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Begabung

By: RihaijdeRih
folder German › Originals
Rating: Adult +
Chapters: 11
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Reviews: 24
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Disclaimer: This is a work of fiction. Any resemblance of characters to actual persons, living or dead, is purely coincidental. The Author holds exclusive rights to this work. Unauthorized duplication or commercial use is prohibited
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Germonshof

Die nächsten Wochen beobachtete Frenja den Jungen, wie er sich nach und nach in die Hofgemeinschaft einfügte. Wohlwollend sah sie, wie er jeden Tag zusehends kräftiger wurde und begann Aufgaben im Haus zu übernehmen. Es war schön zu sehen, wie Arlyn mit jeder Woche mehr Muskeln entwickelte.
Er würde nie so kräftig werden, wie ihre Söhne, beobachtete sie, sein Brustkorb würde wohl immer flach, die Schultern so schmal, bleiben mit dieser schlanken Taille, aber die sich nun deutlich abzeichnenden, flachen Muskeln standen ihm gut, ließen ihn nicht mehr ganz so zerbrechlich wirken.

Als er kräftig genug war, übernahm er auch Pflichten in den Stallungen, fütterte die Pferde, mistete die Stallungen. Germon ließ ihn sich bald schon auch um die anderen Tiere des Hofes kümmern. Er war immer bestrebt alles richtig zu machen, gab sich große Mühe, ihnen durch seine Arbeit zu danken, dass sie ihn aufgenommen hatten.
Arlyn war sehr geschickt und ungewöhnlich schnell, schien oft Bewegungen im Voraus zu erahnen. Rasch entwickelte er eine gute Hand für den Umgang mit den Pferden. Germon vertraute ihm immer mehr die Pflege der Kaltblüter und der vier Reitpferde an.

Das Leben auf dem Hof war nicht immer einfach. Sommer wie Winter stellte die Bewohner immer wieder vor neue Herausforderungen.Hitze und Kälte forderten ihren Tribut an die Menschen. Jeder Tag war erfüllt von Arbeit in den Stallungen, den Feldern oder in den umliegenden Wäldern.
Die Menschen hier bewirtschafteten den Hof schon seit vielen Generationen. Sie wurden auf dem Hof geboren, lebten oft ihr gesamtes Leben lang hier, gingen untereinander Bindungen ein und wenn sie starben, war ihr Platz im Totenwald gleich hinter dem Hof.

Das Land war karg, sandige Böden lieferten nur wenig Nährstoffe für die Getreideanpflanzungen. Dafür waren die Wälder sehr wildreich und ergänzten das Nahrungsangebot der Menschen auf dem Hof. Das meiste, was die zum leben brauchten, lieferte der Hof. Größere Ansiedlungen gab es nur an den bekannten Handelsrouten, den Grenzen zu den nördlichen oder südlichen Ländern oder in der Nähe der vereinzelten fischreicheren Seen.
Solche Höfe, wie der von Germon, waren in diesem Teil des nordöstlichen Landes absolut typisch. Sie boten einer kleineren Gruppe von Menschen Heimat, die größtenteils unabhängig von der Außenwelt lebten.
Weiter oben im Norden und an der Küste gab es größere Ansiedlungen, eigene Reiche und Herrscher, die gegenseitig Anspruch auf das Land erhoben, aber hier war alles so weitläufig, der Boden so wenig ertragreich, dass die Herrschaft über ein paar vereinzelt gelegene Bauernhöfe keinem erstrebenswert schien.

Das Freie Land nannte man dieses Gebiet daher, auch wegen seiner weiten, großen Flächen. Da keiner über dieses Land herrschte, gab es somit keinen der Gesetze erließ oder auf gar deren Einhaltung achtete, jeder Hof war sich selbst überlassen, bildete eine eigene Gemeinschaft der Menschen, die dort lebten und arbeiteten. Jeder Hof hatte seine daher seine eigenen Gesetze, die für seine Bewohner galten. Untereinander trieben die Höfe zwar Handel, hatten aber ansonsten nur wenig Berührungspunkte. Ab und an gab es Bindungen unter den Höfen, aber es waren eher Ausnahmen.

