Dem Wahnsinn so nah
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German › Books
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Disclaimer:
I do not own the Forgotten Realms books. I do not make any money from the writing of this story.
5. Kap. Das Spiel beginnt
5. Kapitel
Das Spiel beginnt
„Nhaundar Xarann, eure Seele ist noch charakterloser als euer Ruf“, säuselte die sanfte Stimme von Sorn Dalael und bedachte den Sklavenhändler dabei mit einem ehrlich gemeinten Lächeln und trat in die Privatgemächer von Nhaundar ein.
Sorn Dalael, seines Zeichen Drow, Vhaeraunpriester und gelegenlichter Geschäftspartner des Sklavenhändlers war der Aufforderung Nhaundars gefolgt und verbreitete beim Eintreten eine angenehme Aura. In den letzten zehn Jahren tätigten beide Geschäfte, in denen gerne magische Gegenstände und Waffen den Besitzer wechselten, meist in die Hände von Nhaundar. Oder der Sklavenhändler benötigte seine klerikalen Dienste. Und noch etwas verband beide Dunkelelfen, ein Geheimnis das sie teilten und doch nie ansprachen. Der Priester und der ältere Drow hatten sich einst intim genähert. Wenn auch nur ein einziges Mal. Nur Sorns Zwillingsbruder wusste noch davon, Nalfein Dalael. Damals eine eher unfreiwillige Zusammenkunft und im nach hinein eine recht prekäre dazu. Nhaundar verdrängte diese Tatsache viel zu gerne aus seinem Gedächtnis, besonders als er den besagten Dunkelelfen vor sich sah. Beide Brüder waren noch jung, gerade 140 Jahre alt und litten an chronischer Armut.
Sorn Dalael schritt soeben bedächtig durch den Raum. Er trug eine schwarze Lederhose und dazu passende schwarze Lederstiefel. Unter einer dunkelblauen offenen Robe mit silberbesticktem Saum lugte ein schwarzes Hemd hervor. Das gesamte Erscheinungsbild des attraktiven Dunkelelfen hatte etwas Edles und Vornehmes. Sorn hatte die edel aussehende Robe erst vor kurzem einem toten Magier auf den Straßen der Stadt abgenommen und schien stolz zu sein, diese bei dem übereilten Treffen tragen zu können, da sie keine Blutspritzer abbekommen hatte. An seiner Hüfte prangte ein schwarzes Langschwert, während unter seinem Hemd ein Symbol hervorspähte, dass ihn als das auswies, was er war, ein Vhaeraunpriester. Doch er befand sich nun in der Stadt der Spinnenkönigin und auch er musste um sein Leben fürchten, falls einer der fanatischen Lolthpriesterinnen ihn in ihre Hände bekommen würden. Jedoch auf dem Anwesen von Nhaundar konnte er sich sicher sein, nicht entdeckt zu werden. So holte er sein Heiliges Symbol hervor – eine goldene Halbmaske - und ließ dieses samt Kette nun lässig auf seiner Brust baumeln. Seine langen, weißen Haare fielen ihm locker über die Schultern und mit bernsteinfarbenen Augen betrachtete er den nun ebenfalls lächelnden Nhaundar, der zur Begrüßung seines Gastes aufgestanden war.
„Ganz der alte Schurke, niemals um ein freundliches Wort verlegen“, grinste der Sklavenhändler und war zum ersten Mal seit Tagen froh, diesen jungen Drow zu sehen.
Nhaundar hatte ihn vor zwei Tagen zu sich bestellt, damit ihm der Vhaeraunpriester bei seinem Plan, den kleinen Halbdrow betreffend, helfen konnte. Das Aussehen des Jungen sollte perfekt werden und nur ein Priester war in der Lage mit seinen Zaubern die Narben zu entfernen und dem Jungen das Bild zu verleihen, das er sich in seinen Träumen wünschte. Daher ließ Nhaundar durch Ranaghar eine dringende Botschaft an Sorn übermitteln, der durch seinen Aufenthalt in der Stadt schnell geantwortet und jetzt vor ihm stand.
„Wo ist euer Zwillingsbruder Nalfein, Sorn Dalael? Ist er nicht mitgekommen?“, fragte Nhaundar den Kleriker interessiert und versuchte das Gespräch gleich zu Beginn auf einer kulanten Ebene zu halten, bevor Nhaundar mit seinem unverhofften Vorschlag den Priester behelligen würde. Obwohl er keine Zweifel daran hegte, dass dieser ihm seine Bitte nicht abschlagen würde, solange der Drow die Geldbörse des Klerikers aufstockte. Denn der Priester und sein Bruder nahmen viele Aufträge an, solange die Bezahlung stimmte. Des Weiteren wusste der Sklavenhändler, dass die Zwillingsbrüder sprichwörtlich von der Hand in den Mund lebten.
„Er wartet auf mich in der Stadt, Nhaundar. Doch lasst uns lieber gleich zur Sache kommen, was wünscht ihr von mir? Ich dachte unser nächstes Treffen ist noch einige Zeit hin?“, platzte Sorn unbekümmert heraus und strahlte bei diesen einfachen Worten eine herrschende Macht aus, obwohl die Silben in sanftem Ton gesprochen wurden.
Wenn der Sklavenhändler diesen Dunkelelfen nicht kennen würde, dann wäre er misstrauisch geworden, doch er kannte nur zu gut die höfliche Art des Priesters, der durch seine äußere Fassade wie jeder andere männliche Drow wirkte. Doch er konnte auch anderes, was Nhaundar jedoch nicht heraufbeschwören wollte.
„Kommen wir gleich zum Geschäftlichen“, antwortete der Sklavenhändler erneut freundlich und wies Dipree an, er solle den Jungen holen.
Es dauerte auch nur einige Minuten und der junge Halbdrow stand ein wenig verdutzt mitten im Zimmer, ließ respektvoll den Kopf gesenkt und wurde von den beiden Drow mit neugierigen Blicken beobachtet.
Sorn wirkte angenehm überrascht einen Halbdrow vor sich stehen zu sehen, was Nhaundar wiederum erfreute. Er hatte gut daran getan einen Vhaeraunpriester zu wählen, obwohl es auch ein Kleriker eines anderen Gottes bei guter Bezahlung wohlmöglich zu Stande gebracht hätte. Aber wer oder was würde sich besser eigenen als ein Priester, der auf Grund seines Glaubens und seiner Gottheit diese Missgeburten förderte und den man bereits kannte. Da der Sklavenhändler nur an sich selbst und an den Profit glaubte und nicht an ein Pantheon, dass einem ständig Vorschriften aufgab, gratulierte er sich innerlich selber für den klugen Schachzug. Ein Lächeln huschte nun den beiden Drow über das Gesicht, als sie Shar ansahen, doch beide aus anderen Gründen.
„Sorn, ich gebe euch einen prall gefüllten Beutel Gold, wenn ihr mir dafür den …“, Nhaundar stockte für den Bruchteil einer Sekunde und überlegte, wie er den Jungen bezeichnen konnte ohne den Kleriker zu beleidigen, dann sprach er weiter. „… den Halbdrow von seinen Narben befreit und ihn ansehnlich macht.“
Er hatte sich dafür entschieden den Vhaeraunpriester nicht zu ärgern und den Gebrauch seines sonstigen Wortschatzes gegenüber solchen Missgeburten nicht zu benutzen. Außerdem gab es einen weiteren Grund, wieso er darauf verzichtete. Er konnte sich kaum noch an dem Jungen satt sehen, der immer mehr von seiner Lust in Anspruch nahm. Shar war sein Sklave und sein Eigentum ohne Zweifel, aber zu jung und hübsch, um als Abschaum bezeichnet zu werden. Handir, der Vater von Shar, Oberflächenelf und derzeitiger Liebessklave wurde allmählich aus dem Gedächtnis des Sklavenhändlers verdrängt. Eine neue Leidenschaft begann langsam im Inneren von Nhaundar wie ein Lavastrom zu brodeln. Zum Glück für Handir, dass dieser in jenem Moment nicht zugegen war.
„Eine seltsame Bitte aber keine Unmögliche“, zwang sich Sorn zu einer Antwort, wobei er darauf achtete, seinen Missmut gegenüber dem Vorschlag von Nhaundar nicht zu äußern. Er hatte eine wage Vorstellung, welche Absicht der Sklavenhändler dahinter verbarg, jedoch konnte er nichts dagegen sagen. Der Halbdrow wirkte auf den Kleriker jung, fast zu jung und durch den hageren Körperbau eher wie ein heranwachsendes Kind. Wie richtig er mit seiner Vermutung lag, wusste Sorn zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Shar ähnelte vom Äußeren einem fünfzehnjährigen Knaben und geistig war er auf dem Stand eines Zehnjährigen. Shar konnte weder Lesen noch Schreiben und wusste nicht einmal was ein Buch war. Mit seinen 23 Jahren kannte der junge Halbdrow nicht einmal einen einfachen Ball, ganz zu schweigen von Spielzeug mit denen Kinder großgezogen wurden. Alleine das Wort Spielen schien für Shar niemals existiert zu haben. Er kannte nur die Erwachsenen auf dem Anwesen, die Waffen der Soldaten, seine Arbeit und die Bestrafungen. Einige der Strafen hatten Narben hinterlassen, die nun der Kleriker verschwinden lassen sollte.
Nichtsdestoweniger erahnte Sorn Dalael mehr über die jungen Jahre von Shar, als Nhaundar begreifen könnte. Die Zwillingsbrüder verbrachten selbst eine harte Kindheit und der eingeschüchterte Anblick des Halbdrow erinnerte in jenem Moment den Vhaeraunpriester an die eigene Kindheit. Ein kalter Schauer jagte dem Kleriker über den Rücken, doch er musste versuchen sich zusammen zu reißen. Die Bezahlung für seine Arbeit überwiegte nun mehr. Sorn brauchte das Geld, genauso wie sein Bruder Nalfein, der sich mit seinen kämpferischen Fähigkeiten den Lohn verdiente. Mit einem vollen Beutel hätten beide mindestens zwei Monate ausgesorgt. Der Priester überlegte und dies brachte ihn augenblicklich zur Antwort.
„Ich werde es tun, aber ich brauche Zeit, Nhaundar.“
„Kein Problem, so viel wie ihr benötigt“, säuselte der Sklavenhändler zu dem Vhaeraunpriester hinüber, der leicht vor Enttäuschung über das Wort ‚Zeit’ das Gesicht verzog, als der Kleriker nicht hinschaute. Er wäre froh, wenn es schon hinter ihm liegen würde, doch seine Gedanken wurden von dem Priester unterbrochen.
„Dann werde ich es sofort tun und ich benötige einen ruhigen, abgeschiedenen Raum“, gab Sorn die Anweisung und schaute nun wieder neugierig zu dem jungen Halbdrow hinüber, der jetzt leicht verschreckt wirkte.
Shar war der Einzige in diesem Raum der gar nichts verstand. Alleine schon die Anwesenheit des fremden Drow brachte dem Jungen ein ungutes Gefühl ein. Es war keine Angst, doch etwas sollte passieren und hatte mit ihm zu tun. Des Weiteren war er enttäuscht, nicht seinen Vater zu sehen und dann kam noch das seltsame Gespräch mit ins Spiel. Es ging um ihn und seine Narben. Was war mit ihnen? fragte sich Shar. Viele von ihnen hatte er schon seit er ein kleiner Junge war und bei den meisten konnte er sich noch nicht einmal erinnern, wann und wie er sie bekommen hatte. Als er den beiden Drow weiter zuhörte wurde er plötzlich ängstlicher, denn der Fremde sprach von Zeit und einem ruhigen Ort. Zusammen ausgesprochen etwas, dass Shar einen kalten Schauer über den Rücken jagen ließ. Das seltsame Aussehen des Dunkelelfen trug nicht förderlich dazu bei, dass der Junge sich besser fühlte. Aber etwas hatte der Drow an sich, das auf bizarre Art und Weise anderes zu sein schien, doch Shar konnte es nicht in Worte fassen.
„Ich stelle euch eines der Zimmer im Erdgeschoss zur Verfügung. Ist das euren Ansprüchen gerecht?“, meinte Nhaundar erneut höflich, wobei er seine Nervosität nur noch schwer unterdrücken konnte. Noch während er redete zog er an einer Schnurr. Einen Augenblick später trat ein Sklave ein, der den Priester und den Halbdrow dorthin geleiten sollte.
„Natürlich Nhaundar … und ich möchte etwas zur Stärkung. Ich habe schon seit einigen Stunden nichts mehr zu mir genommen“, erwiderte Sorn und berührte nun Shar dabei sanft an der Schulter, um ihn hinaus zu führen.
