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Christopher und Ich

By: SummoningIsis
folder German › Originals
Rating: Adult ++
Chapters: 31
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Disclaimer: This is a work of fiction. Any resemblance of characters to actual persons, living or dead, is purely coincidental. The Author (being obviously ME) ;) holds exclusive rights to this work. Unauthorized duplication is prohibited.
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Christopher und Ich

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Christopher und ich führen keine normale Beziehung. Natürlich, jeder behauptet von seinen eigenen Verhältnissen, sie seien nicht normal und ich streite auch nicht ab, dass jede Verbindung zwischen zwei Menschen etwas Einzigartiges und Besonderes ist und dass man eine Beziehung nicht mit einer anderen vergleichen kann. Aber darum geht es mir auch gar nicht. Mir geht es auch nicht um den Fakt, dass Christopher und ich zwei Männer sind. Mir geht es gänzlich um etwas Anderes. Um einige Tatsachen, die unser Miteinander von dem Zusammensein anderer Paare unterscheiden.

Mit Sicherheit fallen wir in der Öffentlichkeit nicht auf. Mal von der eben schon benannten Tatsache abgesehen, dass wir schwul sind. Und auch noch heute gaffen die Leute, wenn zwei Männer händchenhaltend durch die Stadt schlendern. Und gänzlich aufmerksam werden sie, wenn zwei Männer sich in der Öffentlichkeit küssen. Aber das stört mich schon lange nicht mehr.

Auch wenn Christopher und ich mit Bekannten oder Freunden ausgehen, fällt nichts an unserer Beziehung auf. Wir lachen miteinander. Wir streiten ab und an. Wir vertragen uns. Wir necken uns gegenseitig. Wir gehen tanzen, Eisessen oder ins Kino. Manchmal laden wir Gäste ein, oder wir werden eingeladen. Videoabend, Sit-In, großes Besäufnis.

Ich meine auch nicht unseren Altersunterschied, der uns differenzieren sollte. Christopher ist lediglich 12 Jahre älter. Mal unter uns, es gibt Krasseres. Eine alte Schulfreundin kam nach ihrem Abi mit einem 22 Jahre älteren Kerl zusammen. Das nenne ich einen Unterschied! Aber 12 Jahre fallen manchmal gar nicht auf. Ich bin 23, er 35.




Wir haben uns an einem eher unspektakulären Tag an einem unspektakulären Ort kennengelernt, nämlich im Park an einem Sonntag. Ich wollte einfach nur frische Luft schnappen, er war auf dem Weg zu einem Brunch. Christopher trug einen schicken Anzug, der einem das Wort „Gentleman“ nur so entgegen schrie, schließlich wollte er sich mit seiner Mutter treffen, die nur ab und an in der Stadt gastierte. Ich hingegen hatte mir einfach schnell etwas übergezogen, eine schwarze Armyhose, einen grauen Pullover. Meine Haare waren völlig durcheinander, hingen mir fransig ins Gesicht und es störte mich nicht.

Wir redeten nicht viel an diesem Tag. Er fragte mich, wo das beschriebene Lokal sei. Sagte, er sei erst kürzlich hierher gezogen, dieser Lügner. Eigentlich wollte er nur meine Stimme hören. Er wollte sehen, „ob deine Stimme genauso hübsch war, wie dein Äußeres“. Diese Worte, mit denen er sich erst später verriet, hallen durch mein Gedächtnis wann immer ich den Park durchquere. So wie jetzt. Und ich muss grinsen.

Ja, ich war zu dem Zeitpunkt mit jemandem zusammen. Allerdings war diese Beziehung dann schon ziemlich öde. Und überhaupt nicht befriedigend. Für mich jedenfalls nicht.

Christopher gefiel mir auf Anhieb. Ich hatte ein Faible für blonde Männer. Für gut gebaute, um die 1,90 m große, blonde Männer, mit meeresblauen Augen und diesem süffisanten Grinsen auf ihrem Gesicht. Seine Zähne sahen perfekt aus, wie aus einer Zahnpastawerbung und seine um die 10 cm langen Haare waren mit wenig Gel perfekt seiner Kopfform angepasst. Bronzefarbene Haut überzog seinen Körper und während ich ihm antwortete, stellte ich mir vor, wie es wäre, ihn auszuziehen.