Arlyn war vom ersten Tag an fremd und ungewöhnlich für diese Menschen, dennoch hatten sie ihn so einfach bei sich aufgenommen. Seine zarte Statur machte ihm die schwere körperliche Arbeit auf den Feldern und am Hof nicht gerade eben leicht, aber er beschwerte sich nie, gab immer sein Bestes. Er war den Bauersleuten dankbar, dass sie ihn aufgenommen hatten, ohne Herkunft, ohne Erinnerungen, außer an seinen Namen. Nach wie vor konnte er sich nicht erinnern, was zuvor passiert war. Es macht ihn oft Angst, aber so sehr er es auch versuchte, das Dunkel wollte sich nicht lichten.

Germons vier Söhne hatten schnell erkannt, dass er ihnen an Kraft nicht gleich kam, übernahmen immer wieder stillschweigend Aufgaben, die er selber nicht bewältigen konnte. Für sie war er einfach zu einem weiteren Bruder geworden. Ihre freundliche Zuneigung tat ihm gut. Er fühlte sich sicher in ihrer Mitte.
Besonders der große, wortkarge Piju, Germons Ältester, hatte sich zu seinem persönlichen Beschützer erklärt. Oft nahm er ihm Lasten ab, die ihm zu schwer für den Jungen erschienen.

Arlyn war zurückhaltend, wirkte auf die Anderen oft so scheu und ängstlich, wie ein wildes Tier. Er redete nicht viel, wenn dann stets mit leiser Stimme. Er und Piju brauchten nie viele Worte, um sich zu verstehen.

Germons Jüngster, Jiksan hatte den merkwürdigen Jungen vom ersten Tag an in sein Herz geschlossen. Er war besonders gerne mit Arlyn zusammen, mochte ihn gerne. Der stille, scheue Junge neckte ihn nie, wie seine älteren Brüder es gerne taten. Er behandelte ihn nicht wie ein Kind, sondern stets gleichberechtigt. Zwischen ihnen entwickelte sich im Lauf der Zeit ein enges Band der Freundschaft.

Frenja schmunzelte oft, wenn sie die beiden so zusammen sah.
Sie waren nahezu untrennbar geworden, unternahmen vieles zusammen. Der jüngere Jiksan hatte den hübschen, rotblonden Jungen im Wuchs schon bald überholt, sah neben ihm stets viel kräftiger und erwachsener aus, als er eigentlich war. Wohl auch ein Grund, warum er seine Nähe suchte. Obwohl Arlyns Figur wirkte, als ob er gerade eben vor dem dritten Alter war, deutete sein Verhalten doch eher auf das eines jungen Mannes am Anfang des vierten.

Frenja blickte von ihrer Arbeit, den Teig für ihr Abendbrot zu kneten, aus dem Küchenfenster auf den Hof hinaus, wo Arlyn und Jiksan im Schatten unter einem Baum saßen und schnitzten. Es war Spätsommer und die heiße Luft flirrte im Staub auf dem großen Innenhof. Die meisten Kinder waren unten am Bach, spielten ausgelassen im Wasser. Alles auf dem großen Hof schien in er Mittagshitze zu ruhen, bis die kühleren Abendstunden die Bewegungen wieder erträglicher machen würden.
Frenjas Blick blieb an Arlyns Gesicht hängen. Selten sah er so entspannt aus, wie gerade. Oft schien er irgendwie etwas auf der Flucht zu sein. Seine ungewöhnlichen Augen huschten dann hektisch und unsicher umher, als ob er einen Angriff von irgendwo her erwarten würde. Frenja wusste, dass er oft Nachts Nicht in seinem Bett schlief, sonder an die Wand gekauert. Häufig wurde er von Albträumen gequält, wachte schreiend auf. Aber er wussten nicht, wovon er träumte. Sie hatten nicht erfahren können, was ihm passiert war, denn die Erinnerungen kehrten nicht zurück. Vielleicht war es auch ganz gut so, dachte sie.