Der Junge schreckte über die unerwartete Berührung kurz zusammen, entspannte sich jedoch gleich wieder, als er merkte, dass es lediglich dazu diente, dass der Fremde ihn lenken wollte. Aber die plötzlich auftretende Furcht vor dem Unbekannten saß fest verankert in ihm. Er fragte sich, was in diesem Zimmer geschehen sollte und flehte stumm, dass etwas geschah und er nicht mitgehen musste, während er sich weiterhin von dem Mann in der schwarzen Kleidung führen ließ. Die Erinnerungen an Durdyb hatte er niemals vergessen. Dabei konnte Shar nun ein Zittern nicht mehr unterdrücken. Wenn er nicht gehorchte würde sein Herr ihn sicherlich schmerzlich bestrafen. Der Sklave, Sorn und Shar verließen nun zusammen die Privatgemächer des Sklavenhändlers und kurz darauf fanden sie sich im unteren Stockwerk wieder. Der Sklave ging voraus und wies dem Kleriker ein Zimmer mit Bett zu und verschwand eilig, um dem Priester das versprochene Essen zu holen.
Währenddessen grübelte Sorn über das schreckhafte Verhalten und das Zittern des Jungen nach, versuchte sich dabei jedoch nichts anmerken zu lassen. Der Vhaeraunpriester schien in diesem Moment nur froh, dass er mit dem Halbdrow alleine war und Nhaundar keine Ambitionen hegte zugegen zu sein. Der Sklave brachte noch geschwind ein volles Tablett mit allen möglichen Speisen und der Priester lächelte zufrieden. Jetzt werden wir zwei genügend Zeit haben, sagte sich der Drow und verriegelte daraufhin sorgfältig die Tür um alleine mit dem Jungen zu sein.
Shar stand mit gesenktem Haupt in dem Zimmer, schaute zu Boden und fragte sich, wann die Schmerzen anfangen würden, aber nichts dergleichen geschah. Lebendig kehrten die Erinnerungen an den Händler auf dem Basar zurück und auch das schreckliche Erlebnis in der Kammer. Die Minuten wurden länger und das Einzige was der junge Halbdrow vernahm war das ruhige Atmen des fremden Dunkelelfen, der sich mittlerweile auf die Bettkante gesetzt hatte.
„Wie wirst du denn genannt, mein Junge?“, kam die plötzliche Frage an Shar, wobei der Kleriker versuchte, so ruhig wo möglich zu bleiben. Er hatte nicht vor den Jungen noch mehr zu erschrecken, der offensichtlich nicht die geringste Ahnung besaß, was mit ihm geschehen sollte.
Shar, der inzwischen gelernt hatte, schnell zu antworten, wenn er keine Schläge bekommen wollte, piepste mit dünner Stimme. „Shar, mein Herr.“
Sorn verstand jedoch nichts und wiederholte seine Frage. „Du musst lauter sprechen, Junge, ich kann dich kaum verstehen. Du brauchst auch keine Angst zu haben, ich möchte mit dir reden. Wie ist dein Name?“
Der junge Halbdrow, der über den Fremden jetzt mehr als verblüfft zu sein schien, fühlte sich mit einem Mal weniger ängstlich. Ob es aber an den Worten oder der Stimme des Dunkelelfen lag, konnte er nicht sagen.
„Schau mich an“, forderte Sorn den Jungen gleich darauf auf, achtete aber wieder auf einen freundlichen Tonfall.
Shar tat wie ihm geheißen, hob seinen Kopf und blickte dem Drow in die bernsteinfarbenen Augen. Obwohl die Augen seines Vaters blau waren, wirkten diese jetzt genauso wie Handirs. Sie strahlten eine ruhige und besänftigende Wesensart aus und in keinem Fall waren sie bedrohlich oder heimtückisch. Wie durch ein Wunder war plötzlich kaum ein Rest seiner Furcht übrig. Verzaubert beobachtete Shar den Elfen und antwortete diesmal lauter, jedoch immer noch mit halb geflüsterter Stimme. „Mein Name ist Shar, Herr.“
Es geht doch, gratulierte sich Sorn und war nun ebenfalls von dem jungen Halbdrow fasziniert. Er wirkte so unschuldig. „Shar ist ein schöner Name, mein Junge. Hast du Hunger?“, fragte der Kleriker und schaute hinüber zu dem vollen Tablett mit Essen, dass der Sklave zuvor auf einem kleinen Tisch abgestellt hatte. Der Priester wollte versuchen ein Gespräch mit dem Halbdrow anzufangen und vielleicht konnte er dabei einige Informationen herausfinden, warum Nhaundar so versessen darauf war ihn für diese Aufgabe zu gewinnen.
Jetzt war der Junge wirklich überrascht. Solch eine Frage hatte ihm zuvor noch nie jemand in all den Jahren gestellt, noch hatte sich jemand darum gesorgt, ob er etwas zu Essen hatte, außer Handir, dem allerdings im sprichwörtlichen Sinne die Hände gebunden waren. Ohne darüber nachzudenken antwortete er. „Ja, Herr.“
„Lass das Herr weg. Nenn’ mich Sorn. Einfach nur Sorn“, bat der Priester sanft und beobachtete noch interessierter den Jungen.
Der Vhaeraunpriester fragte sich, wie der junge Halbdrow in die Hände von Nhaundar gelangt war. Der Sklavenhändler hatte noch nie etwas übrig für andere und erst Recht nicht für einen Jungen, der zur Hälfte ein Oberflächenelf darstellte. Eigentlich hasste der ältere Dunkelelf alles, was nicht Drow war. Sorn überlegte weiter und kam auf die überraschende Erkenntnis, dass Nhaundars scheinheiliges Interesse nur Profit sein konnte, womöglich Gewinn an dem Jungen. Sorn schien sich sicher, wenn er das Geld hätte, dann würde er den jungen Halbdrow freikaufen und musterte den Kleinen vor sich. Doch das Geld hatte er nicht. Nhaundar plante etwas mit Shar und würde ihn wohl bestimmt nicht so schnell verkaufen. Dafür kannte der Kleriker den schmierigen Sklavenhändler zu gut. Auf der Oberfläche hätte Sorn den Kleinen irgendwo zu den Soldaten stecken können, überlegte der Vhaeraunpriester weiter, bis er merkte, dass er Gedankenversunken den Jungen anstarrte.
„Herr?“, fragte Shar plötzlich, der den Drow ebenfalls gemustert hatte und plötzlich bemerkte, dass dieser ihn seltsam ansah. Doch schon im nächsten Moment stockte er, als er sich daran erinnerte, dass er den Fremden nicht so ansprechen sollte und verbesserte sich augenblicklich, „Sorn, Herr … ist etwas?“ Dann verfluchte sich Shar selbst, dass er wieder das Wort ‚Herr’ über seine Lippen brachte. Seine Angst schien plötzlich vergessen, weil der Dunkelelf ihn immer mehr an das Wesen von Handir erinnerte.
„Was?“, fragte Sorn immer noch ein wenig in Gedanken, dann schüttelte er seinen Kopf, um sich von den lästigen Fragen zu befreien und meinte, „Es ist nichts, ich habe nur an etwas gedacht, Shar. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, hast du Hunger? Wenn ja, dann iss, das ist ganz alleine für dich. Du siehst aus, als hättest du schon lange nichts mehr zu dir genommen und wenn, dann war es nicht viel und nicht besonders nahrhaft.“
Der Drow mit dem Namen Sorn wirkte seltsam und faszinierenden zu gleich auf Shar. So höflich und gleichzeitig so anders, als all die anderen die er kannte. Eben hatte er noch furchtbare Angst, doch je mehr er der Stimme und den Worten des Dunkelelfen lauschte, desto ruhiger fühlte er sich. Instinktiv wusste Shar, dass der Drow ihm kein Leid antun wollte, sonst hätte er es bereits getan. Niemals zuvor war ihm so jemand begegnet und die anfängliche Furcht fiel endgültig von dem jungen Halbdrow ab. Er erinnerte ihn so sehr an Handir und die Tatsache, dass der Dunkelelf ihm sogar Essen anbot versetzte ihn in Erstaunen. So ein Verhalten war er von keinem Erwachsenen gewöhnt noch hätte er es jemals erwartet. Außerdem kam hinzu, dass Sorn keine Arglist ausstrahlte, wie all die anderen Dunkelelfen. Es schien alles so zu sein wie er es meinte und das beruhigte den jungen Halbdrow umso mehr. Shar war von dem Vhaeraunpriester bezaubert und alles ohne dass dieser jemals einen Zauber auf ihn geworfen hatte, sondern einzig und alleine auf Grund seiner Wesensart. Der Junge mochte ihn.
„Ihr meint ich soll essen?“, fragte Shar jedoch argwöhnisch nach. Obwohl er diesen Dunkelelfen auf eine gewisse Art Sympathien entgegen brachte, war er sich nicht sicher, ob vielleicht doch eine Hinterlist dahinter steckte und er einfach auf ihn einschlagen oder andere Schmerzen bereiten würde.
Ein leises Seufzen erklang von dem Drow auf dem Bett, dann blickte Sorn zu Shar hinüber. „Wenn du keinen Hunger hast, dann musst du nichts essen. Ich bin nur der Meinung das du es tun solltest, bevor du nichts bekommst.“
Das Argument hatte gesessen und nahm dem jungen Halbdrow alle Ängste vor einer eventuellen Falle, denn der Hunger war wirklich groß. Das letzte Mahl lag einen Tag zurück und bestand aus einer Suppe. Ohne einen weiteren Gedanken darüber zu verschwenden ging Shar hinüber zu dem kleinen Tisch, betrachtete die Speisen und griff zu. Er nahm alles, was seine Hände fassen konnten und so stopfte er sich eifrig den Mund voll. Es schmeckte lecker und so etwas Köstliches hatte er noch niemals zu sich genommen, auch wenn es nur Rothèfleisch, Pilze, Brot und andere Beilagen gab.
Sorn beobachtete den Jungen und musste lächeln als er das tölpelhafte Verhalten des Halbdrow sah. Hungrig war er, dass konnte man auch ohne die nicht vorhandenen Tischmanieren erkennen. Er wirkte wie ein klappriges Skelett. Der Vhaeraunpriester wollte allerdings den Jungen erst etwas essen lassen bevor er sich an die ihm bevorstehende Aufgabe zuwendete. So musterte er den Jungen weiter und konnte sich eine Frage nicht verkneifen.
„Shar, an welchen Gott glaubst du denn?“
Der junge Halbdrow hielt mitten im Kauen inne und schaute verdutzt hinüber zu dem Drow auf dem Bett. „Was ist denn ein Gott?“, fragte er mit vollen Backen und unterstrich diese Aussage mit einem naiven Gesichtsausdruck.
Oh Nhaundar, so ungläubig hältst du deine Sklaven, grinste Sorn in sich hinein und wusste sofort, was er als nächstes unternehmen würde.
„Shar, komm hier her und ich werde es dir erzählen, alles was du wissen willst“, ertönte die erfreute Stimme des Klerikers, der nichts lieber tat, als das Dogma Vhaerauns unter die Lebenden zu bringen. Dieser Halbdrow war geradezu ideal, spiegelte er doch das wieder, was sich sein Gott für die Zukunft der Elfen erhoffte.
Der Junge tat es, denn die Neugier auf das Unbekannte hatte ihn gepackt. Des Weiteren bot der Drow ihm an Geschichten zu erzählen und er liebte Geschichten. Handir hatte ihm schon lange nichts mehr erzählt und wenn sich beide wirklich ähnelten, dann konnte es nur gut werden. Lange Zeit saßen die beiden zusammen auf dem Bett, während Sorn seiner Pflicht als Priester gerecht wurde und Shar einen Überblick bot, was Gott, sein Glaube und ein Leben für die Ziele Vhaerauns mit sich brachten. Shar schien so fasziniert, dass er alles andere um sich herum vergaß.
Der Vhaeraunpriester wirkte ebenfalls beeindruckt von dem jungen Halbdrow, der solch eine kindliche Unschuld ausstrahlte. Er erfuhr so einiges aus dem Leben des Jungen und sogar wer sein Vater war. Sorn kannte Handir und umgekehrt, auch wenn beide niemals ein Wort miteinander wechselten. Meistens sahen sie sich dann, wenn der Kleriker bei Nhaundar einiges zu Verkaufen gedachte oder wenn das Ereignis der Jagd anstand. Schon immer hatte sich Sorn gefragt, was mit dem Elfen passiert sei und die Erkenntnis, dass dieser einen Sohn hatte, brachte dem Kleriker ein ungutes Gefühl im Magen ein. Als Shar letztendlich von Handir als Mondelfenkrieger sprach und die arrangierten Kämpfe erwähnte, tat ihm der Junge wirklich leid. Er hatte wirklich keine Ahnung und der Priester ärgerte sich nicht zum ersten Mal über den Sklavenhändler. Der Vhaeraunpriester schimpfte Nhaundar stumm als hinterhältiges und verlogenes Biest und er wusste nun erst recht, dass dieser etwas plante und es hatte eindeutig mit dem Jungen zu tun. Seine Aufgabe bestand lediglich darin Shar von all seinen Narben zu befreien, alles weitere blieb auch ihm verborgen.