Ich weiß nicht, ob genau dies der Zeitpunkt war, in dem ich erkannte, dass ich für Marcel gar keine Gefühle mehr übrige hatte. Als ich an diesem Abend mit ihm vor dem Fernseher saß, sagte ich es ihm. Kurz und schmerzlos. Ungefähr so verlief auch unsere Trennung. Klar war er schockiert und vor allem verletzt, aber seine Wut auf mich und meine „gestörte Persönlichkeit“ überwiegte im Endeffekt. Mittlerweile spricht er ganz normal mit mir wenn wir uns über dem Weg laufen. Seit unserem letzten Abend sind schließlich auch drei Jahre vergangen.



Ich bleibe vor dem Café stehen, in dem ich mich zum ersten Mal richtig mit Christopher unterhalten habe und lächle leicht.



Nachdem das Kapitel Marcel abgeschlossen war, ging dieser Kerl mir einfach nicht aus dem Kopf. Ehrlich, ich machte mir noch nicht einmal Hoffnungen auf einen kleinen Flirt, ich wollte mich einfach ein weiteres Mal an seinem Anblick ergötzen und dachte, allein dieser könnte mich in eine weitere Richtung meines Lebens lenken, so wie es mit dem Schlussstrich mit Marcel passiert war.

In jeder freien Minute spazierte ich also im Park, nahm mir einige meiner Bücher mit und begann sogar dort zu lernen, obschon der Herbst an die Tür klopfte und mir die ausgetrockneten, rot-braunen Blätter um die Ohren wehten. Als es langsam Winter wurde und meine Freunde mir in Anbetracht dessen bereits gehörig den Vogel zeigten, markierte ich mir im Kalender den letzten Tag, an dem ich in den Park ziehen würde, um auf den Unbekannten zu warten. In meinem Kopf hatte ich ihm den Namen Gabriel gegeben. Irgendwie hatte er etwas Ansehnliches, etwas Mysteriöses, Engelhaftes.

Es war bereits dunkel, als ich ankam und dunkel, als ich ging.

Ein allerletztes Mal blieb ich am riesigen Tor unweit der Bushaltestelle stehen und blickte die von blätterlosen Bäumen umgebene Hauptallee an. Als ich mich umdrehte, unter dem hellen Schein der Laterne, stand er mir plötzlich gegenüber. Wieder umspielte dieses süffisante Grinsen seine Lippen. Er hatte sich die Haare geschnitten, doch ich erkannte ihn umgehend. Ein dunkelgrauer Schal hielt seinen Hals warm und passte sich dem ebenso dunklen Mantel an. Er trug schwarze Lederschuhe und hielt eine Aktentasche in seiner Hand.

„Hallo“, grüßte er mich freundlich und ich erschauderte, als ich diese tiefe Stimme zum ersten Mal vernahm.

„Hallo“, antwortete ich und zwang mich, den Augenkontakt nicht abzubrechen.

„Wir kennen uns doch“, fuhr er unbeirrt fort und trat einen Schritt auf mich zu. Er war zwar recht jung und doch war sein Gesicht von Erfahrung geprägt und mir war schlagartig klar, dass ein gewisser Altersunterschied zwischen uns lag. Vielleicht machte aber gerade das ihn ein wenig schmackhafter für mich? Auch wenn, wie bereits erwähnt, 12 Jahre nicht wirklich viel sind.

„Haben Sie sich gut eingelebt?“, fragte ich ihn etwas selbstsicherer und setzte mein freches Grinsen auf. Eigentlich war mein Ziel mit dieser Begegnung erreicht. Ich hatte ihn gesehen, er hatte erneut ein Feuer in mir entfacht und es wäre an der Zeit gewesen, mich zu verabschieden und zu gehen. Doch das passierte nicht.

„Du siehst durchgefroren aus, Lust auf einen Kaffee?“, fragte er, anstatt zu antworten und ich fühlte mich bereits nicken, bevor ich die Lage überhaupt überdachte hatte. Und im nächsten Moment saßen wir auch schon dort, in dem kleinen und doch gemütlichen Kaffee schräg gegenüber dem Haupttor.

„Glaub’ nicht, dass mir dein Tun nicht aufgefallen ist“, sagte er plötzlich zu mir und sah mir tief in die Augen. Ein diabolisches Grinsen legte sich auf seine Lippen.

„Was für ein Tun meinen Sie?“, tat ich unschuldig und der Mann lachte auf.

„Du brauchst mich nicht zu Siezen“, bemerkte er dann, noch immer amüsiert. Die Kellnerin brachte uns die dampfenden Tassen. „So jung bist du doch auch nicht, oder?“, erwartungsvoll grinste er mich an.

„Ich bin fast 21“, erklärte ich schroff und riss die kleine Zuckerpackung mit einem Ruck auf. Der Mann nickte, als schien er zufrieden.