Lächelnd sah sie, wie Jiksan Arlyn vertraulich anstieß und ihm sein Werkstück zeigte. Arlyn ließ körperliche Nähe nur ungern zu. Germons Söhne hatten rasch akzeptieren gelernt, dass Arlyn absolut keine Berührungen mochte. Gerade am Anfang hatte er nahezu panisch regiert, war angstvoll zurückgewichen, wenn sie ihn berührten, ihm mal auf die Schulter klopften oder ihn freundschaftlich knufften. Schnell hatten sie gelernt, ihn in Ruhe zu lassen.
Er erschien ihr dazu auch ungewöhnlich schamhaft, besonders, wenn die Kinder des Hofes, so wie heute, die Kühle des Baches, der vor dem Hoftor floss, aufsuchten und dort badeten. Arlyn nahm selten daran teil. Er zeigte sich nur äußerst ungern unbekleidet, zumal seine so helle Haut bei allen immer wieder auf Verwunderung stieß. Im Sonnenlicht schien sie wirklich kupfern zu leuchten, zog alle Blicke auf sich, was ihm sichtlich unangenehm war.

Einzig Piju durfte ihn freundschaftlicher berühren. Bei ihm akzeptierte Arlyn mittlerweile sogar seinen um sich gelegten Arm, wenn der ihn für etwas lobte.

Sein Verhalten war den anderen Kindern wie Erwachsenen oft unerklärlich. Das hatte ihn etwas isoliert in der restlichen Hofgemeinschaft, auch wenn niemand ihn bewusst ausstieß. Er gehörte zur engsten Familie, war für Germons Familie wie ein Sohn und Bruder geworden, aber bei den Anderen blieb er stets etwas fremd. Trotzdem gehörte er zu ihrer Gemeinschaft, da er seinen Anteil der Arbeit gut, gewissenhaft und ohne zu Murren erledigte. Auf dem Hof war man froh über jede zusätzliche Arbeitskraft.

Frenja formte den Teig zu einem Laib, den sie auf dem Tisch ablegte. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und blickte wieder zu den zwei Jungen hin, die dort alleine saßen. Arlyn war meistens mit Jiksan zusammen. Die beiden wussten sich immer zu beschäftigen. Sie brauchten wenig Worte untereinander, verstanden sich auch so. Ungesagt war Arlyn Jiksans Freund und Bruder geworden. Mit den anderen Jungen des Hofes verband ihn aber kaum etwas. Ihren wilden Raufereien ging er eher aus dem Weg. Nie nahm er die ungestümen Spiele an, in denen sie ihre Kräfte beinahe täglich maßen.

Bei den Mädchen des Hofes hatte der schöne Junge besonders am Anfang zu viel Aufregung geführt. Jede hatte sich überschlagen, ihm zu gefallen, irgendwie seine Aufmerksamkeit zu erregen.
Aber Arlyn ging auf keine ihrer Bemühungen ein. Er wies sie nicht ab, er lächelte nur schüchtern, wenn sie mit ihm flirteten und ging seiner eigenen Wege. Nach und nach hatten sie gelernt, dass er an ihnen nicht interessiert war und ließen sie ihn daher mehr in Ruhe. Er würde sich schon irgendwann für sie interessieren, dachte Frenja. Bei seinem Aussehen würde es ihm nicht schwer fallen, eine Frau unter ihnen zu finden.

Germons ältere Jungs waren durchaus stolz auf Arlyn, gerade weil er so beliebt bei den Mädchen war. Er würde sich, wenn er soweit war, das schönste und beste Mädchen nehmen können. Die anderen Jungen des Hofes waren daher eher eifersüchtig, wie viel Aufmerksamkeit er bei den Mädchen erregte und stichelten hinter seinem Rücken oft darüber. Aber da er ihnen derzeit noch keine Konkurrenz machte, akzeptierten sie ihn schließlich. Nur ab und an hatte einer der Jungen Arlyn herausgefordert. Meistens war dann einer von Germons Söhnen da und ging dazwischen, stellte sich schützend vor den schmalen Jungen.