Späterhin tat Sorn das, wofür er seinen Lohn erhielt und der Junge blühte anschließend förmlich auf. Doch zuerst ließ Shar kritisch die Prozedur der Heilung über sich ergehen, wobei ihm ein seltsames Gefühl durch den Körper jagte. Es schien wie ein kalter Schauer, der jedoch sanft auf der Haut kribbelte ohne Schmerzen zu bereiten. Shar riss seine tiefblauen Augen weit auf, die selbst den Kleriker am Ende in ihren Bann zogen, als er das Ergebnis begutachtete. All seine Narben waren durch göttliche Magie verschwunden und er hatte keine Angst davor. Nichts von den blauen Flecken, Schrammen und Prellungen auf seinem Körper schienen übrig geblieben zu sein. Dann strahlte der Junge, solch eine Freude aus, die tief aus dem Herzen kam, dass es Sorn beinahe Leid tat, dass er den Jungen schon bald zurück in die Obhut Nhaundars geben musste.
Später am Abend war es dann soweit. Nhaundar lief seit dem Verschwinden des Klerikers nervös auf und ab, während dieser nun zusammen mit seinem neuen Objekt der Begierde in einem der Zimmer im unteren Bereich des Hauptgebäudes verschwand. Dann kam die lang ersehnte Nachricht, dass der Priester mit seiner Aufgabe fertig war. Schade, dass Handir verhindert ist, schmollte Nhaundar in sich hinein, ich hätte zu gerne die Reaktion gesehen. Doch die Zeit wird kommen, schon bald ist er zurück und in dieser Zeit werde ich mir überlegen wie die Zukunft aussehen wird. Dann betrat der Vhaeraunpriester erschöpft von der Heilung in Begleitung von Shar die Privatgemächer.
Nhaundar klappte im gleichen Moment der Kiefer nach unten und er starrte mit weit aufgerissenen, glühenden Augen hinüber zu dem Halbdrow. Wie er da stand, wie er ausschaute, sagte sich der Sklavenhändler und konnte den Blick nicht abwenden. Ein kleiner Elf, zur Hälfte Drow und zur anderen ein Oberflächenelf, seine tiefblauen Augen schauten sündlos auf den Boden und offenbarten wieder diese seltsame Ausstrahlung der Unschuldigen. Das Gesicht hager, aber kein einziger blauer Fleck, Narben oder aufgerissene Lippen verunstalteten das Äußere. Die Haare frisch gekämmt, lang und fast über den Hintern reichend umspielten die feinen Gesichtszüge. Der Oberkörper zwar immer noch dünn aber jetzt mit einer noch sanfteren Ausdruckskraft, die bei Nhaundar augenblicklich ein Ziehen in den Lenden verursachte. Der Rest wurde durch eine abgetragene und ziemlich durchlöcherte Stoffhose verdeckt, worüber der Drow froh war. Er wusste nicht, ob er sich hätte zurückhalten können. Der Plan, der schon so lange im Inneren des älteren Dunkelelfen schlummerte hatte bei diesem Anblick seine endgültige Form angenommen und in den nächsten Tagen wäre die Zeit gekommen, wo das Leben von Shar sich endgültig verändern würde. Bei diesem Gedanken lächelte der Sklavenhändler dämonisch in sich hinein und wurde erst aus seinen Fantasien gerissen, als er Sorns Stimme vernahm.
„Nhaundar, wo ist meine Bezahlung? Ich werde von meinem Bruder Nalfein erwartet und ihr kennt sein aufbrausendes Gemüt wenn etwas nicht nach Plan verläuft.“
„Ja, ja natürlich Sorn“, kam die knappe und gedankenverlorene Antwort von Nhaundar.
„Kommt wieder zu euch, ihr fangt gleich an zu …“, erwiderte Sorn, hielt jedoch inne um nicht seinen Satz zu beenden, amüsierte sich jedoch köstlich über das lüsterne Verhalten des Drow, der eindeutig erregt wirkte. Nur Shar tat ihm in jenem Moment wieder leid und der Priester überlegte, ob er dem Jungen noch etwas Gutes tun konnte.
Währendessen begann Nhaundar sich wieder zu fangen, sein verklärter Blick wurde erneut durch eine stahlharte Miene ersetzt und er ermahnte sich selbst, jetzt nicht die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Die Zeit würde früh genug kommen und dann gehörte der junge Halbdrow ganz alleine ihm.
Shar war der Einzige in dem Raum der keinen Anlass hatte sich zu freuen. In den Augenwinkeln konnte er das seltsame Mienenspiel seines Herrn beobachten und verstand nur soviel, dass dieses nichts Gutes mit sich bringen konnte. Er wirkte ganz wie Durdyb damals, als er sich auf grausame Art Shars Körper genähert und ihn späterhin auf eine ekelhafte Art und Weise berührte. Etwas, was der Junge bis heute zwar verdrängt aber nicht vergessen hatte.
„Nhaundar, gebt dem Jungen etwas mehr zu essen, wenn euch das Wohl von Shar am Herzen liegt“, unterbrach Sorn jetzt die Stille des Raumes, da alle auf ihre eigenen Gedanken konzentriert waren.
Nun schien plötzlich Nhaundar wieder ganz der alte, schmierige Drow zu sein.
„Ich werde es mir merken, Priester“, meinte der Sklavenhändler mit einem wohl wissenden Lächeln im Gesicht, doch in seine Gedanken wiederholte sich beständig ein Wort, „Shar“. Bis zum heutigen Tag kannte er den Namen des Jungen nicht. Dass dieser jedoch so einen wunderschönen Namen besaß, überraschte Nhaundar doch sehr. Er war ein wenig überrascht darüber, wenn nicht sogar fasziniert davon. Er schimpfte sich nur kurz selbst, niemals nach dem Namen gefragt zu haben, dann kehrte er zurück in die Wirklichkeit. Der Sklavenhändler griff nach einem Beutel, der prall gefüllt an seinem Gürtel hang. „Hier eure Bezahlung …“, dann hielt er Sorn die Börse vor das Gesicht und dieser wollte im gleichen Moment zugreifen, da zog der Händler den Beutel wieder zurück, „… ihr bekommt mehr wenn ihr zur Jagd kommen könntet. So wie immer.“
Auf Sorns Gesicht, auf dem sich eben noch der Missmut über die zurückgehaltene Bezahlung abzeichnete, stahl sich ein Unheil verkündendes Grinsen. Der Vhaeraunpriester in ihm kam zum Vorschein und er konnte sich bereits bildlich jede Einzelheit ins Gedächtnis rufen, die von früheren Erlebnissen herrührte, welche Nhaundar tief unter seinem Anwesen veranstaltete. Es zählte in jenem Augenblick nur eins und das war sein Gott.
„Ich werde kommen“, war die kurze Antwort des Klerikers und riss dann den Beutel aus Nhaundars Hand. „Wann und Wo?“
„In drei Zehntagen, die Uhrzeit ist die gleiche wie immer und die Losung heißt ‚Das Spiel beginnt, die Dame schlägt den Turm’.“
„Eine gute Aussage für etwas, dass mir Freude bereiten wird“, antwortete Sorn und sein so freundlich wirkendes Gesicht wurde durch einen verträumten Ausdruck seltsam verklärt.
„So habe ich es gerne und ihr werdet eure Freude haben, das verspreche ich euch. Bringt Nalfein mit und ihr erhaltet den doppelten Lohn“, köderte Nhaundar den Priester weiter, obwohl er wusste, dass Sorn in jedem Fall gekommen wäre, alleine schon für die großzügige Bezahlung die auf ihn wartete und er sich das Vergnügen nicht nehmen ließ.
Shar hörte zu und verstand nur soviel, dass es wieder einer der Abende werden würde, an denen viele männliche Drow das Haus bevölkerten und das fast eine ganze Nacht lang. Noch nie war er zugegen gewesen, auch wenn er sich fragte, was dort passierte. Der junge Halbdrow würde wohl die Nacht wie immer verbringen, wie auch all die anderen Nächte zuvor alleine auf seine Decke im hinteren Teil der kargen Schlafkammer liegen und von Elfenkriegern träumen. Das nun Nhaundar selbst den Priester eingeladen hatte freute Shar auf eine Gewisse Art und Weise. Vielleicht konnte er heimlich einen Blick auf ihn werfen, wenn er irgendwo arbeitete.
„Wir werden kommen“, schmunzelte Sorn Nhaundar entgegen und anschließend verschwand er so geheimnisvoll, wie er gekommen war.
Zurück blieb ein glücklich wirkender Shar, der in seine Träumereien vertieft zu sein schien.
Die Tage gingen ins Land und Handir, der von alldem nichts mitbekommen hatte, kehrte wie schon sooft in den Jahren zurück zu Nhaundar. Zurück von einem Waffenmeister, der sich die neuste Jagd in den nächsten Tagen auch nicht entgehen lassen wollte. Handir war sehr begehrt bei der männlichen Kundschaft des Sklavenhändlers, die sich gerne mit Lustsklaven abgaben. Sein ansehnliches Äußeres steuerte den Rest bei. Ein anmutiges Gesicht, blaue Augen, lange, schwarze Haare, ein muskulöser Oberkörper und mit den Jahren ein williger Sklave im Bett. Doch innerlich stumpfte Handir mit jedem weiteren unfreiwilligen Liebhaber ab. Wenn er sich zuerst noch wehrte, wie es die Dunkelelfen liebten, war er jetzt soweit, dass er alles mit sich machen ließ ohne den geringsten Widerstand zu leisten. Nur eines konnten sie ihm nicht nehmen, die Erinnerungen. Die Bilder seiner Frau Chalithra und ihre gemeinsame Liebe. Shar hatte diese Liebe vereinheitlicht, doch ein Schicksal erhalten, dass ihm niemals zugedacht gewesen war. Im Haus Myt’tarlyl wäre er als das akzeptiert worden, was er war, ein Halbdrow und Sohn eines Vhaeraunsanhängers. Die Zukunft hätte ihn zu einem Kämpfer ausgebildet, wie es Tarlyn, der Vaterpatron des Hauses vorsah. Genau das, was Shar sich so sehr wünschte und wovon er fast jede Nacht träumte. Stattdessen spielte Iymril, die jüngere Schwester Chalithras ein falsches Spiel und verübte einen Anschlag auf die Ältere der beiden Frauen. Handir konnte zusammen mit seinem Sohn fliehen, nur um in die Falle von Nhaundar zu laufen, der gemeinsame Sache mit Iymril machte. Das gehörte nun jetzt 23 Jahre der Vergangenheit an und in diesen Jahren wuchs Shar heran. Für einen Elfen, ob Dunkelelf oder Elf der Oberfläche ein halbwüchsiges Kind. Mit 50 würde er zu einem Jugendlichen zählen und mit 80 als erwachsener Elf gelten. Doch noch war er jung, unerfahren und naiv. Woher sollte er auch sich Wissen aneignen, wenn ihm niemand etwas zeigte, erklärte oder lehrte. Das was Handir unternehmen konnte – in ihren gemeinsamen Stunden, die sie zusammen verbrachten - waren Geschichten und Erinnerungen zu erzählen, vermittelten dem Jungen aber in keiner Weise den Stand eines Elfen in seinem Alter. Er kannte nur eines und das schien unerbittliche Arbeit von Morgens bis Abends, ganz abgesehen von den Strafen bei einem Fehler. Die Botengänge, die sich Nhaundar für Shar heraussuchte ließen keinen anderen Schluss für den Mondelfen zu, dass es der Sklavenhändler nur tat, um Handir zur Weißglut zu bringen. Wenn der Elf nur daran dachte, was alles passieren könnte, lebte er in ständiger Sorge um seinen Sohn. Doch zum Glück für ihn und für den jungen Halbdrow selbst, bewies er Talent sich flink zu bewegen und sich in brenzligen Situation gut zu verstecken bis die Luft rein zu sein schien. Alle Aufträge erledigte er schnell und stets in Erwartung des Sklavenhändlers und großer Erleichterung seines Vaters. Als jedoch Handir jetzt seinen Sohn vor sich sah, der in demütiger Haltung vor Nhaundar stand, überkam den Mondelfen ein Gefühl einer katastrophalen Wendung. Er erkannte die äußeren Veränderungen seines Sohnes sofort und das er plötzlich wunderhübsch aussah. Die Narben waren verschwunden und er wirkte wie ausgewechselt. Eine seltsame Empfindung nahm von Handir Besitz und sein Magen begann sich bei dem Anblick zu verkrampfen. Etwas läuft falsch und völlig aus der Bahn, mahnte er sich selbst und bekam es mit der Angst zu tun. Er musste etwas unternehmen, doch er wusste noch nicht was. Als ob Nhaundar die Gedanken seines Sklaven gelesen hätte, begann dieser mit seiner gewohnt öligen Stimme zu sprechen.
„Mein Hübscher, ich hoffe doch dir gefällt was du da siehst? Er kommt doch ganz nach dir, Elf, findest du nicht auch?“, plauderte Nhaundar mit guter Laune.
