Dem Wahnsinn so nah
folder
German › Books
Rating:
Adult ++
Chapters:
47
Views:
1,705
Reviews:
41
Recommended:
0
Currently Reading:
0
Category:
German › Books
Rating:
Adult ++
Chapters:
47
Views:
1,705
Reviews:
41
Recommended:
0
Currently Reading:
0
Disclaimer:
I do not own the Forgotten Realms books. I do not make any money from the writing of this story.
7. Kap. Blutige Tr?nen
7. Kapitel
Blutige Tränen
Shar war gerade im Begriff den letzten Tropfen getrockneten Blutes vom Boden zu entfernen, da schlich sich Yazston von hinten an ihn heran und begutachtete die Arbeit des Jungen. Zu seiner Schande musste er gestehen, dass alles zu seiner Zufriedenheit erledigt wurde. Doch diese Tatsache hielt den Hauptmann der Soldaten nicht auf. Ohne Vorwarnung zog er den jungen Halbdrow an seinen langen Haaren auf die Beine, der dabei erschrocken zusammenfuhr und zerrte den Jungen somit auf die Füße.
„Komm mit, ich bring’ dich in dein neues Heim“, raunzte Yazston.
Shar gehorchte überraschender Weise ohne einen Ton von sich zu geben und folgte mit schnellen Schritten dem Drow, der ihn fest an den Haaren hinter sich her schleifte. Kurz darauf ging es die Treppe nach oben und keine Minute später stand er mitten im Empfangsraum von Nhaundar. Shar fragte sich, wieso dies sein neues Heim darstellte, wo er doch stets seine Decke im Gemeinschaftssaal bei den anderen Sklaven hatte. Dies hier waren jedoch die Privatgemächer des Herrn und hier wohnte sein Vater. Als er an Handir dachte, kehrte der Stich in sein Herz zurück und er wurde sich wieder bewusst, dass sein Vater nicht mehr da war.
„Los, da rüber mit dir!“, herrschte ihn Yazston an, ließ die lange Haarmähne los und stieß Shar von sich fort. Er zeigte dabei auf eine kleine Ecke neben einem, mit rotem Samt überzogenen Diwan und gab ihm einen heftigen Schubs. Shar verlor bei diesem ungestümen Stoß das Gleichgewicht und konnte sich gerade noch unsanft mit beiden Händen abstürzen, sonst wäre er mit voller Wucht auf dem harten Felsenboden gefallen. Ein kurzer, aber heftiger Schmerz durchfuhr die hageren Arme des Jungen, da spürte er auch schon einen Fußtritt. Der Dunkelelfensoldat traf den jungen Halbdrow am Arm und versuchte mit weiteren Tritten den kleinen, eingeschüchterten Halbelfen auf den angewiesenen Platz zu scheuchen. Shar floh halb kriechend, halb aufgerichtet in die ihm zugewiesene Ecke und entkam so wenigstens einigen Fußtritten des Dunkelelfen. Er kauerte sich augenblicklich zusammen. Dabei flehte Shar stumm, dass Yazston verschwinden sollte, er wollte nur noch seine Ruhe. Noch während er schweigsam für sich betete vernahm der Junge ein Geräusch. Erschrocken schaute er auf und erkannte Yazston, der sich über ihn beugte. In der Hand hielt er eine Eisenkette, genauso eine wie sie Handir an seinem Halsband trug, wenn es nicht sogar die Gleiche war. Mit schnellen Handgriffen befestigte der Drowsoldat die Kette an Shars eigenem Eisenhalsband und das andere Ende in einer Verankerung an der Wand. Mit weit aufgerissenen Augen und einem ungläubigen Blick schaute der junge Halbdrow zu, wie Yazston ihn ankettete und wollte versuchen zu verstehen. Nachdem der Dunkelelf seine Arbeit beendete, bedachte er den Jungen mit einem hasserfüllten Blick, schnaubte verächtlich und verschwand ohne ein weiteres Wort. Jetzt war Shar alleine.
Er kannte dieses Zimmer nur zu gut. Seine Dennoch sah er sich ganz genau um. Im sanften Kerzenlicht, das von den vielen Kerzenständern an den Wänden herrührte, wirkte der Raum friedlich. An der Fensterfront, die in den Innenhof wies, entdeckte er die Stelle, an der sein Vater und Nhaundar noch vor weniger als einem Tag miteinander kämpften. Bei diesen Erinnerungen kehrte auch die Trauer zurück und langsam rannen ihm erneut Tränen über die Wangen. Shar fragte sich, wieso sein Vater gehen musste. Er vermisste ihn und noch weniger verstand der Junge, warum Handir ihn nicht mitgenommen hatte. Der Junge jammerte still vor sich hin und sank endgültig in sich zusammen. Er weinte leise und merkte nicht wie er langsam einschlief.
„Wach auf, Sklave“, weckten die Worte den Jungen und schreckten ihn aus einem traumlosen Schlaf auf. Sein Herz raste plötzlich wie wild bis ihm bewusst wurde, dass er geschlafen hatte.
„Sklave, wach auf“, kam die erneute Anweisung und Shar schlug reflexartig seine tiefblauen Augen auf. Verwirrt schaute er sich im Raum um. Vor ihm stand ein bedrohlich wirkender Nhaundar und funkelte ihn mit seinen rot glühenden Augen an. Augenblicklich kroch die Angst in jede Faser seines Körpers und ein kalter, grausiger Schauer übermannte den hageren Halbdrow. Vor ihm stand der Drow, der ihm diese unerklärlichen und entsetzlichen Schmerzen zugefügt und der ohne Gewissen Handir quälen ließ und letztendlich aus Shars Leben gerissen hatte. Der Junge fing im gleichen Moment an zu zittern und die Angst vor neuer Pein breitete sich bei dem Anblick von Nhaundar in ihm aus und er krümmte sich dabei leicht zusammen. Er wollte sich so klein wie möglich machen, damit sein Herr von ihm abließ. Doch da bemerkte der Halbelf jemanden neben dem Sklavenhändler. Shar überlegte fieberhaft und wusste, dass er diese Person schon einmal gesehen hatte. Er trug eine dunkelblaue Robe, seine Haare, weiß und lang fielen ihm streng nach hinten gekämmt über den Rücken und auf seiner Stirn prangte ein silbernes Diadem. Es dauerte einige Momente bis dem Jungen das Erlebnis mit dem damaligen Geist in dem Schlafraum einfiel, dem er als Fünfjähriger in dem Sklavenquartier begegnet war. Als ihm die Erkenntnis über den Fremden bewusst wurde, fing Shar automatisch heftiger an zu zittern und drückte sich Schutz suchend gegen die kalte Felsenwand. Der Geist schien gekommen zu sein, um ihn zu holen, dachte der ängstliche Junge und versuchte dabei immer weiter zurück zu weichen, jedoch ohne Erfolg.
„Was hat er denn plötzlich, Ranaghar? Er wird doch nicht verrückt geworden sein?“, fragte ein verwirrter Nhaundar den Magier.
Der Zauberkundige, der sich in keiner Weise an den Fünfjährigen erinnerte zuckte lediglich mit den Schultern.
„Dann beeilt euch jetzt, der Abend kommt schnell und bis dahin muss er wieder perfekt sein“, gab Nhaundar Ranaghar die Anweisung und verschwand kurz darauf aus dem Zimmer ohne einen Blick zurück zu werfen.
Zurück blieben der Magier und ein verwirrter Shar. Ranaghar fragte sich jedoch ernsthaft, was plötzlich in den jungen Halbdrow gefahren sein könnte, da er wie ein verschrecktes Kind wirkte, was er letztendlich auch war. Dass es jedoch an Ranaghar selbst lag, auf diese Idee kam er natürlich nicht. Er zog zwei kleine Phiolen aus einer Innentasche seiner dunkelblauen Robe und kniete sich vor den Jungen auf den Fußboden. Er konnte jetzt deutlicher sehen, dass der Kleine am ganzen Körper zitterte und er vernahm dabei ein leises Schluchzen.
„Hör’ mit dem Geflenne auf und trink’ das. Nhaundar wünscht das du bis heute Abend gut aussiehst“, sprach der Magier den Jungen mit gleichgültigen Ton an.
Doch Shar reagierte nicht, er hatte viel zu viel Angst vor dem angeblichen Geist und wusste nicht, dass es sich lediglich um einen Zauberkundigen handelte. Er kannte auch keine Magier und wusste somit auch nicht, dass sich in den beiden Phiolen ein Heiltrank befand.
Ranaghar wartete zwei weitere Atemzüge ab, doch die Situation veränderte sich nicht. Jetzt wurde er ungeduldig und nahm mit festem Griff das Kinn des jungen Halbdrow in die eine Hand und ließ Shar zu sich aufblicken. Etwas überrascht über den ängstlichen Blick des Jungen, der aussah, als würde er einen Geist sehen, ließ den Magier erneut einen Moment innehalten. Dann nahm er eine der Phiolen, riss mit den Zähnen den Verschluss auf und hob die kleine Öffnung an Shars Mund. Dieser versuchte sich zu wehren, aber er war zu schwach um etwas gegen Ranaghar auszurichten. Nun verlor der Dunkelelf endgültig die Geduld und hielt das Kinn noch fester, setzte die Phiole an den Mund und schüttete dem Jungen den säuerlich schmeckenden Heiltrank in den Mund. Dann ließ er die Flasche in eine Tasche seiner Robe fallen und hielt Shar mit der anderen Hand die Nase zu, dass diesem nichts anders übrig blieb, als zu schlucken. Das wiederholte er mit dem zweiten Heiltrank. Erst dann löste der Magier seinen Griff. Shar fing augenblicklich an zu Husten und zu würgen.
Da breitete sich plötzlich eine wohlige Wärme in Shars Körper aus und er sah überrascht zu dem angeblichen Geist auf. Es tat überhaupt nicht weh, nein, stattdessen fühlte er sich mit einem Mal besser.
Ranaghar beäugte den jungen Halbdrow noch einen Moment, dann stand er auf, strich seine Robe glatt und ging hinüber zu dem großen Tisch, der sich über die Mitte des großen Raumes erstreckte. Shar konnte von seinem Platz in der Ecke aus beobachten, wie er etwas in die Hand nahm, sich herum drehte und zurückkam.
„Hier, iss’ und dann schlaf noch ein bisschen. Dipree holt dich später ab und wird dich vorbereiten“, ertönte die gelangweilt, wirkende Stimme des Magiers und er warf dabei dem Jungen ein Stück getrocknetes Rothéfleisch und eine Scheibe Brot vor die Füße. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren entfernte sich Ranaghar und verschwand wie Nhaundar zuvor aus dem Zimmer. Zurück blieb ein sehr verdutzt dreinblickender Shar, der abwechselnd das Essen vor sich und die nun geschlossenen Tür beäugte. Er wusste nicht was geschehen war, aber die wohlige Wärme in seinem Körper tat so gut. Nur einige Augenblicke später stürzte er sich auf die unerwartete Mahlzeit und ließ nichts übrig. Es schmeckte einfach viel zu gut und er konnte sich nicht genau erinnern, wann er das letzte Mal etwas zu sich genommen hatte. Nachdem der Junge alles bis zum letzten Krümel verschlang lehnte sich Shar satt gegen die kalte Mauer. Langsam überkam ihn erneut die Erschöpfung der Ereignisse und seine Augen schlossen sich bis er erneut in einen traumlosen Schlaf glitt.
Der junge Halbdrow verschlief den ganzen Tag und gegen Abend weckte ihn Dipree. Dipree, der Sklave, der für das ansehnliche Wohl von Nhaundar und den Lustsklaven zuständig war, wirkte dabei nicht gerade erfreut den Jungen so zu sehen. Shar lag immer noch in der gleichen Ecke wie zuvor. Verwirrt hob er den Kopf und schaute sich um, wobei er plötzlich erschrak. Es lag an der Tatsache, dass seine Schmerzen wie weg geblasen schienen. Nicht eine einzige Schramme oder Narbe konnte er auf seinem Körper entdecken. Und als er seine Hand an die aufgeschlagene Lippe hob, die ihm Yazston gestern verpasst hatte, spürte er, dass alles verheilt zu sein schien. Doch noch etwas anderes fiel ihm plötzlich auf. Er war nackt. Diese Realität erschreckte Shar nun wirklich. Eilig verdeckte er mit seinen dünnen Händen seine intimste Stelle, zog beide Beine an und schämte sich vor Dipree. Erst dann versuchte er sich langsam wieder zu erinnern, was alles geschehen war. Das Bild seines schändlich zugerichteten Vaters erschien ihm erneut vor dem inneren Auge.
„Steh’ auf, du musst baden“, ertönte jäh die Stimme des älteren Dunkelelfen und holte Shar zurück in die Wirklichkeit. Der Drow nahm einen Schlüssel, den er um den Hals trug, ging hinüber zu dem Schloss, wo die Kette mit Shars Halsband mit dem Haken in der Wand festgehalten wurde, öffnete es und nahm die Kette in die Hand. Den Schlüssel steckte er sofort wieder ein.
„Mach’ schon, wir sind spät dran“, drängte Dipree den Jungen.
Spät dran, wiederholte der junge Halbdrow die Worte in seinem Kopf. Für was sind wir denn zu spät? Shar nahm seinen ganzen Mut zusammen und piepste mit leicht zittriger Stimme. „Wieso sind wir so spät?“
„Für die Feier heute Abend“, kam die knappe Antwort von Dipree und zog dabei den Jungen auf die Beine. „Der Herr sagte mir, ich soll dich baden, der Rest wird eine Überraschung werden. Jetzt stelle keine dummen Fragen und komm mit.“
Shar beäugte den Dunkelelfen misstrauisch und bei dem Wort ‚Überraschung’ spürte er, wie sein Magen sich automatisch verkrampfte. Er wollte nichts mehr von seinem Herrn oder von irgendjemand anderem wissen, geschweige denn sehen. Am liebsten wäre er einfach hier sitzen geblieben und hätte geschlafen. Aber er musste tun was von ihm verlangt wurde, das war schon immer so und würde auch in Zukunft so bleiben. Ob nun sein Vater noch bei ihm war oder auch nicht. Der Gedanke an Bestrafung brachte den Jungen letztendlich dazu, dass er Dipree freiwillig folgte. So lief Shar hinter dem älteren Dunkelelfen her und verschwand mit ihm in dem großen Badezimmer, das er bereits kannte. Er wurde wieder in kaltem Wasser gebadet und seine Haare zu Recht gemacht. Schließlich kam Shar nackt zurück in Nhaundars Privatgemächer. Doch der Junge erschrak ganz offensichtlich, als er seinen Herrn erblickte, der bereits ungeduldig zu warten schien.
