen ganz abgesehen, die tagtäglich auf den Jungen nieder prasselten. Shar verstand nicht, wieso die anderen ihm plötzlich so ein seltsames Verhalten entgegen brachten. Dazu kam, dass er Handir kaum noch sah und diese Tatsache machte ihn in den dunklen Stunden der Nacht traurig. Oft weinte er lautlos vor sich hin und wünschte, er könnte wieder Geschichten erzählt bekommen, aber auch das war nicht mehr der Fall.
Nach fast drei Jahren, in denen sich alles wieder in Normalität verlief, hörte Shar eines Tages eine laute Stimme die nach ihm rief. Allerdings handelte es sich nicht um Yazston, der ihn abermals zu einem Botengang herbestellte, sondern um seinen Herrn Nhaundar persönlich. Doch das konnte nicht sein, das war seit dem damaligen Ereignis niemals mehr geschehen. So ging Shar erneut an seine Arbeit, als hätte er nichts gehört und wischte weiter die Treppe. Da hörte er wieder den Ruf und von weitem erkannte er jäh seinen Herrn Nhaundar, der am oberen Treppenabsatz stand und ungeduldig wartete.
„Sklave, hör’ auf damit, ich habe eine wichtige Botschaft“, drängelte der Sklavenhändler.
Shar war überrascht und hielt augenblicklich in seiner Tätigkeit inne, blieb aber respektvoll auf den Knie sitzen, um niemanden zu verärgern, schon gar nicht seinen Herrn.
„Sklave, komm endlich“, herrschte ihn Nhaundar nun mit wütender Stimme an und bedeutete ihm mit einer schnellen Geste sich zu erheben und zu folgen.
Gesagt getan und Shar raffte sich auf und eilte hinterher, hinein in die Privatgemächern des Sklavenhändlers. Dort war der Junge freudig überrascht Handir zu sehen, der jedoch wie stets angekettet im hinteren Teil des Zimmers saß. Schon viel zu viele Tage lagen zwischen ihrem letzten Wiedersehen, das auch nur kurz im Innenhof stattfand, als Handir gerade mit einem Drow durch das Eisentor in den Straßen von Menzoberranzan verschwand. Auch der Elf freute sich seinen Sohn nach vielen Zehntagen wieder zu Gesicht zu bekommen. Beide tauschten heimlich ein Lächeln aus bevor sich Shar ganz seinem Herrn zuwandte, der ihm gerade erklärte, worin seine Aufgabe bestand. Eine leichte Tätigkeit, wie der junge Halbdrow hörte, der daraufhin eilig die Nachricht entgegen nahm und seinen Botengang erledigte.
Zwei Stunden später stand Shar wieder vor Nhaundar und konnte verkünden, dass alles ohne Probleme verlaufen war. Der Sklavenhändler freute sich über seinen Laufburschen und zum ersten Mal seit langem beobachtete er den Jungen genauer. Shar stand vor ihm, den Kopf wie immer zu Boden gerichtet, seine langen, ungekämmten Haare umspielten die hageren Gesichtszüge des Halbdrow, während ein alter, abgetragener Wollmantel und eine noch ältere Hose den Rest des dürren Körpers bedeckte. Er wirkte auf diese Art so unscheinbar und unwichtig und Nhaundar war von sich selbst überrascht, dass ihm diese Tatsache erst jetzt auffiel. Doch durch das Abgemagerte ähnelte er seinem Vater gar nicht, der muskulöse Körperbau des Kriegers fehlte gänzlich und der Sklavenhändler legte seine Stirn in Falter und dachte angestrengt nach was Vater und Sohn verband. Ab und zu wandte Nhaundar kurz seinen Blick hinüber zu Handir, der still und leise auf dem Boden kauerte und heimlich die Szene zwischen Shar und dem Sklavenhändler beobachtete und anschließend nahm er den Halbdrow wieder ins Visier. Nhaundar richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Jungen und musterte ihn eingehend. Der Junge schaute grausam aus, dreckig und verschmutzt. Ob er darunter auch so eine Schönheit wie sein Vater ist, sann der Drow plötzlich nach und erschrak ein wenig über diesen Gedanken. Dann erinnerte er sich an die tiefblauen Augen, die ihn einst so unschuldig anschauten. Vor seinem inneren Auge spielte sich diese Szene noch einmal ab und er konnte spüren, wie ihn wieder diese unbekannte Lust übermannte. Shar versprühte etwas, das den älteren Drow auf magische Weise anzog. Er ist zu jung, mahnte sich Nhaundar, viel zu jung, dünn und dreckig.
Lange sann der Drow noch darüber nach, während Handir bei jeder weiteren Minute in Sorge um seinen Sohn lebte und Shar im Gegenzug ebenfalls nervös wurde. Ab und zu blickte er hinüber zu Handir, der ihn mit einem Lächeln zu verstehen gab, dass er ruhig bleiben sollte. Mehr konnte der Elf nicht tun, auch wenn ihm der Sinn nach mehr stand. Aber das Leben seines Sohnes würde er nicht riskieren und selbst suchte er Trost in den Erinnerungen an Chalithra.