Alleine die Tatsache Handir ärgern zu können, steigerte die Laune des Drow und seine neu entflammte Lust auf was Neues. Dabei lächelte er hinterhältig den Mondelfen an.
„Lass’ ihn in Ruhe. Ich bin derjenige, den du zu demütigen versuchst, du und Iymril. Mein Sohn hat nichts damit zu tun.“
„Das war einmal, mein Hübscher, ich habe andere Pläne für die Zukunft und was interessiert mich ein Weib das von Menzoberranzan weit entfernt ist“, grinste der Sklavenhändler in sich hinein.
„Das wirst du nicht wagen“, versuchte Handir sich und seinen Sohn zu verteidigen, dem bei den Worten des Drow angst und bange wurde.
„Ach, nein? Na wir werden ja sehen“, reizte Nhaundar weiter und kam nun auf den an der Wand fest geketteten Mondelfen zu. Die eiserne Fessel gab nicht viel Spielraum und reichte gerade mal einen Meter in den Raum hinein. Shar stand auf der anderen Seite des Zimmers und starrte nervös aus den Augenwinkeln zu den beiden Männern. Er verstand nicht über was sie redeten, aber alleine schon der Tonfall von Handir und seinem Herrn sagten dem Jungen, dass sich nichts Gutes ankündigte.
„Ich habe eine Aufgabe für dich, mein Hübscher“, sprach Nhaundar mit süßem Tonfall an Handir gewand und stand währenddessen unmittelbar vor dem Elfen und hielt mit seiner linken Hand das Kinn fest, so dass sich beide in die Augen schauen konnten. Der Dunkelelf spürte dabei, wie Handir sich verkrampfte. Der Sklavenhändler musste Vorsicht walten lassen, denn der Elf war stark und geschickt, auch wenn er mit der Kette nicht viel Bewegungsfreiheit besaß.
Handir schien einen Moment verwirrt über die Aussage, dann fasste er sich wieder.
„Du wirst deinem Sohn zeigen was es heißt ein Liebessklave zu sein und du wirst dabei kein schmutziges Detail auslassen“, flüsterte Nhaundar tückisch seinem Gegenüber ins Ohr.
Im gleichen Augenblick riss Handir seine Hände nach oben und stieß den Drow von sich weg. Ein Fehler und ein nicht wieder gutzumachender dazu.
Der Dunkelelf war im ersten Moment überrascht, aber nicht erstaunter als es sich der Mondelf wünschte. Er entfernte sich jäh aus dem Bewegungsfeld von Handir, so dass er ihn nicht mehr erreichen konnte und beobachtete mit hinterhältigem Grinsen, wie der Vater des Halbdrow verzweifelt an der Kette riss. Aber seine Kraft reichte nicht aus, die gut verankerte Eisenkette aus der Wand zu reißen. Er würde sich eher selbst erwürgen, anstatt auf Nhaundar los stürmen zu können. Ein Knurren verriet Handirs unbändige Wut auf den Dunkelelfen.
Shar stand immer noch da, fassungslos und von der Angst gebeutelt so etwas zwischen seinem Vater und seinem Herrn mit anschauen zu müssen.
„Du wirst das machen was ich dir sage, Sklave“, spie der Sklavenhändler und spuckte dabei Handir vor die Füße.
„NIEMALS!“, schrie der Elf plötzlich gellend auf und funkelte den Drow an.
„Das werden wir noch sehen, du spielst mit deinem Leben, Elfensklave“, erwiderte Nhaundar nun gereizt und sein hinterhältiges Grinsen wurde durch eine stahlharte Miene ersetzt. „Er ist nur dein Sohn und nicht deine Tochter, was regst du dich also auf, schwanger kann er ja nicht werden“, gab Nhaundar danach ruhig zu verstehen und fing augenblicklich an über seinen Witz zu lachen. Ein markerschütterndes Lachen, das durch den ganzen Raum hallte und ließ den Drow dabei noch gefährlicher erscheinen.
Das war zuviel für Handir und er konnte sich nicht mehr zusammen reißen. Er stürmte nach vorne und riss wie ein Besessener an der eisernen Kette. Es war ihm in diesem Moment sogar egal, dass er kaum Luft bekam, er hatte nur ein Ziel, er wollte Nhaundar erreichen. Das Halsband schnitt sich in sein Fleisch, aber er ignorierte jeden Schmerz und versuchte weiter mit bloßen Händen den Dunkelelfen zu attackieren. Er wollte die Kehle des Drow erwischen damit er zudrücken konnte.
Im Gegenzug war Nhaundar jetzt wirklich überrascht und riss vor Schreck die rot glühenden Augen weit auf. Er wollte noch einen Schritt zurückweichen, doch es war zu spät. Handir erwischte ein Stück der Robe des Dunkelelfen und zog ihn so näher zu sich heran. Nhaundar, der im Kampf wenig Geschick besaß und sich eigentlich eher von seinen Soldaten beschützen ließ, war Handirs Kraft unterlegen und so versuchte er sich so gut es ging zu verteidigen. Er zog aus einer verborgenen Scheide im Stiefel einen Dolch hervor. Die Klinge funkelte bedrohlich im Kerzenschein des Zimmers auf. Nhaundar schoss damit nach vorne und streifte die Hand des Elfen, der vor Schmerz kurz zusammenzuckte. Handir knurrte und ignorierte den Schnitt, nur noch eines zählte, den Dunkelelfen zu töten. Die Rache war nun seine und niemand könnte sie ihm jetzt noch nehmen.
Der Drow stand nun direkt vor dem Mondelfen und versuchte zu verstehen, was sich eben zutrug. Dann griff Nhaundar erneut an, hob die Klinge in die Luft und ließ sie auf den rechten Oberarm des Elfen sinken, um ihn kampfunfähig zu machen.
Handir sah aus den Augenwinkeln den Dolch auf sich zukommen und wich im letzten Augenblick nach links aus. Es blieb ihm gerade soviel Zeit wieder auf den Dunkelelfen los zu stürmen, um ihn erneut an der Kleidung zu zerren. Der Drow stolperte und fiel mit heftigem Schwung mit beiden Knien auf den harten Boden auf. Ein Schmerzenslaut erfüllte den Raum. Nhaundar schrie vor Qual und krümmte sich dabei nach vorne. Jetzt blieb Handir nicht mehr viel Zeit, gleich würden die Soldaten kommen und dem Dunkelelfen das wertlose Leben retten. Doch ihnen wollte Handir zuvor kommen. Was mit ihm geschehen würde war ihm zur gleichen Zeit egal, jetzt zählte nur noch Nhaundars Tod.
Der Sklavenhändler hatte bei seinem Sturz den Dolch fallen gelassen und tastete gerade mit zittrigen Händen nach dem Heft, aber der Mondelf kam ihm zuvor. Er stand vorne übergebeugt, ergriff mit der einen Hand die Klinge, während Handir die langen Haare des Drow festhielt. Er riss den Kopf mit dieser Geste weit nach hinten in den Nacken und legte so die Kehle Nhaundars frei. In dieser Position gefangen, bebte der Körper des Sklavenhändlers. Nun hatte der Dunkelelf zum ersten Mal seit vielen Jahren Angst, Furcht vor einem Elfen, der mit einem geschickten Schwung seines eigenen Dolches ihm das Leben nehmen konnte und mit Wahrscheinlichkeit auch durchführen würde. Nhaundar musste auf Zeit spielen, bis sein Schmerzensschrei, den die Soldaten gehört haben mussten, sie hier her brachten. Die heftigen Schmerzen in den Knien schienen schon fast vergessen. Dann spürte Nhaundar einen kräftigen Ruck und im nächsten Moment fiel sein Kopf nach vorne. Leicht benommen und überrascht zugleich noch am Leben zu sein, fragte er sich, was passiert war. Handir hielt im nächsten Augenblick dem Sklavenhändler ein volles Büschel weißen Haares unter die Nase.
„Deine Schande soll perfekt werden, du ruchlose Bestie“, spie Handir mit ungezügelten Zorn dem Dunkelelfen entgegen und wollte gerade den Dolch an die Kehle setzen, da wurde die Tür aufgerissen. Ein kleiner Stich folgte nur eine Sekunde später, als ein mit Schlafgift getränkter Bolzen einer Drowarmbrust den Elfen in den Hals traf. Handir konnte noch das Wort „Nein“ schreien, dann versagte ihm seine Stimme und Kraft verließ ihn. Eine Benommenheit nahm von ihm Besitz und er verlor dabei das Gleichgewicht. Er taumelte kurz zurück, dann prallte er mit dem Rücken gegen die harte Felswand und glitt daran hinunter. Im nächsten Moment begann der Schlaf ihn zu übermannen, doch er wollte dagegen ankämpfen. Es gelang ihm nicht und der Elf verlor sich plötzlich in einer traumlosen Dunkelheit.
„Handir“, erklang plötzlich ein Schrei durch den Raum.
Es war Shar, der mit weit aufgerissenen Augen die grausame Szene zwischen den beiden Elfen beobachtet hatte und aus seiner Fassungslosigkeit zurückkehrte. So schnell ihn seine Beine trugen, rannte er eilig hinüber zu dem betäubten Elfen, der an der Wand lehnte.
„Handir? Vater, was ist los?“, flüsterte Shar mit bebender Stimme, wobei er am ganzen Körper wie Espenlaub zitterte. Der Junge beugte sich über den schlafenden Elfen und schien erleichtert, als er sah, dass Handir langsam atmete, also lebte er noch. Doch der Schock über das ebene Geschehne saß tief. Der junge Halbdrow hatte den Kampf mit angesehen aber nicht den Grund verstanden. Im Prinzip wusste er nicht, dass sein Vater das alles nur tat, um ihn zu beschützen und hierbei das eigene Leben außer Acht ließ. Er nahm die erschlaffte Hand seines Vaters in die eigene und streichelte sie beruhigend, dabei flüsterte er immer wieder leise, „Handir, Handir“. Allmählich wurden Shars Augen aus Angst und Sorge um seinen Vater feucht und er begann leise zu weinen.
„Ihr elendes Pack, warum hat das so lange gedauert?“, schrie zur gleichen Zeit Nhaundar mit vor Zorn bebender Stimme den Soldaten zu, die aufgeregt das Zimmer stürmten. Den jungen Halbdrow neben sich vergaß er bei dem lebensrettenden Anblick gänzlich. Doch ein Zittern am eigenen Leib konnte auch er nicht verstecken. Der Schrecken saß dabei ihm so tief wie bei Shar und ließ den immer so überlegenen Drow plötzlich klein und hilflos wirken. Mit seinem verärgerten Tonfall versuchte er seine eigene Schwäche zu überspielen, die aber für die Soldaten dennoch offensichtlich zu sein schien. Dann kamen die Schmerzen in den Knien zurück und er versuchte sie durch weiteres Anschreien seiner Männer zu vertreiben. „Helft’ mir gefälligst und steht nicht nutzlos in der Gegend herum.“
Yazston kam hinüber gelaufen und half seinem Herrn aufzustehen, der immer wieder stöhnte. Schwächling, dachte sich der Soldat nur und freute sich heimlich, dass Nhaundar auch einmal eine Lektion lernte; nämlich niemanden zu unterschätzen. Doch gleich darauf war er wieder der Alte, als er Handir bewusstlos auf dem Boden liegen sah, daneben den jungen Halbdrow kniend und grinste dämonisch in sich hinein.
„Mein Herr, was wünscht ihr, dass wir tun sollen?“, fragte der Hauptkommandant und konnte sich bereits die Antwort denken, auf die er schon viele Jahre gewartete hatte.
„Er soll seine gerechte Strafe erhalten, aber warte bis er zu sich kommt. Er soll es genießen können. Du weißt was zu tun ist, Yazston?“, gab Nhaundar Antwort und biss sich noch immer vor Schmerz auf die Lippen. „Und lass’ mir Ranaghar bringen, er soll mir was gegen die Schmerzen geben.“
Yazston nickte und war gerade im Begriff die Anweisungen Nhaundars auszuführen, da rief dieser ihn zurück. „Warte, nehm’ den Jungen mit, bringe ihn Dipree, er soll ihn vorbereiten.“ Dabei wies er auf den jungen Halbdrow, der immer noch vorne übergebeugt neben seinem Vater kniete und weinte.
Als Shar bemerkte, dass Nhaundar etwas sagte was ihn betraf, wandte er seinen Kopf hinüber und schaute in die rot glühenden Augen seines Herrn, der hasserfüllt auf Vater und Sohn blickte. Mit einem heftigen Ruck an seinem eisernen Halsband wurde der Junge von Handir losgerissen und von Yazston festgehalten. Er zerrte den sich mit Tritten wehrenden Shar hinter sich her. Jeder Versuch sich von dem Drowsoldaten zu befreien wurden vereitelt, in dem der Hauptkommandant den Griff verstärkte bis beide den Raum verlassen hatten.
Aus dem Gang ertönten die Schreie von Shar, der lauthals nach Handir rief, bis auch diese langsam verhallten.