„Was hat da so lange gedauert, du Nichtsnutz“, herrschte Nhaundar Dipree an und schlug ihm dabei mit der flachen Hand ins Gesicht.
„Mein Herr, entschuldigt, es wird nie wieder vorkommen“, erklärte der Sklave und verbeugte sich tief vor dem Drow, um ihm so Respekt zu zollen.
Nhaundar hörte jedoch schon nicht mehr zu und riss Dipree nervös die Kette von Shar aus der Hand. Der Leibdiener verschwand augenblicklich lautlos aus dem Raum.
„Lass dich anschauen“, meinte der Sklavenhändler plötzlich mit ruhigem Tonfall und lief gemächlich einmal um den Jungen rundherum. Dabei musterte er den dünnen Körper ganz genau und schien jede Stelle in sich aufsaugen zu wollen. Der junge Halbdrow stand währenddessen still auf der Stelle und schämte sich in Grund und Boden, da er immer noch keine Hose trug, während die Angst über zukünftige Schmerzen langsam wieder von ihm Besitz ergriff.
„Wer wird denn rot werden?“, fragte Nhaundar mit einem hinterhältigen Grinsen im Gesicht, wobei er schon zum zweiten Mal vergaß Shar zu beleidigen. Er war so von dem Anblick des jungen Körpers hin und her gerissen, dass er kaum seine Augen von Shar abwenden konnte. Außerdem überwog die Freude von seiner gewaltsamen Entjungferung allen anderen Gefühlen. Dann ohne ersichtlichen Grund fing Nhaundar lauthals an zu lachen und zog den Jungen näher zu sich heran. Er nahm ihn fest an beiden Oberarmen und roch an den glänzend, weißen Haaren des jungen Halbdrow. Er sog regelrecht den Duft in sich ein, den Shar verbreitete. Dann stieß er ihn auf Armeslänge von sich weg und starrte wie ein kleiner Junge in die tiefblauen Augen des Halbdrow. Wieder erkannte der Drow die noch sündenlose Seele eines Kindes, doch die Unschuld war verschwunden.
"Tut dir noch etwas weh?", fragte der Sklavenhändler erneut in ruhigem Ton und wartete auf die Antwort.
"Nein, mein Herr“, piepste Shar verwirrt, aber wahrheitsgemäß.
"Gut, gut", schnurrte Nhaundar und grinste zufrieden. Schließlich rief er nach Yazston, der augenblicklich eintrat. Er musste wohl vor der Tür gewartet haben, sagte sich der Junge. "Bring ihn zu den anderen", befahl er dem Soldaten gleichgültig und beide tauschten heimlich einen wissenden Blick aus. Die Drow wussten genau wovon die Rede war und das hinterhältige Glitzern in ihren Augen sagte mehr als Worte.
Wieder spürte Shar, wie ihn der Drowsoldat plötzlich an den Haaren zog und diesmal stieg Zorn ihn ihm auf. Wieso musste dieser Dunkelelf ihn immer wieder an seinen Haaren zerren. Doch er versuchte diese Gefühlsregung nicht zum Ausdruck zu bringen. Er wusste sehr gut, wozu Yazston und sein Herrn in der Lage waren und er wollte keine weiteren Schmerzen verspüren, die während seinem Schlaf auf so seltsame Art und Weise verschwanden. Dabei vergaß er sogar die Worte von Nhaundar ohne sich zu fragen, was diese zu bedeuten hatte.
Yazston führte Shar die große Treppe im Hauptgebäude hinab, dann bogen sie um eine Ecke und Yazston hielt abrupt inne. Nun standen sie vor einer Wand und der junge Halbdrow schien verwirrt. Shar beobachtete den Soldaten ganz genau und wusste nicht, was er vorhatte. Dieser hob eine Hand und tastete die nackte Felswand ab. Dann plötzlich schien er etwas gefunden zu haben und drückte dagegen. Jetzt öffnete sich leise eine Geheimtür vor ihnen. Mit weit aufgerissen Augen starrte Shar hinüber und war erstaunt, dass sich hier eine Tür befand. Dahinter erstreckte sich eine Treppe. Yazston ergriff ihn erneut an den Haaren und zerrte den jungen Halbdrow in die Dunkelheit. Es ging einige Meter nach unten und am Ende standen Shar und der Hauptmann der Soldaten in einem kleinen Gang. Brennende Fackeln steckten in Haltern an den Wänden und beleuchteten lediglich eine eiserne Tür nur einige Meter von ihnen entfernt. Yazston schleifte den Jungen jetzt weiter hinter sich her und blieb dann vor dieser Tür stehen. Unerwartet griff Yazston mit der freien Hand in eine Innentasche seiner Kleidung und zog daraufhin einen Finger mit roter Farbe heraus. Noch vor wenigen Stunden erhielt er ein kleines Gefäß mit diesem Inhalt und wusste, was Nhaundar damit plante. Es handelte sich dabei um einfache Farbe, die lediglich einem Zweck diente, bestimmte Sklaven bei dem bevorstehenden Spektakel zu kennzeichnen, die diese als persönliches Eigentum von Nhaundar auswiesen und somit nicht getötet werden durften. So hob er seine Hand, drückte den mit Farbe getränkte Finger auf Shars Stirn und zog anschließend einen Schlüssel hervor und öffnete das Eisenschloss. Ohne reagieren zu können sah sich Shar bereits im nächsten Moment in ein dunkles Loch gestoßen und die Tür fiel hinter ihm ins Schloss zurück. Er drehte sich eilig herum und versuchte sie zu öffnen, jedoch hoffnungslos, von innen gab es keinen Türknauf. Gerade wollte Shar um Hilfe schreien, da hörte er etwas hinter seinem Rücken. Ängstlich wandte er sich wieder dem Raum zu und erstarrte. Er war nicht alleine in diesem dunklen, stickigen Loch. Ungefähr zwanzig weitere Sklaven, die er noch niemals zuvor auf dem Anwesen seines Herrn gesehen hatte, teilten mit ihm den dunklen Raum. Sie saßen wild verstreut auf dem Boden und beäugten den Neuling neugierig. Doch ihr Interesse verebbte bald und alle blickten in eine andere Richtung. Shar wollte sie fragen, wo er sich befand, aber die ablehnende Haltung der Sklaven trug nicht zu seinem Mut bei. Er seufzte und zwängte sich an die nächstgelegene Wand und ließ sich an der kalten Mauer nach unten sinken. Sein Blick hielt er stur auf den Boden gerichtet. Wo bin ich nur? Was hat mein Herr vor? Viele weitere Fragen wirbelten durch seinen Kopf und am liebsten hätte er seiner Angst freien Lauf gelassen, doch er wollte sich vor den fremden Sklaven keine Blöße geben. Sie sind genauso gefangen wie ich und sie weinen nicht. Das ließ den Mut des Jungen wieder steigen und er zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. Seine eigene Neugier trieb Shar jedoch an, die Fremden genauer zu beobachten. Beschämt stellte er zuerst fest, dass er immer noch nackt war, doch ihm fiel auf, dass es den anderen ebenso erging. Sie schienen unterschiedlichen Alters, wobei die meisten junge Drow oder Oberflächenelfen waren. Die vier jüngsten wirkten wohl kaum älter als er selbst. Nach dieser erschreckenden Erkenntnis wanderte der Blick des jungen Halbdrow weiter und er entdeckte eine weitere Tür. Sie ähnelte der ersten und schien ebenfalls aus Eisen oder Stahl zu bestehen. Der einzige Unterschied bestand lediglich darin, dass sie wie ein schweres Tor aussah, welches einfach nach oben gezogen werden konnte. Ängstlich fragte sich Shar, was sich wohl dahinter befand, doch ein seltsames, mulmiges Bauchgefühl sagte ihm, dass es nichts Gutes sein konnte.
In der Zwischenzeit begab sich Nhaundar ebenfalls nach unten. Sein Weg führte ihn durch finstere Gänge und einigen Geheimtüren in die tieferen Stockwerke und noch weiter hinab in ein großes Kellergewölbe. Durch die dicken, natürlichen Felswände wurde diese Gewölbe von der eigentlichen Stadt Menzoberranzan getrennt. Einst diente dies alles als Kerker bis vor einigen Jahrhunderten Nhaundar den Einfall bekam alles umzubauen. Die Zelltüren wurden entfernt, Wände durchgebrochen oder ersetzt, die Decke abgetragen und oberhalb, rings um das ganze Gelände, Gänge und Sitzplätze in den Fels gehauen. Im unteren Bereich gab es nun ein Labyrinth und die Zuschauer konnten von ihren Plätzen alles überschauen. Viele brennende Fackeln an den hohen Wänden erhellten das ganze Gewölbe. Ein großes Tor, das sich einfach nach oben ziehen lassen konnte und durch eine ausgeklügelte Stahlkonstruktion sehr stabil und standhaft wirkte, prangte an der Stirnseite der rechteckigen Arena. Auf der anderen Seite, genau gegenüber erstreckte sich ein kleiner Felsvorsprung. Auf diesem thronten ebenso Sitzplätze, die aber nur für besondere Drow reserviert waren, wie Nhaundar und einige seiner bevorzugten Gäste.
Unten angekommen verharrte er im Schatten einer Türöffnung, die geschlossen mit dem blanken Felsen verschmolz und man niemals eine Geheimtür dahinter hätte vermuten können. Nun stand sie offen und gab lediglich den Blick auf ein dunkles Loch frei. Sie führte zu der Ehrentribüne, wie er es selbst nannte. Nhaundars Blick schweifte umher. Viele männliche Drow schienen anwesend zu sein, so wie sooft zuvor in all den Jahrhunderten, seit der Sklavenhändler dieses Ereignis abhielt. Vor sich erkannte er drei bekannte Dunkelelfen. Einer von ihnen war groß und wirkte fast wie ein Hüne unter der Rasse der Drow. Langes, weißes Haar reichte ihm über den Rücken bis weit hinunter, während man einige geflochtene Haarsträhnen erkennen konnte, die ihm nach vorne fielen. Er trug eine Rüstung und an seinem Waffengürtel prangten zwei Langschwerter. Seine Hände lagen stets auf den Schwertknäufen seiner Waffen, während sein Blick die Menge beobachtete. Der Name des Dunkelelfen lautete Nalfein Dalael. Sein Zwillingsbruder Sorn Dalael, der Vhaeraunpriester, der noch vor kurzem den jungen Halbdrow mit einem seiner Priesterzauber von Narben und sonstigen unansehnlichen Makel befreit hatte, stand gleich daneben. Sie bildeten wie eh und je ein Team und arbeiteten bei ihren Aufträgen Hand in Hand. Nalfein der Krieger und Sorn der Priester. Beide jung und attraktiv und wie Nhaundar sehr gut wusste, ausgezeichnet in ihrer Arbeit. Sorn war sogar ein ganz besonderes Geschenk, der stets beim Höhepunkt seiner Veranstaltungen eine große Rolle einnahm und seinen Pflichten mit Freude nachkam. Während der Sklavenhändler die Brüder beobachtete, huschte ihm schon alleine bei dem Gedanken auf das spätere Ereignis ein beschwingtes Lächeln über sein Gesicht. Dann schweifte sein Blick weiter und er erkannte den Drow, der kaum bis niemals fehlte, Dantrag Baenre. Der Waffenmeister des Hauses Baenre drehte dem Sklavenhändler genau wie die Brüder den Rücken zu und schaute sich interessiert um.
Die wichtigsten Personen für Nhaundar waren anwesend, das Spiel von Gewalt und Mord konnte beginnen. Er liebte das Spektakel der Jagd, dessen Vorbild nichts anderes war, als die Hetzjagd der Adligen im Armenviertel der Stadt Menzoberranzan, wo jeder mit freudiger Genugtuung den eigenen, mordgierigen Charakterzügen der Drow nachging und Sklaven nach ausgiebigen Saufgelage und ohne Grund zur Strecke brachten. Alle sechs Monate veranstaltete Nhaundar seine eigene Jagd, wo jetzt gleich die Sklaven durch das Labyrinth mit vielen Gängen und dunklen, kleinen Löchern zum verstecken in die Tunnel hineingejagt würden. Adelige wurden durch weitere Geheimtüren in die Arena eingelassen und konnten nach Lust und Laune mit dem wertlosen Pack tun und machen, wie es ihnen beliebte. Auf Wunsch auch töten, nur nicht diese, die als persönliches Eigentum Nhaundars gekennzeichnet wurden. Der Höhepunkt des Abends war jedoch ein ganz anderer. Alle Gäste wollten miterleben wie eine Priesterin Lolths vor ihren Augen zu Tode gefoltert wurde. Nhaundar wusste genau wie er die Männer begeistern konnte, daher kamen sie auch immer wieder zu seinen Veranstaltungen und erfreuten sich stets aufs Neue, auch wenn es für sie alle meist nicht ganz ungefährlich war. Doch der Sklavenhändler schien ein gutes Händchen für alles zu besitzen, das er anfasste, deswegen stieg seine Anerkennung mit jeder weiteren Jagd.
Nun schälte er sich aus dem Schatten der Tür und trat hinaus auf die Tribüne. Sofort bemerkten die Anwesenden das Auftreten des älteren Drow.