Nach kurzer Zeit von quälenden Selbstzweifeln und eines unbekannten Gefühls der absoluten Lust kehrten Nhaundars Gedanken zurück in die Wirklichkeit und nach des Rätsels Lösung. Mit lauter Stimme rief er nach zwei Dunkelelfensklaven und wies sie an, dass der Halbdrow zu baden und zu kämmen sei. Anschließend sollte er wieder hier her gebracht werden. Während einer der Sklaven mit dem verdutzt dreinblickenden Shar bereits auf dem Gang verschwand, gab er dem anderen eine weitere, geflüsterte Anweisung, so dass diese vor den Ohren Handirs verheimlicht wurde.
Handir spürte die Wut in sich aufsteigen. Er war genauso überrascht wie Shar, als Nhaundar diese unerwartete Anweisung gegeben hatte und wollte sich gar nicht vorstellen, was er damit bezweckte. Nur eines schien dem Elfen klar, es konnte in jedem Fall nichts Gutes heißen. Und als hätte der Drow die Gedanken seines Liebessklaven gelesen, schritt er nun bedächtig hinüber und wollte die Zeit sinnvoll nutzen, sich an dem muskulösen Körper des Mondelfen zu erfreuen, der heute in seidene Stoffe gehüllt war.
Über eine Stunde brachten die zwei Sklaven damit auf Shar in kaltem Wasser zu schrubben, zu waschen und die halb verflitzten langen, weißen, Haare in Ordnung zu bringen. Heißes Wasser wollten sie nicht verschwenden, nicht für einen Halbdrow. Dabei waren sie keines Wegs sanft und Shar schrie am Anfang vor Schmerzen auf. Das Wasser brannte auf seiner Haut, genau wie es heißes Wasser getan hätte. Durch das heftige Schrubben wurde sie gerötet, während seine Lippen durch die Kälte blau anliefen. Das Badewasser verfärbte sich dunkel und darunter kam ein junger Halbdrow hervor, der plötzlich ansehnlich wirkte. Doch nun konnte man aber auch die Prellungen, blauen Flecken, Schrammen und Narben erkennen, die er in den letzten 23 Jahren zugefügt bekommen hatte.
Shar, der nicht wusste, was das Ganze zu bedeuten hatte, ließ die Prozedur nur widerwillig über sich ergehen, besonders weil er in seinem Leben noch niemals zuvor in einem Badezuber gesessen hatte. Das Einzige, das ihm zum Waschen zur Verfügung stand war stets ein Eimer kaltes Wasser. Als die beiden Sklaven fertig waren, hoben sie ihn grob aus der Wanne und trockneten ihn ab. Erneut wurden seine Haare bearbeitet und er hatte das Gefühl, als würden sie ihm die Kopfhaut abziehen wollen. Nach weiteren Minuten begutachteten sie ihr Werk, der eine gab dem anderen ein Zeichen, sie nickten sich stumm zu und ohne ein Wort schleiften sie ihn zurück in Nhaundars Privatgemächern.
Der Junge wollte gerade protestieren, dass er keine Hose anhatte, da war es auch schon zu spät und er wurde durch die Tür zu seinem Herrn hingeschoben und stand plötzlich im Raum. Die Tür fiel geräuschlos hinter ihm ins Schloss. Er sah seinen Vater und Nhaundar auf dem großen Diwan in der Ecke am Fenster sitzen und beide schienen ziemlich beschäftigt zu sein. Eilig senkte er demütig den Kopf, ganz wie er es gewohnt war und wartete ungeduldig ab. Da wurde Shar sich blitzartig bewusst, dass er nackt war und sein Kopf lief vor dem aufkommenden Schamgefühl plötzlich rot an und er fühlte sich hilflos verloren in diesem Zimmer. Mit seinen Händen versuchte er krampfhaft seine intimste Stelle zu bedecken. Da wohl Nhaundar und Handir sein Herbringen nicht mitbekommen zu haben schienen, blieb ihm nichts anderes übrig, als hier ruhig und still auf der Stelle zu verharren. Aber die Neugier war größer und so blinzelte der Junge aus den Augenwinkeln hinüber. Erschrocken riss er seine tiefblauen Augen weit auf und sah zum ersten Mal, wie sich Nhaundar und Handir näher kamen. Er erinnerte sich mit einem Mal an den Geist des Dunkelelfen und den jungen Sklaven von einst. Es ähnelte der Szene von damals und nun tat sein Herr das Gleiche mit seinem Vater. Aber wie konnte das nur möglich sein, fragte sich Shar und eine nie gekannte Angst durchfuhr den hageren Leib des jungen Halbdrow. Er fing augenblicklich an zu zittern und verstand die Welt nicht mehr. Wie, als wäre ein undurchdringbarer Schleier von seinen Augen genommen worden, wurde ihm die Wahrheit in jenem Moment klar, als sein Herr sich von hinten über Handir beugte und sich beide in einem Rhythmus bewegten, vor- und rückwärts. Er wusste noch nicht was sie da taten und hätte es auch nicht in Worte fassen können, aber es schien nicht gut zu sein. Das Gesicht seines Vaters verzog sich dabei zu einer gequälten Fratze. Dies wiederum erinnerte Shar an sein eignes Erlebnis mit dem damaligen Drowhändler, der den Jungen ebenfalls zu etwas gezwungen hatte, das ihm nicht gefallen und gleichzeitig ein ekelhaftes Gefühl hervorgerufen hatte. Shar wusste, dass es nicht schön sein konnte und die Welt, die sich der junge Halbdrow über Handir und sein Leben zu Recht gelegt hatte, zerplatzte wie eine Seifenblase mit jeder weiteren Sekunde die verstrich. Shar konnte aber nicht anders und beobachtete weiter. Sein Herz raste und sein Bauch erhielt einen Stich. Tränen traten in seine Augen und ein kalter, Angst einflössender Schauer jagte über seinen Rücken. Mit einem kehligen Schrei von Nhaundar wurde Shar aus seinen Gedanken gerissen und instinktiv schaute er hinüber zu Handir und dem Drow und seufzte.