„Ich bin Christopher Lang“, stellte er sich kurzerhand vor. „Mit wem trinke ich denn meinen Kaffee?“, fragte er nach, als ich eine Weile nichts von mir gab, da ich mir den Namen auf meiner Zunge zergehen ließ.

„Niko. Niko Klaas“, entgegnete ich schließlich und probierte endlich den Kaffee. Er war gut und heiß und genau das, was ich brauchte. Ich war viel zu lange draußen geblieben bei diesem Sauwetter.

„Niko, hmm…“, wiederholte er meinen Namen leicht versonnen und lächelte mir zu. „Muss kalt da draußen gewesen sein, was?“, neckte er mich und ich wendete meinen Blick von ihm ab.

„Es ist Winter, da ist es immer kalt“, sagte ich leicht trotzig.

„Ja, das stimmt…“, kam es von ihm und wir schwiegen eine Weile. Eine Weile, in der ich seine Augen auf mir ruhen spürte. Er betrachtete mich eindringlich und ich merkte, wie nervös mich das eigentlich machte. „Ich weiß, dass du beinahe jeden Tag nach mir Ausschau gehalten hast, dort im Park“, fuhr er mit ruhiger Stimme fort. Seine Worte überraschten mich und ich blickte ihm wieder ins Gesicht. Er grinste noch immer. „Siehst du das Gebäude da vorne?“, fragte er und deutete mit seiner Hand auf eines der hohen Bauten auf der anderen Seite des Parks. „Da ist mein Büro“, verkündete er etwas leiser und belustigt.

„Interessant“, entgegnete ich mit fester Stimme. „Aber ich habe nicht nach dir Ausschau gehalten“, sagte ich ihm dann, ohne den Blick zu brechen.

„Nicht?“, schnurrte er und lachte. „Das glaube ich dir aber nicht.“

„Man darf doch wohl einfach so durch den Park spazieren, oder nicht? Er ist schön, er ist ruhig. Es ist der perfekte Ort zum Lernen“, erklärte ich ihm so gelassen, wie es nur ging.

„Vielleicht“, sagte er mit Desinteresse. „Seltsam, dass du seine Anziehungskraft erst nach dem Treffen mit mir erkannst hast“, fügte er spöttisch hinzu. Seine Zähne blitzten während seines diabolischen Lächelns auf. Langsam machte sich Unsicherheit in meinem Innern breit.

„Und woher möchtest du das bitte wissen?“, hakte ich mit ebenso deutlicher Apathie nach.

„Nun“, er lehnte sich entspannt in dem gepolsterten Stuhl zurück und ich konnte mich nicht davon abhalten, seine straffe Brust zu studieren, über die sich der Anzug etwas spannte. „Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, kann ich den Park überblicken. Schließlich ist der gar nicht so groß. Ich würde sogar behaupten, er ist einer der Kleinsten unserer Stadt und du wirst mir hier sicherlich nicht widersprechen“, er nahm einen Schluck Kaffee und grinste mich erneut an. „Ich sehe alles, mein lieber Niko. Vor allem, wenn so ein charmanter junger Mann wie du fast tagtäglich hier auftaucht und nervös wird, wann immer ein Mann an ihm vorbeigeht, der einen Anzug trägt. Ein Junge, der aufspringt, in der Hoffnung der Mann von einem besagten Sonntag würde ihm über den Weg laufen.“

„Ich war auch schon vor unserer Begegnung fast täglich hier“, spie ich etwas gereizt aus, nervös, dass er mich ertappt hatte.

Christopher lachte bloß und schüttelte bedächtig seinen Kopf. „Nein, mein Lieber. Das warst du nicht.“

„Woher willst du das denn wissen, wo du doch erst vor kurzer Zeit in die Stadt gekommen bist?!“, schoss es aus mir, wie aus einer Pistole. Er schmunzelte und strich sich fahrig durch sein Haar.

„Das war gelogen, Kleiner“, sagte er dann etwas leiser und beugte sich über den Tisch, näher zu mir. „Ich wohne seit fast 11 Jahren hier. Und mein Büro ist dort schon seit zwei. Ich wollte einfach nur sehen, ob deine Stimme genauso hübsch war, wie dein Äußeres. Da brauchte ich eine kleine Notlüge, um dich anzusprechen.“

Ich war so überrascht, dass ich beinahe meinen Kaffee ausspuckte. Christopher lachte laut, als er mich betrachtete. Er trank seinen Becher leer. Er bezahlte für uns beide. Es war bereits kurz vor zehn.