Munter schritt er weiter nach vorne. Dabei begrüßte er mit einem Kopfnicken den Waffemeister des Hauses Baenre und unterstrich die Begrüßung mit, „Dantrag Baenre, ich bin erfreut über eure Kommen“, und erntete ein bestätigtes Nicken. Dann schritt er weiter und grüßte nun auch die beiden Brüder. Er konnte jedoch ihr Mienenspiel nicht von ihren Gesichtern ablesen, da beide eine schwarze Maske trugen. Zum einen aus Schutz ihres eigenen Lebens, falls jemand unter den Gästen sie erkennen könnte und zum anderen, um das Geheimnisvolle der Folterung zu steigern, wofür Nhaundar beide bezahlte. Dann kam er am Ende des Felssimses an und blieb stehen. Sein Blick schweifte über die Menge, dann erhob er seine Stimme und sprach, wobei sie von den Felswänden mit einem leisen Nachklang widerhallte.
"Seit gegrüßt meine verehrten Gäste, die ihr Euch zu diesem denkwürdigen Spektakel wieder in meinem bescheidenen Zuhause eingefunden habt."
Daraufhin echote freudig, schallendes Gelächter, war doch allgemein hin bekannt, dass Nhaundar der reichste Sklavenhändler in ganz Menzoberranzan war.
"Ich verspreche Euch, dass ich Euch nicht enttäuschen werde ... ich weiß doch was allen gefällt", sprach er nach kurzer Unterbrechung freudig weiter und wieder ertönte nur lautes Gelächter der Anwesenden. Nhaundar bedeutete nach einer erneuten kurzen Pause mit erhobenen Armen um Ruhe und sprach gelassen weiter. "Ich schlage vor, dass ich aufhöre lange Reden zu schwingen und wir mit dem spaßigen Teil des Abends gleich beginnen.“
Wiederholt ertönte das Gelächter was jedoch rasch abebbte, denn alle Gäste erwarteten mit Spannung den heutigen Abend. Nhaundar zog sich so dann auf den eigenen Platz zurück und thronte zwischen Dantrag auf der linken und den Zwillingsbrüdern auf der rechten Seite.
„Willkommen verehrter Dantrag Baenre“, sprach der Sklavenhändler mit höflichem Respekt den Waffenmeister an. Eigentlich konnte er diesen aufgeblasenen und von sich selbst eingenommenen Drow nicht ausstehen, aber dessen Geld füllte des Öfteren bereits seine Geldbörse. Des Weiteren wusste Nhaundar sehr wohl über die sadistische Ader des zweitältesten Sohn der Oberin Baenre gut genug bescheid, um mit dessen ungezügelten Bereitschaft zur Gewalt die heutige Jagd mit dem berühmten Gast jetzt schon für gelungen zu erachten. Was jedoch das eigentliche Interesse an dem Spektakel zu sein schien, wusste Nhaundar ebenfalls. Die Opferung einer der Spinnenhuren, die man überall in der Stadt der Spinnenküsser antreffen konnte, ganz anders, wie in vielen anderen Städten der Drow im Unterreich. Dantrag war es nämlich, der heute Abend die gefangene Priesterin bis zum Tode foltern durfte. Der Waffenmeister hatte eine Menge Geld dafür hergegeben und Nhaundar hatte im Gegenzug keine Kosten und Mühen gescheut, um ihm dafür ein besonders prachtvolles Exemplar zu besorgen. Aus einer anderen Stadt versteht sich von selbst.
Mit einer beiläufigen Geste gab der Sklavenhändler nun einigen seiner Soldaten ein Zeichen und diese zogen das Tor auf der gegenüberliegenden Seite nach oben. Die Scharniere quietschten und ächzten und kurz darauf gab es den Blick auf eine kleine Kammer frei, die finster da lag, während die Arena durch Fackellicht erleuchtet war. Aus dieser Kammer rannten nun die Sklaven, wie aufgescheuchte Tiere, direkt in das Tunnellabyrinth hinein.
Dantrag Baenre grinste bei diesem Anblick nur bösartig und beobachtete das Spektakel genau, besonders weil er wusste, was nun folgen würde.
„Nhaundar, sagt mir, wo ist der Elf heute?“, wollte der Waffenmeister plötzlich wissen, während er weiterhin seine Augen auf die bevorstehende Jagd richtete.
Der Sklavenhändler schluckte kurz bevor er antworten konnte. Dantrag Baenre meinte Handir, den er sooft an den Drow ausgeliehen hatte und dafür stattliche Summe einheimste. „Wisst ihr Dantrag, ich musste ihn …“, dann machte Nhaundar eine kurze Pause und überlegte, ob er die Wahrheit oder nur ein Teil der Geschehnisse preisgeben sollte. Er entschied sich für die Mitte und sprach weiter, „... ich musste ihn fortschaffen“, antwortete er letztendlich kühl.
Dantrag wandte bei diesen Worten seine volle Aufmerksamkeit nun dem Sklavenhändler zu und dessen bernsteinfarbene Augen glänzten bedrohlich. „Was nennt ihr hier fortschaffen? Nhaundar, ihr habt doch nicht allen ernstes den Elfen getötet?“ Dantrag schien empört zu sein.
„Wisst ihr, er hat sich in letzter Zeit zu viel für seinen Stand heraus genommen, der elende Hund“, kam die Verteidigung des Händlers und hoffte, dass der Waffenmeister sich nicht noch weiter über diesen bedauerlichen Vorfall mokierte.
„Ich hätte für ihn jederzeit Verwendung gehabt. Er war seit langem einer der Besten. Ich hoffe doch wenigstens, dass ihr einen würdigen Ersatz gefunden habt?“, wollte Dantrag wissen, während sein Blick sich nun wieder auf die Jagd richtete.
Mittlerweile schienen alle Sklaven sich in dem Tunnellabyrinth verteilt zu haben, denn die Geheimtüren an den Seiten gingen auf und heraus traten vermummte Adelige. Das Spektakel begann.
„Natürlich“, kam die knappe Antwort Nhaundars der verletzten Stolz vorspielte.
Wie auf ein Kommando kam jetzt auch ein sehr ängstlich aussehender Halbdrow aus dem dunklen Loch gegenüber der Ehrentribüne geschlichen. Er verharrte mit kindlich, naiver Miene an der Tür und blickte sich verloren um. Dabei wirkte er so zart, rein und unschuldig wie es nur sein konnte. Es lief alles besser, als es sich Nhaundar zu wünschen gehofft hatte und erkannte selbst von dieser Entfernung den roten Punkt auf dessen Stirn, der ihn während der Jagd als sein persönliches Eigentum kennzeichnen würde und somit nicht getötet werden durfte, das wussten alle Beteiligten und Gäste gleichermaßen. Nur die Sklaven blieben unaufgeklärt.
Jetzt, wo bereits die beste Einnahmequelle des Sklavenhändlers nicht mehr unter den Lebenden weilte, dann zumindest der Sohn und dieser konnte sich im Moment nicht besser verhalten, als er es gerade tat.
Nhaundar bedachte den Waffenmeister neben sich mit neugierigem Blick und erkannte in dessen Gesicht, dass er den Köder gefressen hatte. Seine Aufmerksamkeit schien erregt zu sein. Die Augen Dantrags schauten interessiert gerade aus und verharrten auf dem jungen Shar. Ein neckisches Lächeln umspielte dessen Mundpartie.
„Wer ist das?“, erklang auch schon die begierige Frage des Drow neben dem Sklavenhändler.
„Das ist der würdige Ersatz, Waffenmeister.“
„Das ist eine wahrlich repräsentative Entschädigung, Nhaundar. Soviel Geschmack hätte ich euch nicht zugetraut“, erwiderte Dantrag völlig gedankenverloren.
Nhaundar stattdessen wurde sauer. Ständig musste er sich von dem arroganten Drow beleidigen lassen und konnte sich nicht verteidigen, wenn er nicht einem Baenresoldaten gegenüber stehen wollte oder nicht sogar einem deren tüchtigen Meuchelmördern zum Opfer fallen wollte. So schluckte der Sklavenhändler seinen Ärger herunter und antwortete mit gesäuselt, öligem Tonfall, „Das ist Handirs Sohn, Waffenmeister. Sein Name ist Shar.“
„Heute scheint mein Glückstag zu sein“, grinste Dantrag hämisch und richtete nun seine volle Aufmerksamkeit nach unten und auf den verängstigten Halbdrow. Der Waffenmeister war von einer auf die andere Sekunde wie gefangen von dem Anblick des jungen Shar und in Gedanken wusste er bereits, welch einen Spaß er mit dem Jungen haben würde.
„Scheint wohl so“, erklang wie von weit entfernt die Antwort Nhaundars, der nun ebenfalls sein Augenmerk auf die Jagd richtete. Zum Verhandeln würde später noch genug Zeit bleiben, der Abend war noch jung. Der Plan nahm nach und nach immer mehr Gestalt an und zum Glück für Nhaundar schien Dantrag nichts gegen Missgeburten, wie ein Halbdrow zu haben.
Eine weitere Person verfolgte das Gespräch zwischen Nhaundar und Dantrag Baenre. Sorn Dalael, der Vhaeraunpriester saß neben seinem Bruder Nalfein und hörte jedes Wort mit. Doch der Verlauf der Unterredung der beiden älteren Dunkelelfen gefiel ihm persönlich überhaupt nicht. Es erschreckte ihn zu hören, dass der Mondelf umgebracht worden war und dass er mit seiner Vermutung damals richtig lag. Nun blickte auch er nach unten und erkannte den jungen Shar, der von seinem Herrn an diesem grausamen Spiel teilnehmen musste. Da Sorn nicht das erste Mal dieses Spektakel mit ansah, war ihm auch sofort klar, dass der Junge Hilfe benötigte, wenn er in dieser Nacht ohne viel Schaden überstehen sollte. Auch er kannte das Erkennungszeichen mit dem roten Punkt auf der Stirn, was Shar lediglich vor einem qualvollen Tod, aber nicht vor Schmerzen und Vergewaltigungen beschützen konnte. Der hagere Körper des Jungen würde nur mit Müh und Not den so genannten Spielregeln standhalten. Plötzlich hatte er einen Einfall. Schnell wandte er sich seinem Zwillingsbruder zu und flüsterte ihm ins Ohr, „Nalfein, schütze mich für einige Minuten vor den Blicken Nhaundars und des Waffenmeisters.“
Nalfein bedachte seinen Bruder mit einem misstrauischen Blick, wusste aber sofort, was Sorn zu tun gedachte. „Wie du meinst, ich hoffe nur, dass wir dadurch keinen Ärger bekommen“, murmelte Nalfein seinem Bruder zu und tat sogleich, wie ihm geheißen wurde. Der Kämpfer machte sich etwas breiter und dehnte seine muskulösen Schultern aus und schützte damit den Priester vor unliebsamen Augen. Sorn dagegen konzentrierte sich einen kurzen Moment auf den jungen Halbdrow, der immer noch verloren und ängstlich im Labyrinth stand, dann schloss er die Augen und versank in Meditation. Er betete stumm und hoffte das gewünschte Ziel zu erreichen.
Shar stand währenddessen mit zitternden Beinen am Ausgang des nun hochgezogenen Tores. Er wusste nicht wo er sich befand und was passiert war. Die älteren Sklaven zwängten sich eben schnell durch den schmalen Durchlass und versuchten auf der Stelle wegzurennen. Hinein in ein Gewirr aus spärlich erhellten Gängen. Die Jüngeren sahen sich unsicher an, denn keiner von ihnen wusste, was nun von ihnen erwartet wurde. Dann folgten sie rasch dem Beispiel der anderen und verschwanden ebenfalls in dem Labyrinth. Zurück blieb lediglich Shar. Er schaute nach oben und erkannte im Fackelschein der Arena über sich die Sitzplätze und all die Gäste, die ihn ringsherum mit roten Augen neugierig anstarrten.
„Wer sind die? Wo bin ich? Ich will hier wieder weg“, flehte der Junge leise und die Angst kroch noch weiter in seine Glieder. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, alles war so seltsam, dunkel und unheimlich. Dann versuchte der junge Halbdrow einen der anderen Sklaven auszumachen, aber er konnte niemanden entdecken. Seine Augen schweiften vorsichtig von Rechts nach Links, doch er sah lediglich die blanken, nackten Felsmauern. Gänge zweigten in alle möglichen Richtungen ab und über ihm die Dunkelelfen, die ihn beobachteten. Der Junge bettelte flüsternd, dass er hier nicht hingehörte und wollte einfach nur von diesem grausigen Ort verschwinden. Er merkte nicht einmal, wie ihm langsam die Tränen in die Augen stiegen. Sein Magen verkrampfte sich und ein ungutes Gefühl ergriff von ihm Besitz. Da ertönte ein lauter Schrei und Shar fuhr zusammen. Aufgeregt blickte er sich erneut um, konnte aber nichts ausmachen. Da erklang wieder ein Schrei, ein Schmerzensschrei. Augenblicklich bebte sein dünner Körper heftig und die Tränen flossen ungehemmt über die Wangen.
„Ich will hier wieder weg“, rief er plötzlich und versuchte so seiner Furcht Ausdruck zu verleihen.
Ein markerschütterndes Gelächter erklang von oben und Shar erkannte, dass die Drow allesamt sich wohl über ihn amüsierten.
„Was wollt ihr von mir?“, piepste der Junge und merkte, wie ihm durch die Angst die Zähne klapperten und seine Stimme langsam versagte. Er versuchte sich an der Mauer festzuhalten und zu lauschen. Er traute sich nicht auch nur einen Schritt von dem dunklen Loch hinter sich nach vorne zu machen.
Shar weinte nun bitterlich und die Stimmen der Dunkelelfen machten die ganze Situation noch schlimmer. Doch da, direkt vor ihm stand plötzlich jemand. Er blinzelte durch seinen Tränenschleier hindurch und erblickte sofort eine ihm wohl vertraute Person, Handir! Er wirkte wirklich und auch doch nicht. Sein Körper schien leicht durchsichtig, aber er stand da und schaute mit einem Lächeln zu seinem Sohn hinüber.