Frenja lächelte. Sie hatte oft genug beobachtet, dass Arlyn seinerseits kaum auf Beleidigungen oder andere Herausforderungen reagierte. Meistens wandte er sich dann einfach ab und ging.
Sie wandte sich vom Fenster ab, hörte den Lärm, der Kinderschar, die vom Bach her wieder hoch kam. Sie hatte noch eine Menge Arbeit zu erledigen, bis ihr Mann und die drei älteren Söhne von den der Jagd zurück kamen. Morgen würde es sicherlich Fleisch zu essen geben.

Draußen im kühleren Schatten zeigte Jiksan Arlyn sein geschnitztes Werk.
„Schau mal, Arlyn. Das wird ein Fuchs.“ Er hielt dem rotblonden Jungen den Stock vor die Nase. „Siehst du? Das da ist sein langer Schwanz und die spitze Nase.“
Arlyn besah sich den Stock genauer, der nicht im geringsten irgendeine Ähnlichkeit mit einem Fuchs oder sonstwie ihm bekannten Tier aufwies. Aber er wusste, wie stolz Jiksan auf seine Arbeit war, also lächelte er.

„Sehr gut. Du musst ihm aber noch Zähne und Krallen machen, wie bei dem Fuchs, den Piju letztes Mal mitgebracht hat“, sagte er.
Jiksan nickte eifrig und machte sich an die Arbeit. Arlyn sah ihm zu, vergaß kurz seine eigene Schnitzerei.

Piju hatte den Fuchs mit dem herrlichen roten Fell selber in einer seiner Fallen gefangen. Germon war zwar enttäuscht gewesen, denn das Fleisch schmeckte nicht so gut, wie Kaninchen, aber Piju hatte den Fuchs dennoch sofort Arlyn gezeigt, als sie heimgekommen waren.
Bewundernd war er mit der Hand über das weiche Fell gefahren.

„Ich werde das Fell ganz vorsichtig herunter nehmen“, hatte Piju gesagt und Arlyn angelächelt.
Er lächelte nicht so oft. Viele hielten ihn für etwas langsam im Denken. Meist schien er eher brummig und schlecht gelaunt zu sein, die meisten mieden daher seine Nähe, aber in der Gegenwart des anderen Jungen lächelte er öfters. „Siehst du, Arlyn? Es schimmert ganz rot und kupfern. So wie dein Haar. Siehst du?“

Er hatte den Fuchs hin und her gedreht und das Sonnenlicht hatte in dem Fell geschimmert.
„Wunderschön, nicht?“, sagte Piju und sah dabei Arlyn an. „Das Fell ist für dich. Ich mache es extra für dich.“
„Es ist so schön und weich“, bestätigte ihm Arlyn, lächelte den großen, jungen Mann dankbar an. „Danke, Piju.“
Daraufhin war der rot geworden, hatte den Fuchs rasch ergriffen und gemurmelt, er würde ihn jetzt besser gleich abziehen. Rasch war er dann entschwunden und hatte Arlyn etwas verwirrt zurückgelassen. Aber da Fell lag nun auf Arlyns Bett.

„Oh, nein!“, jammerte Jiksan plötzlich neben ihm, riss ihn aus seinen Gedanken. Anklagend hob der Junge seinen Stock. „Sieh nur, jetzt ist die Schnauze abgebrochen, als ich ihm Zähne machen wollte.“
Arlyn besah sich den Schaden. Der Stock war um die Hälfte gekürzt. Er schüttelte den Kopf bedauernd.
„Da wirst du nicht mehr viel draus machen können. Du solltest dir einen dickeren Stock suchen.“