„Willst du mit mir schlafen, Niko?“, fragte er dann, als er sein dickes Portemonnaie zurück in seine Tasche packte. In seinen Augen funkelte etwas Bedrohliches und schon allein die Manier, in der er diese Frage gestellt hatte – süffisant, anmaßend, blasiert – verursachte ein Prickeln auf meiner gesamten Haut.

„Ja“, antwortete ich heiser und sah ihn im selben Moment auflachen. Er erhob sich und ich war im ersten Moment verwirrt. „Ich aber nicht mir dir“, entgegnete er dann herablassend und grinsend. Er griff in seine Brusttasche und fischte eine Visitenkarte hervor, die er mir vor die Nase warf. „Aber ruf mich doch mal irgendwann an. Vielleicht ändere ich meine Meinung ja.“

Er nickte mir zu, als Verabschiedung und dann verließ er das Café mit diesem süffisanten Grinsen im Gesicht.

Ich brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, was vorgefallen war. Erzürnt und gleichzeitig verwirrt schnappte ich die Karte und wollte sie zunächst zerreißen. Doch etwas hielt mich davon ab. Ich riskierte einen Blick. Christopher Lang war Anwalt und ich hatte nun nicht nur die Anschrift seines Büros, sondern auch noch eine Festnetz- und Handynummer, wie auch eine Emailadresse. Schmunzelnd verfrachtete ich die Karte in mein Portemonnaie und schleppte mich nach Hause.

Um ehrlich zu sein besitze ich sie noch immer. Ja, sie hat irgendwie diesen sentimentalen Wert erlangt, obschon sie bereits fast unleserlich ist, da ich sie ständig mit mir herumtrage und oftmals begutachte. Einfach, um mich an dieses erste, recht seltsame Treffen zu erinnern. Wahrscheinlich hätten sie viele an meiner Stelle weggeworfen und hätten die gesamte Geschichte verflucht, sie in die Vergangenheit gestoßen und wären nie wieder in diesen Park gegangen.

Nun. Ich tat dies nicht.

Natürlich ließ ich mir mit meinem Vorgehen etwas Zeit. Eine so deutliche Abweisung zu verarbeiten dauerte natürlich ein wenig, ich musste mein Ego erst einmal wieder zusammenbasteln. Allerdings hatte sein „Ich aber nicht mir dir“, auch eine Art Kampfgeist in mir erweckt. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass ich es mir als Ziel setzte, Christopher Lang ins Bett zu kriegen.

Ich war eigentlich schon immer recht zufrieden mit meinem Aussehen, liebte mein dunkelbraunes Haar, welches im matten Licht für viele schwarz erschien, und sich ohne vielen Aufwand perfekt über meine Stirn legte, die mandelartigen, schokoladenfarbigen Augen, die ich dank der Gene meiner Mutter erlangt hatte. Ich war um die 1,80 m groß, war schlank, vielleicht nicht gerade das, was man als muskulös bezeichnen konnte, aber daran konnte man ja arbeiten. Und das tat ich auch.

Ich schrieb mich in ein Fitnessstudio ein, welches ich regelmäßig besuchte. Ab und an auch zwischen einzelnen Vorlesungen. Ich studierte BWL, studiere es immer noch. Manchmal ging ich schwimmen, oder betrieb Hanteltraining zu Hause. Ich bin noch immer kein wahrer Muskelprotz und dies war auch niemals meine Absicht. Allerdings nahm mein Körper doch etwas mehr an Form an.

Es war Ende Januar, als ich mich spontan entschloss meine Bücher zu schnappen und in den Park zu gehen. Kurz blieb ich an dem Café stehen und erinnerte mich an sein Grinsen. Bei diesem mentalen Bild wurde mir warm, obschon die Temperatur um mich herum zu wünschen übrig ließ und alles andere als nur ansatzweise angenehm war. Nichtsdestotrotz setzte ich mich auf eine Bank an einer Stelle, die er nur all zu gut von seinem Büro aus beobachten konnte. Ich grinste, während ich eine alte Klausur anfing zu bearbeiten.

Nach ungefähr zwei Stunden, als ich bereits mehr als durchgefroren war, innerlich fluchte und mich erheben wollte, kam er.

„Ich dachte, du wolltest anrufen?“, neckte er mich, als er, die Hände in den Manteltaschen vergraben, vor der Bank halt machte und mich mit seinen kühlen Augen in Betracht nahm.