„Vater?“, flüsterte Shar leise und riss vor Freude und Zuversicht seine Augen weit auf. „Handir, bist du es wirklich?“, piepste der Junge mit brüchiger Stimme.
„Ja Shar, ich will versuchen dir so gut es geht zu helfen. Komm mit mir“, antwortete Handir und lächelte erneut seinen Sohn an.
Shar tat wie ihm geheißen und folgte mit wackligen Beinen seinen plötzlich erschienen Vater. Er fragte sich erst gar nicht, wie er hier auftauchen konnte und vergaß letztlich sogar, dass Handir nicht mehr am Leben war. Die Erscheinung des Elfen gab dem Jungen unverhofft so viel Mut und nahm augenblicklich ein Teil seiner Furcht. Sein Vater würde ihm helfen, nur das alleine zählte. Handir war zu ihm zurückgekehrt. Doch nur zwei Personen konnten ihn sehen. Shar, der plötzlich in all seiner Zuversicht alles um sich herum vergaß und Sorn, der als Vhaeraunpriester die Seele des unglücklichen Elfen zur Hilfe für dessen Sohn herbeigerufen hatte.
Dantrag sah die Szene auf der gegenüberliegenden Seite auf der Ehrentribüne mit an. Er musterte den jungen Halbdrow mit den schönen langen Haaren und einem schlanken Körperbau. Genussvoll leckte er sich gedankenverloren die Lippen und wartete was nun folgen würde, denn es war für den Waffenmeister offensichtlich, dass dieser Junge zum ersten Mal an der Jagd teilnahm und das ihm niemand erklärt hatte was passieren würde, so wie es eben Brauch war. Das alleine steigerte seine Lust. Von der unsichtbaren Erscheinung Handirs hatte er stattdessen keine Ahnung und amüsierte sich letztendlich darüber, wie der Junge kurzzeitig von seiner Angst überwältigt wurde. Daraufhin schien er sich zu beruhigen, wie der Waffenmeister weiter beobachtete und verschwand am Ende in dem großen Labyrinth.
Sorn Dalael kehrte kurz zuvor aus seiner Meditation zurück in die Wirklichkeit. Er öffnete langsam seine bernsteinfarbenen Augen und schaute sich um. Niemand schien etwas mitbekommen zu haben, denn keiner der Anwesenden achtete auf ihn. Nhaundar und der Waffenmeister des Hauses Baenre waren viel zu beschäftigt und tief versunken in dem Spektakel. Beruhigt und leicht erschöpft versuchte er den Jungen auszumachen und erkannte sofort, dass der Junge nicht mehr alleine war. Handirs Seele gesellte sich zu seinem Sohn und gleich darauf verschwand diese mit dem jungen Halbdrow in den Gängen des Labyrinths. Ein wissendes Lächeln stahl sich auf das verhüllte Gesicht des Vhaeraunpriesters und zufrieden gab er Nalfein ein Zeichen, dass dieser sich wieder entspannen konnte. Sorn hatte Shar geholfen, soweit es in seiner Macht stand und jetzt blieb ihm nichts weiter übrig, als sich entspannt zurück zu lehnen und auf den Höhepunkt des Abends zu warten. Nicht einmal der Gedanke, dass Handirs Seele bei seinem Maskierten Fürsten weilte, konnte ihn verwundern.
Plötzlich hallte erneut ein Schmerzensschrei durch das Labyrinth und Shar fuhr zusammen.
„Komm mit Shar“, sprach Handir zu seinem Sohn und winkte ihn mit der Hand in einen der vielen Gänge hinein.
Der Junge folgte ohne Widerrede, zuckte nur hin und wieder zusammen, als die Schreie der anderen Sklaven zunahmen.
„Was passiert hier, Vater?“, flüsterte Shar Handir zu, als er ihm dicht in den Gang folgte.
„Nicht reden Shar. Sei leise und versuch kein Geräusch zu machen“, antwortete ihm die Seele des Mondelfen und glitt weiter. Hin und wieder blickte dieser über die Schulter und vergewisserte sich, dass sein Sohn ihm wie befohlen folgte.
Shar tat alles, was Handir ihm sagte und so vergingen einige Minuten ohne dass etwas passierte. Dann blieb sein Vater ohne ersichtlichen Grund stehen und wies mit der Hand auf ein kleines Loch in der Wand. „Klettere hier hinein“, meinte Handir und verharrte darauf still auf der Stelle.
Shar nickte und gab so zu verstehen, dass er der Aufforderung im gleichen Atemzug nachkam. Er kniete sich hin und wollte gerade im dem kleinen Loch verschwinden, da zischte eine Stimme, „Hau’ ab, dass ist mein Versteck“, und gab den Worten mit kräftigen Faustschlägen Nachdruck.
Der Junge war verwirrt und gleichzeitig wütend, dass der fremde Sklave nach ihm schlug.
„Hör’ auf …“, bettelte Shar, wurde jedoch durch seinen Vater mitten im Satz unterbrochen.
„Achtung Shar, hinter dir!“
Es war zu spät. Shar spürte eine Hand, die ihn von hinten an den Schultern ergriff und unsanft auf den Bauch warf. Verwirrt schaute der Junge auf. Vor sich erkannte er Handir, der mit trauriger Miene auf seinen Sohn blickte. Der junge Halbdrow lag auf dem Boden und wollte sich gerade aufrichten, da spürte er, wie zwei Hände seine Hüfte anhoben und eine schreckliche Vorahnung schien von Shar Besitz zu nehmen.
„Nein, lass mich los“, drängte der Junge und in seiner Stimme schwang wieder die Angst mit. „Vater, hilf’ mir!“
„Bleib ruhig Shar, ich kann dir hierbei nicht helfen, auch wenn ich gerne möchte. Wenn du dich nicht wehrst, dann vergeht der Schmerz“, versuchte Handir auf die flehenden Worten seines Sohnes zu reagieren. Auch wenn der Elf als Seele zu Shar kam so empfand er nun den gleichen Schmerz, den er auch als Lebender empfunden hatte. Er konnte nicht anderes tun, als zu zuschauen und seinem Sohn mit seiner Anwesenheit die Furcht nehmen.
Die Hände des Unbekannten hielten den jungen Halbdrow unerbittlich in ihrem festen Griff. Shar begann zu zappeln und zu kämpfen, er wollte ihnen entkommen. Stattdessen ergriff der Fremde sein Haar und schlug den Jungen unsanft, aber nicht zu heftig mit dem Gesicht gegen die Mauer. Ein höllischer Schmerz jagte im gleichen Augenblick durch den hageren Körper. Der Kopf hämmerte und alles begann sich vor Shars Augen zu drehen. Ihm war schwindlig. Und als wäre es nicht genug, durchfuhr den jungen Halbdrow gleich drauf eine erneute Pein. Schlagartig war er wieder in der Realität. Der Junge schrie aus Leibeskräften und spürte wie der Fremde mit größter Brutalität in ihn eindrang, genau wie Nhaundar einen Tag zuvor. Sein Inneres schien in diesem Moment zerreißen zu wollen und die Schmerzen verstärkten sich, als die Qual einige Sekunden verebbte, nur um heftiger wieder zurück zukehren.
Wieder entwich ihm ein Schrei, doch das führte nur dazu, dass der andere wilder wurde. Die Erschöpfung fing schon nach kurzer Zeit an, an Shars jungem Körper zu zerren und er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass der Drow oder was immer es auch war, sein Werk vollenden würde und er einfach nur daliegen konnte und warten, bis er sich wieder bewegen konnte. Der Junge erkannte plötzlich wieder seinen Vater vor sich, der mit Tränen in den Augen auf ihn herunter sah. „Es tut mir leid, mein Sohn. Wenn ich könnte, dann würde ich helfen“, flehte nun Handir Shar an und versuchte einfach nur für den Jungen da zu sein.
Shar war wirklich froh, dass sein Vater da war obwohl er die schmerzliche Situation nicht verstand und sich fragte, wieso Handir ihm nicht half. Er erhaschte einen Blick auf die Tränen in Handirs Augen, dann verschwamm alles in Shars Kopf. Die Qual, Angst und selbst die Enttäuschung über die unterlassene Hilfe übermannten den jungen Körper und er gab sich den Schmerzen hin.
Immer wieder erklangen die Schreie des jungen Halbdrow, dann verebbten sie mit einem Mal, als der Fremde von ihm abließ und im spärlich erhellten Gang verschwand. Der Junge lag zusammengekrümmt auf dem blanken Felsenboden und konnte sich nicht bewegen. Es dauerte eine lange Zeit, bis Shar begriff, dass er hier ohne Schutz auf dem Boden lag und jederzeit ein anderer kommen konnte. So raffte er sich unter Qual auf, versuchte dabei die Pein zu ignorieren und kroch so gut es ging den Gang entlang. Die Seele Handirs folgte ihm und schaute sich nach weiteren Drow um. Da ertönte nach ein paar Metern erneut die Stimme von Handir. „Achtung! Du musst dich verstecken.“
Shar kroch unter Schmerzen auf dem harten Boden entlang, um einige Biegungen später im Labyrinth, zusammen mit Handirs Hilfe, ein weiteres, kleines Loch zu erspähen. Es war gerade einmal so groß, dass es den schmächtigen Körper des Jungen fasste und so schnell der junge Halbdrow konnte, verschanzte er sich augenblicklich in der Dunkelheit, aus dem Sichtfeld der vermummten adligen Dunkelelfen. Gerade noch rechtzeitig, als ein weiterer, verhüllter Drow den Gang entlang lief und Ausschau nach neuer Beute machte. Handir stand erleichtert vor dem Versteck seines Jungen und seufzte zufrieden in sich hinein. Denn diese Gefahr schien fürs erste gebannt zu sein.
Shar lag ruhig in seinem Schlupfwinkel und sein Herz raste dabei wild vor Angst und Schmerzen. Doch von weitem vernahm Shar plötzlich einen lauten Schrei und erschrocken fuhr er zusammen. Vorsichtig lugte er aus dem dunklen Loch in dem Mauerwerk heraus und erkannte nur wenige Meter vor sich einen der jungen Sklaven, der von einem Dunkelelfen von hinten gepackt und unsanft zu Boden gerissen wurde. Der Drow wirkte bedrohlich und eine Maske über dessen Gesicht verhinderte, dass der junge Halbdrow das hämische Lächeln des Mannes sehen konnte.
Das gleiche Spiel wiederholte sich, nur mit dem Unterschied, dass es diesmal nicht Shar, sondern ein fremder Oberflächenelf war. Die Schmerzensschreie des Sklaven hallten durch den Gang und bohrten sich selbst in jede Faser von Shars Körper. Er zitterte in seinem Versteck wie Espenlaub, während der Halbelf spürte, wie ihn seine eigene Pein förmlich zerreißen wollte. Von einer auf die andere Minute kehrten die eigenen Erinnerungen an diese Qual und all seine Schmerzen zurück in den geschundenen Leib des Jungen. Letztendlich lag Shar völlig ausgezerrt und schmerzerfüllt in dem dunkeln Versteck auf dem Boden. Die Tränen rannen ihm über die Wangen und die Furcht begann ihn zu übermannen. Augenblicklich schrie auch der junge Halbdrow laut auf bis er das Grauen nicht mehr ertragen konnte und fiel in Ohnmacht.
Handir verharrte währenddessen vor dem Versteck seines Sohnes und beobachtete ebenfalls die gewaltsame Szene. Doch er war froh, dass er wenigstens beim zweiten Mal sein Kind vor Schlimmeren bewahren konnte, während er versuchte, sich nicht von der Stelle zu bewegen.
Dantrag stand oben auf der Tribüne und starrte auf das Schauspiel hinunter. Er genoss es, den niederen Adligen dabei zuzusehen, wie sie sich an den Sklaven vergingen bis diese bewusstlos am Boden lagen, manche sogar tot. Er selbst war sich für diesen Auftritt zu schade, doch heute erregte ein Sklave seine besondere Aufmerksamkeit. Der Halbdrow hatte es ihm angetan, hauptsächlich die schönen Schreie des Jungen. Er setzte sich wieder zu Nhaundar und für diesen war es unübersehbar wie erregt sein Gast bereits jetzt wirkte. Dass Shar ein Halbdrow war, das schien Dantrag Baenre egal zu sein. Für ihn stand anderen Schmerzen zuzufügen im Vordergrund, ob nun Dunkelelf, Oberflächenelf oder ein Mischling aus beiden Abstammungen.
"Er wird euch gefallen, verehrter Waffenmeister", meinte der Sklavenhändler listig.
Dantrag schaute Nhaundar an und ein Funkeln in dessen bernsteinfarbenen Augen sprach bereits Bände.
"Der Halbdrow, Nhaundar, ich will ihn heute Nacht für mich", schnurrte der Waffenmeister.
Nhaundar lächelte hinterhältig und beide waren sich ohne Worte einig, wo Shar heute die Nacht verbringen würde. Danach wandte der Waffenmeister des Hauses Baenre wieder seine volle Aufmerksamkeit auf das Spektakel im Labyrinth zu. Von weiten konnte er den jungen Halbdrow ausmachen, der sich geschickt in einem der vielen kleinen Löcher in den Mauern versteckte und ein Schmerzensschrei drang nur wenig später an sein Ohr. Dieser klang für ihn wie Musik und sein Lächeln wurde immer breiter. Er freute sich bereits jetzt schon auf das Kommende, doch zuerst durfte er eine Gotteslästerung begehen, bald würde es soweit sein. Bei diesem Gedanken wurde das Grinsen auf seinem Gesicht noch breiter.
Sorn Dalael dagegen beobachtete das Ganze mit gemischten Gefühlen. Auch wenn er derjenige war, der die Seele Handirs heraufbeschworen hatte, wusste er, dass diese lediglich mit Worten dem Jungen helfen konnte, nicht mit Taten. Der Vhaeraunpriester musste mit ansehen, wie der Halbdrow gewaltsam vergewaltigt wurde und sich zum Glück anschließend verstecken konnte. Die Seele des Elfen stand traurig neben dem Versteck und verweilte dort an Ort und Stelle, während plötzlich stumme Tränen über dessen Wangen liefen.