„Ja, werde ich machen.“ Jiksan sprang auf und rannte in Richtung Tor davon, wo eine große Weide stand. Totes Holz lag dort genügend herum, um daraus neue Figuren zu schnitzen.
Arlyn besah sich sein Stückchen Holz. Es war ein Fisch. Er war gerade dabei, einzelne Schuppen heraus zu arbeiten. Aus irgendeinem Grund wusste er, wie ein Fisch aussah, auch wenn er hier noch nie einen gesehen hatte, denn der Hof lag zu weit weg von den Seen. Achselzuckend setzte Arlyn sein Werk fort, als er den Lärm der anderen Kinder zunehmen und plötzlich Jiksans schrille Stimme hörte.
Sofort sah er auf. Anscheinend waren die anderen Jungen müde von ihrem Toben im Bach zurück gekommen. Er sah ihre Gruppe an der alten Weide stehen und bemerkte die Gestalt eines kräftigen, braunhaarigen Jungen, der Jiksan sichtlich bedrängte.

Augenblicklich sprang Arlyn auf und kam zu ihnen herüber, die Gruppe genau musternd. Klimo, der Sohn des Schmieds hatte Jiksan in eine Ecke gedrängt und schien ihn zu provozieren. Die Anderen lachten. Klimo nutzte gerne die Gelegenheit, sich ein schwächeres Opfer für seine derben Späße zu suchen. Jiksan war sein bevorzugtes Objekt, wenn seine Bruder unterwegs waren. Dann trieb er gerne seine derben Späße mit ihm.

Arlyn zögerte kurz. Er mochte es nicht, unter den anderen Jungen des Hofes in den Mittelpunkt zu treten, aber Klimo schien es heute wirklich drauf angelegt zu haben, Jiksan eine Abreibung zu verpassen, um seine Überlegenheit vor den kichernden Mädchen zu beweisen.
Klima wirkte deutlich älter als Arlyn, war ein sehr kräftiger Junge, sichtlich auf dem Weg zum Mann, der bereits in der Schmiede seines Vaters arbeitete. Seine breite Brust und Schultern zeugten von der harten körperlichen Arbeit.
Arlyn schob sich vorsichtig an den Mädchen und den anderen Jungen vorbei, stellte sich einfach wortlos vor Jiksan, sah Klimo nur an.

„Was willst du denn?“, fragte ihn Klimo belustigt, „Willst du etwa auch Prügel haben?“
Klimo sah sich zuversichtlich um, wirkte enttäuscht, weil einige der Mädchen zusahen und ihre Augen nicht mehr auf ihn, sondern auf den rotblonden Jungen gerichtet waren. Klimo sah seine einzige Chance, Eindruck zu machen, darin, den anderen Jungen herauszufordern. Er stand plötzlich mit erhobenen Fäusten da und forderte Arlyn deutlich heraus.

„Der kleine Mistkäfer da hat es verdient, also wenn du nicht zur Seite gehst, bekommst du eben die Prügel ab, Waldjunge.“
Der Name war hängengeblieben, seit sie ihn im Wald gefunden hatten.
Arlyn musterte Klimo mit seinen merkwürdig grünblauen Augen wortlos, was den aber nur noch mehr reizte, vor allem da eins der Mädchen herüber rief: „Lass sie Klimo! Lass sie doch einfach in Ruhe.“

Arlyn merkte, wie sich Klimo bestärkt fühlte, erkannte, dass er dieses Mal nicht einfach gehen konnte.
„Ich möchte mich nicht mit dir prügeln. Lass einfach Jiksan in Ruhe und suche dir jemand Anderen für deine Späße“, sagte er leise, aber er wusste schon vorher, dass seine Worte keine Bedeutung haben würden. Dieses Mal war der Schmiedesohn auf ein Kräftemessen aus und zwar mit ihm, Jiksan war da wohl nur ein Mittel gewesen.
Klimo verzog auch nur verächtlich seinen Mund.
„Du bist so ein Feigling, Waldjunge. Immer läufst du weg! Wovor hast du soviel Angst?“

Arlyn beobachtet ihn genau. Klimo war größer als er und wesentlich kräftiger. Er war zu fein gebaut, er würde dem Jungen kräftemässig nicht gewachsen sein und im Gegensatz zu Arlyn, war sein Gegner an solche Kämpfe gewöhnt.Hinter ihm zog sich Jiksan langsam zu den Anderen zurück, da er gegen Klimo auch keine Chance hatte. Vorsichtig verlagerte er sein Gewicht nach vorne, war aber unschlüssig, wie er reagieren sollte, was er tun sollte.