„Wer sagt denn, dass ich wegen dir hier bin?“, gab ich sicher zurück und grinste spitzbübisch. Er lächelte eisig.

„Hm“, machte er dann und schaute sich um. „Ich glaube kaum, dass jemand sonst auf so eine äußerst debile Idee kommen würde, an solch einem Wetter das Lernen in einem Park fortzusetzen. Vor allem nicht, wenn man so weit weg von ihm wohnt, wie du“, fügte er mit diesem bissigen Grinsen dazu.

Ich hob meine Augenbraue. „Woher weißt du denn bitteschön, wo ich wohne!?“, fauchte ich ihn an. Umgehend setzte er sich neben mich, ich konnte seinen Oberschenkel spüren, doch ich rückte nicht ab. Er drehte mir seinen Kopf zu und sein warmer Atem strich über meine Lippen. Ich erstarrte, als er mir meine genau Adresse entgegen wisperte.

„Überrascht?“, hakte er amüsiert nach. Ich schüttelte den Kopf, obwohl alles andere in mir „JA!“ schrie. War er mir eines Tages gefolgt? Wenn ja, dann musste er zwangsläufig an mir interessiert sein. Eine Art Zufriedenheit und Aufregung erfasste mich.

„Nun, wenn du nicht wegen mir hier bist, dann gehe ich wieder. Ich habe keine Lust meine Zeit zu verschwenden“, sprach er während er aufstand, seine Stimme immer noch leicht belustigt.

„Warte!“, rief ich umgehend aus und befand mich ebenso schnell bereits auf den Beinen. Er musterte mich mit einem amüsierten Grinsen.

„Ja, bitte?“, fragte er blasiert.

„Ich... War vielleicht doch wegen dir hier“, brachte ich stockend heraus.

„Ach, wirklich!“, seine Ironie war nicht zu überhören. Irgendwie machte er mich nervös. Und ich wusste nicht, was zu sagen war. Dieser Umstand geschah nicht oft. Überhaupt gab es wenige Personen, die mich durcheinander brachten, so wie Christopher es tat. Normalerweise hatte ich weniger Schwierigkeiten meinen Gedanken Laut zu verschaffen, als sie zurück zu halten.

Plötzlich hielt er mir sein Mobiltelefon direkt unter die Nase. „Na mach schon!“, forderte er mich auf. „Tipp deine Nummer ein.“ Ich gehorchte, ohne etwas zu entgegnen und er lächelte zufrieden, als ich ihm das Gerät übergab. „Wir gehen morgen Abend aus, ich schicke dir den genauen Zeit- und Treffpunkt per SMS“, gab er kund und verabschiedete sich bereits. Ich schaffte es nicht, etwas zu sagen, er hatte bereits auf dem Absatz kehrt gemacht und schlenderte hinfort und mir blieb nichts anderes übrig, als mich auf den Heimweg zu machen und die ganze Nacht über an ihn zu denken und mich zu wundern, an was für einen Mann ich da geraten war.

Manchmal wundere ich mich noch immer, wenn ich an die Vergangenheit denke und sie mit der Gegenwart vergleiche. Christopher bringt mich auch heute noch völlig aus dem Konzept und lässt mich Sachen sagen und Dinge tun, die ich normalerweise nicht von mir erwartet hätte.

Ich muss schmunzeln, als ich an unser erstes, von ihm beschlossenes „Date“ denke.

Ich bekam am folgenden Tag tatsächlich eine SMS von ihm. Eine Adresse. Eine Zeit. Und ein „Zieh dich gut an.“ Das war der gesamte Inhalt der Nachricht. Keine Grüße, keine Smiley, keine weiteren Fragen. Ich befand, dass die Mitteilung Christophers Art vollkommen entsprach. Vielleicht wären andere an meiner Stelle nicht auf diese Einladung eingegangen? Vielleicht interessiert mich das aber auch gar nicht?

Zieh dich gut an.

Ich brauchte keine lange Überlegungszeit, griff beinahe blind nach meinem einzigen, mattschwarzen Anzug, den ich in meinem Kleiderschrank hängen hatte. Ich richtete meine Haare, benutzte das gute Aftershave und legte meine schwarze Jacke an, warf den ebenso dunklen Schal um den Hals.

Ich kam an der angegebenen Adresse zehn Minuten vor dem vereinbarten Treffpunkt an und musste schmunzeln. Es war die alte Energieleitzentrale, die vor einigen Jahren zu einer Kunst- und Partylocation umgebaut worden war, in der meistens Alternativveranstaltungen stattfanden, ebenso wie zahlreiche Gay- und Lesbianparties. Heute allerdings, so ließ mich das große Schild am Haupteingang stark vermuten, fand dort eine erotische Kunstausstellung statt.