Blutige Tränen
Shar war gerade im Begriff den letzten Tropfen getrockneten Blutes vom Boden zu entfernen, da schlich sich Yazston von hinten an ihn heran und begutachtete die Arbeit des Jungen. Zu seiner Schande musste er gestehen, dass alles zu seiner Zufriedenheit erledigt wurde. Doch diese Tatsache hielt den Hauptmann der Soldaten nicht auf. Ohne Vorwarnung zog er den jungen Halbdrow an seinen langen Haaren auf die Beine, der dabei erschrocken zusammenfuhr und zerrte den Jungen somit auf die Füße.
„Komm mit, ich bring’ dich in dein neues Heim“, raunzte Yazston.
Shar gehorchte überraschender Weise ohne einen Ton von sich zu geben und folgte mit schnellen Schritten dem Drow, der ihn fest an den Haaren hinter sich her schleifte. Kurz darauf ging es die Treppe nach oben und keine Minute später stand er mitten im Empfangsraum von Nhaundar. Shar fragte sich, wieso dies sein neues Heim darstellte, wo er doch stets seine Decke im Gemeinschaftssaal bei den anderen Sklaven hatte. Dies hier waren jedoch die Privatgemächer des Herrn und hier wohnte sein Vater. Als er an Handir dachte, kehrte der Stich in sein Herz zurück und er wurde sich wieder bewusst, dass sein Vater nicht mehr da war.
„Los, da rüber mit dir!“, herrschte ihn Yazston an, ließ die lange Haarmähne los und stieß Shar von sich fort. Er zeigte dabei auf eine kleine Ecke neben einem, mit rotem Samt überzogenen Diwan und gab ihm einen heftigen Schubs. Shar verlor bei diesem ungestümen Stoß das Gleichgewicht und konnte sich gerade noch unsanft mit beiden Händen abstürzen, sonst wäre er mit voller Wucht auf dem harten Felsenboden gefallen. Ein kurzer, aber heftiger Schmerz durchfuhr die hageren Arme des Jungen, da spürte er auch schon einen Fußtritt. Der Dunkelelfensoldat traf den jungen Halbdrow am Arm und versuchte mit weiteren Tritten den kleinen, eingeschüchterten Halbelfen auf den angewiesenen Platz zu scheuchen. Shar floh halb kriechend, halb aufgerichtet in die ihm zugewiesene Ecke und entkam so wenigstens einigen Fußtritten des Dunkelelfen. Er kauerte sich augenblicklich zusammen. Dabei flehte Shar stumm, dass Yazston verschwinden sollte, er wollte nur noch seine Ruhe. Noch während er schweigsam für sich betete vernahm der Junge ein Geräusch. Erschrocken schaute er auf und erkannte Yazston, der sich über ihn beugte. In der Hand hielt er eine Eisenkette, genauso eine wie sie Handir an seinem Halsband trug, wenn es nicht sogar die Gleiche war. Mit schnellen Handgriffen befestigte der Drowsoldat die Kette an Shars eigenem Eisenhalsband und das andere Ende in einer Verankerung an der Wand. Mit weit aufgerissenen Augen und einem ungläubigen Blick schaute der junge Halbdrow zu, wie Yazston ihn ankettete und wollte versuchen zu verstehen. Nachdem der Dunkelelf seine Arbeit beendete, bedachte er den Jungen mit einem hasserfüllten Blick, schnaubte verächtlich und verschwand ohne ein weiteres Wort. Jetzt war Shar alleine.
Er kannte dieses Zimmer nur zu gut. Seine Dennoch sah er sich ganz genau um. Im sanften Kerzenlicht, das von den vielen Kerzenständern an den Wänden herrührte, wirkte der Raum friedlich. An der Fensterfront, die in den Innenhof wies, entdeckte er die Stelle, an der sein Vater und Nhaundar noch vor weniger als einem Tag miteinander kämpften. Bei diesen Erinnerungen kehrte auch die Trauer zurück und langsam rannen ihm erneut Tränen über die Wangen. Shar fragte sich, wieso sein Vater gehen musste. Er vermisste ihn und noch weniger verstand der Junge, warum Handir ihn nicht mitgenommen hatte. Der Junge jammerte still vor sich hin und sank endgültig in sich zusammen. Er weinte leise und merkte nicht wie er langsam einschlief.
„Wach auf, Sklave“, weckten die Worte den Jungen und schreckten ihn aus einem traumlosen Schlaf auf. Sein Herz raste plötzlich wie wild bis ihm bewusst wurde, dass er geschlafen hatte.
„Sklave, wach auf“, kam die erneute Anweisung und Shar schlug reflexartig seine tiefblauen Augen auf. Verwirrt schaute er sich im Raum um. Vor ihm stand ein bedrohlich wirkender Nhaundar und funkelte ihn mit seinen rot glühenden Augen an. Augenblicklich kroch die Angst in jede Faser seines Körpers und ein kalter, grausiger Schauer übermannte den hageren Halbdrow. Vor ihm stand der Drow, der ihm diese unerklärlichen und entsetzlichen Schmerzen zugefügt und der ohne Gewissen Handir quälen ließ und letztendlich aus Shars Leben gerissen hatte. Der Junge fing im gleichen Moment an zu zittern und die Angst vor neuer Pein breitete sich bei dem Anblick von Nhaundar in ihm aus und er krümmte sich dabei leicht zusammen. Er wollte sich so klein wie möglich machen, damit sein Herr von ihm abließ. Doch da bemerkte der Halbelf jemanden neben dem Sklavenhändler. Shar überlegte fieberhaft und wusste, dass er diese Person schon einmal gesehen hatte. Er trug eine dunkelblaue Robe, seine Haare, weiß und lang fielen ihm streng nach hinten gekämmt über den Rücken und auf seiner Stirn prangte ein silbernes Diadem. Es dauerte einige Momente bis dem Jungen das Erlebnis mit dem damaligen Geist in dem Schlafraum einfiel, dem er als Fünfjähriger in dem Sklavenquartier begegnet war. Als ihm die Erkenntnis über den Fremden bewusst wurde, fing Shar automatisch heftiger an zu zittern und drückte sich Schutz suchend gegen die kalte Felsenwand. Der Geist schien gekommen zu sein, um ihn zu holen, dachte der ängstliche Junge und versuchte dabei immer weiter zurück zu weichen, jedoch ohne Erfolg.
„Was hat er denn plötzlich, Ranaghar? Er wird doch nicht verrückt geworden sein?“, fragte ein verwirrter Nhaundar den Magier.
Der Zauberkundige, der sich in keiner Weise an den Fünfjährigen erinnerte zuckte lediglich mit den Schultern.
„Dann beeilt euch jetzt, der Abend kommt schnell und bis dahin muss er wieder perfekt sein“, gab Nhaundar Ranaghar die Anweisung und verschwand kurz darauf aus dem Zimmer ohne einen Blick zurück zu werfen.
Zurück blieben der Magier und ein verwirrter Shar. Ranaghar fragte sich jedoch ernsthaft, was plötzlich in den jungen Halbdrow gefahren sein könnte, da er wie ein verschrecktes Kind wirkte, was er letztendlich auch war. Dass es jedoch an Ranaghar selbst lag, auf diese Idee kam er natürlich nicht. Er zog zwei kleine Phiolen aus einer Innentasche seiner dunkelblauen Robe und kniete sich vor den Jungen auf den Fußboden. Er konnte jetzt deutlicher sehen, dass der Kleine am ganzen Körper zitterte und er vernahm dabei ein leises Schluchzen.
„Hör’ mit dem Geflenne auf und trink’ das. Nhaundar wünscht das du bis heute Abend gut aussiehst“, sprach der Magier den Jungen mit gleichgültigen Ton an.
Doch Shar reagierte nicht, er hatte viel zu viel Angst vor dem angeblichen Geist und wusste nicht, dass es sich lediglich um einen Zauberkundigen handelte. Er kannte auch keine Magier und wusste somit auch nicht, dass sich in den beiden Phiolen ein Heiltrank befand.
Ranaghar wartete zwei weitere Atemzüge ab, doch die Situation veränderte sich nicht. Jetzt wurde er ungeduldig und nahm mit festem Griff das Kinn des jungen Halbdrow in die eine Hand und ließ Shar zu sich aufblicken. Etwas überrascht über den ängstlichen Blick des Jungen, der aussah, als würde er einen Geist sehen, ließ den Magier erneut einen Moment innehalten. Dann nahm er eine der Phiolen, riss mit den Zähnen den Verschluss auf und hob die kleine Öffnung an Shars Mund. Dieser versuchte sich zu wehren, aber er war zu schwach um etwas gegen Ranaghar auszurichten. Nun verlor der Dunkelelf endgültig die Geduld und hielt das Kinn noch fester, setzte die Phiole an den Mund und schüttete dem Jungen den säuerlich schmeckenden Heiltrank in den Mund. Dann ließ er die Flasche in eine Tasche seiner Robe fallen und hielt Shar mit der anderen Hand die Nase zu, dass diesem nichts anders übrig blieb, als zu schlucken. Das wiederholte er mit dem zweiten Heiltrank. Erst dann löste der Magier seinen Griff. Shar fing augenblicklich an zu Husten und zu würgen.
Da breitete sich plötzlich eine wohlige Wärme in Shars Körper aus und er sah überrascht zu dem angeblichen Geist auf. Es tat überhaupt nicht weh, nein, stattdessen fühlte er sich mit einem Mal besser.
Ranaghar beäugte den jungen Halbdrow noch einen Moment, dann stand er auf, strich seine Robe glatt und ging hinüber zu dem großen Tisch, der sich über die Mitte des großen Raumes erstreckte. Shar konnte von seinem Platz in der Ecke aus beobachten, wie er etwas in die Hand nahm, sich herum drehte und zurückkam.
„Hier, iss’ und dann schlaf noch ein bisschen. Dipree holt dich später ab und wird dich vorbereiten“, ertönte die gelangweilt, wirkende Stimme des Magiers und er warf dabei dem Jungen ein Stück getrocknetes Rothéfleisch und eine Scheibe Brot vor die Füße. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren entfernte sich Ranaghar und verschwand wie Nhaundar zuvor aus dem Zimmer. Zurück blieb ein sehr verdutzt dreinblickender Shar, der abwechselnd das Essen vor sich und die nun geschlossenen Tür beäugte. Er wusste nicht was geschehen war, aber die wohlige Wärme in seinem Körper tat so gut. Nur einige Augenblicke später stürzte er sich auf die unerwartete Mahlzeit und ließ nichts übrig. Es schmeckte einfach viel zu gut und er konnte sich nicht genau erinnern, wann er das letzte Mal etwas zu sich genommen hatte. Nachdem der Junge alles bis zum letzten Krümel verschlang lehnte sich Shar satt gegen die kalte Mauer. Langsam überkam ihn erneut die Erschöpfung der Ereignisse und seine Augen schlossen sich bis er erneut in einen traumlosen Schlaf glitt.
Der junge Halbdrow verschlief den ganzen Tag und gegen Abend weckte ihn Dipree. Dipree, der Sklave, der für das ansehnliche Wohl von Nhaundar und den Lustsklaven zuständig war, wirkte dabei nicht gerade erfreut den Jungen so zu sehen. Shar lag immer noch in der gleichen Ecke wie zuvor. Verwirrt hob er den Kopf und schaute sich um, wobei er plötzlich erschrak. Es lag an der Tatsache, dass seine Schmerzen wie weg geblasen schienen. Nicht eine einzige Schramme oder Narbe konnte er auf seinem Körper entdecken. Und als er seine Hand an die aufgeschlagene Lippe hob, die ihm Yazston gestern verpasst hatte, spürte er, dass alles verheilt zu sein schien. Doch noch etwas anderes fiel ihm plötzlich auf. Er war nackt. Diese Realität erschreckte Shar nun wirklich. Eilig verdeckte er mit seinen dünnen Händen seine intimste Stelle, zog beide Beine an und schämte sich vor Dipree. Erst dann versuchte er sich langsam wieder zu erinnern, was alles geschehen war. Das Bild seines schändlich zugerichteten Vaters erschien ihm erneut vor dem inneren Auge.
„Steh’ auf, du musst baden“, ertönte jäh die Stimme des älteren Dunkelelfen und holte Shar zurück in die Wirklichkeit. Der Drow nahm einen Schlüssel, den er um den Hals trug, ging hinüber zu dem Schloss, wo die Kette mit Shars Halsband mit dem Haken in der Wand festgehalten wurde, öffnete es und nahm die Kette in die Hand. Den Schlüssel steckte er sofort wieder ein.
„Mach’ schon, wir sind spät dran“, drängte Dipree den Jungen.
Spät dran, wiederholte der junge Halbdrow die Worte in seinem Kopf. Für was sind wir denn zu spät? Shar nahm seinen ganzen Mut zusammen und piepste mit leicht zittriger Stimme. „Wieso sind wir so spät?“
„Für die Feier heute Abend“, kam die knappe Antwort von Dipree und zog dabei den Jungen auf die Beine. „Der Herr sagte mir, ich soll dich baden, der Rest wird eine Überraschung werden. Jetzt stelle keine dummen Fragen und komm mit.“
Shar beäugte den Dunkelelfen misstrauisch und bei dem Wort ‚Überraschung’ spürte er, wie sein Magen sich automatisch verkrampfte. Er wollte nichts mehr von seinem Herrn oder von irgendjemand anderem wissen, geschweige denn sehen. Am liebsten wäre er einfach hier sitzen geblieben und hätte geschlafen. Aber er musste tun was von ihm verlangt wurde, das war schon immer so und würde auch in Zukunft so bleiben. Ob nun sein Vater noch bei ihm war oder auch nicht. Der Gedanke an Bestrafung brachte den Jungen letztendlich dazu, dass er Dipree freiwillig folgte. So lief Shar hinter dem älteren Dunkelelfen her und verschwand mit ihm in dem großen Badezimmer, das er bereits kannte. Er wurde wieder in kaltem Wasser gebadet und seine Haare zu Recht gemacht. Schließlich kam Shar nackt zurück in Nhaundars Privatgemächer. Doch der Junge erschrak ganz offensichtlich, als er seinen Herrn erblickte, der bereits ungeduldig zu warten schien.