Zurück blieb Nhaundar Xarann der am heutigen Tag Richter über das Schicksal zweier Leben sein würde.
Das Spiel beginnt
„Nhaundar Xarann, eure Seele ist noch charakterloser als euer Ruf“, säuselte die sanfte Stimme von Sorn Dalael und bedachte den Sklavenhändler dabei mit einem ehrlich gemeinten Lächeln und trat in die Privatgemächer von Nhaundar ein.
Sorn Dalael, seines Zeichen Drow, Vhaeraunpriester und gelegenlichter Geschäftspartner des Sklavenhändlers war der Aufforderung Nhaundars gefolgt und verbreitete beim Eintreten eine angenehme Aura. In den letzten zehn Jahren tätigten beide Geschäfte, in denen gerne magische Gegenstände und Waffen den Besitzer wechselten, meist in die Hände von Nhaundar. Oder der Sklavenhändler benötigte seine klerikalen Dienste. Und noch etwas verband beide Dunkelelfen, ein Geheimnis das sie teilten und doch nie ansprachen. Der Priester und der ältere Drow hatten sich einst intim genähert. Wenn auch nur ein einziges Mal. Nur Sorns Zwillingsbruder wusste noch davon, Nalfein Dalael. Damals eine eher unfreiwillige Zusammenkunft und im nach hinein eine recht prekäre dazu. Nhaundar verdrängte diese Tatsache viel zu gerne aus seinem Gedächtnis, besonders als er den besagten Dunkelelfen vor sich sah. Beide Brüder waren noch jung, gerade 140 Jahre alt und litten an chronischer Armut.
Sorn Dalael schritt soeben bedächtig durch den Raum. Er trug eine schwarze Lederhose und dazu passende schwarze Lederstiefel. Unter einer dunkelblauen offenen Robe mit silberbesticktem Saum lugte ein schwarzes Hemd hervor. Das gesamte Erscheinungsbild des attraktiven Dunkelelfen hatte etwas Edles und Vornehmes. Sorn hatte die edel aussehende Robe erst vor kurzem einem toten Magier auf den Straßen der Stadt abgenommen und schien stolz zu sein, diese bei dem übereilten Treffen tragen zu können, da sie keine Blutspritzer abbekommen hatte. An seiner Hüfte prangte ein schwarzes Langschwert, während unter seinem Hemd ein Symbol hervorspähte, dass ihn als das auswies, was er war, ein Vhaeraunpriester. Doch er befand sich nun in der Stadt der Spinnenkönigin und auch er musste um sein Leben fürchten, falls einer der fanatischen Lolthpriesterinnen ihn in ihre Hände bekommen würden. Jedoch auf dem Anwesen von Nhaundar konnte er sich sicher sein, nicht entdeckt zu werden. So holte er sein Heiliges Symbol hervor – eine goldene Halbmaske - und ließ dieses samt Kette nun lässig auf seiner Brust baumeln. Seine langen, weißen Haare fielen ihm locker über die Schultern und mit bernsteinfarbenen Augen betrachtete er den nun ebenfalls lächelnden Nhaundar, der zur Begrüßung seines Gastes aufgestanden war.
„Ganz der alte Schurke, niemals um ein freundliches Wort verlegen“, grinste der Sklavenhändler und war zum ersten Mal seit Tagen froh, diesen jungen Drow zu sehen.
Nhaundar hatte ihn vor zwei Tagen zu sich bestellt, damit ihm der Vhaeraunpriester bei seinem Plan, den kleinen Halbdrow betreffend, helfen konnte. Das Aussehen des Jungen sollte perfekt werden und nur ein Priester war in der Lage mit seinen Zaubern die Narben zu entfernen und dem Jungen das Bild zu verleihen, das er sich in seinen Träumen wünschte. Daher ließ Nhaundar durch Ranaghar eine dringende Botschaft an Sorn übermitteln, der durch seinen Aufenthalt in der Stadt schnell geantwortet und jetzt vor ihm stand.
„Wo ist euer Zwillingsbruder Nalfein, Sorn Dalael? Ist er nicht mitgekommen?“, fragte Nhaundar den Kleriker interessiert und versuchte das Gespräch gleich zu Beginn auf einer kulanten Ebene zu halten, bevor Nhaundar mit seinem unverhofften Vorschlag den Priester behelligen würde. Obwohl er keine Zweifel daran hegte, dass dieser ihm seine Bitte nicht abschlagen würde, solange der Drow die Geldbörse des Klerikers aufstockte. Denn der Priester und sein Bruder nahmen viele Aufträge an, solange die Bezahlung stimmte. Des Weiteren wusste der Sklavenhändler, dass die Zwillingsbrüder sprichwörtlich von der Hand in den Mund lebten.
„Er wartet auf mich in der Stadt, Nhaundar. Doch lasst uns lieber gleich zur Sache kommen, was wünscht ihr von mir? Ich dachte unser nächstes Treffen ist noch einige Zeit hin?“, platzte Sorn unbekümmert heraus und strahlte bei diesen einfachen Worten eine herrschende Macht aus, obwohl die Silben in sanftem Ton gesprochen wurden.
Wenn der Sklavenhändler diesen Dunkelelfen nicht kennen würde, dann wäre er misstrauisch geworden, doch er kannte nur zu gut die höfliche Art des Priesters, der durch seine äußere Fassade wie jeder andere männliche Drow wirkte. Doch er konnte auch anderes, was Nhaundar jedoch nicht heraufbeschwören wollte.
„Kommen wir gleich zum Geschäftlichen“, antwortete der Sklavenhändler erneut freundlich und wies Dipree an, er solle den Jungen holen.
Es dauerte auch nur einige Minuten und der junge Halbdrow stand ein wenig verdutzt mitten im Zimmer, ließ respektvoll den Kopf gesenkt und wurde von den beiden Drow mit neugierigen Blicken beobachtet.
Sorn wirkte angenehm überrascht einen Halbdrow vor sich stehen zu sehen, was Nhaundar wiederum erfreute. Er hatte gut daran getan einen Vhaeraunpriester zu wählen, obwohl es auch ein Kleriker eines anderen Gottes bei guter Bezahlung wohlmöglich zu Stande gebracht hätte. Aber wer oder was würde sich besser eigenen als ein Priester, der auf Grund seines Glaubens und seiner Gottheit diese Missgeburten förderte und den man bereits kannte. Da der Sklavenhändler nur an sich selbst und an den Profit glaubte und nicht an ein Pantheon, dass einem ständig Vorschriften aufgab, gratulierte er sich innerlich selber für den klugen Schachzug. Ein Lächeln huschte nun den beiden Drow über das Gesicht, als sie Shar ansahen, doch beide aus anderen Gründen.
„Sorn, ich gebe euch einen prall gefüllten Beutel Gold, wenn ihr mir dafür den …“, Nhaundar stockte für den Bruchteil einer Sekunde und überlegte, wie er den Jungen bezeichnen konnte ohne den Kleriker zu beleidigen, dann sprach er weiter. „… den Halbdrow von seinen Narben befreit und ihn ansehnlich macht.“
Er hatte sich dafür entschieden den Vhaeraunpriester nicht zu ärgern und den Gebrauch seines sonstigen Wortschatzes gegenüber solchen Missgeburten nicht zu benutzen. Außerdem gab es einen weiteren Grund, wieso er darauf verzichtete. Er konnte sich kaum noch an dem Jungen satt sehen, der immer mehr von seiner Lust in Anspruch nahm. Shar war sein Sklave und sein Eigentum ohne Zweifel, aber zu jung und hübsch, um als Abschaum bezeichnet zu werden. Handir, der Vater von Shar, Oberflächenelf und derzeitiger Liebessklave wurde allmählich aus dem Gedächtnis des Sklavenhändlers verdrängt. Eine neue Leidenschaft begann langsam im Inneren von Nhaundar wie ein Lavastrom zu brodeln. Zum Glück für Handir, dass dieser in jenem Moment nicht zugegen war.
„Eine seltsame Bitte aber keine Unmögliche“, zwang sich Sorn zu einer Antwort, wobei er darauf achtete, seinen Missmut gegenüber dem Vorschlag von Nhaundar nicht zu äußern. Er hatte eine wage Vorstellung, welche Absicht der Sklavenhändler dahinter verbarg, jedoch konnte er nichts dagegen sagen. Der Halbdrow wirkte auf den Kleriker jung, fast zu jung und durch den hageren Körperbau eher wie ein heranwachsendes Kind. Wie richtig er mit seiner Vermutung lag, wusste Sorn zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Shar ähnelte vom Äußeren einem fünfzehnjährigen Knaben und geistig war er auf dem Stand eines Zehnjährigen. Shar konnte weder Lesen noch Schreiben und wusste nicht einmal was ein Buch war. Mit seinen 23 Jahren kannte der junge Halbdrow nicht einmal einen einfachen Ball, ganz zu schweigen von Spielzeug mit denen Kinder großgezogen wurden. Alleine das Wort Spielen schien für Shar niemals existiert zu haben. Er kannte nur die Erwachsenen auf dem Anwesen, die Waffen der Soldaten, seine Arbeit und die Bestrafungen. Einige der Strafen hatten Narben hinterlassen, die nun der Kleriker verschwinden lassen sollte.
Nichtsdestoweniger erahnte Sorn Dalael mehr über die jungen Jahre von Shar, als Nhaundar begreifen könnte. Die Zwillingsbrüder verbrachten selbst eine harte Kindheit und der eingeschüchterte Anblick des Halbdrow erinnerte in jenem Moment den Vhaeraunpriester an die eigene Kindheit. Ein kalter Schauer jagte dem Kleriker über den Rücken, doch er musste versuchen sich zusammen zu reißen. Die Bezahlung für seine Arbeit überwiegte nun mehr. Sorn brauchte das Geld, genauso wie sein Bruder Nalfein, der sich mit seinen kämpferischen Fähigkeiten den Lohn verdiente. Mit einem vollen Beutel hätten beide mindestens zwei Monate ausgesorgt. Der Priester überlegte und dies brachte ihn augenblicklich zur Antwort.
„Ich werde es tun, aber ich brauche Zeit, Nhaundar.“
„Kein Problem, so viel wie ihr benötigt“, säuselte der Sklavenhändler zu dem Vhaeraunpriester hinüber, der leicht vor Enttäuschung über das Wort ‚Zeit’ das Gesicht verzog, als der Kleriker nicht hinschaute. Er wäre froh, wenn es schon hinter ihm liegen würde, doch seine Gedanken wurden von dem Priester unterbrochen.
„Dann werde ich es sofort tun und ich benötige einen ruhigen, abgeschiedenen Raum“, gab Sorn die Anweisung und schaute nun wieder neugierig zu dem jungen Halbdrow hinüber, der jetzt leicht verschreckt wirkte.
Shar war der Einzige in diesem Raum der gar nichts verstand. Alleine schon die Anwesenheit des fremden Drow brachte dem Jungen ein ungutes Gefühl ein. Es war keine Angst, doch etwas sollte passieren und hatte mit ihm zu tun. Des Weiteren war er enttäuscht, nicht seinen Vater zu sehen und dann kam noch das seltsame Gespräch mit ins Spiel. Es ging um ihn und seine Narben. Was war mit ihnen? fragte sich Shar. Viele von ihnen hatte er schon seit er ein kleiner Junge war und bei den meisten konnte er sich noch nicht einmal erinnern, wann und wie er sie bekommen hatte. Als er den beiden Drow weiter zuhörte wurde er plötzlich ängstlicher, denn der Fremde sprach von Zeit und einem ruhigen Ort. Zusammen ausgesprochen etwas, dass Shar einen kalten Schauer über den Rücken jagen ließ. Das seltsame Aussehen des Dunkelelfen trug nicht förderlich dazu bei, dass der Junge sich besser fühlte. Aber etwas hatte der Drow an sich, das auf bizarre Art und Weise anderes zu sein schien, doch Shar konnte es nicht in Worte fassen.
„Ich stelle euch eines der Zimmer im Erdgeschoss zur Verfügung. Ist das euren Ansprüchen gerecht?“, meinte Nhaundar erneut höflich, wobei er seine Nervosität nur noch schwer unterdrücken konnte. Noch während er redete zog er an einer Schnurr. Einen Augenblick später trat ein Sklave ein, der den Priester und den Halbdrow dorthin geleiten sollte.
„Natürlich Nhaundar … und ich möchte etwas zur Stärkung. Ich habe schon seit einigen Stunden nichts mehr zu mir genommen“, erwiderte Sorn und berührte nun Shar dabei sanft an der Schulter, um ihn hinaus zu führen.