Klimo erkannte Arlyns Zögern und griff an, als er seine Chance sah. Seine Faust schoss vor in Richtung Gesicht, aber der schlanke Junge wich blitzschnell aus. Arlyn hatte den Schlag kommen sehen und es war beinahe leicht gewesen, ihm auszuweichen.
Klimos Schwung trug ihn vorwärts, fast an ihm vorbei. Er fing sich ab und drehte sich wütend um. Arlyn stand gespannt da und wartete auf seinen nächsten Angriff.

Die anderen Jungen johlten, die Mädchen kamen nun dichter herbei, um dem Kampf zuzusehen und Klimo fühlte sich erneut bestärkt. Erneut schlug er zu und wieder gelang es dem kleineren Jungen so rasch auszuweichen, das sein Schlag ins Leere ging.
Er knurrte wütend und näherte sich wieder. Dieses Mal schlug er hintereinander mit beiden Fäusten zu, erwischte Arlyn, der wieder so schnell wegtauchte, leicht an der Schläfe und wirbelte ihn herum. Der rotblonde Junge stürzte, rollte sich ab und war in einer ungeheuer schnellen Bewegung wieder auf den Beinen. Arlyn hatte die Hände erhoben, als ob er etwas auf Klimo schleudern wollte, aber die Hände waren leer. Er sah kurz verwirrt auf seine ausgestreckten Hände, denn er hatte aus irgendeinem Grund damit gerechnet, dass etwas passieren würde und war daher zu langsam als der Andere ihn wieder attackierte. Der nächste Schlag traf ihn am Arm, als er sich im letzten Moment noch drehte. Schmerzhaft verzog er das Gesicht und taumelte zurück. Sein Atem beschleunigte sich.
Klimo dachte nicht lange nach, sah das schmerzverzerrt Gesicht und griff an, wieder und wieder schlug er nach dem anderen Jungen und jedes Mal war der schneller, wich aus und tanzte um ihn herum.

Mühelos wich Arlyn seinen weiteren Angriffen aus. Als er die Bewegungsmuster des Jungen erfasst hatte, war es ihm ein leichtes immer rechtzeitig auszuweichen.
So langsam wurde Klimo wütend.
„Bleib doch mal stehen, du verdammter Feigling. Wehr dich endlich!“, schrie er zornig.

Mittlerweile hatte der kleine Schaukampf auch einige der Erwachsenen herbeigelockt. Sie hielten sich meistens aus den kleinen Kämpfen der Jungen heraus, für sie gehörten diese Rituale zum Alltag des Erwachsenenwerdens. Trotzdem traten sie hinzu, um einzugreifen, wenn es zu arg werden sollte. Immerhin war der Waldjunge Klimo wirklich nicht gewachsen.

Erstaunt beobachten sie aber, wie Klimo immer wieder versuchte den rotblonden Jungen zu treffen, der aber immer wieder in unglaublich schnellen Bewegungen auswich.
Arlyn dachte natürlich nicht daran, still zu halten. Er sah Klimos Bewegungen quasi Sekundenbruchteile bevor dieser nach ihm schlug und es gelang ihm fast immer schneller auszuweichen. Ab und an streiften ihn die Fäuste, wirbelten ihn herum und hinterließen schmerzende Male auf seiner hellen Haut, die sich rasch bläulich verfärbten.
Kleine Schmerzlaute entrangen sich seiner Kehle, aber im nächsten Moment tauchte er wieder unter den Fäusten weg, entging einem Fußtritt und tauchte wieder hinter Klimo auf.