„Was hat da so lange gedauert, du Nichtsnutz“, herrschte Nhaundar Dipree an und schlug ihm dabei mit der flachen Hand ins Gesicht.
„Mein Herr, entschuldigt, es wird nie wieder vorkommen“, erklärte der Sklave und verbeugte sich tief vor dem Drow, um ihm so Respekt zu zollen.
Nhaundar hörte jedoch schon nicht mehr zu und riss Dipree nervös die Kette von Shar aus der Hand. Der Leibdiener verschwand augenblicklich lautlos aus dem Raum.
„Lass dich anschauen“, meinte der Sklavenhändler plötzlich mit ruhigem Tonfall und lief gemächlich einmal um den Jungen rundherum. Dabei musterte er den dünnen Körper ganz genau und schien jede Stelle in sich aufsaugen zu wollen. Der junge Halbdrow stand währenddessen still auf der Stelle und schämte sich in Grund und Boden, da er immer noch keine Hose trug, während die Angst über zukünftige Schmerzen langsam wieder von ihm Besitz ergriff.
„Wer wird denn rot werden?“, fragte Nhaundar mit einem hinterhältigen Grinsen im Gesicht, wobei er schon zum zweiten Mal vergaß Shar zu beleidigen. Er war so von dem Anblick des jungen Körpers hin und her gerissen, dass er kaum seine Augen von Shar abwenden konnte. Außerdem überwog die Freude von seiner gewaltsamen Entjungferung allen anderen Gefühlen. Dann ohne ersichtlichen Grund fing Nhaundar lauthals an zu lachen und zog den Jungen näher zu sich heran. Er nahm ihn fest an beiden Oberarmen und roch an den glänzend, weißen Haaren des jungen Halbdrow. Er sog regelrecht den Duft in sich ein, den Shar verbreitete. Dann stieß er ihn auf Armeslänge von sich weg und starrte wie ein kleiner Junge in die tiefblauen Augen des Halbdrow. Wieder erkannte der Drow die noch sündenlose Seele eines Kindes, doch die Unschuld war verschwunden.
"Tut dir noch etwas weh?", fragte der Sklavenhändler erneut in ruhigem Ton und wartete auf die Antwort.
"Nein, mein Herr“, piepste Shar verwirrt, aber wahrheitsgemäß.
"Gut, gut", schnurrte Nhaundar und grinste zufrieden. Schließlich rief er nach Yazston, der augenblicklich eintrat. Er musste wohl vor der Tür gewartet haben, sagte sich der Junge. "Bring ihn zu den anderen", befahl er dem Soldaten gleichgültig und beide tauschten heimlich einen wissenden Blick aus. Die Drow wussten genau wovon die Rede war und das hinterhältige Glitzern in ihren Augen sagte mehr als Worte.
Wieder spürte Shar, wie ihn der Drowsoldat plötzlich an den Haaren zog und diesmal stieg Zorn ihn ihm auf. Wieso musste dieser Dunkelelf ihn immer wieder an seinen Haaren zerren. Doch er versuchte diese Gefühlsregung nicht zum Ausdruck zu bringen. Er wusste sehr gut, wozu Yazston und sein Herrn in der Lage waren und er wollte keine weiteren Schmerzen verspüren, die während seinem Schlaf auf so seltsame Art und Weise verschwanden. Dabei vergaß er sogar die Worte von Nhaundar ohne sich zu fragen, was diese zu bedeuten hatte.
Yazston führte Shar die große Treppe im Hauptgebäude hinab, dann bogen sie um eine Ecke und Yazston hielt abrupt inne. Nun standen sie vor einer Wand und der junge Halbdrow schien verwirrt. Shar beobachtete den Soldaten ganz genau und wusste nicht, was er vorhatte. Dieser hob eine Hand und tastete die nackte Felswand ab. Dann plötzlich schien er etwas gefunden zu haben und drückte dagegen. Jetzt öffnete sich leise eine Geheimtür vor ihnen. Mit weit aufgerissen Augen starrte Shar hinüber und war erstaunt, dass sich hier eine Tür befand. Dahinter erstreckte sich eine Treppe. Yazston ergriff ihn erneut an den Haaren und zerrte den jungen Halbdrow in die Dunkelheit. Es ging einige Meter nach unten und am Ende standen Shar und der Hauptmann der Soldaten in einem kleinen Gang. Brennende Fackeln steckten in Haltern an den Wänden und beleuchteten lediglich eine eiserne Tür nur einige Meter von ihnen entfernt. Yazston schleifte den Jungen jetzt weiter hinter sich her und blieb dann vor dieser Tür stehen. Unerwartet griff Yazston mit der freien Hand in eine Innentasche seiner Kleidung und zog daraufhin einen Finger mit roter Farbe heraus. Noch vor wenigen Stunden erhielt er ein kleines Gefäß mit diesem Inhalt und wusste, was Nhaundar damit plante. Es handelte sich dabei um einfache Farbe, die lediglich einem Zweck diente, bestimmte Sklaven bei dem bevorstehenden Spektakel zu kennzeichnen, die diese als persönliches Eigentum von Nhaundar auswiesen und somit nicht getötet werden durften. So hob er seine Hand, drückte den mit Farbe getränkte Finger auf Shars Stirn und zog anschließend einen Schlüssel hervor und öffnete das Eisenschloss. Ohne reagieren zu können sah sich Shar bereits im nächsten Moment in ein dunkles Loch gestoßen und die Tür fiel hinter ihm ins Schloss zurück. Er drehte sich eilig herum und versuchte sie zu öffnen, jedoch hoffnungslos, von innen gab es keinen Türknauf. Gerade wollte Shar um Hilfe schreien, da hörte er etwas hinter seinem Rücken. Ängstlich wandte er sich wieder dem Raum zu und erstarrte. Er war nicht alleine in diesem dunklen, stickigen Loch. Ungefähr zwanzig weitere Sklaven, die er noch niemals zuvor auf dem Anwesen seines Herrn gesehen hatte, teilten mit ihm den dunklen Raum. Sie saßen wild verstreut auf dem Boden und beäugten den Neuling neugierig. Doch ihr Interesse verebbte bald und alle blickten in eine andere Richtung. Shar wollte sie fragen, wo er sich befand, aber die ablehnende Haltung der Sklaven trug nicht zu seinem Mut bei. Er seufzte und zwängte sich an die nächstgelegene Wand und ließ sich an der kalten Mauer nach unten sinken. Sein Blick hielt er stur auf den Boden gerichtet. Wo bin ich nur? Was hat mein Herr vor? Viele weitere Fragen wirbelten durch seinen Kopf und am liebsten hätte er seiner Angst freien Lauf gelassen, doch er wollte sich vor den fremden Sklaven keine Blöße geben. Sie sind genauso gefangen wie ich und sie weinen nicht. Das ließ den Mut des Jungen wieder steigen und er zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. Seine eigene Neugier trieb Shar jedoch an, die Fremden genauer zu beobachten. Beschämt stellte er zuerst fest, dass er immer noch nackt war, doch ihm fiel auf, dass es den anderen ebenso erging. Sie schienen unterschiedlichen Alters, wobei die meisten junge Drow oder Oberflächenelfen waren. Die vier jüngsten wirkten wohl kaum älter als er selbst. Nach dieser erschreckenden Erkenntnis wanderte der Blick des jungen Halbdrow weiter und er entdeckte eine weitere Tür. Sie ähnelte der ersten und schien ebenfalls aus Eisen oder Stahl zu bestehen. Der einzige Unterschied bestand lediglich darin, dass sie wie ein schweres Tor aussah, welches einfach nach oben gezogen werden konnte. Ängstlich fragte sich Shar, was sich wohl dahinter befand, doch ein seltsames, mulmiges Bauchgefühl sagte ihm, dass es nichts Gutes sein konnte.
In der Zwischenzeit begab sich Nhaundar ebenfalls nach unten. Sein Weg führte ihn durch finstere Gänge und einigen Geheimtüren in die tieferen Stockwerke und noch weiter hinab in ein großes Kellergewölbe. Durch die dicken, natürlichen Felswände wurde diese Gewölbe von der eigentlichen Stadt Menzoberranzan getrennt. Einst diente dies alles als Kerker bis vor einigen Jahrhunderten Nhaundar den Einfall bekam alles umzubauen. Die Zelltüren wurden entfernt, Wände durchgebrochen oder ersetzt, die Decke abgetragen und oberhalb, rings um das ganze Gelände, Gänge und Sitzplätze in den Fels gehauen. Im unteren Bereich gab es nun ein Labyrinth und die Zuschauer konnten von ihren Plätzen alles überschauen. Viele brennende Fackeln an den hohen Wänden erhellten das ganze Gewölbe. Ein großes Tor, das sich einfach nach oben ziehen lassen konnte und durch eine ausgeklügelte Stahlkonstruktion sehr stabil und standhaft wirkte, prangte an der Stirnseite der rechteckigen Arena. Auf der anderen Seite, genau gegenüber erstreckte sich ein kleiner Felsvorsprung. Auf diesem thronten ebenso Sitzplätze, die aber nur für besondere Drow reserviert waren, wie Nhaundar und einige seiner bevorzugten Gäste.
Unten angekommen verharrte er im Schatten einer Türöffnung, die geschlossen mit dem blanken Felsen verschmolz und man niemals eine Geheimtür dahinter hätte vermuten können. Nun stand sie offen und gab lediglich den Blick auf ein dunkles Loch frei. Sie führte zu der Ehrentribüne, wie er es selbst nannte. Nhaundars Blick schweifte umher. Viele männliche Drow schienen anwesend zu sein, so wie sooft zuvor in all den Jahrhunderten, seit der Sklavenhändler dieses Ereignis abhielt. Vor sich erkannte er drei bekannte Dunkelelfen. Einer von ihnen war groß und wirkte fast wie ein Hüne unter der Rasse der Drow. Langes, weißes Haar reichte ihm über den Rücken bis weit hinunter, während man einige geflochtene Haarsträhnen erkennen konnte, die ihm nach vorne fielen. Er trug eine Rüstung und an seinem Waffengürtel prangten zwei Langschwerter. Seine Hände lagen stets auf den Schwertknäufen seiner Waffen, während sein Blick die Menge beobachtete. Der Name des Dunkelelfen lautete Nalfein Dalael. Sein Zwillingsbruder Sorn Dalael, der Vhaeraunpriester, der noch vor kurzem den jungen Halbdrow mit einem seiner Priesterzauber von Narben und sonstigen unansehnlichen Makel befreit hatte, stand gleich daneben. Sie bildeten wie eh und je ein Team und arbeiteten bei ihren Aufträgen Hand in Hand. Nalfein der Krieger und Sorn der Priester. Beide jung und attraktiv und wie Nhaundar sehr gut wusste, ausgezeichnet in ihrer Arbeit. Sorn war sogar ein ganz besonderes Geschenk, der stets beim Höhepunkt seiner Veranstaltungen eine große Rolle einnahm und seinen Pflichten mit Freude nachkam. Während der Sklavenhändler die Brüder beobachtete, huschte ihm schon alleine bei dem Gedanken auf das spätere Ereignis ein beschwingtes Lächeln über sein Gesicht. Dann schweifte sein Blick weiter und er erkannte den Drow, der kaum bis niemals fehlte, Dantrag Baenre. Der Waffenmeister des Hauses Baenre drehte dem Sklavenhändler genau wie die Brüder den Rücken zu und schaute sich interessiert um.
Die wichtigsten Personen für Nhaundar waren anwesend, das Spiel von Gewalt und Mord konnte beginnen. Er liebte das Spektakel der Jagd, dessen Vorbild nichts anderes war, als die Hetzjagd der Adligen im Armenviertel der Stadt Menzoberranzan, wo jeder mit freudiger Genugtuung den eigenen, mordgierigen Charakterzügen der Drow nachging und Sklaven nach ausgiebigen Saufgelage und ohne Grund zur Strecke brachten. Alle sechs Monate veranstaltete Nhaundar seine eigene Jagd, wo jetzt gleich die Sklaven durch das Labyrinth mit vielen Gängen und dunklen, kleinen Löchern zum verstecken in die Tunnel hineingejagt würden. Adelige wurden durch weitere Geheimtüren in die Arena eingelassen und konnten nach Lust und Laune mit dem wertlosen Pack tun und machen, wie es ihnen beliebte. Auf Wunsch auch töten, nur nicht diese, die als persönliches Eigentum Nhaundars gekennzeichnet wurden. Der Höhepunkt des Abends war jedoch ein ganz anderer. Alle Gäste wollten miterleben wie eine Priesterin Lolths vor ihren Augen zu Tode gefoltert wurde. Nhaundar wusste genau wie er die Männer begeistern konnte, daher kamen sie auch immer wieder zu seinen Veranstaltungen und erfreuten sich stets aufs Neue, auch wenn es für sie alle meist nicht ganz ungefährlich war. Doch der Sklavenhändler schien ein gutes Händchen für alles zu besitzen, das er anfasste, deswegen stieg seine Anerkennung mit jeder weiteren Jagd.
Nun schälte er sich aus dem Schatten der Tür und trat hinaus auf die Tribüne. Sofort bemerkten die Anwesenden das Auftreten des älteren Drow.