Der Junge schreckte über die unerwartete Berührung kurz zusammen, entspannte sich jedoch gleich wieder, als er merkte, dass es lediglich dazu diente, dass der Fremde ihn lenken wollte. Aber die plötzlich auftretende Furcht vor dem Unbekannten saß fest verankert in ihm. Er fragte sich, was in diesem Zimmer geschehen sollte und flehte stumm, dass etwas geschah und er nicht mitgehen musste, während er sich weiterhin von dem Mann in der schwarzen Kleidung führen ließ. Die Erinnerungen an Durdyb hatte er niemals vergessen. Dabei konnte Shar nun ein Zittern nicht mehr unterdrücken. Wenn er nicht gehorchte würde sein Herr ihn sicherlich schmerzlich bestrafen. Der Sklave, Sorn und Shar verließen nun zusammen die Privatgemächer des Sklavenhändlers und kurz darauf fanden sie sich im unteren Stockwerk wieder. Der Sklave ging voraus und wies dem Kleriker ein Zimmer mit Bett zu und verschwand eilig, um dem Priester das versprochene Essen zu holen.
Währenddessen grübelte Sorn über das schreckhafte Verhalten und das Zittern des Jungen nach, versuchte sich dabei jedoch nichts anmerken zu lassen. Der Vhaeraunpriester schien in diesem Moment nur froh, dass er mit dem Halbdrow alleine war und Nhaundar keine Ambitionen hegte zugegen zu sein. Der Sklave brachte noch geschwind ein volles Tablett mit allen möglichen Speisen und der Priester lächelte zufrieden. Jetzt werden wir zwei genügend Zeit haben, sagte sich der Drow und verriegelte daraufhin sorgfältig die Tür um alleine mit dem Jungen zu sein.
Shar stand mit gesenktem Haupt in dem Zimmer, schaute zu Boden und fragte sich, wann die Schmerzen anfangen würden, aber nichts dergleichen geschah. Lebendig kehrten die Erinnerungen an den Händler auf dem Basar zurück und auch das schreckliche Erlebnis in der Kammer. Die Minuten wurden länger und das Einzige was der junge Halbdrow vernahm war das ruhige Atmen des fremden Dunkelelfen, der sich mittlerweile auf die Bettkante gesetzt hatte.
„Wie wirst du denn genannt, mein Junge?“, kam die plötzliche Frage an Shar, wobei der Kleriker versuchte, so ruhig wo möglich zu bleiben. Er hatte nicht vor den Jungen noch mehr zu erschrecken, der offensichtlich nicht die geringste Ahnung besaß, was mit ihm geschehen sollte.
Shar, der inzwischen gelernt hatte, schnell zu antworten, wenn er keine Schläge bekommen wollte, piepste mit dünner Stimme. „Shar, mein Herr.“
Sorn verstand jedoch nichts und wiederholte seine Frage. „Du musst lauter sprechen, Junge, ich kann dich kaum verstehen. Du brauchst auch keine Angst zu haben, ich möchte mit dir reden. Wie ist dein Name?“
Der junge Halbdrow, der über den Fremden jetzt mehr als verblüfft zu sein schien, fühlte sich mit einem Mal weniger ängstlich. Ob es aber an den Worten oder der Stimme des Dunkelelfen lag, konnte er nicht sagen.
„Schau mich an“, forderte Sorn den Jungen gleich darauf auf, achtete aber wieder auf einen freundlichen Tonfall.
Shar tat wie ihm geheißen, hob seinen Kopf und blickte dem Drow in die bernsteinfarbenen Augen. Obwohl die Augen seines Vaters blau waren, wirkten diese jetzt genauso wie Handirs. Sie strahlten eine ruhige und besänftigende Wesensart aus und in keinem Fall waren sie bedrohlich oder heimtückisch. Wie durch ein Wunder war plötzlich kaum ein Rest seiner Furcht übrig. Verzaubert beobachtete Shar den Elfen und antwortete diesmal lauter, jedoch immer noch mit halb geflüsterter Stimme. „Mein Name ist Shar, Herr.“
Es geht doch, gratulierte sich Sorn und war nun ebenfalls von dem jungen Halbdrow fasziniert. Er wirkte so unschuldig. „Shar ist ein schöner Name, mein Junge. Hast du Hunger?“, fragte der Kleriker und schaute hinüber zu dem vollen Tablett mit Essen, dass der Sklave zuvor auf einem kleinen Tisch abgestellt hatte. Der Priester wollte versuchen ein Gespräch mit dem Halbdrow anzufangen und vielleicht konnte er dabei einige Informationen herausfinden, warum Nhaundar so versessen darauf war ihn für diese Aufgabe zu gewinnen.
Jetzt war der Junge wirklich überrascht. Solch eine Frage hatte ihm zuvor noch nie jemand in all den Jahren gestellt, noch hatte sich jemand darum gesorgt, ob er etwas zu Essen hatte, außer Handir, dem allerdings im sprichwörtlichen Sinne die Hände gebunden waren. Ohne darüber nachzudenken antwortete er. „Ja, Herr.“
„Lass das Herr weg. Nenn’ mich Sorn. Einfach nur Sorn“, bat der Priester sanft und beobachtete noch interessierter den Jungen.
Der Vhaeraunpriester fragte sich, wie der junge Halbdrow in die Hände von Nhaundar gelangt war. Der Sklavenhändler hatte noch nie etwas übrig für andere und erst Recht nicht für einen Jungen, der zur Hälfte ein Oberflächenelf darstellte. Eigentlich hasste der ältere Dunkelelf alles, was nicht Drow war. Sorn überlegte weiter und kam auf die überraschende Erkenntnis, dass Nhaundars scheinheiliges Interesse nur Profit sein konnte, womöglich Gewinn an dem Jungen. Sorn schien sich sicher, wenn er das Geld hätte, dann würde er den jungen Halbdrow freikaufen und musterte den Kleinen vor sich. Doch das Geld hatte er nicht. Nhaundar plante etwas mit Shar und würde ihn wohl bestimmt nicht so schnell verkaufen. Dafür kannte der Kleriker den schmierigen Sklavenhändler zu gut. Auf der Oberfläche hätte Sorn den Kleinen irgendwo zu den Soldaten stecken können, überlegte der Vhaeraunpriester weiter, bis er merkte, dass er Gedankenversunken den Jungen anstarrte.
„Herr?“, fragte Shar plötzlich, der den Drow ebenfalls gemustert hatte und plötzlich bemerkte, dass dieser ihn seltsam ansah. Doch schon im nächsten Moment stockte er, als er sich daran erinnerte, dass er den Fremden nicht so ansprechen sollte und verbesserte sich augenblicklich, „Sorn, Herr … ist etwas?“ Dann verfluchte sich Shar selbst, dass er wieder das Wort ‚Herr’ über seine Lippen brachte. Seine Angst schien plötzlich vergessen, weil der Dunkelelf ihn immer mehr an das Wesen von Handir erinnerte.
„Was?“, fragte Sorn immer noch ein wenig in Gedanken, dann schüttelte er seinen Kopf, um sich von den lästigen Fragen zu befreien und meinte, „Es ist nichts, ich habe nur an etwas gedacht, Shar. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, hast du Hunger? Wenn ja, dann iss, das ist ganz alleine für dich. Du siehst aus, als hättest du schon lange nichts mehr zu dir genommen und wenn, dann war es nicht viel und nicht besonders nahrhaft.“
Der Drow mit dem Namen Sorn wirkte seltsam und faszinierenden zu gleich auf Shar. So höflich und gleichzeitig so anders, als all die anderen die er kannte. Eben hatte er noch furchtbare Angst, doch je mehr er der Stimme und den Worten des Dunkelelfen lauschte, desto ruhiger fühlte er sich. Instinktiv wusste Shar, dass der Drow ihm kein Leid antun wollte, sonst hätte er es bereits getan. Niemals zuvor war ihm so jemand begegnet und die anfängliche Furcht fiel endgültig von dem jungen Halbdrow ab. Er erinnerte ihn so sehr an Handir und die Tatsache, dass der Dunkelelf ihm sogar Essen anbot versetzte ihn in Erstaunen. So ein Verhalten war er von keinem Erwachsenen gewöhnt noch hätte er es jemals erwartet. Außerdem kam hinzu, dass Sorn keine Arglist ausstrahlte, wie all die anderen Dunkelelfen. Es schien alles so zu sein wie er es meinte und das beruhigte den jungen Halbdrow umso mehr. Shar war von dem Vhaeraunpriester bezaubert und alles ohne dass dieser jemals einen Zauber auf ihn geworfen hatte, sondern einzig und alleine auf Grund seiner Wesensart. Der Junge mochte ihn.
„Ihr meint ich soll essen?“, fragte Shar jedoch argwöhnisch nach. Obwohl er diesen Dunkelelfen auf eine gewisse Art Sympathien entgegen brachte, war er sich nicht sicher, ob vielleicht doch eine Hinterlist dahinter steckte und er einfach auf ihn einschlagen oder andere Schmerzen bereiten würde.
Ein leises Seufzen erklang von dem Drow auf dem Bett, dann blickte Sorn zu Shar hinüber. „Wenn du keinen Hunger hast, dann musst du nichts essen. Ich bin nur der Meinung das du es tun solltest, bevor du nichts bekommst.“
Das Argument hatte gesessen und nahm dem jungen Halbdrow alle Ängste vor einer eventuellen Falle, denn der Hunger war wirklich groß. Das letzte Mahl lag einen Tag zurück und bestand aus einer Suppe. Ohne einen weiteren Gedanken darüber zu verschwenden ging Shar hinüber zu dem kleinen Tisch, betrachtete die Speisen und griff zu. Er nahm alles, was seine Hände fassen konnten und so stopfte er sich eifrig den Mund voll. Es schmeckte lecker und so etwas Köstliches hatte er noch niemals zu sich genommen, auch wenn es nur Rothèfleisch, Pilze, Brot und andere Beilagen gab.
Sorn beobachtete den Jungen und musste lächeln als er das tölpelhafte Verhalten des Halbdrow sah. Hungrig war er, dass konnte man auch ohne die nicht vorhandenen Tischmanieren erkennen. Er wirkte wie ein klappriges Skelett. Der Vhaeraunpriester wollte allerdings den Jungen erst etwas essen lassen bevor er sich an die ihm bevorstehende Aufgabe zuwendete. So musterte er den Jungen weiter und konnte sich eine Frage nicht verkneifen.
„Shar, an welchen Gott glaubst du denn?“
Der junge Halbdrow hielt mitten im Kauen inne und schaute verdutzt hinüber zu dem Drow auf dem Bett. „Was ist denn ein Gott?“, fragte er mit vollen Backen und unterstrich diese Aussage mit einem naiven Gesichtsausdruck.
Oh Nhaundar, so ungläubig hältst du deine Sklaven, grinste Sorn in sich hinein und wusste sofort, was er als nächstes unternehmen würde.
„Shar, komm hier her und ich werde es dir erzählen, alles was du wissen willst“, ertönte die erfreute Stimme des Klerikers, der nichts lieber tat, als das Dogma Vhaerauns unter die Lebenden zu bringen. Dieser Halbdrow war geradezu ideal, spiegelte er doch das wieder, was sich sein Gott für die Zukunft der Elfen erhoffte.
Der Junge tat es, denn die Neugier auf das Unbekannte hatte ihn gepackt. Des Weiteren bot der Drow ihm an Geschichten zu erzählen und er liebte Geschichten. Handir hatte ihm schon lange nichts mehr erzählt und wenn sich beide wirklich ähnelten, dann konnte es nur gut werden. Lange Zeit saßen die beiden zusammen auf dem Bett, während Sorn seiner Pflicht als Priester gerecht wurde und Shar einen Überblick bot, was Gott, sein Glaube und ein Leben für die Ziele Vhaerauns mit sich brachten. Shar schien so fasziniert, dass er alles andere um sich herum vergaß.
Der Vhaeraunpriester wirkte ebenfalls beeindruckt von dem jungen Halbdrow, der solch eine kindliche Unschuld ausstrahlte. Er erfuhr so einiges aus dem Leben des Jungen und sogar wer sein Vater war. Sorn kannte Handir und umgekehrt, auch wenn beide niemals ein Wort miteinander wechselten. Meistens sahen sie sich dann, wenn der Kleriker bei Nhaundar einiges zu Verkaufen gedachte oder wenn das Ereignis der Jagd anstand. Schon immer hatte sich Sorn gefragt, was mit dem Elfen passiert sei und die Erkenntnis, dass dieser einen Sohn hatte, brachte dem Kleriker ein ungutes Gefühl im Magen ein. Als Shar letztendlich von Handir als Mondelfenkrieger sprach und die arrangierten Kämpfe erwähnte, tat ihm der Junge wirklich leid. Er hatte wirklich keine Ahnung und der Priester ärgerte sich nicht zum ersten Mal über den Sklavenhändler. Der Vhaeraunpriester schimpfte Nhaundar stumm als hinterhältiges und verlogenes Biest und er wusste nun erst recht, dass dieser etwas plante und es hatte eindeutig mit dem Jungen zu tun. Seine Aufgabe bestand lediglich darin Shar von all seinen Narben zu befreien, alles weitere blieb auch ihm verborgen.