Der wurde immer wütender und unsicherer. Dieser Junge war so schnell, wie er noch keinen Gegner erlebt hatte und er wehrte sich einfach nicht. Er ließ ihn einfach immer ins Leere laufen. Es wurde langsam aber sicher eher lächerlich. Für Klimo.
Einen wütenden Schrei ausstoßend, warf er sich auf seinen Gegner und landete nicht auf ihm, sondern hart auf dem Boden. Eines der Mädchen lachte hell auf, als Staub aufwirbelte, wo der Schmiedesohn bäuchlings hinfiel.
Arlyn wirbelte herum, aber Klimo brauchte einen Moment, um sich wieder auf zu rappeln. Zornig funkelte er den ihn an. Aber der harte Aufprall hatte ihm etwas von seiner Sicherheit genommen.
Der rotblonde Junge war schnell, verdammt schnell. Arlyn sah die Zweifel in seinen Augen aufkeimen und wusste, dass er die Chance hatte, das ganze jetzt zu beenden.

Er senkte seine Hände und sah Klimo direkt bittend an.
„Bitte, Klimo, lass mich, du bist zu stark für mich. Ich kann nicht mit dir kämpfen, ohne dass du mich verletzt. Bitte lass es uns einfach so beenden“, bat er mit seiner leisen Stimme, fast demütig.
Klimo keuchte vor Anstrengung, er wollte sich erst wieder auf den Jüngeren stürzen, doch etwas in dessen Blick aus diesen merkwürdigen, türkisfarbenen Augen hielt ihn davon ab.

Dieser Junge da war ihm überlegen, dass wusste er mit einem Mal ganz genau. Nicht körperlich, aber in der Schnelligkeit seiner Reaktionen. Er würde sich wahrscheinlich nur weiter blamieren, wenn er versuchte ihn zu erwischen. Was nahezu unmöglich schien. Überrascht sah er Arlyn an.
Da bat ihn dieser Junge nun, den Kampf zu beenden, indem er ihm gegenüber seine eigene Schwäche eingestand?
Klimo war kurz völlig sprachlos. So etwas war ihm noch nie passiert.
Aber er war schlau genug und erkannte auch seine Chance, sich gut aus dem Dilemma zu retten, in welches er sich so unwissentlich gebracht hatte..
Er sah Arlyn direkt an und nickte unmerklich, senkte seine Fäuste und brachte hervor: „Gut, dieses eine Mal lass ich dich noch einfach so gehen.“

Wieder sah Arlyn ihn Sekundenbruchteile an und Klimo ihn. Ungewollt breitete sich Respekt für diesen stillen, undurchsichtigen Jungen in Klimo aus. Er senkte den Kopf in einer winzigen, nur für Arlyn erkennbaren Geste und wandte sich dann um, trat zu den Anderen.

Die Spannung löste sich auf. Die anderen Jungen sahen verblüfft zu, wie Klimo sich den Staub abklopfte und Arlyn sich zu Jiksan umwandte, ihn wortlos aufforderte mit ihm zu gehen. Vor ihnen öffnete sich die Gruppe und ließ beide hindurch. Jiksan sah seinen Freund von der Seite bewundernd an, der einen Kampf gewonnen hatte, ohne ihn zu gewinnen.

Die Erwachsenen, die dem Kampf gefolgt waren, schüttelten nur ihre Köpfe, aber Germon, dem man von dem merkwürdigen Ausgang des Jungenkampfes berichtete, lächelte nur stolz, freute sich, das Arlyn letztlich nicht nur einen Sieg davongetragen hatte, sondern auch seine Stellung gefestigt hatte.
Danach behandelten die Jungen Arlyn mit einem gewissen Respekt und besonders Klimo vermied jede weitere Konfrontation mit ihm.

Stillschweigend hatte Arlyn so seine Position im Gefüge des Hofes gefunden und war damit zufrieden. Die Menschen um ihn her waren ihm vertraut, er hatte ein Heim gefunden und auch wenn ihm eine Vergangenheit fehlte, so fühlte er sich mit seiner Gegenwart und seiner Zukunft, als Teil dieses Hofes sehr wohl.
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