Munter schritt er weiter nach vorne. Dabei begrüßte er mit einem Kopfnicken den Waffemeister des Hauses Baenre und unterstrich die Begrüßung mit, „Dantrag Baenre, ich bin erfreut über eure Kommen“, und erntete ein bestätigtes Nicken. Dann schritt er weiter und grüßte nun auch die beiden Brüder. Er konnte jedoch ihr Mienenspiel nicht von ihren Gesichtern ablesen, da beide eine schwarze Maske trugen. Zum einen aus Schutz ihres eigenen Lebens, falls jemand unter den Gästen sie erkennen könnte und zum anderen, um das Geheimnisvolle der Folterung zu steigern, wofür Nhaundar beide bezahlte. Dann kam er am Ende des Felssimses an und blieb stehen. Sein Blick schweifte über die Menge, dann erhob er seine Stimme und sprach, wobei sie von den Felswänden mit einem leisen Nachklang widerhallte.
"Seit gegrüßt meine verehrten Gäste, die ihr Euch zu diesem denkwürdigen Spektakel wieder in meinem bescheidenen Zuhause eingefunden habt."
Daraufhin echote freudig, schallendes Gelächter, war doch allgemein hin bekannt, dass Nhaundar der reichste Sklavenhändler in ganz Menzoberranzan war.
"Ich verspreche Euch, dass ich Euch nicht enttäuschen werde ... ich weiß doch was allen gefällt", sprach er nach kurzer Unterbrechung freudig weiter und wieder ertönte nur lautes Gelächter der Anwesenden. Nhaundar bedeutete nach einer erneuten kurzen Pause mit erhobenen Armen um Ruhe und sprach gelassen weiter. "Ich schlage vor, dass ich aufhöre lange Reden zu schwingen und wir mit dem spaßigen Teil des Abends gleich beginnen.“
Wiederholt ertönte das Gelächter was jedoch rasch abebbte, denn alle Gäste erwarteten mit Spannung den heutigen Abend. Nhaundar zog sich so dann auf den eigenen Platz zurück und thronte zwischen Dantrag auf der linken und den Zwillingsbrüdern auf der rechten Seite.
„Willkommen verehrter Dantrag Baenre“, sprach der Sklavenhändler mit höflichem Respekt den Waffenmeister an. Eigentlich konnte er diesen aufgeblasenen und von sich selbst eingenommenen Drow nicht ausstehen, aber dessen Geld füllte des Öfteren bereits seine Geldbörse. Des Weiteren wusste Nhaundar sehr wohl über die sadistische Ader des zweitältesten Sohn der Oberin Baenre gut genug bescheid, um mit dessen ungezügelten Bereitschaft zur Gewalt die heutige Jagd mit dem berühmten Gast jetzt schon für gelungen zu erachten. Was jedoch das eigentliche Interesse an dem Spektakel zu sein schien, wusste Nhaundar ebenfalls. Die Opferung einer der Spinnenhuren, die man überall in der Stadt der Spinnenküsser antreffen konnte, ganz anders, wie in vielen anderen Städten der Drow im Unterreich. Dantrag war es nämlich, der heute Abend die gefangene Priesterin bis zum Tode foltern durfte. Der Waffenmeister hatte eine Menge Geld dafür hergegeben und Nhaundar hatte im Gegenzug keine Kosten und Mühen gescheut, um ihm dafür ein besonders prachtvolles Exemplar zu besorgen. Aus einer anderen Stadt versteht sich von selbst.
Mit einer beiläufigen Geste gab der Sklavenhändler nun einigen seiner Soldaten ein Zeichen und diese zogen das Tor auf der gegenüberliegenden Seite nach oben. Die Scharniere quietschten und ächzten und kurz darauf gab es den Blick auf eine kleine Kammer frei, die finster da lag, während die Arena durch Fackellicht erleuchtet war. Aus dieser Kammer rannten nun die Sklaven, wie aufgescheuchte Tiere, direkt in das Tunnellabyrinth hinein.
Dantrag Baenre grinste bei diesem Anblick nur bösartig und beobachtete das Spektakel genau, besonders weil er wusste, was nun folgen würde.
„Nhaundar, sagt mir, wo ist der Elf heute?“, wollte der Waffenmeister plötzlich wissen, während er weiterhin seine Augen auf die bevorstehende Jagd richtete.
Der Sklavenhändler schluckte kurz bevor er antworten konnte. Dantrag Baenre meinte Handir, den er sooft an den Drow ausgeliehen hatte und dafür stattliche Summe einheimste. „Wisst ihr Dantrag, ich musste ihn …“, dann machte Nhaundar eine kurze Pause und überlegte, ob er die Wahrheit oder nur ein Teil der Geschehnisse preisgeben sollte. Er entschied sich für die Mitte und sprach weiter, „... ich musste ihn fortschaffen“, antwortete er letztendlich kühl.
Dantrag wandte bei diesen Worten seine volle Aufmerksamkeit nun dem Sklavenhändler zu und dessen bernsteinfarbene Augen glänzten bedrohlich. „Was nennt ihr hier fortschaffen? Nhaundar, ihr habt doch nicht allen ernstes den Elfen getötet?“ Dantrag schien empört zu sein.
„Wisst ihr, er hat sich in letzter Zeit zu viel für seinen Stand heraus genommen, der elende Hund“, kam die Verteidigung des Händlers und hoffte, dass der Waffenmeister sich nicht noch weiter über diesen bedauerlichen Vorfall mokierte.
„Ich hätte für ihn jederzeit Verwendung gehabt. Er war seit langem einer der Besten. Ich hoffe doch wenigstens, dass ihr einen würdigen Ersatz gefunden habt?“, wollte Dantrag wissen, während sein Blick sich nun wieder auf die Jagd richtete.
Mittlerweile schienen alle Sklaven sich in dem Tunnellabyrinth verteilt zu haben, denn die Geheimtüren an den Seiten gingen auf und heraus traten vermummte Adelige. Das Spektakel begann.
„Natürlich“, kam die knappe Antwort Nhaundars der verletzten Stolz vorspielte.
Wie auf ein Kommando kam jetzt auch ein sehr ängstlich aussehender Halbdrow aus dem dunklen Loch gegenüber der Ehrentribüne geschlichen. Er verharrte mit kindlich, naiver Miene an der Tür und blickte sich verloren um. Dabei wirkte er so zart, rein und unschuldig wie es nur sein konnte. Es lief alles besser, als es sich Nhaundar zu wünschen gehofft hatte und erkannte selbst von dieser Entfernung den roten Punkt auf dessen Stirn, der ihn während der Jagd als sein persönliches Eigentum kennzeichnen würde und somit nicht getötet werden durfte, das wussten alle Beteiligten und Gäste gleichermaßen. Nur die Sklaven blieben unaufgeklärt.
Jetzt, wo bereits die beste Einnahmequelle des Sklavenhändlers nicht mehr unter den Lebenden weilte, dann zumindest der Sohn und dieser konnte sich im Moment nicht besser verhalten, als er es gerade tat.
Nhaundar bedachte den Waffenmeister neben sich mit neugierigem Blick und erkannte in dessen Gesicht, dass er den Köder gefressen hatte. Seine Aufmerksamkeit schien erregt zu sein. Die Augen Dantrags schauten interessiert gerade aus und verharrten auf dem jungen Shar. Ein neckisches Lächeln umspielte dessen Mundpartie.
„Wer ist das?“, erklang auch schon die begierige Frage des Drow neben dem Sklavenhändler.
„Das ist der würdige Ersatz, Waffenmeister.“
„Das ist eine wahrlich repräsentative Entschädigung, Nhaundar. Soviel Geschmack hätte ich euch nicht zugetraut“, erwiderte Dantrag völlig gedankenverloren.
Nhaundar stattdessen wurde sauer. Ständig musste er sich von dem arroganten Drow beleidigen lassen und konnte sich nicht verteidigen, wenn er nicht einem Baenresoldaten gegenüber stehen wollte oder nicht sogar einem deren tüchtigen Meuchelmördern zum Opfer fallen wollte. So schluckte der Sklavenhändler seinen Ärger herunter und antwortete mit gesäuselt, öligem Tonfall, „Das ist Handirs Sohn, Waffenmeister. Sein Name ist Shar.“
„Heute scheint mein Glückstag zu sein“, grinste Dantrag hämisch und richtete nun seine volle Aufmerksamkeit nach unten und auf den verängstigten Halbdrow. Der Waffenmeister war von einer auf die andere Sekunde wie gefangen von dem Anblick des jungen Shar und in Gedanken wusste er bereits, welch einen Spaß er mit dem Jungen haben würde.
„Scheint wohl so“, erklang wie von weit entfernt die Antwort Nhaundars, der nun ebenfalls sein Augenmerk auf die Jagd richtete. Zum Verhandeln würde später noch genug Zeit bleiben, der Abend war noch jung. Der Plan nahm nach und nach immer mehr Gestalt an und zum Glück für Nhaundar schien Dantrag nichts gegen Missgeburten, wie ein Halbdrow zu haben.
Eine weitere Person verfolgte das Gespräch zwischen Nhaundar und Dantrag Baenre. Sorn Dalael, der Vhaeraunpriester saß neben seinem Bruder Nalfein und hörte jedes Wort mit. Doch der Verlauf der Unterredung der beiden älteren Dunkelelfen gefiel ihm persönlich überhaupt nicht. Es erschreckte ihn zu hören, dass der Mondelf umgebracht worden war und dass er mit seiner Vermutung damals richtig lag. Nun blickte auch er nach unten und erkannte den jungen Shar, der von seinem Herrn an diesem grausamen Spiel teilnehmen musste. Da Sorn nicht das erste Mal dieses Spektakel mit ansah, war ihm auch sofort klar, dass der Junge Hilfe benötigte, wenn er in dieser Nacht ohne viel Schaden überstehen sollte. Auch er kannte das Erkennungszeichen mit dem roten Punkt auf der Stirn, was Shar lediglich vor einem qualvollen Tod, aber nicht vor Schmerzen und Vergewaltigungen beschützen konnte. Der hagere Körper des Jungen würde nur mit Müh und Not den so genannten Spielregeln standhalten. Plötzlich hatte er einen Einfall. Schnell wandte er sich seinem Zwillingsbruder zu und flüsterte ihm ins Ohr, „Nalfein, schütze mich für einige Minuten vor den Blicken Nhaundars und des Waffenmeisters.“
Nalfein bedachte seinen Bruder mit einem misstrauischen Blick, wusste aber sofort, was Sorn zu tun gedachte. „Wie du meinst, ich hoffe nur, dass wir dadurch keinen Ärger bekommen“, murmelte Nalfein seinem Bruder zu und tat sogleich, wie ihm geheißen wurde. Der Kämpfer machte sich etwas breiter und dehnte seine muskulösen Schultern aus und schützte damit den Priester vor unliebsamen Augen. Sorn dagegen konzentrierte sich einen kurzen Moment auf den jungen Halbdrow, der immer noch verloren und ängstlich im Labyrinth stand, dann schloss er die Augen und versank in Meditation. Er betete stumm und hoffte das gewünschte Ziel zu erreichen.
Shar stand währenddessen mit zitternden Beinen am Ausgang des nun hochgezogenen Tores. Er wusste nicht wo er sich befand und was passiert war. Die älteren Sklaven zwängten sich eben schnell durch den schmalen Durchlass und versuchten auf der Stelle wegzurennen. Hinein in ein Gewirr aus spärlich erhellten Gängen. Die Jüngeren sahen sich unsicher an, denn keiner von ihnen wusste, was nun von ihnen erwartet wurde. Dann folgten sie rasch dem Beispiel der anderen und verschwanden ebenfalls in dem Labyrinth. Zurück blieb lediglich Shar. Er schaute nach oben und erkannte im Fackelschein der Arena über sich die Sitzplätze und all die Gäste, die ihn ringsherum mit roten Augen neugierig anstarrten.
„Wer sind die? Wo bin ich? Ich will hier wieder weg“, flehte der Junge leise und die Angst kroch noch weiter in seine Glieder. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, alles war so seltsam, dunkel und unheimlich. Dann versuchte der junge Halbdrow einen der anderen Sklaven auszumachen, aber er konnte niemanden entdecken. Seine Augen schweiften vorsichtig von Rechts nach Links, doch er sah lediglich die blanken, nackten Felsmauern. Gänge zweigten in alle möglichen Richtungen ab und über ihm die Dunkelelfen, die ihn beobachteten. Der Junge bettelte flüsternd, dass er hier nicht hingehörte und wollte einfach nur von diesem grausigen Ort verschwinden. Er merkte nicht einmal, wie ihm langsam die Tränen in die Augen stiegen. Sein Magen verkrampfte sich und ein ungutes Gefühl ergriff von ihm Besitz. Da ertönte ein lauter Schrei und Shar fuhr zusammen. Aufgeregt blickte er sich erneut um, konnte aber nichts ausmachen. Da erklang wieder ein Schrei, ein Schmerzensschrei. Augenblicklich bebte sein dünner Körper heftig und die Tränen flossen ungehemmt über die Wangen.
„Ich will hier wieder weg“, rief er plötzlich und versuchte so seiner Furcht Ausdruck zu verleihen.
Ein markerschütterndes Gelächter erklang von oben und Shar erkannte, dass die Drow allesamt sich wohl über ihn amüsierten.
„Was wollt ihr von mir?“, piepste der Junge und merkte, wie ihm durch die Angst die Zähne klapperten und seine Stimme langsam versagte. Er versuchte sich an der Mauer festzuhalten und zu lauschen. Er traute sich nicht auch nur einen Schritt von dem dunklen Loch hinter sich nach vorne zu machen.
Shar weinte nun bitterlich und die Stimmen der Dunkelelfen machten die ganze Situation noch schlimmer. Doch da, direkt vor ihm stand plötzlich jemand. Er blinzelte durch seinen Tränenschleier hindurch und erblickte sofort eine ihm wohl vertraute Person, Handir! Er wirkte wirklich und auch doch nicht. Sein Körper schien leicht durchsichtig, aber er stand da und schaute mit einem Lächeln zu seinem Sohn hinüber.
„Vater?“, flüsterte Shar leise und riss vor Freude und Zuversicht seine Augen weit auf. „Handir, bist du es wirklich?“, piepste der Junge mit brüchiger Stimme.