Beide blickten überrascht auf und erkannten den jungen Halbdrow, der nackt am anderen Ende des Zimmers stand und mit geweiteten Augen ungläubig die beiden Männer anstarrte.
Während Handir schluckte, tief Luft holen musste und im gleichen Moment sich am liebsten vor Scham irgendwo anderes befunden hätte, musste Nhaundar bei dieser Überraschung hinterhältig lächeln. Der soeben erlebte Höhepunkt war dadurch nur noch süßer. Er zog sich eilig aus dem Elfen zurück, streifte flink seine dunkle Robe über und stieß Handir unachtsam zur Seite. Dann richtete er sich zur vollen Größe auf und konnte sich denken, dass der Mondelf diese peinliche Situation in keiner Weise genoss. Ganz anders der Drow. Er hatte schon lange auf eine Demütigung Handirs gewartet und jetzt war sie ganz unverhofft eingetreten. Doch was ihn am meisten erfreute war der junge Halbdrow, der nackt im Raum stand und mit seinen tiefblauen Augen eine unschuldige Erschütterung ausstrahlte und wohl nicht wusste, was er denken sollte.
„Mein Hübscher, dein Sohn ist wieder da“, säuselte Nhaundar, als wäre gar nichts vorgefallen, dabei huschte ein dämonisches Lächeln über sein Gesicht.
Er wandte sich seinem Lustsklaven zu und er erkannte wie Handir errötete.
„Aber wer wird denn gleich rot werden, dass ist nur dein Sohn“, reizte der Dunkelelf weiter und schien jedes Wort in sich aufsaugen zu wollen.
„Ich …“, stammelte Handir leise, doch weiter kam er nicht, als ihm vor Scham die Stimme versagte.
„Ja, mein Hübscher, ich höre“, fragte Nhaundar, wohl bewusst über die gebrochene Stimme des Elfen, dann richtete er seine gesamte Aufmerksamkeit dem Halbdrow zu und vergaß Handir.
Der Sklavenhändler lief hinüber zu dem nackten Shar und seine Augen wurden größer, je näher er dem Jungen kam. Obwohl der Körper dünn, fast schon zu mager wirkte - denn man konnte jede einzelne Rippe mit den Augen erkennen und die Beine wirkten wackelig, so als könnten sie das Gewicht des Jungen kaum halten - war das Gesicht um so hübscher. Es wirkte auf eine gewisse Art und Weise attraktiv, auch wenn es ebenfalls wie der Rest des Körpers zu ausgehungert war. Weiße, lange, und diesmal gekämmte Haare umspielten die sanften Gesichtszüge. Da waren sie wieder, die tiefblauen Augen, die Nhaundar so sehr faszinierten. Sie ließen wieder die unschuldige Seele darin erkennen. Doch der Sklavenhändler erschrak ein wenig, als er die Prellungen, blauen Flecke, Schrammen und Narben sah, die sich über den ganzen Körper erstreckten. Das rundete in seinem Kopf nicht im Geringsten das Bild ab, das allmählich Form annahm. Innerlich ärgerte es Nhaundar, dass er doch nicht so perfekt wirkte, wie er sich das vorgestellte hatte. Sein letzter Blick fiel auf die vorne verschränkten Hände, die der Junge schützend vor seinen Schritt hielt. Zuerst wollte der Drow dem Sklaven den Befehl erteilen sie zu entfernen, entschied sich jedoch gleich dagegen. Wieso soll ich mir alles schon vorher verderben, mahnte er sich selbst. Die Zeit wird noch kommen, doch vorher muss er perfekt werden. Ein Plan nahm Gestalt an und diesen wollte er so dringend erledigt wissen, wie er wusste, was die Zukunft bringen würde.