Ich musterte die Besucher, die an mir vorbeigingen. Die meisten trugen schwarze lange Mäntel. In zahlreichen Gesichtern konnte ich silberne Stecker jeglicher Art entdecken, an anderen freigelegten Hälsen blitzten Lederhalsbänder mit dicken silbernen Ringen auf. Manche Frauen waren stark geschminkt und in anderen Fällen waren es die Männer, die ihre Augen mit schwarzem Kajal unterstrichen hatten. Ich grinste, als ich eine junge Frau erblickte, die ihren Gatten wortwörtlich an der Leine in das Lokal führte.

„Ein hübscher Anblick, nicht wahr?“, ertönte eine dunkle Stimme neben mir, die ein leichtes Erzittern bei mir auslöste.

„Christopher“, grüßte ich ihn mit fester Stimme, die dennoch beinahe versagte, als ich mich ihm zuwendete. Seine elegante dunkle Hose hob die wohlgeformten Beine deutlich hervor, ein pechschwarzes Hemd betonte die muskulöse Brust. Aber es war vor allem die schneeweiße Krawatte, die meine Aufmerksamkeit erlangte, hatte ich so eine Kleiderkombination vorher noch nie gesehen. Christopher hielt sein düsteres Jackett leger in seiner Hand und grinste mich zufrieden an.

„Freut mich, dass du gekommen bist, Niko“, sagte er so mild, wie nie zuvor.

„Äh, ja“, brachte ich hervor, denn mehr Worte wollten nicht aus meinem Mund kommen.

„Wollen wir?“, fragte er und deutete auf den Eingang. Ich nickte und wir setzten uns in Bewegung.

Bereits im Eingangsbereich roch es nach Räucherstäbchen, nach Opium und Jasmin, einer verwirrenden Mischung, die dennoch angenehm erschien. An der Garderobe konnte ich meine Jacke abgeben. Christopher taxierte mich fachmännisch dabei und ließ seinen Blick ungeniert über meine Erscheinung wandern. Er nickte scheinbar anerkennend und wir betraten den Hauptsaal, nahmen eines der uns angebotenen Champagnergläser entgegen und schlenderten zum ersten Kunststück.

Aktfotografie stellte den Hauptbereich der Ausstellung dar. Ich ließ meinen Blick über zahlreiche nackte Brüste wandern, betrachtete Bilder von ansehnlichen Frauen Mitte 20 in verführerischen Posen, die filigranen Finger um dicke, schwarze Ansätze von Peitschen gewickelt hatten, begutachtete Fotos von Pärchen, die zur Hälfte von Sand bedeckt waren, oder von Rosenblättern

Oder mit verschiedensten Seilen gefesselt waren.
An schwarze Vorrichtungen mit silbernen Handschellen gekettet waren.

Christopher grinste hämisch, als wir an ein großes Bild herantraten, welches mehrere Männer beim scheinbaren Fetisch-Spiel zeigte. Ihre Geschlechter waren erigiert, der Mann in der Mitte war mit einem Ball geknebelt worden und an eine Art Kreuz gebunden; an seinen Brustwarzen hingen Klemmen, an denen wiederum Seile angebracht worden waren, die die zwei Männer recht und links von ihm in der Hand hielten und daran zogen; an seinem steifen Glied trug der Mann in der Mitte eine lederne Vorrichtung die ihn entweder vom Kommen hinderte, oder Schmerz in diesem Zustand zufügen musste.

Ich schluckte. Das Bild hatte etwas höchst Erotisches.

„Gefällt es dir?“, fragte Christopher mich plötzlich und ich realisierte seinen Blick, mit dem er mich begutachtete. Ich legte den Kopf schief und betrachtete das Bild noch etwas länger. Ich musste ihm gar nicht antworten. Er schmunzelte und bedeutete mir weiter zu gehen.

Wir sahen uns Gemälde an, Pflanzen, die Geschlechtsteile darstellen sollten, verarbeitete Haushaltsmittel, die zu Sextoys umgerüstet worden waren, schließlich Bodypainting im separaten Raum. Nackte Frauen und Männer ließen sich von ihrem Partner vor den Augen der Zuschauer anpinseln. Ihr Lächeln und Grinsen verriet mir, dass es ihnen gefiel, wie der Pinsel mit den grellen Farben ihren Körper erforschte und seine Spuren auf ihm sichtbar hinterließ.