„Ja Shar, ich will versuchen dir so gut es geht zu helfen. Komm mit mir“, antwortete Handir und lächelte erneut seinen Sohn an.
Shar tat wie ihm geheißen und folgte mit wackligen Beinen seinen plötzlich erschienen Vater. Er fragte sich erst gar nicht, wie er hier auftauchen konnte und vergaß letztlich sogar, dass Handir nicht mehr am Leben war. Die Erscheinung des Elfen gab dem Jungen unverhofft so viel Mut und nahm augenblicklich ein Teil seiner Furcht. Sein Vater würde ihm helfen, nur das alleine zählte. Handir war zu ihm zurückgekehrt. Doch nur zwei Personen konnten ihn sehen. Shar, der plötzlich in all seiner Zuversicht alles um sich herum vergaß und Sorn, der als Vhaeraunpriester die Seele des unglücklichen Elfen zur Hilfe für dessen Sohn herbeigerufen hatte.
Dantrag sah die Szene auf der gegenüberliegenden Seite auf der Ehrentribüne mit an. Er musterte den jungen Halbdrow mit den schönen langen Haaren und einem schlanken Körperbau. Genussvoll leckte er sich gedankenverloren die Lippen und wartete was nun folgen würde, denn es war für den Waffenmeister offensichtlich, dass dieser Junge zum ersten Mal an der Jagd teilnahm und das ihm niemand erklärt hatte was passieren würde, so wie es eben Brauch war. Das alleine steigerte seine Lust. Von der unsichtbaren Erscheinung Handirs hatte er stattdessen keine Ahnung und amüsierte sich letztendlich darüber, wie der Junge kurzzeitig von seiner Angst überwältigt wurde. Daraufhin schien er sich zu beruhigen, wie der Waffenmeister weiter beobachtete und verschwand am Ende in dem großen Labyrinth.
Sorn Dalael kehrte kurz zuvor aus seiner Meditation zurück in die Wirklichkeit. Er öffnete langsam seine bernsteinfarbenen Augen und schaute sich um. Niemand schien etwas mitbekommen zu haben, denn keiner der Anwesenden achtete auf ihn. Nhaundar und der Waffenmeister des Hauses Baenre waren viel zu beschäftigt und tief versunken in dem Spektakel. Beruhigt und leicht erschöpft versuchte er den Jungen auszumachen und erkannte sofort, dass der Junge nicht mehr alleine war. Handirs Seele gesellte sich zu seinem Sohn und gleich darauf verschwand diese mit dem jungen Halbdrow in den Gängen des Labyrinths. Ein wissendes Lächeln stahl sich auf das verhüllte Gesicht des Vhaeraunpriesters und zufrieden gab er Nalfein ein Zeichen, dass dieser sich wieder entspannen konnte. Sorn hatte Shar geholfen, soweit es in seiner Macht stand und jetzt blieb ihm nichts weiter übrig, als sich entspannt zurück zu lehnen und auf den Höhepunkt des Abends zu warten. Nicht einmal der Gedanke, dass Handirs Seele bei seinem Maskierten Fürsten weilte, konnte ihn verwundern.
Plötzlich hallte erneut ein Schmerzensschrei durch das Labyrinth und Shar fuhr zusammen.
„Komm mit Shar“, sprach Handir zu seinem Sohn und winkte ihn mit der Hand in einen der vielen Gänge hinein.
Der Junge folgte ohne Widerrede, zuckte nur hin und wieder zusammen, als die Schreie der anderen Sklaven zunahmen.
„Was passiert hier, Vater?“, flüsterte Shar Handir zu, als er ihm dicht in den Gang folgte.
„Nicht reden Shar. Sei leise und versuch kein Geräusch zu machen“, antwortete ihm die Seele des Mondelfen und glitt weiter. Hin und wieder blickte dieser über die Schulter und vergewisserte sich, dass sein Sohn ihm wie befohlen folgte.
Shar tat alles, was Handir ihm sagte und so vergingen einige Minuten ohne dass etwas passierte. Dann blieb sein Vater ohne ersichtlichen Grund stehen und wies mit der Hand auf ein kleines Loch in der Wand. „Klettere hier hinein“, meinte Handir und verharrte darauf still auf der Stelle.
Shar nickte und gab so zu verstehen, dass er der Aufforderung im gleichen Atemzug nachkam. Er kniete sich hin und wollte gerade im dem kleinen Loch verschwinden, da zischte eine Stimme, „Hau’ ab, dass ist mein Versteck“, und gab den Worten mit kräftigen Faustschlägen Nachdruck.
Der Junge war verwirrt und gleichzeitig wütend, dass der fremde Sklave nach ihm schlug.
„Hör’ auf …“, bettelte Shar, wurde jedoch durch seinen Vater mitten im Satz unterbrochen.
„Achtung Shar, hinter dir!“
Es war zu spät. Shar spürte eine Hand, die ihn von hinten an den Schultern ergriff und unsanft auf den Bauch warf. Verwirrt schaute der Junge auf. Vor sich erkannte er Handir, der mit trauriger Miene auf seinen Sohn blickte. Der junge Halbdrow lag auf dem Boden und wollte sich gerade aufrichten, da spürte er, wie zwei Hände seine Hüfte anhoben und eine schreckliche Vorahnung schien von Shar Besitz zu nehmen.
„Nein, lass mich los“, drängte der Junge und in seiner Stimme schwang wieder die Angst mit. „Vater, hilf’ mir!“
„Bleib ruhig Shar, ich kann dir hierbei nicht helfen, auch wenn ich gerne möchte. Wenn du dich nicht wehrst, dann vergeht der Schmerz“, versuchte Handir auf die flehenden Worten seines Sohnes zu reagieren. Auch wenn der Elf als Seele zu Shar kam so empfand er nun den gleichen Schmerz, den er auch als Lebender empfunden hatte. Er konnte nicht anderes tun, als zu zuschauen und seinem Sohn mit seiner Anwesenheit die Furcht nehmen.
Die Hände des Unbekannten hielten den jungen Halbdrow unerbittlich in ihrem festen Griff. Shar begann zu zappeln und zu kämpfen, er wollte ihnen entkommen. Stattdessen ergriff der Fremde sein Haar und schlug den Jungen unsanft, aber nicht zu heftig mit dem Gesicht gegen die Mauer. Ein höllischer Schmerz jagte im gleichen Augenblick durch den hageren Körper. Der Kopf hämmerte und alles begann sich vor Shars Augen zu drehen. Ihm war schwindlig. Und als wäre es nicht genug, durchfuhr den jungen Halbdrow gleich drauf eine erneute Pein. Schlagartig war er wieder in der Realität. Der Junge schrie aus Leibeskräften und spürte wie der Fremde mit größter Brutalität in ihn eindrang, genau wie Nhaundar einen Tag zuvor. Sein Inneres schien in diesem Moment zerreißen zu wollen und die Schmerzen verstärkten sich, als die Qual einige Sekunden verebbte, nur um heftiger wieder zurück zukehren.
Wieder entwich ihm ein Schrei, doch das führte nur dazu, dass der andere wilder wurde. Die Erschöpfung fing schon nach kurzer Zeit an, an Shars jungem Körper zu zerren und er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass der Drow oder was immer es auch war, sein Werk vollenden würde und er einfach nur daliegen konnte und warten, bis er sich wieder bewegen konnte. Der Junge erkannte plötzlich wieder seinen Vater vor sich, der mit Tränen in den Augen auf ihn herunter sah. „Es tut mir leid, mein Sohn. Wenn ich könnte, dann würde ich helfen“, flehte nun Handir Shar an und versuchte einfach nur für den Jungen da zu sein.
Shar war wirklich froh, dass sein Vater da war obwohl er die schmerzliche Situation nicht verstand und sich fragte, wieso Handir ihm nicht half. Er erhaschte einen Blick auf die Tränen in Handirs Augen, dann verschwamm alles in Shars Kopf. Die Qual, Angst und selbst die Enttäuschung über die unterlassene Hilfe übermannten den jungen Körper und er gab sich den Schmerzen hin.
Immer wieder erklangen die Schreie des jungen Halbdrow, dann verebbten sie mit einem Mal, als der Fremde von ihm abließ und im spärlich erhellten Gang verschwand. Der Junge lag zusammengekrümmt auf dem blanken Felsenboden und konnte sich nicht bewegen. Es dauerte eine lange Zeit, bis Shar begriff, dass er hier ohne Schutz auf dem Boden lag und jederzeit ein anderer kommen konnte. So raffte er sich unter Qual auf, versuchte dabei die Pein zu ignorieren und kroch so gut es ging den Gang entlang. Die Seele Handirs folgte ihm und schaute sich nach weiteren Drow um. Da ertönte nach ein paar Metern erneut die Stimme von Handir. „Achtung! Du musst dich verstecken.“
Shar kroch unter Schmerzen auf dem harten Boden entlang, um einige Biegungen später im Labyrinth, zusammen mit Handirs Hilfe, ein weiteres, kleines Loch zu erspähen. Es war gerade einmal so groß, dass es den schmächtigen Körper des Jungen fasste und so schnell der junge Halbdrow konnte, verschanzte er sich augenblicklich in der Dunkelheit, aus dem Sichtfeld der vermummten adligen Dunkelelfen. Gerade noch rechtzeitig, als ein weiterer, verhüllter Drow den Gang entlang lief und Ausschau nach neuer Beute machte. Handir stand erleichtert vor dem Versteck seines Jungen und seufzte zufrieden in sich hinein. Denn diese Gefahr schien fürs erste gebannt zu sein.
Shar lag ruhig in seinem Schlupfwinkel und sein Herz raste dabei wild vor Angst und Schmerzen. Doch von weitem vernahm Shar plötzlich einen lauten Schrei und erschrocken fuhr er zusammen. Vorsichtig lugte er aus dem dunklen Loch in dem Mauerwerk heraus und erkannte nur wenige Meter vor sich einen der jungen Sklaven, der von einem Dunkelelfen von hinten gepackt und unsanft zu Boden gerissen wurde. Der Drow wirkte bedrohlich und eine Maske über dessen Gesicht verhinderte, dass der junge Halbdrow das hämische Lächeln des Mannes sehen konnte.
Das gleiche Spiel wiederholte sich, nur mit dem Unterschied, dass es diesmal nicht Shar, sondern ein fremder Oberflächenelf war. Die Schmerzensschreie des Sklaven hallten durch den Gang und bohrten sich selbst in jede Faser von Shars Körper. Er zitterte in seinem Versteck wie Espenlaub, während der Halbelf spürte, wie ihn seine eigene Pein förmlich zerreißen wollte. Von einer auf die andere Minute kehrten die eigenen Erinnerungen an diese Qual und all seine Schmerzen zurück in den geschundenen Leib des Jungen. Letztendlich lag Shar völlig ausgezerrt und schmerzerfüllt in dem dunkeln Versteck auf dem Boden. Die Tränen rannen ihm über die Wangen und die Furcht begann ihn zu übermannen. Augenblicklich schrie auch der junge Halbdrow laut auf bis er das Grauen nicht mehr ertragen konnte und fiel in Ohnmacht.
Handir verharrte währenddessen vor dem Versteck seines Sohnes und beobachtete ebenfalls die gewaltsame Szene. Doch er war froh, dass er wenigstens beim zweiten Mal sein Kind vor Schlimmeren bewahren konnte, während er versuchte, sich nicht von der Stelle zu bewegen.
Dantrag stand oben auf der Tribüne und starrte auf das Schauspiel hinunter. Er genoss es, den niederen Adligen dabei zuzusehen, wie sie sich an den Sklaven vergingen bis diese bewusstlos am Boden lagen, manche sogar tot. Er selbst war sich für diesen Auftritt zu schade, doch heute erregte ein Sklave seine besondere Aufmerksamkeit. Der Halbdrow hatte es ihm angetan, hauptsächlich die schönen Schreie des Jungen. Er setzte sich wieder zu Nhaundar und für diesen war es unübersehbar wie erregt sein Gast bereits jetzt wirkte. Dass Shar ein Halbdrow war, das schien Dantrag Baenre egal zu sein. Für ihn stand anderen Schmerzen zuzufügen im Vordergrund, ob nun Dunkelelf, Oberflächenelf oder ein Mischling aus beiden Abstammungen.
"Er wird euch gefallen, verehrter Waffenmeister", meinte der Sklavenhändler listig.
Dantrag schaute Nhaundar an und ein Funkeln in dessen bernsteinfarbenen Augen sprach bereits Bände.
"Der Halbdrow, Nhaundar, ich will ihn heute Nacht für mich", schnurrte der Waffenmeister.
Nhaundar lächelte hinterhältig und beide waren sich ohne Worte einig, wo Shar heute die Nacht verbringen würde. Danach wandte der Waffenmeister des Hauses Baenre wieder seine volle Aufmerksamkeit auf das Spektakel im Labyrinth zu. Von weiten konnte er den jungen Halbdrow ausmachen, der sich geschickt in einem der vielen kleinen Löcher in den Mauern versteckte und ein Schmerzensschrei drang nur wenig später an sein Ohr. Dieser klang für ihn wie Musik und sein Lächeln wurde immer breiter. Er freute sich bereits jetzt schon auf das Kommende, doch zuerst durfte er eine Gotteslästerung begehen, bald würde es soweit sein. Bei diesem Gedanken wurde das Grinsen auf seinem Gesicht noch breiter.
Sorn Dalael dagegen beobachtete das Ganze mit gemischten Gefühlen. Auch wenn er derjenige war, der die Seele Handirs heraufbeschworen hatte, wusste er, dass diese lediglich mit Worten dem Jungen helfen konnte, nicht mit Taten. Der Vhaeraunpriester musste mit ansehen, wie der Halbdrow gewaltsam vergewaltigt wurde und sich zum Glück anschließend verstecken konnte. Die Seele des Elfen stand traurig neben dem Versteck und verweilte dort an Ort und Stelle, während plötzlich stumme Tränen über dessen Wangen liefen.