Späterhin tat Sorn das, wofür er seinen Lohn erhielt und der Junge blühte anschließend förmlich auf. Doch zuerst ließ Shar kritisch die Prozedur der Heilung über sich ergehen, wobei ihm ein seltsames Gefühl durch den Körper jagte. Es schien wie ein kalter Schauer, der jedoch sanft auf der Haut kribbelte ohne Schmerzen zu bereiten. Shar riss seine tiefblauen Augen weit auf, die selbst den Kleriker am Ende in ihren Bann zogen, als er das Ergebnis begutachtete. All seine Narben waren durch göttliche Magie verschwunden und er hatte keine Angst davor. Nichts von den blauen Flecken, Schrammen und Prellungen auf seinem Körper schienen übrig geblieben zu sein. Dann strahlte der Junge, solch eine Freude aus, die tief aus dem Herzen kam, dass es Sorn beinahe Leid tat, dass er den Jungen schon bald zurück in die Obhut Nhaundars geben musste.
Später am Abend war es dann soweit. Nhaundar lief seit dem Verschwinden des Klerikers nervös auf und ab, während dieser nun zusammen mit seinem neuen Objekt der Begierde in einem der Zimmer im unteren Bereich des Hauptgebäudes verschwand. Dann kam die lang ersehnte Nachricht, dass der Priester mit seiner Aufgabe fertig war. Schade, dass Handir verhindert ist, schmollte Nhaundar in sich hinein, ich hätte zu gerne die Reaktion gesehen. Doch die Zeit wird kommen, schon bald ist er zurück und in dieser Zeit werde ich mir überlegen wie die Zukunft aussehen wird. Dann betrat der Vhaeraunpriester erschöpft von der Heilung in Begleitung von Shar die Privatgemächer.
Nhaundar klappte im gleichen Moment der Kiefer nach unten und er starrte mit weit aufgerissenen, glühenden Augen hinüber zu dem Halbdrow. Wie er da stand, wie er ausschaute, sagte sich der Sklavenhändler und konnte den Blick nicht abwenden. Ein kleiner Elf, zur Hälfte Drow und zur anderen ein Oberflächenelf, seine tiefblauen Augen schauten sündlos auf den Boden und offenbarten wieder diese seltsame Ausstrahlung der Unschuldigen. Das Gesicht hager, aber kein einziger blauer Fleck, Narben oder aufgerissene Lippen verunstalteten das Äußere. Die Haare frisch gekämmt, lang und fast über den Hintern reichend umspielten die feinen Gesichtszüge. Der Oberkörper zwar immer noch dünn aber jetzt mit einer noch sanfteren Ausdruckskraft, die bei Nhaundar augenblicklich ein Ziehen in den Lenden verursachte. Der Rest wurde durch eine abgetragene und ziemlich durchlöcherte Stoffhose verdeckt, worüber der Drow froh war. Er wusste nicht, ob er sich hätte zurückhalten können. Der Plan, der schon so lange im Inneren des älteren Dunkelelfen schlummerte hatte bei diesem Anblick seine endgültige Form angenommen und in den nächsten Tagen wäre die Zeit gekommen, wo das Leben von Shar sich endgültig verändern würde. Bei diesem Gedanken lächelte der Sklavenhändler dämonisch in sich hinein und wurde erst aus seinen Fantasien gerissen, als er Sorns Stimme vernahm.
„Nhaundar, wo ist meine Bezahlung? Ich werde von meinem Bruder Nalfein erwartet und ihr kennt sein aufbrausendes Gemüt wenn etwas nicht nach Plan verläuft.“
„Ja, ja natürlich Sorn“, kam die knappe und gedankenverlorene Antwort von Nhaundar.
„Kommt wieder zu euch, ihr fangt gleich an zu …“, erwiderte Sorn, hielt jedoch inne um nicht seinen Satz zu beenden, amüsierte sich jedoch köstlich über das lüsterne Verhalten des Drow, der eindeutig erregt wirkte. Nur Shar tat ihm in jenem Moment wieder leid und der Priester überlegte, ob er dem Jungen noch etwas Gutes tun konnte.
Währendessen begann Nhaundar sich wieder zu fangen, sein verklärter Blick wurde erneut durch eine stahlharte Miene ersetzt und er ermahnte sich selbst, jetzt nicht die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Die Zeit würde früh genug kommen und dann gehörte der junge Halbdrow ganz alleine ihm.
Shar war der Einzige in dem Raum der keinen Anlass hatte sich zu freuen. In den Augenwinkeln konnte er das seltsame Mienenspiel seines Herrn beobachten und verstand nur soviel, dass dieses nichts Gutes mit sich bringen konnte. Er wirkte ganz wie Durdyb damals, als er sich auf grausame Art Shars Körper genähert und ihn späterhin auf eine ekelhafte Art und Weise berührte. Etwas, was der Junge bis heute zwar verdrängt aber nicht vergessen hatte.
„Nhaundar, gebt dem Jungen etwas mehr zu essen, wenn euch das Wohl von Shar am Herzen liegt“, unterbrach Sorn jetzt die Stille des Raumes, da alle auf ihre eigenen Gedanken konzentriert waren.
Nun schien plötzlich Nhaundar wieder ganz der alte, schmierige Drow zu sein.
„Ich werde es mir merken, Priester“, meinte der Sklavenhändler mit einem wohl wissenden Lächeln im Gesicht, doch in seine Gedanken wiederholte sich beständig ein Wort, „Shar“. Bis zum heutigen Tag kannte er den Namen des Jungen nicht. Dass dieser jedoch so einen wunderschönen Namen besaß, überraschte Nhaundar doch sehr. Er war ein wenig überrascht darüber, wenn nicht sogar fasziniert davon. Er schimpfte sich nur kurz selbst, niemals nach dem Namen gefragt zu haben, dann kehrte er zurück in die Wirklichkeit. Der Sklavenhändler griff nach einem Beutel, der prall gefüllt an seinem Gürtel hang. „Hier eure Bezahlung …“, dann hielt er Sorn die Börse vor das Gesicht und dieser wollte im gleichen Moment zugreifen, da zog der Händler den Beutel wieder zurück, „… ihr bekommt mehr wenn ihr zur Jagd kommen könntet. So wie immer.“
Auf Sorns Gesicht, auf dem sich eben noch der Missmut über die zurückgehaltene Bezahlung abzeichnete, stahl sich ein Unheil verkündendes Grinsen. Der Vhaeraunpriester in ihm kam zum Vorschein und er konnte sich bereits bildlich jede Einzelheit ins Gedächtnis rufen, die von früheren Erlebnissen herrührte, welche Nhaundar tief unter seinem Anwesen veranstaltete. Es zählte in jenem Augenblick nur eins und das war sein Gott.
„Ich werde kommen“, war die kurze Antwort des Klerikers und riss dann den Beutel aus Nhaundars Hand. „Wann und Wo?“
„In drei Zehntagen, die Uhrzeit ist die gleiche wie immer und die Losung heißt ‚Das Spiel beginnt, die Dame schlägt den Turm’.“
„Eine gute Aussage für etwas, dass mir Freude bereiten wird“, antwortete Sorn und sein so freundlich wirkendes Gesicht wurde durch einen verträumten Ausdruck seltsam verklärt.
„So habe ich es gerne und ihr werdet eure Freude haben, das verspreche ich euch. Bringt Nalfein mit und ihr erhaltet den doppelten Lohn“, köderte Nhaundar den Priester weiter, obwohl er wusste, dass Sorn in jedem Fall gekommen wäre, alleine schon für die großzügige Bezahlung die auf ihn wartete und er sich das Vergnügen nicht nehmen ließ.
Shar hörte zu und verstand nur soviel, dass es wieder einer der Abende werden würde, an denen viele männliche Drow das Haus bevölkerten und das fast eine ganze Nacht lang. Noch nie war er zugegen gewesen, auch wenn er sich fragte, was dort passierte. Der junge Halbdrow würde wohl die Nacht wie immer verbringen, wie auch all die anderen Nächte zuvor alleine auf seine Decke im hinteren Teil der kargen Schlafkammer liegen und von Elfenkriegern träumen. Das nun Nhaundar selbst den Priester eingeladen hatte freute Shar auf eine Gewisse Art und Weise. Vielleicht konnte er heimlich einen Blick auf ihn werfen, wenn er irgendwo arbeitete.
„Wir werden kommen“, schmunzelte Sorn Nhaundar entgegen und anschließend verschwand er so geheimnisvoll, wie er gekommen war.
Zurück blieb ein glücklich wirkender Shar, der in seine Träumereien vertieft zu sein schien.
Die Tage gingen ins Land und Handir, der von alldem nichts mitbekommen hatte, kehrte wie schon sooft in den Jahren zurück zu Nhaundar. Zurück von einem Waffenmeister, der sich die neuste Jagd in den nächsten Tagen auch nicht entgehen lassen wollte. Handir war sehr begehrt bei der männlichen Kundschaft des Sklavenhändlers, die sich gerne mit Lustsklaven abgaben. Sein ansehnliches Äußeres steuerte den Rest bei. Ein anmutiges Gesicht, blaue Augen, lange, schwarze Haare, ein muskulöser Oberkörper und mit den Jahren ein williger Sklave im Bett. Doch innerlich stumpfte Handir mit jedem weiteren unfreiwilligen Liebhaber ab. Wenn er sich zuerst noch wehrte, wie es die Dunkelelfen liebten, war er jetzt soweit, dass er alles mit sich machen ließ ohne den geringsten Widerstand zu leisten. Nur eines konnten sie ihm nicht nehmen, die Erinnerungen. Die Bilder seiner Frau Chalithra und ihre gemeinsame Liebe. Shar hatte diese Liebe vereinheitlicht, doch ein Schicksal erhalten, dass ihm niemals zugedacht gewesen war. Im Haus Myt’tarlyl wäre er als das akzeptiert worden, was er war, ein Halbdrow und Sohn eines Vhaeraunsanhängers. Die Zukunft hätte ihn zu einem Kämpfer ausgebildet, wie es Tarlyn, der Vaterpatron des Hauses vorsah. Genau das, was Shar sich so sehr wünschte und wovon er fast jede Nacht träumte. Stattdessen spielte Iymril, die jüngere Schwester Chalithras ein falsches Spiel und verübte einen Anschlag auf die Ältere der beiden Frauen. Handir konnte zusammen mit seinem Sohn fliehen, nur um in die Falle von Nhaundar zu laufen, der gemeinsame Sache mit Iymril machte. Das gehörte nun jetzt 23 Jahre der Vergangenheit an und in diesen Jahren wuchs Shar heran. Für einen Elfen, ob Dunkelelf oder Elf der Oberfläche ein halbwüchsiges Kind. Mit 50 würde er zu einem Jugendlichen zählen und mit 80 als erwachsener Elf gelten. Doch noch war er jung, unerfahren und naiv. Woher sollte er auch sich Wissen aneignen, wenn ihm niemand etwas zeigte, erklärte oder lehrte. Das was Handir unternehmen konnte – in ihren gemeinsamen Stunden, die sie zusammen verbrachten - waren Geschichten und Erinnerungen zu erzählen, vermittelten dem Jungen aber in keiner Weise den Stand eines Elfen in seinem Alter. Er kannte nur eines und das schien unerbittliche Arbeit von Morgens bis Abends, ganz abgesehen von den Strafen bei einem Fehler. Die Botengänge, die sich Nhaundar für Shar heraussuchte ließen keinen anderen Schluss für den Mondelfen zu, dass es der Sklavenhändler nur tat, um Handir zur Weißglut zu bringen. Wenn der Elf nur daran dachte, was alles passieren könnte, lebte er in ständiger Sorge um seinen Sohn. Doch zum Glück für ihn und für den jungen Halbdrow selbst, bewies er Talent sich flink zu bewegen und sich in brenzligen Situation gut zu verstecken bis die Luft rein zu sein schien. Alle Aufträge erledigte er schnell und stets in Erwartung des Sklavenhändlers und großer Erleichterung seines Vaters. Als jedoch Handir jetzt seinen Sohn vor sich sah, der in demütiger Haltung vor Nhaundar stand, überkam den Mondelfen ein Gefühl einer katastrophalen Wendung. Er erkannte die äußeren Veränderungen seines Sohnes sofort und das er plötzlich wunderhübsch aussah. Die Narben waren verschwunden und er wirkte wie ausgewechselt. Eine seltsame Empfindung nahm von Handir Besitz und sein Magen begann sich bei dem Anblick zu verkrampfen. Etwas läuft falsch und völlig aus der Bahn, mahnte er sich selbst und bekam es mit der Angst zu tun. Er musste etwas unternehmen, doch er wusste noch nicht was. Als ob Nhaundar die Gedanken seines Sklaven gelesen hätte, begann dieser mit seiner gewohnt öligen Stimme zu sprechen.
„Mein Hübscher, ich hoffe doch dir gefällt was du da siehst? Er kommt doch ganz nach dir, Elf, findest du nicht auch?“, plauderte Nhaundar mit guter Laune.
Alleine die Tatsache Handir ärgern zu können, steigerte die Laune des Drow und seine neu entflammte Lust auf was Neues. Dabei lächelte er hinterhältig den Mondelfen an.