Langsam wurde mir wirklich warm. Vielleicht lag es auch am Champagner? Ich hatte schon lange nichts mehr getrunken.

„Lass uns an die Bar gehen“, schlug Christopher nach einer längeren Weile vor und ich nickte erneut. Wir ließen uns auf den zwei gepolsterten Hockern in der Ecke nieder. Die meisten Gäste zogen die kleinen Tische mit den ebenso kleinlichen Sesseln vor, beinahe niemand hatte an der Theke Platz genommen.

„Was trinkst du?“, fragte er mich und seine Stimme ließ mich innerlich erzittern.

„Long Island Icetea“, gab ich heiser zurück und er grinste.

„Ein Klassiker“, kommentierte er dann und winkte den Barmann heran. Für sich bestellte er nur ein Wasser. Als ich ihn fragend ansah, erklärte er: „Irgendwer muss dich doch noch nach Hause fahren, oder nicht?“

Ich fragte mich, ob in dieser Aussage eine versteckte Botschaft lag, eine Anspielung auf den weiteren Verlauf des Abends.

„Also Niko“, fuhr Christopher fort, als der Barkeeper uns unsere Getränke servierte. „Erzähl mir etwas von dir.“

Wo sollte ich anfangen?

„Ich studiere BWL“, sagte ich. „Im mittlerweile zweiten Semester.“

„Wie spießig“, bemerkte er gelangweilt.

„Und Jura ist nicht spießig, oder was?“, fauchte ich, doch er grinste einfach nur.

„Ich meinte nur deine Vorgehensweise“, sagte er ruhig und ließ seinen Blick erneut über meinen gesamten Körper wandern. „Erzähl mir etwas über deine Person, nicht über das, was du tust oder tun musst.“

Ich nahm einen kräftigen Schluck des Long Drinks und blickte erneut in diese blauen Augen, die mich nicht aus dem Visier nahmen. „Okay“, sagte ich dann und wurde mutiger, weil mich seine arrogante Art so langsam zum Weißglut brachte, auch wenn sie ihn gleichermaßen attraktiver machte. „Ich bin stockschwul und ich stehe darauf, wenn ein richtiger Mann mich so richtig durchnimmt. Ich habe meine Mutter das letzte Mal vor drei Jahren gesehen und zu meinem Vater bin ich nur nett, weil er mir mein Studium und meine Bude finanziert. Ich bin ein emotionales Arschloch und habe es bis jetzt geschafft jedem meiner Freunde das Herz zu brechen, ohne dabei ein wirklich schlechtes Gewissen zu haben. Außerdem habe ich meinen Führerschein verloren, weil ich im betrunkenen Kopf über eine rote Ampel gefahren bin und bin heilfroh darüber, weil ich Autofahren hasse. Was noch? Ach ja, ich stehe auf chinesisches Essen und asiatische Horrorfilme. Theoretisch schaue ich die fast jeden Tag. Ich habe nur wenige Freunde, aber das ist mir nur recht. Ich verkrieche mich gern und verbringe das ganze Wochenende gerne mal allein in meiner Bude“, ich trank einige große Züge des Long Island Iceteas.

„Du bist ein sympathischer junger Mann“, ertönte Christophers Stimme und er grinste, was mir eine kleine Gänsehaut bescherte.

„Du bist dran“, forderte ich ihn auf.

„Ich bin Anwalt“, sagte er fies lächelnd und ich verdrehte die Augen.

„Wie spießig“, gab ich ihm seinen vorigen Kommentar mit einer von Sarkasmus gespickten Stimme wieder.

„Nun gut, Niko“, willigte er bedächtig ein und blickte mir tief in die Augen. „Ich bin ein böser, böser Mann und du solltest dich nicht mit mir abgeben“, sagte er dann. Das diabolische Lächeln zierte weiterhin sein Gesicht.

„Ich glaube, ich bin alt genug um zu entscheiden, mit wem ich mich abgebe oder nicht“, zischte ich und ich hätte schwören können, ein milderes Lächeln auf dem Gesicht meines heutigen Begleiters gezaubert zu haben.

„Das hoffe ich doch“, sagte er sanft und bestellte mir einen weiteren Drink.

Ich hatte wirklich schon lange mehr keinen Alkohol konsumiert.
Als er mich zu seinem Wagen führte, war mir bereits leicht schwindelig.

Die Adresse musste ich ihm nicht mitteilen. Er wusste sie schließlich. Als der Wagen stehenblieb, sah ich ihn erwartend an und war mir nicht sicher, ob er auf eine Einladung wartete, doch als er ohne etwas zu sagen ausstieg und mir die Tür öffnete, war ich der Meinung, diese Frage hätte sich mit seinem Vorgehen erledigt. Ich behielt Recht.

Interessiert ließ er seinen Blick über die wenigen Gegenstände meiner Wohnung wandern, die aus nur zwei Zimmern bestand und anstatt einer Küche eine klägliche Kochnische besaß. Der Flur war eng und mit einer Kommode beinahe schon ausgefüllt.

Ich weiß nicht, ob es der Alkohol war, oder die Tatsache, dass ich seit der Trennung mit Marcel vor einigen Monaten keinen Sex mehr gehabt hatte, aber ich warf meine Jacke in die Ecke und streifte mir auch im schnellen Tempo letztendlich das Hemd vom Leib. Ich spürte seinen Blick auf meiner nackten Haut umgehend, wie er forschend meinen entblößten Rücken inspizierte und schließlich seinen Blick über meine Brust wandern ließ, als ich mich ihm erneut zudrehte.

„Willst du etwas trinken?“, fragte ich ihn, doch er schenkte mir keine Antwort.

Seine Hand packte mich stattdessen gebieterisch am Arm und zog mich direkt gegen seine harte Brust. Ich erwartete einen Kuss, doch ich wurde enttäuscht. Seine arktischen Augen bohrten sich in die meinigen und erst nach und nach schlich sich ein Grinsen wieder in sein Gesicht.

„Ich könnte so viele Dinge mit dir anstellen“, zischte er dann und sein Blick war so durchdringend, dass mir unwillkürlich noch heißer wurde.

„Fick mich“, wisperte ich heiser und konnte gewisse Aktivität in meinem Lendenbereich nicht mehr zurückhalten. Ich drückte mich noch weiter an ihn und begann meinen Körper an ihm zu reiben. Er lächelte kalt und wirbelte mich dann mit nur einer einzigen Bewegung herum, sodass ich schmerzhaft mit meinem Vorderkörper gegen die Schlafzimmertür prallte. Er presste mich mit dem Gewicht seines Körpers gegen das harte Holz, während er mein rechtes Handgelenk mit seiner Hand über meinen Kopf pinnte.

„Das ist komplizierter als du denkst, Niko“, wisperte er streng in mein Ohr. Sein heißer Atem kitzelte mein Ohr und mein Herz machte bei seinen Worten einen kleinen Sprung.

„W-wieso?“, brachte ich heraus und er gluckste gefährlich.

„Zum einen stehe ich nicht so auf One-Night-Stands“, sagte er kalt, doch seine freie Hand wanderte zärtlich über meine freigelegte Seite. „Ich hasse diesen ganzen Kondomaufwand, weißt du…“, fuhr er leicht ironisch fort. „Und diesen schnellen, bedeutungslosen Sex zwischen zwei Fremden, der nicht genügen Spielraum bietet, um völlig aus sich hinaus zu treten und sich vollends den Gelüsten hinzugeben“, hauchte er in mein Ohr und biss leicht hinein. Ich konnte mein Stöhnen nicht unterdrücken, obwohl sich bei seinen Worten eine unangenehme Gänsehaut auf meiner Haut ausbreitete. „Ich bin kompliziert“, beendete er seine Erklärung kalt und ließ von mir ab.

Als ich mich umdrehte, vollends hart und bereit fürs Liebesspiel, richtete er seinen Mantel gerade und warf sich seinen Schal um.

„Ruf mich nächsten Freitag an“, sagte er im befehlshaberischen Ton und nickte mir mal wieder zum Abschied zu. Bevor ich reagieren konnte, hatte er meine Wohnung bereits verlassen.

Ich war leicht verwirrt, natürlich. Dafür aber umso geiler. Ich ließe mich aufs Sofa sinken und legte selbst an mir Hand an, dachte an Christopher und seine rauen Hände, stellte mir vor, wie sie meinen Körper erkundeten, malte mir aus, wie Christopher mit seinem harten Schwanz in mich stoßen würde…

Als ich kam war ich erschöpft, immer noch durcheinander und einen Funken amüsiert über eine Situation, die ich mit keiner aus meiner Vergangenheit vergleichen konnte.




Ich bleibe vor dem Gebäude stehen. Sein Büro liegt immer noch in der vierten Etage. Christopher wartet auf mich. Ich schüttle schmunzelnd den Kopf. Wer hätte gedacht, dass ich diesen Mann mal so abgöttisch lieben würde?
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