„Lass’ ihn in Ruhe. Ich bin derjenige, den du zu demütigen versuchst, du und Iymril. Mein Sohn hat nichts damit zu tun.“
„Das war einmal, mein Hübscher, ich habe andere Pläne für die Zukunft und was interessiert mich ein Weib das von Menzoberranzan weit entfernt ist“, grinste der Sklavenhändler in sich hinein.
„Das wirst du nicht wagen“, versuchte Handir sich und seinen Sohn zu verteidigen, dem bei den Worten des Drow angst und bange wurde.
„Ach, nein? Na wir werden ja sehen“, reizte Nhaundar weiter und kam nun auf den an der Wand fest geketteten Mondelfen zu. Die eiserne Fessel gab nicht viel Spielraum und reichte gerade mal einen Meter in den Raum hinein. Shar stand auf der anderen Seite des Zimmers und starrte nervös aus den Augenwinkeln zu den beiden Männern. Er verstand nicht über was sie redeten, aber alleine schon der Tonfall von Handir und seinem Herrn sagten dem Jungen, dass sich nichts Gutes ankündigte.
„Ich habe eine Aufgabe für dich, mein Hübscher“, sprach Nhaundar mit süßem Tonfall an Handir gewand und stand währenddessen unmittelbar vor dem Elfen und hielt mit seiner linken Hand das Kinn fest, so dass sich beide in die Augen schauen konnten. Der Dunkelelf spürte dabei, wie Handir sich verkrampfte. Der Sklavenhändler musste Vorsicht walten lassen, denn der Elf war stark und geschickt, auch wenn er mit der Kette nicht viel Bewegungsfreiheit besaß.
Handir schien einen Moment verwirrt über die Aussage, dann fasste er sich wieder.
„Du wirst deinem Sohn zeigen was es heißt ein Liebessklave zu sein und du wirst dabei kein schmutziges Detail auslassen“, flüsterte Nhaundar tückisch seinem Gegenüber ins Ohr.
Im gleichen Augenblick riss Handir seine Hände nach oben und stieß den Drow von sich weg. Ein Fehler und ein nicht wieder gutzumachender dazu.
Der Dunkelelf war im ersten Moment überrascht, aber nicht erstaunter als es sich der Mondelf wünschte. Er entfernte sich jäh aus dem Bewegungsfeld von Handir, so dass er ihn nicht mehr erreichen konnte und beobachtete mit hinterhältigem Grinsen, wie der Vater des Halbdrow verzweifelt an der Kette riss. Aber seine Kraft reichte nicht aus, die gut verankerte Eisenkette aus der Wand zu reißen. Er würde sich eher selbst erwürgen, anstatt auf Nhaundar los stürmen zu können. Ein Knurren verriet Handirs unbändige Wut auf den Dunkelelfen.
Shar stand immer noch da, fassungslos und von der Angst gebeutelt so etwas zwischen seinem Vater und seinem Herrn mit anschauen zu müssen.
„Du wirst das machen was ich dir sage, Sklave“, spie der Sklavenhändler und spuckte dabei Handir vor die Füße.
„NIEMALS!“, schrie der Elf plötzlich gellend auf und funkelte den Drow an.
„Das werden wir noch sehen, du spielst mit deinem Leben, Elfensklave“, erwiderte Nhaundar nun gereizt und sein hinterhältiges Grinsen wurde durch eine stahlharte Miene ersetzt. „Er ist nur dein Sohn und nicht deine Tochter, was regst du dich also auf, schwanger kann er ja nicht werden“, gab Nhaundar danach ruhig zu verstehen und fing augenblicklich an über seinen Witz zu lachen. Ein markerschütterndes Lachen, das durch den ganzen Raum hallte und ließ den Drow dabei noch gefährlicher erscheinen.
Das war zuviel für Handir und er konnte sich nicht mehr zusammen reißen. Er stürmte nach vorne und riss wie ein Besessener an der eisernen Kette. Es war ihm in diesem Moment sogar egal, dass er kaum Luft bekam, er hatte nur ein Ziel, er wollte Nhaundar erreichen. Das Halsband schnitt sich in sein Fleisch, aber er ignorierte jeden Schmerz und versuchte weiter mit bloßen Händen den Dunkelelfen zu attackieren. Er wollte die Kehle des Drow erwischen damit er zudrücken konnte.
Im Gegenzug war Nhaundar jetzt wirklich überrascht und riss vor Schreck die rot glühenden Augen weit auf. Er wollte noch einen Schritt zurückweichen, doch es war zu spät. Handir erwischte ein Stück der Robe des Dunkelelfen und zog ihn so näher zu sich heran. Nhaundar, der im Kampf wenig Geschick besaß und sich eigentlich eher von seinen Soldaten beschützen ließ, war Handirs Kraft unterlegen und so versuchte er sich so gut es ging zu verteidigen. Er zog aus einer verborgenen Scheide im Stiefel einen Dolch hervor. Die Klinge funkelte bedrohlich im Kerzenschein des Zimmers auf. Nhaundar schoss damit nach vorne und streifte die Hand des Elfen, der vor Schmerz kurz zusammenzuckte. Handir knurrte und ignorierte den Schnitt, nur noch eines zählte, den Dunkelelfen zu töten. Die Rache war nun seine und niemand könnte sie ihm jetzt noch nehmen.
Der Drow stand nun direkt vor dem Mondelfen und versuchte zu verstehen, was sich eben zutrug. Dann griff Nhaundar erneut an, hob die Klinge in die Luft und ließ sie auf den rechten Oberarm des Elfen sinken, um ihn kampfunfähig zu machen.
Handir sah aus den Augenwinkeln den Dolch auf sich zukommen und wich im letzten Augenblick nach links aus. Es blieb ihm gerade soviel Zeit wieder auf den Dunkelelfen los zu stürmen, um ihn erneut an der Kleidung zu zerren. Der Drow stolperte und fiel mit heftigem Schwung mit beiden Knien auf den harten Boden auf. Ein Schmerzenslaut erfüllte den Raum. Nhaundar schrie vor Qual und krümmte sich dabei nach vorne. Jetzt blieb Handir nicht mehr viel Zeit, gleich würden die Soldaten kommen und dem Dunkelelfen das wertlose Leben retten. Doch ihnen wollte Handir zuvor kommen. Was mit ihm geschehen würde war ihm zur gleichen Zeit egal, jetzt zählte nur noch Nhaundars Tod.
Der Sklavenhändler hatte bei seinem Sturz den Dolch fallen gelassen und tastete gerade mit zittrigen Händen nach dem Heft, aber der Mondelf kam ihm zuvor. Er stand vorne übergebeugt, ergriff mit der einen Hand die Klinge, während Handir die langen Haare des Drow festhielt. Er riss den Kopf mit dieser Geste weit nach hinten in den Nacken und legte so die Kehle Nhaundars frei. In dieser Position gefangen, bebte der Körper des Sklavenhändlers. Nun hatte der Dunkelelf zum ersten Mal seit vielen Jahren Angst, Furcht vor einem Elfen, der mit einem geschickten Schwung seines eigenen Dolches ihm das Leben nehmen konnte und mit Wahrscheinlichkeit auch durchführen würde. Nhaundar musste auf Zeit spielen, bis sein Schmerzensschrei, den die Soldaten gehört haben mussten, sie hier her brachten. Die heftigen Schmerzen in den Knien schienen schon fast vergessen. Dann spürte Nhaundar einen kräftigen Ruck und im nächsten Moment fiel sein Kopf nach vorne. Leicht benommen und überrascht zugleich noch am Leben zu sein, fragte er sich, was passiert war. Handir hielt im nächsten Augenblick dem Sklavenhändler ein volles Büschel weißen Haares unter die Nase.
„Deine Schande soll perfekt werden, du ruchlose Bestie“, spie Handir mit ungezügelten Zorn dem Dunkelelfen entgegen und wollte gerade den Dolch an die Kehle setzen, da wurde die Tür aufgerissen. Ein kleiner Stich folgte nur eine Sekunde später, als ein mit Schlafgift getränkter Bolzen einer Drowarmbrust den Elfen in den Hals traf. Handir konnte noch das Wort „Nein“ schreien, dann versagte ihm seine Stimme und Kraft verließ ihn. Eine Benommenheit nahm von ihm Besitz und er verlor dabei das Gleichgewicht. Er taumelte kurz zurück, dann prallte er mit dem Rücken gegen die harte Felswand und glitt daran hinunter. Im nächsten Moment begann der Schlaf ihn zu übermannen, doch er wollte dagegen ankämpfen. Es gelang ihm nicht und der Elf verlor sich plötzlich in einer traumlosen Dunkelheit.
„Handir“, erklang plötzlich ein Schrei durch den Raum.
Es war Shar, der mit weit aufgerissenen Augen die grausame Szene zwischen den beiden Elfen beobachtet hatte und aus seiner Fassungslosigkeit zurückkehrte. So schnell ihn seine Beine trugen, rannte er eilig hinüber zu dem betäubten Elfen, der an der Wand lehnte.
„Handir? Vater, was ist los?“, flüsterte Shar mit bebender Stimme, wobei er am ganzen Körper wie Espenlaub zitterte. Der Junge beugte sich über den schlafenden Elfen und schien erleichtert, als er sah, dass Handir langsam atmete, also lebte er noch. Doch der Schock über das ebene Geschehne saß tief. Der junge Halbdrow hatte den Kampf mit angesehen aber nicht den Grund verstanden. Im Prinzip wusste er nicht, dass sein Vater das alles nur tat, um ihn zu beschützen und hierbei das eigene Leben außer Acht ließ. Er nahm die erschlaffte Hand seines Vaters in die eigene und streichelte sie beruhigend, dabei flüsterte er immer wieder leise, „Handir, Handir“. Allmählich wurden Shars Augen aus Angst und Sorge um seinen Vater feucht und er begann leise zu weinen.
„Ihr elendes Pack, warum hat das so lange gedauert?“, schrie zur gleichen Zeit Nhaundar mit vor Zorn bebender Stimme den Soldaten zu, die aufgeregt das Zimmer stürmten. Den jungen Halbdrow neben sich vergaß er bei dem lebensrettenden Anblick gänzlich. Doch ein Zittern am eigenen Leib konnte auch er nicht verstecken. Der Schrecken saß dabei ihm so tief wie bei Shar und ließ den immer so überlegenen Drow plötzlich klein und hilflos wirken. Mit seinem verärgerten Tonfall versuchte er seine eigene Schwäche zu überspielen, die aber für die Soldaten dennoch offensichtlich zu sein schien. Dann kamen die Schmerzen in den Knien zurück und er versuchte sie durch weiteres Anschreien seiner Männer zu vertreiben. „Helft’ mir gefälligst und steht nicht nutzlos in der Gegend herum.“
Yazston kam hinüber gelaufen und half seinem Herrn aufzustehen, der immer wieder stöhnte. Schwächling, dachte sich der Soldat nur und freute sich heimlich, dass Nhaundar auch einmal eine Lektion lernte; nämlich niemanden zu unterschätzen. Doch gleich darauf war er wieder der Alte, als er Handir bewusstlos auf dem Boden liegen sah, daneben den jungen Halbdrow kniend und grinste dämonisch in sich hinein.
„Mein Herr, was wünscht ihr, dass wir tun sollen?“, fragte der Hauptkommandant und konnte sich bereits die Antwort denken, auf die er schon viele Jahre gewartete hatte.
„Er soll seine gerechte Strafe erhalten, aber warte bis er zu sich kommt. Er soll es genießen können. Du weißt was zu tun ist, Yazston?“, gab Nhaundar Antwort und biss sich noch immer vor Schmerz auf die Lippen. „Und lass’ mir Ranaghar bringen, er soll mir was gegen die Schmerzen geben.“
Yazston nickte und war gerade im Begriff die Anweisungen Nhaundars auszuführen, da rief dieser ihn zurück. „Warte, nehm’ den Jungen mit, bringe ihn Dipree, er soll ihn vorbereiten.“ Dabei wies er auf den jungen Halbdrow, der immer noch vorne übergebeugt neben seinem Vater kniete und weinte.
Als Shar bemerkte, dass Nhaundar etwas sagte was ihn betraf, wandte er seinen Kopf hinüber und schaute in die rot glühenden Augen seines Herrn, der hasserfüllt auf Vater und Sohn blickte. Mit einem heftigen Ruck an seinem eisernen Halsband wurde der Junge von Handir losgerissen und von Yazston festgehalten. Er zerrte den sich mit Tritten wehrenden Shar hinter sich her. Jeder Versuch sich von dem Drowsoldaten zu befreien wurden vereitelt, in dem der Hauptkommandant den Griff verstärkte bis beide den Raum verlassen hatten.
Aus dem Gang ertönten die Schreie von Shar, der lauthals nach Handir rief, bis auch diese langsam verhallten.
Zurück blieb Nhaundar Xarann der am heutigen Tag Richter über das Schicksal zweier Leben sein würde.